Test: Spectrasonics Omnisphere 2
Die allgemein hohe Anerkennung von Omnisphere 1 und nicht zuletzt das erstklassige Marketing hat die Spannung bis zur Veröffentlichung von Omnisphere 2 stetig steigen lassen. Kommt hier der ultimative virtuelle Klangerzeuger? Wir haben uns Omnisphere 2 genau angesehen.
Hinweis: Das oben abgebildete Startfenster zeigt Trilian-Patches auf, die nur bei einer vorhandenen (und nicht zum Lieferumfang gehörenden) Trilian-Installation erscheinen. Soweit Trilian-Sounds bei den Audiodemos verwendet wurden, habe ich das kenntlich gemacht.
Zusammenfassung
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Auf den Punkt gebracht
Das enorme Kreativpotential, das in vielen Instrumenten der Library steckt, sucht seinesgleichen. Eric Persing und seine Crew haben sich in puncto Klangdesign selbst übertroffen.
Man wird trotz der umwerfenden Werkssounds nicht lange warten, bis man eigene Klangkreationen entwirft. Lange nächtliche Klangforschungen sind vorprogrammiert.
Omnisphere 2 kann man definitiv nicht als „Schnäppchen“ bezeichnen, doch in Anbetracht der Qualität und des Leistungsumfangs ist Omnisphere 2 ohne Zweifel jeden einzelnen Cent wert.
Benutzer-Bewertung
( Stimmen)Inhaltsverzeichnis
1. Rückblick
2. Überblick
3. Installation
4. Browser und Klangangebot
4a. Der Multi Browser
4b. Der Patch Browser
5. Bearbeitung von Klangquellen
6. Die Filter
7. Die Modulationsmatrix
8. Das Orb
9. Der Arpeggiator
10. Die Effekte
11. Der Live-Mode
12. Der Stack-Mode
13. Audio Import
14. Latch- und Trigger-Mode
16. Bedienung, Bugs, Systemlast
17. Fazit
1. Rückblick
Spectrasonics Mastermind Eric Persing blickt auf eine lange Karriere als Studiomusiker, Komponist, Produzent und nicht zuletzt als Sounddesigner zurück. Von 1984 bis 2005 arbeitete er als Chef-Sounddesigner für Roland Japan. Kaum eine klangerzeugende Roland-Hardware, sei es ein Synthesizer, Sampler oder eine Drum-Machine, entstand in dieser Zeit ohne Eric Persing – Sounds. Hinzu kamen einige thematisch spezialisierte Sample-Libraries für Roland.
1994 gründete Persing mit Spectrasonics ein eigenes Unternehmen und entwickelte nach Sample-Libraries wie etwa Distorted Reality 1 und 2 die virtuellen Klangerzeuger Atmosphere, Stylus, Trilian und Omnisphere. Der Klang aller dieser Instrumente trägt die unverwechselbare Handschrift von Eric Persing: Sie produzieren einen effektvollen, bisweilen spektakulären, durchsetzungsfähigen und meist transparenten und klaren Sound. Ob Lo-Fi oder Hi-Fi, fast immer sind sie das Ergebnis kreativen, einfallsreichen auch eigenwilligen Klang-Designs.
Auch die Architektur ist keine Nachahmung anderer etablierter Mitbewerber, sondern setzt im Gegenteil eigene Akzente, liefert innovative Funktionen, die man anderswo vergeblich sucht und die Vorbildcharakter haben. Beispiele sind etwa die Anpassung der Mikro-Rhythmik zwischen verschiedenen Grooves, die mit Stylus RMX (aber auch zwischen Stylus und Omnisphere im Austausch) möglich ist, oder das algorithmisch definierte Klangfeld-Morphing mit Orb bei Omnisphere, welches anders als ein klassisches XY-Pad zyklische Soundfahrten ermöglicht.
Mit Atmosphere knüpfte Eric Persing an die kreativen Sounds und Klangcollagen von Distorted Reality an. Atmosphere lieferte zahlreiche inspirierende und komplexe Klänge und Klangverläufe, die vielfach für sich alleine bereits Mini-Kompositionen darstellen. Einige dieser Klänge finden sich auch in Omnisphere 2 wieder.
Omnisphere 1 erweiterte das Atmosphere-Konzept um zahlreiche neue Klänge und Funktionen wie etwa dem bereits erwähnten Orb. Neben dem Repertoire an spektakulären Pads und Effektklängen aller Art hielt nun auch die rhythmische Seite mit Beats, Grooves, Arpeggios und Sequenzen Einzug.
2. Überblick
Omnisphere 2 beinhaltet neben den zahlreichen Neuzugängen die komplette Omnisphere 1 – Bibliothek. Omnisphere 2 ist achtfach multitimbral: Acht Patches können als Multi über individuelle MIDI-Kanäle gespielt, als Velocity-Layer übereinandergelegt oder als Splits bestimmten Tastaturzonen zugewiesen werden. Im Live Mode können acht Patches per Key-Switch umgeschaltet werden.
Acht Stereo-Ausgänge erlauben die separate Abmischung der Patches und das Konfigurieren von Multis für Mehrkanalprojekte. Pro Patch stehen zwei Sounds als Layer zur Verfügung.
Nach wie vor ist Omnisphere eine riesige Fundgrube für filmmusikreife, praktisch fertig produzierte Klänge, die einfach nur noch eingesetzt werden wollen – oder als Grundlage für eigene Klangexperimente dienen, denn Gestaltungsmöglichkeiten für eigenes Klangdesign stehen reichlich zur Verfügung. Ganze 4500 neue Sounds ergänzen das ohnehin nicht gerade schmalbandige Repertoire des Vorgängers. Insgesamt stehen mehr als 12.000 Sounds zur verfügung. Rund 50 GB Samples und Wellenformen stellen schon rein mengenmäßig eine beachtliche Größe dar.
Da ist es beruhigend, dass der Browser überarbeitet wurde und nun über eine Sound Match – Funktion verfügt, die zu einem bereits gewählten Klang passende weitere Patches sucht. Die vergrößerte Oberfläche integriert zudem einen ständig verfügbaren Mini-Browser.
Einen deutlichen Zuwachs an den sogenannten psychoakustischen Klängen, hunderten Circuit Bend Samples sowie ominösen „Melodic Cave Stalactites Soundsources“ machen neugierig.
Hierzu haben sich Eric Persing und Stephane Pigeon in eine radioaktive (!) Höhle begeben und mit Holzschlegeln den Stalaktiten melodiöse Klänge entlockt.
Wie dem Klang anzumerken ist, ging man dabei einigermaßen behutsam vor:
Viele Ambient-Aufnahmen anderer Anbieter, die unter ungewöhnlichen Bedingungen entstanden sind, leiden unter unerwünschten Nebengeräuschen und Rauschen. Davon ist beim vorliegenden Sound nichts zu hören. Dazu ist auch noch ein tonal spielbares Instrument entstanden. Eine echte Meisterleistung.
Es versteht sich seit Omnisphere 1 jedoch von selbst, dass nicht nur Filmmusikkomponisten auf ihre Kosten kommen: Auch an Rhythmik ist neues Material hinzugekommen, zu finden in der Kategorie ARP + BPM. Der Fokus liegt hier bei EDM. Omnisphere goes Club/Dance.
Zur Auflockerung ein weiteres Audiodemo: Poppie Pluckers mit ORB-Modulation:
Hier sind zwei Layer im Einsatz: Eine Wellenform und Jupiter 8 – Samples:
Die Liste der Neuerungen ist lang. Hier einige Highlights, die ich oben noch nicht erwähnt habe:
- Neben dem enormen Zuwachs an Werksklängen gibt es 400 neue DSP Wellenformen für den Synth Oszillator.
- Neu für Omnisphere ist die Wavetable-Synthese. Durch jede Wellenform kann jetzt gemorpht werden.
- Eigene Audiodateien können in beliebiger Länge importiert werden.
- Ein Granular-Algorithmus erlaubt tiefe Eingriffe in die Klangfarben. Für seinen Einsatz sollen vor allem die neu hinzugekommenen gesampelten Phrasen geeignet sein.
- Die Modulationsmöglichkeiten sind mit neuen Modulationsquellen und -zielen erweitert worden.
- Die Effektauswahl ist mit 25 neuen Modulen erheblich erweitert worden. Speziell einige Amp/Speaker-Simulationen dürften nicht nur für rockige Sounds gut sein, sondern auch spannende Lo-Fi-Experimente ermöglichen. Pro Patch können bis zu 16 Effektmodule eingesetzt werden – da kann manche CPU ins Schwitzen geraten. Angenehm und bei virtuellen Synthesizern nicht überall üblich ist, dass alle Effektparameter moduliert werden können.
- Acht neue Filtertypen sind an Bord, darunter Resonatoren.
- Klangquellen können rückwärts abgespielt werden
3. Installation
Nach dem Erwerb erhält man eine Seriennummer, die man im Spectrasonics Download-Manager einträgt. Das Upgrade von Omnisphere 1 umfasst 18,6 GB (Downloadgröße), die gesamte Library belegte auf unserem Testsystem nach dem Upgrade rund 59 GB. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zur Herstellerangabe mit einem Festplattenbedarf von 50 GB für die Komplettversion.
Der Unterordner Soundsources beansprucht mit 57 GB den Löwenanteil. Hier wiederum finden sich die Schwerpunkte bei den Abteilungen „Psychoacoustic“ mit 19 GB und „Synthesizers“ mit 12 GB. Alle anderen Ordner liegen im einstelligen GB-Bereich. Der Ordner „InstrumentMultisamples“ ist seltsamerweise leer. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Multisample-Instrumente vorhanden sind. Das Gegenteil ist der Fall: Im nächsten Kapitel werden wir auf einige aufwändig konstruierte und RAM-fressende Superklänge mit fortgeschrittenem Sample-Management stoßen.
Je nach Geschwindigkeit des Internetzugangs und der Wahl des Updates oder Komplettpakets kann der Download Stunden oder Tage dauern. Laut FAQ-Seite des Herstellers steht das Upgrade derzeit nur als Download zur Verfügung, die Komplettversion für Neueinsteiger zusätzlich als Box mit acht DVDs. Über den Spectrasonics Techshop können registrierte Nutzer Omnisphere 2 gegen eine vergleichsweise moderate Zuzahlung zusätzlich zum Download und den DVDs auch in anderer Form ordern, etwa auf einer USB-Festplatte.
Der Download des Upgrades vollzog sich in unserem Fall ungebremst mit der maximal zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit unseres Internetzugangs. Der Spectrasonics Server erwies sich trotz vermutlich starkem Zugriff wenige Tage nach Veröffentlichung des Produkts nicht als Flaschenhals.
Auf der Festplatte werden vier Ordner angelegt. Die anschließende Installation erfolgt in der Reihenfolge dieser vier Ordner, also in vier Schritten, wobei Schritt 3 lediglich von Trilian-Besitzen, Schritt 4 nur von Besitzern der Bob Moog Tribute Library vollzogen werden muss. Diese anderen Spectrasonic-Instrumente werden dadurch zu Omnisphere 2 kompatibel.
Spectrasonics warnt ausdrücklich vor ernsthaften Systemproblemen für den Fall, dass Schritt 3 und 4 vorgenommen werden, ohne dass Trillian oder die Bob Moog Tribute Library installiert sind. Es folgen weitere Warnungen, etwa Ordner zu verschieben oder den STEAM-Ordner des Downloads, der den Inhalt der Library beherbergt, manuell zu verschieben. Auch wird darauf hingewiesen, dass ein Zurück zu Omnisphere 1 problematisch ist, da der Inhalt der alten Library überschrieben und modifiziert wird. Sicherheitshalber solle man eine Kopie des Omnisphere 1 STEAM-Ordners anlegen.
In der Summe erwecken diese eher unüblichen Warnhinweise die Befürchtung, dass sich die Installation als fragiler Prozess erweisen könnte, und man hofft nur, dass alles gut geht. Es läuft jedoch, das sei vorweggenommen, alles glatt.
Also – packen wir´s an. Im Ordner Step 1 – Software Upgrade finden sich zwei Unterordner, Mac und Windows, mit den jeweiligen Setup-Programmen.
Während der Installation kann man sich entscheiden, ob die 32 oder die 64-Bit-Version installiert werden soll. Auch der Zielordner für das Plug-in kann gewählt werden. Auf unserem Testsystem wurde er automatisch richtig erkannt. Welche Plug-in Formate installiert werden, kann man hingegen nicht entscheiden. Auf unserem Testsystem (mit Cubase 7) wurde neben der VST-Variante unnötigerweise auch RTAS und AAX installiert.
Step 1 ist damit erledigt. Nun geht es weiter mit Step 2 – Data Upgrade. Hier findet sich neben dem Mac- und Windows- auch der STEAM-Ordner. Diesen Ordner sollte man unbeachtet lassen und erst recht nicht auf die Idee kommen, seinen Inhalt manuell in den (bei Omnisphere 1 Besitzern) bereits vorhandenen STEAM-Ordner zu kopieren. Das erledigt alles das Data-Setup-Programm.
Auf unserem Testsystem wurde der vorhandene STEAM-Ordner automatisch gefunden. Falls nötig, kann man hier auch den Pfad eingeben.
Step 3 (Trilian Library Update) bewirkt, dass Trilian-Instrumente (Spectrasonics Bass-Library) innerhalb von Omnisphere 2 geladen werden können. Für das Trilian Update aus Omnisphere 2 ist mindestens die Version 1.4 von Trilian erforderlich.
Beim ersten Start dauert es ungefähr 40 Sekunden, gefühlte 5 Minuten, bis das Instrument auf dem Bildschirm erscheint. Es öffnet sich der Challenge-Response Autorisierungs-Dialog. Über den User-Account erhält man umgehend den Response-Code, der etwa eine halbe Buchseite füllen würde. Zum Glück muss man ihn nicht abschreiben oder auswendig lernen, sondern per Copy & Paste im VSTi einfügen. Anschließend schließt und öffnet man die Instanz (was dieses Mal lediglich zwei Sekunden in Anspruch nimmt). Das war´s.
Beim ersten Versuch, einen Sound zu laden erscheint diese Meldung:
Huch? Ich klicke auf o.k. und hoffe, dass Omnisphere dieses Problem selbst löst. Und ja, da scheint so zu sein. Wozu der Dialog überhaupt nötig ist, bleibt schleierhaft.
Neben dem Download bietet Spectrasonics (bzw. die Einzelhändler) inzwischen die komplette Produktpalette auch auf USB-Festplatten an (s. Pressemitteilung aus Dezember 2015).
4. Browser und Klangangebot
Omnisphere bietet einen Multi-Browser, einen Patch-Browser und einen Soundsource Browser, außerdem mehrere Aufklappmenüs mit Presets, etwa für den Arpeggiator oder temposynchrone, rhythmische Modulations-Hüllkurven mit zahlreichen Ankerpunkten.
Bevor man mit dem Surfen durch die Library anfängt, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Browser-Settings zu werfen:
- Hier kann die Vorhörfunktion Auto-Play (mit wählbarer Note und Länge) eingeschaltet werden. Wie wir noch sehen werden, kann man hierauf gut verzichten, vor allem, wenn man im Settings-Menü „Streaming“ angeklickt hat.
- Progressive Loading ermöglicht ein Spielen des gewählten Presets, auch wenn die Samples noch nicht vollständig geladen sind.
- Browser Synchronisation bewirkt, dass die eingestellten Attribute gleich bleiben, wenn man während des Browsens zwischen verschiedenen Parts oder Layern wechselt.
- Category Sensitive Attributes sorgt dafür, dass beim Wechseln von Kategorien jeweils die voreingestellten sinnvollen Attribute verwendet werden. Will man bei einer einmal eingestellten Attribute-Kombination bleiben, sollte man diese Funktion ausschalten. Beispiel: Sie möchten nur Omnisphere 2 – Sounds angezeigt bekommen. Dies erreichen Sie über das Attribut „Version“. Um Ihr Ziel zu erreichen, nehmen Sie „Version“ als Attribut einer der vier Browser-Spalten und schalten die Funktion Category Sensitive Attributes aus. Die anderen drei von Ihnen gewählten Attribute bleiben nun allerdings ebenfalls fixiert.
4a. Der Multi Browser
Über den Multi-Browser werden mehrere Instrumente geladen, die dann über separate MIDI-Kanäle angesprochen werden können.
Anstelle einer Vorhörfunktion gibt es eine kurze Soundbeschreibung.
Lädt man ein Multi, so werden die zuvor geladenen Instrumente ohne Vorwarnung überschrieben. Lädt man ein neues Patch, so sollte man unbedingt darauf achten, zuvor einen leeren Slot oder ein Instrument, welches ausgetauscht werden soll, anzuwählen. Das versehentliche Überschreiben bereits konfigurierter und nicht abgespeicherter Patches bedeutet den Totalverlust der vorangegangenen Arbeit, da es keine Undo-Funktion gibt.
Beim Ausprobieren des Multi-Browsers fiel ein erster kleiner Bug auf: Nachdem ich zunächst ein Bass-Multi geladen hatte, wurde dessen Grafik auf der Main-Page auch für die später geladenen Sounds angezeigt, obwohl diese mit einem Kontrabass nichts mehr zu tun hatten. Big Berthas Lead ist ein Club-Trance-Multi und bedient sich analoger Wellenformen.
Der Fehler verschwand nach einem Neuladen des Cubase-Projekts (Testsystem s. Anhang).
Unter den Multis gibt es neben Split- und Layer-Sounds (Stacked) auch Velocity- und Modulation-Wheel-Crossfades. Die hier angezeigte Auswahl an Velocity-Crossfades ist allerdings nicht besonders groß:
Bei den Big Bottle Hits Harmonics zeigt die Darstellung im Stack-Menü, dass hier bei höheren Anschlagsstärken zwei weitere Sounds hinzugemischt werden.
Hier ein kurzes Audiodemo mit den Big Bottle Hits Harmonics, bei dem ich die Anschlagsdynamik zum Setzen von Akzenten verwendet habe:
Die Big Bottle Hits Harmonics verwenden nur drei Instrumente, bieten sich also zur Aufrüstung mit weiteren Sounds in den Slots 4 bis 8 an. (Bei eingeschaltetem Stack Mode reicht ein einfaches Laden der Patches in leere Slots nicht. Zusätzliche Klänge müssen danach im Stack-Menü hinzugefügt werden. Mehr dazu am Ende des Tests im Kapitel Stack Mode.)
Das Preset Sleep Dep FX (es heißt wirklich „Dep“ und nicht „Deep“) zielt auf Backgrounds für Filmmusik. Hier erfolgt die Soundauswahl über die Anschlagsdynamik.
4b. Der Patch-Browser
Zunächst lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Browser-Settings zu werfen:
Um die riesige Auswahl in den Griff zu bekommen und zielgerichtet suchen zu können, stehen vier Attribute in Spalten bereit. Die Attribute können kombiniert, alternativ oder auch im Ausschluss verwendet werden. Es ist also möglich, sich beispielsweise Instrumente aus der Familie der akustischen Gitarren anzeigen zu lassen, die sich für Balladen eignen, jedoch alle Mandolinen auszugrenzen.
Hier ein Ausschnitt zum Angebot an String Machines:
Die möglichen Attribute:
Um die Lieblingssounds besser wiederzufinden, bietet sich die Rating-Funktion an. Bis zu fünf Sternchen können vergeben werden. Im Mini-Browser wählt man Sort by: Ratings, schon hat man die persönlichen Favoriten auf dem Bildschirm.
Das Klangangebot ist ebenso riesig wie außergewöhnlich, eine Kombination mit Seltenheitswert: Wo man auf eine große Masse an Klängen trifft, zappt man sonst eher ungeduldig durch die Presets, bis an den richtigen Klang gefunden hat. Bei Omnisphere 2 ist das nicht so: Sehr schnell schon bleibt man bei einem Sound hängen, schaut sich an, wie er gemacht ist und versucht sich vielleicht an ersten Modifikationen. Vieles wirkt neu, frisch, unerhört ungehört und inspirierend. Man neigt dazu, sich die Klänge auf der Zunge, oder besser: im Ohr zergehen zu lassen, was nicht zuletzt daran liegt, dass viele Patches über ein erlesenes Klangdesign mit sich entwickelnden, transformierenden und detailreichen Klängen verfügen. Auf diese Weise könnten Tage, wenn nicht Wochen vergehen, bis man das Potenzial an Werksklängen einigermaßen ausgelotet hat.
Eine virtuose Fingerfertigkeit ist dabei häufig nicht gefragt. Es reicht, ein paar Tasten zu halten oder Akkorde zu wechseln und dem zu lauschen, was sich da entfaltet. Wenn es einen Nachteil dieser in hohem Maße kreativen Sounds gibt, dann den, dass sie im Gegensatz zu knackigem Rohmaterial manch anderer Klangerzeuger bereits eine Richtung vorgeben und nicht unbedingt viel eigene Kreativität einfordern. Dass man trotzdem auch kreativ weitgehend ungebremst loslegen kann, werden wir im Verlauf des Tests noch sehen, Stichwort: Sample-Optionen, Oszillator-Funktionen, Modulationsmatrix, Effekte.
Eric Persing und seine Co-Artisten beherrschen beim Klangdesign auch die Kunst der Leere: Klänge, die das gesamte Frequenzspektrum für sich alleine beanspruchen und weitere Instrumente von vorneherein ausschließen, sind eher selten. Anstatt dessen trifft man auch auf brüchige Sounds, in deren Klangevolution regelrechte Löcher gefräst sind.
Attack the Massive ist solch ein Sound. Wunderbar rau, analog, atmosphärisch und mit viel freiem Raum:
Über Sound Match bietet sich eine weitere Such-Option an: Hier werden zu einem bereits gewählten Klang passende andere Instrumente angezeigt. Dabei kann es sich sowohl um ähnliche Alternativklänge als auch um ergänzende weitere Sounds handeln. Die Auswahl ist in der Regel üppig, die Funktion praxisnah.
Drei der mittels Sound Match zu Attack the Massive angezeigten Klänge habe ich hier zu einer neuen Geräusch-Textur übereinandergelegt. Die Titel sagen, wie bei vielen Presets, schon einiges über den zu erwartenden Klang aus: Glitching on the Radio, Glitching Calmness und Broken Circuits 2.
Glitching the Radio benutzt nur einen Layer. Über den Soundsource Browser habe ich „Grandma Dreams of Opera“ hinzugefügt:
Omnisphere 2 bietet aber nicht nur abgedrehte Texturen und Effekte, sondern auch bodenständige Sounds, klassische gesampelte Instrumente, analoge und digitale Synthesizer.
Neu hinzugekommen ist das Ethno-Instrument Meldive Islands, welches ein gläsernes Gamelan (mit Velocity-Layern) und einen experimentell gezupften und gestrichenen Bass (mit mehreren Round-Robin-Samples) kombiniert. Während das Gamelan den Grundklang bestimmt, liefert der Bass Anschlags-Nebengeräusche. Das Patch beansprucht erstaunliche 2,8 GB Arbeitsspeicher. (Wem das zuviel ist, der kann im Brower eine persönliche Lite-Version generieren lassen. Ob Round-Robins und Legato-Samples und ab welcher Anschlagsstärke Velocity-Layer verwendet werden, kann genau definiert werden.)
Dabei kommen diverse Effekte auf Layer- und auf Patch-Ebene zum Einsatz: Die Gamelan-Hits laufen über ein temposynchrones Echo, der Bass über einen Chorus und Stereo-Verbreiterer, beide zusammen benutzen Hall, Kompressor und Equalizer. Wer den Sound also trocken haben möchte, schaltet Echo und Hall aus und verkürzt die Release-Zeiten der beiden Layer.
Genau das habe ich für das folgende Audiodemo gemacht und die nun recht knackige und trockene Kreuzung aus Gamelan und Kontrabass für tonale Percussion genutzt. Den Rhythmus erzeugt der interne Arpeggiator, bei dem ich die Notenlänge der Steps und (sehr geringfügig) den Swing-Faktor mit einem LFO moduliert habe, um den Rhythmus abwechslungsreicher zu machen.
Als zweiten Klang habe ich Analogue Drama, ebenfalls ein Neuzugang in Omnisphere 2, benutzt: Hier kommen Wellenformen analoger Synthesizer (Prophet und Oberheim) zum Einsatz:
Ein Analogbass, der eine Komposition schon fast alleine bestreiten kann, ist der Deep Delirium Bass aus der Kategorie Electronic Mayhem (ebenfalls ein Neuzugang):
Liquid Sequence, Kick Me, Velocity Electrodrums (mit zusätzlichem Granular-Effekt), der schneidende Solo-Synth Cut Through the Club (der mich an den Jomox Sunsyn erinnert) und Crackle Bass (allesamt neu in Omnisphere):
Die Sounds, die auf Samples oder Wellenformen analoger Synthesizer zurückgreifen, sind vom Feinsten: Extrem detailliert, präsent und mächtig. Sie können mit angesagten Spezialisten auf diesem Gebiet locker mithalten.
Beim Sweep-Sound Drama King, der sich sehr gut als Opener eignet, kommen JD 800 und Oberheim-Wellenformen zum Einsatz:
Oberheim SEM und Jupiter 8 – Samples:
Im nächsten Audiodemo kommen wiederum Analogsounds zum Einsatz. In der Reihenfolge ihres Auftretens:
Der Effektsound am Anfang greift auf ein Moog Modular – Sample zurück. Der nach frühen Computersounds klingende Beat stammt von einem Casio SK 1 aus dem Jahre 1985 ergänzt durch ein knarziges Roland SH 101-Arpeggio.
Eine Kombination aus Korg MS 20 Puls-Wellenform und Streicher-Samples des Roland Juno 60:
Claps, die mit Rauschgenerator-Wellenformen erzeugt werden plus Preset KrafTwerk 2, ein Rhythmus, der die Welleformen von Noise- und Sinus-Oszillatoren nutzt:
Die zuvor verwendeten Patches klingen zusammen so:
Solche Kombinationen beanspruchen nicht wenig Rechenleistung. Auf unserem Testsystem erreichte die CPU-Leistungsanzeige etwa 70 Prozent mit Peaks bis zu 95%. Die Puffergröße habe ich dabei auf 128 Samples eingestellt, was zu einer Gesamtlatenz von etwa 6 ms führt. Eine Instanz von Omnisphere wird immer nur von einem Kern berechnet.
Testweise habe ich eine zweite Instanz von Omnisphere mit dem identischen Multi geladen, alle MIDI-Spuren dupliziert und das Mini-Arrangement doppelt abgespielt. Die CPU-Leistungsanzeige wies erwartungsgemäß in etwa die selben Werte wie beim Einsatz nur einer Instanz aus (weil die beiden Instanzen nun von zwei Kernen berechnet werden).
Arbeitet man an komplexen Arrangements und benötigt zum Einspielen niedrige Puffergrößen für ein Echtzeit-Feeling, so empfiehlt es sich, gegebenenfalls mehrere Instanzen von Omnisphere zu laden, und damit den Leistungshunger auf mehrere Kerne zu verteilen. Bei Multis, die auf den Live-Mode oder den Stack-Mode zugreifen, ist das allerdings nicht möglich.
Will man speziell mit gesampelten oder über Wellenformen nachgebauten analogen Legenden arbeiten, so erreicht man eine entsprechende Auswahl, indem man im Browser die Attribute Type → Analog Classics sowie Model verwendet. Auch Virus und Dave Smith´ Mopho sind mit dabei.
Kommen wir zu weitren samplebasierten Naturinstrumenten, die in Omnisphere 2 neu hinzugekommen sind:
Unter Bells and Vibes finden sich einige ethnische Instrumente, wie etwa die Zim`bira, die durch Anschlagen oder Zupfen von an einem hölzernen Resonanzkörper befestigten Metallzungen gespielt wird. Die Instrumente sind aufwändig gesampelt: Es kommen Velocity-Layer, Round-Robin-Samples und Release-Samples zum Einsatz.
Der Klang ist ebenso transparent wie zart und detailreich:
Im Menü Soundsource Zoom hat man zudem noch die Gelegenheit, die in der Lautstärke regulierbaren Release-Samples auszutauschen (in der folgenden Abbildung allerdings einschließlich der Trilian-Release-Samples, die nicht zu Omnisphere 2 gehören):
Über Transition Time bestimmt man, wie lange das Sustain-Sample ausklingt, nachdem das Release-Sample gestartet wird.
Hier die Alternative mit dem Rubi Moon Vibraslap Release:
Lieblich und nostalgisch klingen die Patches In Memorium 1 und 2. Hier wird die Zim`bira mit einem Plattenspielerrauschen und Knistern kombiniert.
Ein LFO mit Zufallswellenform moduliert dezent das Fine-Tuning beider Layer, was zu dem herrlich leiernden Klang führt.
Eine wunderschöne Spieluhr liefern auch die Samples des Hohner Guitaret, ebenfalls mit Velocity-Layern, Round Robins und Release-Samples ausgestattet.
Unter den Neuzugängen der Kategorie Bells & Vibes finden sich des weiteren eine Reihe von Effektklängen: Im weiten Raum schwebende, teils verfremdete Kirchenglocken beispielsweise.
Diese Klänge ergänzen die bereits in Omnisphere 1 enthaltenen Naturinstrumente wie Klangschalen, Glas-Vibraphon, Glocken in allen möglichen Variationen, vom Glockenspiel bis zu Domgeläut.
Bereits Omnisphere 1 hat bewiesen, dass man nicht nur Gitarren, allerlei ethnische Zupfinstrumente und Pianos mit dem Bogen spielen kann, sondern auch Wäscheständer und Fahrräder. Entstanden sind dabei neben verfremdeten Naturinstrumenten auch (Pseudo-) Walgesänge und zahlreiche atmosphärische, tonal spielbare Klänge mit sich ständig wandelndem Obertonspektrum.
Omnisphere 2 führt diese Reihe außergewöhnlicher Experimente fort. Beginnt man in alphabetischer Reihenfolge, so wird man von einem bellenden Cello (Bark Cello) begrüßt. Es folgt ein mit dem Bogen gestrichener Hut.
Im folgenden Audiodemo spielen beide im Duett. Der Hut übernimmt dabei die kürzeren Noten in höheren Lagen.
Mit ein paar Handgriffen kann man aus dem Hut auch einen Lo-Fi-Beat machen: Hierzu habe ich als Releasesample einen Kaffeekannen-Hit hinzugefügt und den Sound mit einem per LFO temposynchron modulierten Filter versehen. Der LFO regelt den Cutoff und produziert damit die Bassdrum. Damit ein Beat daraus wird, habe ich den Arpeggiator eingesetzt und die Hüllkurve des gestrichenen Huts auf ein Sustain von 350 ms mit einem Release von 65 ms gekürzt.
Ein zweiter Sound auf der Basis gestrichener Kalimbas fügt dem kratzigen Beat verstörend röchelnde Anti-Streicher hinzu.
Schließlich habe ich noch die Game Noise Snare aus Omnisphere 1 eingesetzt. Modifiziert mit dem neuen Resonator + – Filter aus Omnisphere 2 bekommt sie einen trocken klatschenden Sound.
Auch die Kategorie Distortion hat Zuwachs erhalten. Die verzerrten Klänge greifen in der Regel auf entsprechende interne Effekte zurück, wie etwa beim Preset Fuzz Crunch Guitaret, welches Samples des Hohner Guitaret aus dem Jahre 1963 benutzt. Bei dem Instrument handelt es sich um ein kleines elektrisches Daumenklavier.
Das Patch benutzt knapp zehn Sekunden lange Sustain-Samples als Round Robins, Velocity Layer und Release-Samples. Etwas mehr als 1 GB Arbeitsspeicher sind dafür nötig. Der Klang ist entsprechend abwechslungsreich und lebendig.
Neben dem Flame-Effekt, der hier gleich zweifach in Serie geschaltet verwendet wird …
… kommt der Ringmodulator des Oszillators zum Einsatz, um ein Feedback zu simulieren:
Der Sound Bad Dreams DR, ebenfalls unter Distortion zu finden, liefert wiederum einen filmmusikalischer Background der besonderen Art. Im Sample dieser Klangkollage mit lediglich 5,7 MB Speicherbedarf sind sämtliche Effekte bereits enthalten.
Auch der Brutal Moog bringt die Effekte in Samples gegossen bereits mit:
Während man unter Arpeggios und Beats reichlich Neuzugänge findet, darunter Gefälliges …
… Wuchtiges …
…Verspieltes …
und Monströses …
gibt es bei der Electro Percussion nicht so viel frisches Material. Beschränkt man die Auswahl auf Omnisphere 2, so kommt man an dieser Stelle ausnahmsweise ohne Scrollen zurecht:
Die Velocity Electrodrums haben Sie bereits bei einem der ersten Audiodemos gehört.
Electronic Mayhem (Elektrochaos) gibt es nun mehr als je zuvor. Vor Oskar Matzerath wird gewarnt:
„Leg Dich mit diesem Kind nicht an …“
Modulationsrad und Aftertouch? Soso, das probieren wir doch gleich mal aus. Eine Komposition in C-Dur:
Der Sound besteht aus zwei Layern, Broken Bells (Synthesizer-Sample) und Haunted Harpsichord, zu deutsch: ein ruheloses oder auch übel heimgesuchtes Cembalo, welches hier die piepsigen, eiernden höheren Tonlagen beisteuert, eingeblendet per Modulationsrad..
Aftertouch steuert den Main-Filter (1) – Cutoff und das Finetuning, das Modulationsrad blendet nicht nur das heimgesuchte Cembalo ein, sondern wirkt auch auf den Variant-Parameter des Main-Filter (2, dessen Cutoff und steuert die Effekte Chorus/Echo und Imager (Stereoverbreiterung). Bei der Gelegenheit werfen wir gleich einmal einen Blick auf die Modulationsmatrix, die pro Layer 24 Modulator-Zielparameter-Verknüpfungen zulässt. Wir kommen später noch darauf zurück.
Autoren des Sounds sind Sun Dust und Pendle Poucher. Was die Beiden bewogen hat, den Sound nach Grass´ Figur aus der Blechtrommel zu benennen, bleibt ihr Geheimnis. Ich hätte unter diesem Titel eher wildes Snare-Geklapper, markerschütternde, schrille Schreie und zerspringene Gläser erwartet; ungeachtet dessen habe ich dem Preset gleich mal fünf Sterne vergeben, damit ich es über die Favoriten-Suchfunktion schneller wiederfinde.
Hier die Neuzugänge der Kategorie Ethnik World:
Mit Maldives Islands habe ich weiter oben schon experimentiert. Die handgefertigte Hang Drum aus der Schweiz haben bereits andere Sounddesigner entdeckt. Die bislang aufwändigste Sample-Library einer Hang Drum stammt von Soniccouture und wird unter der Bezeichnung „Pan Drums“ angeboten.
Die Spectrasonics Version nutzt vielfache Velocity Layer, Round Robins und drei Mikrofonpositionen bei insgesamt lange ausklingenden Samples. So werden beinahe 2 GB Arbeitsspeicher eingefordert.
Zusätzlich gibt es alternative Spielweisen in eigenen Patches, darunter das Anschlagen mit Fingerkuppen, Besen, Holzschlegeln und Kaffeezuckerpäckchen. Auch Wirbel werden geboten.
Was ich noch nicht wusste: „Hang“ hat nichts mit Hängen zu tun (ich habe mich immer gefragt, wo da was hängt bei der Hang Drum), sondern kommt vom dem Schwitzerdütsch´schen „Hang“, was einfach mit „Hand“ zu übersetzen ist. Die Mikrofonpositionen kann man mischen und bei Bedarf auch noch Release-Samples (anderer Instrumente) hinzuschalten:
Die Hangdrum lässt sich sehr ausdrucksstark, lebendig und nuanciert spielen und steht dem Spezialisten von Soniccouture (der immerhin 99.- EUR kostet) in Nichts nach. Im Gegenteil: Die Spectrasonics-Version klingt durch ein etwas markanteres Attack (beim Spiel mit Schlegeln) präsenter und insgesamt etwas obertonreicher und transparenter. Auch reicht sie weit in den Bassbereich und produziert hier einen wunderbar vollen, dunklen, schwebenden Ton. Die Verfügbarkeit von drei Mikrofonpositionen ist einzigartig. Mit Omnisphere – Modulationen und Effekten sind darüber hinaus eigenständige Experimental-Modelle der Hang Drum möglich. Allerdings fällt mir erstmalig ein unerwünschtes Nebengeräusch, nämlich tieffrequentes, leises Hintergrundgeräusch auf, welches jedoch mit einem Filter problemlos beseitigt werden kann, ohne, dass der Klang des Instruments darunter leidet.
Unter Bass Instruments finde ich nur die externen Trilian-Sounds. Natürlich gibt es in Omnisphere reichlich Patches, die als Bässe genutzt werden können, sie sind aber dieser Kategorie nicht zugeordnet.
Unter Guitars gibt es keine Neuzugänge. Die Gitarren-Patches aus Omnisphere 1 decken das Spektrum akustischer und elektrischer Gitarre einschließlich Flamenco-Sounds und einiger angezerrter E-Gitarren ab. Die Gitarren bieten ohne Ausnahme eine überzeugende Audioqualität und eignen sich für einfache Begleitungen oder auch Melodien. In puncto Ausstattung liegen sie auf dem Niveau der Sample-Libraries ausgewachsener Hardware-Workstations. Die Patches beanspruchen zwischen 50 und 200 MB. In der Regel sind sie nur mit wenigen Velocity-Layern ausgestattet und verfügen nicht über Round-Robin-Samples, was zu Lasten der Lebendigkeit und des Abwechslungsreichtums geht. Im Gegensatz zur oben beschriebenen Hang Drum wird das Niveau von Spezialisten unter den Sample-Libraries nicht erreicht. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass solche Spezialisten, wie etwa Chris Hein Guitars oder die Real-Guitar-Kollektion von Musiclab ab 300.- Euro aufwärts zu haben sind.
Unter Hits and Bits findet sich eine Zusammenstellung meist kurzer Effektsounds, vielfach durch Wellenform-Oszillatoren erzeugt. Die Klänge eignen sich sowohl zur Bereicherung eines EDM-Beats als auch zum Setzen von Akzenten bei der Filmmusik oder der Spielevertonung. Daneben trifft man auf ein paar lang ausklingende Patches. Eines davon ist Dirty Bomb, ein bedrückendes Klangerlebnis …
… im folgenden Audiodemo zusammen mit Centipede Cascade (ebenfalls aus Hits and Bits):
Per Modulationsrad steuert man die bei Dirty Bomb Filtercutoff, -resonanz sowie die Frequenzmodulation sehr dezent. Es hört sich nicht nach den üblichen Filtersweeps, sondern nach subtilen Klangmalereien an.
Human Voices: Omnisphere 1 präsentierte hier eine Rundumversorgung mit Vokalgesängen, eine Vielzahl diverser Männer-, Frauen- und gemischter Chöre mit Aah-, Uuh-, Mmmh-Gesang in Piano, Mezzoforte und Forte sowie Akkord- und Intervall-Patches, einen Gregorianischen Chor, Gospel-Vocals, mongolische Obertongesänge …
… typische Pop-Backgroundchöre, wie man sie in den 90er Jahren gerne verwendet hat, zahlreiche Jazz-Stacks („da du da ba bu dej“) und einige verfremdete Electro-Stimmen.
Diese riesige Auswahl ist natürlich immer noch an Bord. Ähnlich wie bei den Gitarren trifft man auf viele reizvolle Patches mit erstklassigem Sound. Die Funktionalität von Spezialisten (wie etwa der Voice of Rapture Reihe von Soundiron) wird nicht erreicht; dafür ist die Omnisphere-Engine auch nicht gemacht.
Für Omnisphere 2 hätte ich mir persönlich eine kleine Kollektion an Phrasen gewünscht, die auch für eine Bearbeitung mit dem Granular-Algorithmus (zu dem wir später noch kommen) interessant gewesen wären.
Es gibt jedoch nur zwei atmosphärische Vocal-Effektpads: In Excelsis und Requiem. Diese können jedoch durch eine eigentümliche Stimmung zwischen sakral und morbide überzeugen:
Neu ist die Kategorie Kalimbascope. Hier trifft man auf zahlreiche experimentell gespielte Kalimbas, M´biras und artverwandte ethnische Zupfinstrumente. Die Zim´bira haben wir schon zu Beginn dieses Tests kennengelernt. Viele der Instrumente eignen sich für zarte Melodien, etwa im Bereich Filmmusik/Naturdokumentation, für kleine Ornamente vor einem texturalen Klang. Auch findet man eine ganze Reihe von Instrumenten, die sich als Spieluhren einsetzen lassen. Einige Instrumente sind sehr aufwändig gesampelt (ähnlich wie die bereits bekannte Hang Drum).
Lebendige Colorierungen entstehen dadurch, dass Spiel-Nebengeräusche und individuelle Attacks eingefangen und per Round Robin Samples abwechslungsreich eingeflochten werden. Dabei spielen die experimentellen Anschlagstechniken eine wesentliche Rolle: Es ist klar, dass mit Stahlfeder und Magnet angestrichene Metallzungen einer M´Bira anders klingen, als bei gleichmäßigem Spielen mit Fingerkuppen und Daumen.
Hier werden die Metallzungen einer Marimbula …
… mit einer Glaskerze gerieben, was einen gespenstischen Klang erzeugt:
Einen satten Bass und schmatzende Attacks liefert die Mar `mbola aus Puerto Rico:
Die Neuzugänge in der Kategorie Keyboards sind überschaubar:
Das Ambient Space Piano klingt wunderbar weich und schwebend und eignet sich für verträumte Momente:
House Piano Brite ist ein knochentrockenes, blechernes Klavier und klingt ein wenig hässlich, speziell zubereitet für EDM-Style, dort will man ein Klavier so.
Unter Noisescapes findet man eine Reihe von Geräuschtexturen, oft mit tonalem Anteil, vielfach mit Rückwärts-Samples. Hier kommen wiederum die Filmmusik-Komponisten auf ihre Kosten, speziell wenn es um Spannung, Weltraumabenteuer und Horror geht.
Vier neue Orgeln sind an Bord. Darunter eine Tanzsaal-Version aus den 50ern und eine kräftig röhrende Hammond für derben Rock. Äußerst gelungen und klanglich auf dem Niveau von Spezialisten.
Unter Pads und Strings findet man eine ganze Reihe von neuen Patches, überwiegend effektvoll und synthetischen Ursprungs.
Heaven´s Shores:
Und plötzlich taucht dann doch noch ein Kontrabass auf:
Die nächste Kategorie, Percussive Organic, beinhaltet die bereits bekannten Stalaktiten der radioaktiven Höhle. In der Kategorie finden sich noch einige andere ausgefallene Klänge mit perkussivem Attack und tonalem Decay.
Co-Sounddesigner Diego zupft hier an einer nicht näher spezifizierten Eigenkonstruktion, die etwa so aussieht wie ein großer, ungleichmäßig geformter, prähistorischer Bogen aus dem Waffenarsenal von Mammutjäger.
Der Sound wurde gleich mit zwei Mikros aufgenommen und klingt ohne die internen Effekte so:
Mit dem neuen Envelope Filter, der Stompbox und der Amp-Simulation Boutique wird’s richtig funky:
Das nächste Patch liefert verfremdete Gitarrenklänge für nostalgische Szenen:
Nostalgisch und experimentell wird es auch in der Kategorie Retro Land. Circuitrix Computer:
Hier wurde ein Radiosample zu einem brüchigen Klang verarbeitet:
Man trifft auf autonome Melodieklänge, die ihre Klangkulisse selbst generieren, wie etwa Dolby´s Guitaret:
Weniger außergewöhnlich sind die String-Machines, bei denen in der Regel Synthesizer-Wellenformen eingesetzt werden. Die Klänge haben zwar einen deutlichen Vintage-Charakter, heben sich aber nicht von zahlreichen Retro-String-Sounds manch analog-virtueller Synthesizer ab.
Deutlich beeindruckender sind die Synth-Bässe: Hier finden sich knarzende, sweepende, hämmernde und blubbernde Exemplare, oft fett, satt und mit überzeugendem Analogsound. Diese Qualität und Vielfalt setzt sich bei den Synth Mono, Synth Pluck, Synth Poly und Synth Sweep fort. Omnisphere schließt hier auf zu den aktuellen Spezialisten für virtuell-synthetische Klänge:
Stimmbare Oszillator-Wellenformen mit Gestaltung der Wellenform sind dabei nur eine Seite, die umfangreichen Modulationsmöglichkeiten und Effekte die andere. Frequenz- und Ringmodulation für harsche Verfremdungen, Waveshaper für raue und harte Klänge, Unisono mit Detune für breite, schwebende Sounds sind die klassischen Optionen. Entsprechend sind die virtuell-analogen Sounds von Omnisphere sehr gut, aber grundlegend oftmals nicht wirklich neu. Wer auf diesem Gebiet bereits gut aufgestellt ist, wird manche bekannte Klangfarbe wiederfinden.
Hier mal etwas, was damit nur am Rande zu tun hat:
Texturen gibt es in der Kategorie „Playable“ und „Soundscapes“. Was nicht bedeutet, dass die Soundcapes reine Geräusch-Kollagen wären. Hier finden sich auch tonale Elemente, nur sind die Klänge nicht für Melodien oder Akkordbegleitungen prädestiniert. Muss ich es überhaupt noch erwähnen? Filmmusikschaffende kommen voll und ganz auf ihre Kosten und werden von einem Leckerbissen zum nächsten zappen. Selbstverständlich reicht die Anwendung auch über dieses Metier hinaus: New Age, Meditation, Ambient werden ebenso umfangreich bedient.
Ein wunderbar verträumtes, ruhiges Pad ist gleich der erste unter den Neuzugängen: Bells from Beyond. Bei der Klangquelle, die sich dahinter verbirgt, handelt es sich allerdings nicht Kirchenglocken, sondern abermals um Instrumente aus der Familie der M´biras. Im folgenden Audiodemo habe ich Bells from Beyond zusammen mit den „playable Textures“ Breath of Life und Bells of Apprehension eingesetzt.
Kaum zu glauben, aber bei Breath of Live kommt nicht etwa ein Rauschgenerator, sondern eine gewischte Hang Drum (die kennen wir ja schon) zum Einsatz.
Die Bells of Apprehension (Glocken der Vorahnung oder auch der Besorgnis) sind auch nicht auf Glocken, sondern auf einen bearbeiteten Rattle-Loop und eine rückwärts abgespielte Marimbula zurückzuführen. Die Spectrasonics Crew geht offensichtlich äußerst kreativ mit ihrem Samplepool um.
In der Kategorie Transitions findet man Klänge, die nicht nur zum Übergang zwischen zwei Szenen oder Passagen eines Songs benutzt werden können, sondern auch als Intro, Outro oder für sich stehende Effektsounds eine gute Figur machen. Es kommen sowohl synthetische als auch verfremdete gesampelte Klänge zum Einsatz. Filtersweeps, Pitch-Shifting Effekte, Rückwärtssamples sind auch bei Spectrasonics gängige Methoden, solche Sounds zu formen. Doch auch hier fördert der Einfallsreichtum der Sounddesigner und die Liebe zum Detail Klänge zutage, wie man sie sonst nicht antrifft. In Omnisphere 2 ist die Anzahl der Transitions mehr als verdoppelt worden.
Unter Trons and Optical sind Mellotron-Streicher, -Flöten und Chöre hinzugekommen …
… zusätzlich zu den bereits aus Omnisphere 1 vorhandenen 41 Patches. Die Auswahl an Mellotron-Klangvarianten ist damit rekordverdächtig groß. Dem Original getreu sind die Samples nicht geloopt und brechen nach acht Sekunden ab. Das Mellotron mit Celli und Violins im Split-Betrieb beansprucht beschauliche 45 MB Arbeitsspeicher. Velocity-Layer und Round-Robins sind hier nicht gefragt.
Gleichlaufschwankungen und andere Artefakte des Originals sind das Salz in der Suppe. So kommt ein überzeugender Retro-Sound der vordigitalen Ära zustande, und man fühlt sich sofort an die Mellotronsounds namhafter Rock-Bands der 60er (beispielsweise King Crimson) oder auch an billig produzierte Filmmusik dieser Zeit erinnert. Im direkten Vergleich mit einem Mellotron-Spezialisten (Troontrack Mellotron für EZkeys) fällt auf, dass das Spectrasonics-Modell voluminöser und runder, die Toontrack-Version archaischer und damit vielleicht auch noch etwas authentischer wirkt. Das Spectrasonics-Mellotron kann man mithilfe des bereits per default installierten Effekts Valve Radio jedoch zusätzlich altern lassen.
Im folgenden Audiodemo habe ich den Effekt von 0 auf 100% hochgefahren.
Eine Weiterentwicklung des Mellotrons war das Orchestron aus dem Jahre 1975 (Omnisphere 1 Library), hier im Duett mit dem bereits zuvor verwendeten Mellotron-Sound:
Das Geräusch zu Beginn kommt von einem dritten Patch: Orchestron Motor Noise stereo (Omnisphere 2) und unterlegt die gesamte Passage.
Patches der Kategorie Arp + BPM habe ich bereits im Kapitel Überblick verwendet. In dieser Kategorie trifft man auf teils samplebasierte, teils durch Wellenformen generierte synthetische Klänge, bei denen oft der Arpeggiator, ein temposynchrones Echo oder temposynchrone Modulatoren eine Rolle spielen. ARP +BPM bietet eine große Auswahl temposynchroner rhythmischer Klänge, die sich gut miteinander kombinieren lassen. Da die einzelnen Patches oftmals nicht bereits das gesamte Frequenzspektrum und den Raum für sich beanspruchen.
Im folgenden Audiodemo habe ich verwendet: Power Tetrasquares (einen Bass aus der Trilian Library, basierend auf Dave Smith´ Tetra, nicht in Omnisphere 2 enthalten), Drumming Inside the Piano (Jupiter 8 – Sample, Omnisphere 2-Patch), Afrobeat DUO ab Takt 3 (Kamimba und Marimbula aus Omnisphere 2) sowie Boreal Forest ab Takt 5 (wieder zwei Instrumente aus der Kalimba-Familie, Omnisphere 2). Ab Takt 9 steigt der Pad-Synthsound Memorymoog Sweelly ein.
Bei niediger Latenz und geringer Puffergröße (128 Samples) beansprucht dieses selbst zusammengestellte Multi mit fünf Omnisphere Patches 75% der Leistung eines Prozessors, Leistungsspitzen erreichen sogar knapp 100%. Interne Omnisphere-Effekte kommen nicht in großem Stil zum Einsatz, an externen Effekten nur ein Waves L2 Limiter am Stereo-Out (Testsystem s. Anhang). Das Rendering des mp3-Audiodemos beansprucht etwa dreimal so lange wie das Playback in Echtzeit.
Hier noch ein weiteres Audiodemo mit einigen Omnisphere 2 EDM-Sounds. Der Beat stammt von Arturia Spark.
Klanggestaltung
Das Thema Klanggestaltung beginnt bei Omnisphere 2 bereits mit dem Browser, genauer gesagt dessen Sound Lock – Funktion. Hat man beispielsweise einen Sound gefunden, dessen Arpeggiator, Effektkonfiguration oder Modulationsmatrix passt, während die Klangquelle, also das Sample oder die Wellenform nicht den Wünschen entsprechen, so kann man über das Schlosssymbol oben rechts im Mini-Browser oder das Sound Lock – Feld oben rechts im Patch Browser die betreffenden Teileigenschaften arretieren.
Wählt man einen neuen Sound, so wird dieser mit dem Arpeggiator, der Effektkonfiguration oder der Modulationsmatrix des vorherigen Kandidaten ausgestattet. Leider ist die Funktion nicht ganz zuende gedacht worden: Wechselt man von einem Slot zum nächsten, so geht die Sound Lock – Arretierung verloren. Es ist also beispielsweise nicht möglich, auf diese Weise die Modulationsmatrix von Part 1 auf die von Part 2 zu übertragen. Arpeggiator-Einstellungen und Effektracks lassen sich allerdings nicht nur abspeichern und laden, sondern auch direkt über deren Copy & Paste – Funktionen von einem Part auf einen anderen übertragen.
5. Bearbeitung von Klangquellen
Als Klangquellen stehen (neben dem Import eigener Audiodateien, dazu später) Samples und Wellenformen der Library zur Verfügung. Zu den Klangquellen eines Patches gelangt man über das Lupen-Symbol der Layer im Patch-Main-Menü …
… oder über die Layer-Buttons des Hauptfensters. Über die Pfeiltasten kann man zur nächsten Klangquelle springen. Über das Ordnersymbol kommt man zum Soundsource – Browser …
… ebenso über einen Klick auf die Abbildung zur Klangquelle.
Befindet man sich im Synth-Modus, so gelangt man über einen Klick auf die Abbildung der Wellenform zu einem Aufklappmenü mit der Auswahl aller Wellenformen, unterteilt in klassische Wellenformen, analoge Timbres und digitale Wavetables.
Samples als Klangquellen
Beim Durchgang durch die Library haben wir bereits gesehen, dass teilweise Round-Robins, Velocity-Layer, verschiedene Mikrofonpositionen und Release-Samples eingesetzt werden. Ich gehe daher hierauf nicht noch einmal im Detail ein. Aufwändig produzierte Instrumente, wie wir sie beispielsweise bei einigen M`biras gesehen haben, können in ihrem anschlagsdynamischen Verhalten und dem Zugriff auf Round Robins begrenzt werden, wenn man mit dem Arbeitsspeicher haushalten muss. Release Samples können jedem Sample angehängt werden.
Einige Patches verfügen über Legato mit echten Legato-Samples, die bei Bedarf aktiviert oder deaktiviert werden können.
Samples können auch rückwärts abgespielt werden (Reverse Button).
Wellenformen als Klangquellen
In Omnisphere 2 ist es möglich, über den Shape-Parameter durch jede Wellenform zu surfen – wie bei einem Wavetable.
Hier ein Einblick in die Auswahl an digitalen Wavetables:
Damit Bewegung in das Wavetable kommt, sollte man also den Shape-Parameter modulieren. Dazu braucht man nicht zur Modulationsmatrix zu wechseln, sondern führt einfach einen Rechtsklick auf den Regler aus: Die Auswahl an Modulationsquellen ist groß.
Via MIDI-Lerndialog sind alle externen Controller zuweisbar; direkt anwählbar sind die Klassiker einschließlich Aftertouch. Klickt man auf „Modulate with LFO“, so erscheint links im Interface an Stelle des MINI-Browsers eine Detailansicht zum LFO:
Hier kann man über Aufklappmenüs Modulationsquellen (und Ziele) bei Bedarf korrigieren.
Target stellt eine Kopie des Zielreglers dar. Dessen Position bestimmt das Offset (den Startwert) der Modulation.
Die Auswahl an (zum Tempo synchonisierbaren) LFO-Wellenformen ist übersichtlich:
Wer es komplexer haben möchte, entscheidet sich für eine Hüllkurve als Modulator, die neben der Standardversion ADSR auch als Multi-Ankerpunkt-Versionen mit zahlreichen Sonderfunktionen, darunter Loop und Sync, betrieben werden kann:
Auf Oszillatorebene stehen noch weitere drastische Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung:
Frequenz- und Ringmodulation mit allen zur Verfügung stehenden Wellenformen …
… ein erweiterter Waveshaper …
… Unisono mit detaillierten Konfigurationsoptionen, das bereits aus Omnisphere 2 bekannte Harmonia Ensemble …
und der neue Granular Algorithmus.
Granular-Effektsounds lassen sich mit jedem Layer erstellen, unabhängig davon, ob ein Sample oder eine Wellenform geladen ist. Spectrasonics empfiehlt für den neuen Algorithmus jedoch die Verwendung von Phrasen. Über den Mini-Browser bekommt man gleich eine ganze Reihe von phrasenbasierten Patches angezeigt, wenn man „Phrase“ in das Suchfeld eingibt:
Damit alle Phrasen angezeigt werden, ist es wichtig, dass bei den Attributen Category, Type, Mood und Genre keine Auswahl getroffen, sondern „All“ eingestellt ist. Wechselt man rechts auf das Layer A Menü, so erkennt man beim Laden eines Patches auf den ersten Blick, welche der oszillatorinternen klangformenden Module (FM, RM, WS, UNI, HRM und GRN) werkseitig eingesetzt werden: Die Kürzel werden in Hellblau hervorgehoben.
Das Patch China´s Rising Tides ist beim Durchzappen in chronologischer Reihenfolge das erste Patch mit aktivem Granular-Algorithmus: Layer A benutzt diesen für die Klangquelle PHR – Erhu China Violin 01.
Um die Wirkung des Granular-Moduls besser beurteilen zu können, schalte ich zunächst Layer B, Echo- und Chorus (Aux-Effekte) aus. Das trockene Sample ohne Granular-Effekt hört sich so an:
Mit Granular-Effekt:
Die Granular Synthese wurde 1959 erstmals von dem Komponisten Iannis Xenakis in seiner Komposition Analogique B verwendet. Er fügte damals winzige Tonbandschnipsel aneinander und benutzte mehrere Abspielgeräte über eine bestimmte Monitorkonstellation. Die digitale Granularsynthese bedient sich des selben Prinzips: Ein Audiosignal wird in viele kleine Fragmente zerlegt, die sogenannten Grains. Jedes Grain verfügt über variable Parameter:
- Tonhöhe (Detuning-Parameter, Pitch Grains/Interval/Gliding/Direction – Parameter)
- Dauer (Der Intensity-Regler bestimmt die Länge der Grains und die Länge des Übergangs zum nächsten Grain; Smoothing erlaubt einen fließenden oder abrupten Parameterübergang von Grain zu Grain. So können beispielsweise Tonhöhenveränderungen aufeinanderfolgender Grains sprunghaft oder ähnlich wie bei einem Portamento erfolgen)
- Lautstärke-Hüllkurve
- Stereo-Position
- Grain Depth bestimmt die Anzahl an Grains
- Sample Granular Trigger erlaubt das Auslösen eines Grain-Starts durch einen Modulator und damit auch temposynchrone Effekte (etwa beim Steuern über einen temposynchronen LFO mit Rechteckwelle).
Des weiteren steht ein Time-Stretching im Speed-Mode (Mode-Taster mittig unten im Granular-Display) bereit, alternativ Freezing-Effekte im Position-Mode . Speed kontrolliert die Geschwindigkeit, mit der Grains aus dem Samples ausgelesen werden, Position bestimmt, aus welchem Abschnitt des Samples Grains erzeugt werden. Es ist damit möglich, etwa nur die Attack-Phase eines Sounds zur Erzeugung von Grains zu nutzen. Interessante Klangbewegungen erzielt man, indem man den Speed- bzw. Position-Fader moduliert. Über Intensitiy können Glitch-Effekte erzielt werden.
Pro Layer stehen bis zu acht Granular-Stimmen zur Verfügung. Ein dynamischer Granular-Visualizer dokumentiert die Bewegung der Klangwolke in Echtzeit. Das spricht das Auge an, die Kontrolle über die Ohren sagt aber bedeutend mehr aus.
Über den Legacy-Taster kann der Granular-Algorithmus aus Omnisphere 1 verwendet werden, der längere Grains benutzt und damit sich langsamer bewegende Klangwolken ermöglicht.
Der Granular-Algorithmus erweist sich als mächtiges Werkzeug für eine experimentelle Klanggestaltung. Er ist allerdings nicht selbsterklärend. Ein Drauflos-Werkeln ohne Kenntnis der Bedeutung der Parameter führt nicht sehr weit, denn diese stehen teilweise in Wechselwirkung zueinander.
Im folgenden Experiment habe ich das oben bereits demonstrierte chinesische Erhu in einen temposynchronen, elektronisch zwitschernden Klang verwandelt. Dazu habe ich zunächst alle vorhandenen Granular-Modulationen in der Modulationsmatrix ausgeschaltet (über den Mute-Button), Sample Granular Trigger als neues Modulationsziel angelegt (untere Zeile) und LFO6 als Trigger benutzt.
In den LFO habe ich eine Rechteckwellenform bei 1/16tel Geschwindigkeit geladen.
Nun habe ich im Position-Mode den Position-Slider im Granular-Menü an eine passende Stelle bewegt. Er bestimmt, aus welchem Abschnitt des Samples die Grains rekrutiert werden. Damit es nicht zu wild und unübersichtlich wird, habe ich die Grain-Depth auf minimal gestellt.
Intensity und Smoothing stehen ebenfalls nahe des Minimalwertes: Die Grains sollen kurz sein und voneinander abgesetzt sein. Mit Spread im Rechtsanschlag werden sie hübsch im Panorama verteilt, mit Detune ein wenig im Finetuning variiert.
Pitch Grains steht auf maximal, Interval auf Oktave, Gliding auf 0 (ich möchte zunächst einmal kein Portamento). Mit Direction up geht’s in der Tonhöhe nach oben, mit Range wide bis in die höchsten Lagen.
Das beißt schon richtig in den Ohren:
Etwas fließender klingt es mit Smoothing (in Mittelstellung):
Ohne Trigger-LFO und mit dieser Einstellung …
… stimmt das Erhu ein atonales Klagelied an:
Dabei zeigt sich, dass es leider auch schon einmal zu kleinen Knacksern beim Start eines Grains kommen kann. Offenbar wird gelegentlich der Nulldurchgang der Amplitude verpasst.
Granular-Konfigurationen können als Presets abgespeichert werden. Eine kleine Auswahl wird werkseitig geboten. Hier das Erhu mit dem Preset Cluster Swarm Rise:
Naja, der aufsteigende Schwarm muss wohl für andere Soundsources gedacht sein.
Der Knabenchor Agnus Dei …
… wird mit dem Granular-Effekt zu einer Wolke aus elektronischem Gebrabbel. Den Grain Depth Parameter habe ich mit dem Modulationsrad von 1.000 (acht Grains) zu 0.000 (ein Grain) gesteuert.
Dabei wird eine Schwäche des Granular-Effektes deutlich: Es kann zu deutlichen Veränderungen der Lautstärke kommen, die nicht immer leicht in den Griff zu bekommen sind.
Bei der weiteren Durchsicht phrasenbasierter Patches stellt sich heraus, dass meine Vermutung, Spectrasonics sei der eigenen Empfehlung gefolgt, nämlich Phrasen als Soundquelle für den Einsatz des Granular Algorithmus zu verwenden, sich nur in wenigen Exemplaren niedergeschlagen hat.
Gibt man hingegen „grain“ in das Suchfeld des Browsers ein, so trifft man auf eine ganze Reihe von Patches, die im Namen Grain verwenden, darunter (nicht ausschließlich aber zahlreich) Patches mit aktivem Granular-Algorithmus.
Das Patch Grains of Sand zeigt, dass man den Granular-Algorithmus auch verwenden kann, um kleine geräuschähnliche Details zu erzeugen. Der Klang besteht aus zwei Layern, die beide auf die selbe Klangquelle zurückgreifen …
… und zusammen so klingen:
Layer B steuert die winzigen knisternden Sandkörnchen bei – und genau diese werden durch Grains produziert. Hier habe ich sie in der Lautstärke hervorgehoben:
Ohne den Grain-Algorithmus würde Layer 2 so klingen:
Die Granular Electric M´bira benutzt ebenfalls den Granular-Algorithmus im zweiten Layer:
… und klingt so:
Das Granular Modul bereichert den schwebenden Klang durch zusätzliche Klangfarben und verleiht ihm eine futuristische Komponente. Schaltet man das Modul aus, so verliert der Klang an Lebendigkeit und wirkt etwas brav:
Bei dem Preset Alpine Grain Shimmer verwischt der Granular-Effekt den Klang regelrecht und verwandelt Nebengeräusche im Sample in eigentümliche Geräuschfahnen. Diese kleine Melodie …
… hört sich mit eingeschaltetem Granular-Modul so an:
Das Patch Anticipating the Moment setzt in beiden Layern Bass-Samples mit Granular-Modul ein:
Klangexperimente mit dem Granular-Modul müssen nicht auf Phrasen oder Samples beschränkt bleiben. Die Kombination von analogen Wellenformen und Granular-Algorithmus kann auch zu verstörenden Klängen führen. Im folgenden Audiodemo hören Sie eine Eigenkreation. Eine solche startet man übrigens über den ständig präsenten Utility-Aufklappmenü oben links:
Mittels Hüllkurven und LFOs habe ich die Parameter Intensity, Pitch Grains und Gliding moduliert. Der Granular-Effekt schwingt sich im Verlauf zu schrillen Höhen auf. Mit dem Modulationsrad habe ich einen Resonator-Effekt eingeblendet, der aus den schrillen Frequenzen mittels rückgekoppelter Comb-Filter glockige Klänge zaubert und den Sound wieder weicher und runder macht. Gegen Ende des Demos habe ich den Mix-Anteil des Pro-Verb von 0 auf 100% hochgefahren.
Außerdem habe ich noch das Panorama beider Layer mit einer Modulations-Hüllkurve im Loop-Modus gesteuert.
6. Die Filter
Vom Oszillatorblock geht es in die Filterabteilung. Filter finden sich auf Layer-Ebene, als Effektmodul und als Patch-Masterfilter.
Pro Layer stehen in Omnisphere 2 zwei resonanzfähige Stereo-Multimode-Filter mit Keyboard-Tracking und eigener Hüllkurve zur Verfügung, die in ihrer Einflussstärke balanciert, seriell oder parallel betrieben und vor oder hinter dem Gain-Reger platziert werden können.
Eine Besonderheit der Omnisphere-Filter ist der Variant-Parameter, der eine Filterbewegung (Öffnen und Schließen des Filters) von der linken zur rechten Panoramaposition wandern lässt. Moduliert mit (beispielsweise) einem LFO ergeben sich interessante Panning-Möglichkeiten.
Mit Unisono und Variant-Modulation hat man im Nu breite Analogsounds erstellt. Für das folgende Audiodemo habe ich die Wellenform Saw Square Fat benutzt …
… als Layer-Filter ein Low-Pass-Filter eingesetzt …
… und dessen Variant-Parameter mit einem Sinus-LFO moduliert …
… ebenso den Detune-Parameter des Unisono-Moduls des Oszillators:
Nimmt man das zweite Filter noch hinzu, lassen sich weitere Transformationen erzeugen.
Hier habe ich ein Hochpass-Filter im Parallel-Betrieb eingesetzt …
… und dessen Variant- und Resonanzparameter mit geloopten Modulationshüllkurven gesteuert. Auch das Panorama wird über eine solche Hüllkurve geregelt.
Die Auswahl an Filtercharakteristika ist enorm, hier ausschnittsweise die Low-Pass-Charakteristika:
Was fehlt, ist eine grafische Darstellung der Filterkurve.
Unter den Effekten gibt es ebenfalls einen neuen, sehr interessanten Kandidaten aus dem Bereich Filter: das Envelope-Filter. Dieses reagiert auf die Amplitude der eingehenden Signale.
Die Empfindlichkeit und damit die Intensität des Filtereingriffs stellt man über Sens(itivity) ein. Shape reguliert die Filtergüte. Auch hier gibt es eine große Auswahl an Filtercharakteristika:
Vielfach mit deftiger eigener Klangfarbe. Diese Filter sind wirklich weit von reinen technischen Hilfsmitteln entfernt und musikalische Gestaltungswerkzeuge, die zu einer breit angelegten Klangfarbenforschung einladen. Zu schade, dass man sie nicht außerhalb von Omnisphere 2 als eigenständige Effekte nutzen kann. Den bereits verwendeten Bass-Filter-Sound habe ich mit dem Envelope-Filter weiter verfremdet und dessen Resonanz wiederum über eine Modulationshüllkurve (im Loop-Modus und temposynchron) gesteuert:
Verwendet habe ich die Charakteristik Metal Pipe. Mit dem Page-Schalter gelangt man auf Seite 2 des Envelope-Filters. Hier trifft man auf einen integrierten Kompressor, der dafür da ist, noch mehr Dampf und Druck zu erzeugen.
Formant, Power-Filter und der Röhrenradio-Effekt sind bereits aus Omnisphere 1 bekannt.
Ein alter Bekannter ist auch das Wah-Wah. Neu hingegen ist das Crying Wah mit dem hübschen Baby rechts auf dem Panel.
Das Crying Wah ist ein einzigartiger Lo-Fi- oder Retro-Effekt, den ich mir ebenfalls gerne als eigenständiges Plug-in wünschen würde. Ich habe den Effekt für diesen etwas eigenwilligen Rhythmus eingesetzt (Patch Bend my Circuits Baby):
Hier mit dem Crying Wah:
7. Die Modulationsmatrix
Die Möglichkeiten Parameter zu modulieren sind in Omnisphere 2 vielseitig und gegenüber dem Vorgänger deutlich erweitert. Führt man einen Rechtsklick auf einen Regler oder Slider aus, so öffnet sich ein umfangreiches Kontextmenü:
Neben MIDI-Learn und Direktzuweisung zu Standard-Controllern einschließlich Anschlagsdynamik, Aftertouch und Breath-Controller stehen auch die internen Modulationsquellen zur Auswahl, darunter sechs LFOs und sechs Hüllkurven. Wir sind im Laufe dieses Tests diesen Möglichkeiten bereits vielfach begegnet.
Die Konfiguration der Modulation erfolgt sowohl über Fenster der unterschiedlichen Modulatoren (mit Detaildarstellung über das Lupensymbol bei den Hüllkurven) als auch im Überblick mit der Modulationsmatrix, die auf zwei Seiten insgesamt 24 Quelle-Ziel-Zuweisungen erlaubt.
Modulatoren können hier in ihrer Wirkungskurve geglättet und gespiegelt, stummgeschaltet, dosiert und auf einen Ausschnitt des Zielparameters begrenzt werden. Die Matrix erreicht man über Layer 1 und 2. Hellblau leuchten die Modulationszuweisungen, die der angewählte Layer benutzt, blass erscheinen die Konfigurationen des anderen Layers.
Leider lässt sich über die Matrix nicht die Detaildarstellung der LFOs oder der Hüllkurven direkt anwählen. Zwar erscheint links (in dem Bereich, der per default für den Mini-Browser reserviert ist) der zuletzt konfigurierte LFO (oder eine Modulationshüllkurve oder ein anderer Modulator) in der Detailansicht …
… das aber auch nur, wenn man zuvor an diesem gearbeitet hat. Sonst erscheint hier der Mini-Browser. Will man aber zu zur Detailansicht eines anderen Modulators wechseln, so muss man zunächst die Modulationsmatrix schließen und in der Modulation-Spalte des Layer-Menüs auf das kleine weiße Dreieck links neben Modulation klicken. Hier werden die bereits verwendeten Modulatoren angezeigt:
In den Source- und Targel-Slots kann man auch außerhalb der Matrix Modulatoren bestimmten Zielen zuweisen. Weiter unten klickt man durch die LFOs und kann diese einstellen. Dies geht jedoch nicht einher mit einem synchronen Umschalten der oberen Ansicht (Source/Target), was der Übersicht halber wünschenswert wäre.
Im Layer-Menü können also die LFOs …
… und die Hüllkurven erreicht werden.
Letztere über das Lupensymbol auch in ihrer Detailansicht. Dort kann man auch zwischen den verschiedenen Hüllkurven umschalten.
Hüllkurven können, wie bereits mehrfach im Verlauf dieses Tests praktiziert, geloopt, synchronisiert, in ihrer Geschwindigkeit eingestellt und im Legato-Modus betrieben werden. Dabei wird die Modulation mit einer neuen, gebunden gespielten Note lückenlos fortgesetzt. Über eine Zufallsfunktion kann man komplexe Hüllkurven mit einem Klick entstehen lassen. Die Einflussstärke des Random-Generators auf die Lautstärkesprünge und den Kurvenverlauf (vs. eckigen Verlauf) lässt sich voreinstellen.
Per Rechtsklick und Aufklappmenü lassen sich Ankerpunkte hinzufügen oder löschen sowie grafische Verlaufsformen einfügen. Mit der Snap-Funktion zieht man Ankerpunkte auf die Rasterlinien, die sich am Tempo orientieren.
Nicht nur die vier Modulationshüllkurven, auch die Hüllkurven für Filter und Lautstärke verfügen über diese fortgeschrittenen Funktionen. Alternativ kann man zur klassischen ADSR-Version wechseln, wenn es mal einfacher sein darf.
Aus der Auswahl weiterer Modulatoren möchte ich noch drei herausgreifen:
Random-Modulator: Mit jeder Note wird für den betreffenden Parameter ein anderer Wert zufällig gewählt.
Fünf Random-Alternativen stehen zur Verfügung.
Alternate-Modulator: Von Note zu Note springt der so modulierte Parameter zwischen Minimum und Maximum hin- und her (bzw. zwischen dem erlaubten kleinsten und größten Wert bei Bereichsdefinition durch den Source und Wirkungsbegrenzung durch den Target-Slider).
Eine Spezialität von Omnisphere ist die Modulation durch das Orb:
Fährt der Cursor in einer Kreisbahn durch das Orb, pendelt der zugewiesene Parameter zwischen den (per Wirkungsbereich erlaubten) Minimal- und Maximalwerten.
Weist man dem Orb mehrere Parameter zu, so lassen sich komplexe, fließende Klangtransformationen durch die Automatisierung des Cursors generieren.
Richtig toll wäre es, wenn man bestimmten Positionen im Orb definierte Werte verschiedener Parameter zuweisen könnte. Das geht aber leider auf der Benutzerseite nicht. Ein im Hintergrund agierender Algorithmus kann es hingegen. Womit wir beim nächsten Kapitel wären:
8. Das Orb
Das Orb ist kein klassisches XY-Feld, sondern ein zyklischer Modulator mit den Variablen Radius und Winkel. Je weiter man den Cursor vom Zentrum entfernt, desto stärker wirkt sich die Klangtransformation aus. Im Hintergrund arbeiten komplexe Szenen, also über das Orb verteilte Parameterkonfigurationen, zwischen denen gemorpht wird. Per Depth-Regler legt man fest, wie stark die Transformation maximal sein soll.
Was man als User über die Zuweisung von Parametern für den Orb-Modulator nicht kann (wie oben beschrieben) erledigt Omnisphere intern über Orb-Algorithmen. Auf diese kann man per Zufallsgenerator Einfluss nehmen: Dafür ist der Taster „Dice“, zu deutsch: „würfeln“ zuständig.
Bevor man würfelt, sollte man sich überlegen, ob die aktuelle Version nicht des Abspeicherns würdig ist. Ein Zurück gibt es später (mangels Undo) nicht.
Baut man einen Sound von Grund auf neu (Ultility → Initialize Patch) und fügt nach und nach klangtransformierende Bausteine hinzu (beispielsweise Granularsynthese, Filter, Effekte), so kann man, wenn man zwischendurch zum Orb wechselt und auf Dice klickt, feststellen, dass die internen Orb-Algorithmen neu aktivierte Module in die Klangtransformation einbauen.
Hier habe ich zunächst nur die Wellenform „Clean Bells“ in Layer 1 geladen. Der Klang hört sich mit (ziemlich wilder) Automation des Orb-Cursors immer noch sehr brav an:
Nun nehme ich den Effekt Formant-Filter hinzu …
… und klicke auf Dice. Der Orb-Algorithmus nimmt die neuen Möglichkeiten zur Klangtransformation sofort auf:
Auch ein aktiviertes Filter und der Granular-Effekt wird vom Orb verwertet:
Ozillator FM, Ringmodulator und Waveshaper schaltet der Orb-Algorithmus auch schon mal selbständig hinzu, wenn man auf Dice klickt. In der neutralen Center-Position steht deren Depth (Wirkungstiefe) dann konsequenter Weise auf Minimum, sodass bei ausgeschaltetem Orb der Originalklang erhalten bleibt.
Das Orb bietet zunächst halbautomatisch ablaufende Klangtransformationen. Inertia bewirkt nachfedernde Bewegungen des Cursors, Attractor fügt eine quasi-magnetische Kraftquelle hinzu, die auf den Cursor derart einwirkt, dass er in Pendelbewegungen übergeht.
Cursor-Bewegungen können auch temposynchron über die Länge von bis zu vier Takten aufgezeichnet werden. Temposynchrone Cursorbewegungen vollziehen sich im Song-Position-Modus.
Manuelle Steuerungen sind ebenfalls möglich. Per Rechtsklick ins Orb …
… können die Parameter Radius und Winkel nacheinander zwei physikalischen Controllern zugewiesen werden. Bei der Steuerung sollte man bedenken, dass das Orb keine klassische XY-Modulation erlaubt: Eine alleinige Veränderung des Parameters Winkel (Angle) bewirkt nichts. Erst wenn man einen Radius größer als Null einstellt, kommt der Cursor in Bewegung.
Das Steuern über zwei Fader ist daher zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Intuitiver sollten solche Operationen mit einem iPad funktionieren (was ich nicht getestet habe). Wer manuelle Cursor-Fahrten im Studio unternehmen will, erreicht dies am einfachsten mit der Maus. Per default reicht es dazu aber nicht, den Automation-Aufnahmeknopf des Sequencers zu betätigen und den Cursor zu steuern. Zuvor schaltet man per Rechtsklick und Kontextmenü nacheinander Radius und Winkel für die Host-Automation aktiv.
Ob per Controller oder Maus: Will man eine manuelle Cursorfahrt realisieren, sollte man den Attractor ausschalten. Es kommt sonst zu unfreiwilligen, hektischen Sprüngen des Cursors.
Hier die Klangtransformation des Patches Lit up Like Christmas mittels ORB:
9. Der Arpeggiator
Den Arpeggiator haben wir bereits mehrfach im Einsatz erlebt. Über bis zu 32 Steps kann die Notenhöhe, -länge (Alt-Taste) und -lautstärke eingestellt werden. Noten können gebunden gespielt werden. Globale Speed-, Length- und Swing-Parameter können moduliert werden. Fein dosiert erzielt man abwechslungsreiche Abfolgen, die nicht nach einer sturen Maschinensequenz klingen.
Es kommt aber noch besser: Über das Feld „Drop MIDI File Here“ können MIDI-Files aus Stylus RMX als Taktgeber für den Groove verwendet werden.
Omnisphere 2 Arpeggien passen sich dann auch im Mikro-Timing dem Stylus-Rhythmus an, sodass beide perfekt ineinandergreifen. Eine einzigartige Funktion, die den gängigen maschinellen Arpeggiator-Effekt aushebelt und für lebendige, „swingende“ Rhythmen sorgt. Oftmals spielen Arpeggiator- oder Step-Sequencer-Abfolgen emotional unbeteiligt neben groovenden Rhythmen her. Das ist hier nicht der Fall. Sogar die rhtyhmischen Veränderungen des Chaos-Moduls aus Stylus werden berücksichtigt. Neben Stylus-MIDI-Files können auch Standard-MIDI-Files geladen werden. Der Strengh-Regler lässt eine dosierbare Anpassung an die Vorlage zu.
10. Die Effekte
Omnisphere 2 hat satte 58 verschiedene Effektmodule im Angebot, davon sind ganze 25 neu. Die Effekte können in insgesamt 37 Racks mit jeweils vier seriell geschalteten Modulen eingesetzt werden. Die Racks stehen pro Layer als Inserts und über einen Aux-Weg mit Pre/Post-Fader, für das gesamte Patch (also für beide Layer zusammen), über vier AUX-Wege des Multis (dort also insgesamt mit 16 Effektslots) und als Master-Effektpaket zur Verfügung.
Die Effekte können also überreichlich eingesetzt werden. Dabei sollte man jedoch bedenken, dass weniger manchmal mehr ist und eine Instanz von Omnisphere 2 mangels Multi-Threading-Option über einen Prozessorkern berechnet wird. Die Effekte sind nicht nur leistungsstark, sondern in ihrer Summe auch leistungshungrig.
Zu den Multi-Aux-Effekten gelangt man über das Mixer-Menü des Multis.
Über Aufklappmenüs stehen zahlreiche Presets für komplette Racks als auch modulspezifische Presets zur Verfügung. Eigene Rack-Effektkombinationen können als Presets abgespeichert werden.
Die Effekte sind – anders als bei vielen virtuellen Synthesizern – keine separaten Blöcke, die der Klanggestaltung nachgeschaltet sind, sondern können in allen Parametern durch alle zur Verfügung stehenden Modulatoren einschließlich Orb gesteuert werden. So ist es beispielsweise möglich, eine Filtermodulation synchron mit einer Effektmodulation zu fahren, indem man beiden die selbe Modulationshüllkurve als Steuerquelle zuweist. Per MIDI-Learn sind zudem Steuerungen durch externe Controller möglich.
Was nicht geht, ist das Verschieben von Effekten innerhalb eines Racks von Slot zu Slot. Hat man also beispielsweise ein Echo in Slot 1 konfiguriert und stellt anschließend fest, dass ein Verzerrer noch hinzu genommen werden sollte, allerdings vor dem Echo, so bleibt nichts anderes übrig, als das Echo-Modul wieder zu löschen. Vorher kann man allerdings dessen Einstellungen als Preset abspeichern, sodass die Arbeit nicht umsonst war.
Im Folgenden schauen wir uns die neuen Effekte an:
Mit dem Analog-Flanger, -Phaser, -Chorus und -Vibrato stehen vier neue Modulationseffekte mit Vintage-Charakter zur Verfügung.
Sie können sowohl mono als auch stereo betrieben werden und (mit Ausnahme des Chorus) temposynchron modulieren. Über das kleine Dreieck links neben den Modulen gelangt man (wie bei allen Effekten) zu den Presets und zum Load/Save-Dialog.
Bei den Effekten handelt es sich teilweise um Emulationen legendärer Hardware. So trifft man beispielsweise auf den Oberheim Phasor oder Chorus-Modelle aus dem Hause Boss und TC.
Im Gegensatz zu vielen anderen Vintage-Emulationen klingen die Spectrasonics Effekte außergewöhnlich sauber, transparent, hoch auflösend und dennoch warm und musikalisch. Das Rauschen der altehrwürdigen Vorbilder wurde vornehm weggelassen. Die CPU wird von diesen Effekten kaum beansprucht.
Hier kommen alle vier Analog-Modulationseffekte im Block zum Einsatz
Anderswo würde eine solche Überfrachtung mit Vintage-Feeling zu deutlichen Verlusten bei der Klarheit des Klanges führen, nicht so bei den Omnisphere-Kandidaten.
Bei dem Versuch, mehrere Effektparameter über Aftertouch zu steuern, bin ich auf einen kleinen Bug gestoßen: Nach der zweiten Zuweisung zu Aftertouch (per Rechtsklick via Aufklappmenü) war Schluss. Den dritten Regler musste ich über die Modulationsmatrix zuweisen (was über diesen Umweg einwandfrei funktionierte).
Deutlich aufgerüstet wurde bei den Verstärker-Simulationen: Hier die Modelle Boutique, Brit-Vox, Classic Twin und Rock Stack:
Diese vier Module habe ich in das Rack geladen, in dem zuvor die Analog-Modulationseffekte steckten. Eigentlich sollten mit deren Entfernung auch die Modulationszuweisungen gelöscht werden. In der Modulationsmatrix stehen jedoch immer noch die Einträge zu Aftertouch und den Chorus/Flanger/Phaser/Vibrato-Parametern. Das sollte eigentlich nicht sein. Glücklicherweise treten hierdurch keine Stabilitätsprobleme auf, und die Einträge kann man mit wenigen Klicks löschen.
Die Amp-Simulationen sind aufwändig gestaltet und bieten einen Funktionsumfang, wie man ihn bei synthesizer-internen Effekten dieser Art sonst kaum antrifft. Wie alle Module verfügen Sie über ein Angebot an Presets für Komplett-Konfigurationen.
Alle Amp-Simulationen führen darüber hinaus (Jazz, Brite, Mid) und auf Seite 2 eine umfangreiche Kollektion von Abnahme-Mikrofonen im Gepäck:
Für die sanfteren Gangarten des Blues und Jazz eignen sich der Boutique Amp und der Classic Twin. Letzterer klingt etwas filigraner, der Boutique Amp hingegen kräftiger, näher, direkter. Beide überzeugen mit einem transparenten, authentischen Sound. Fährt man den Vorverstärker (Preamp-Regler beim Boutique, Boost beim Twin) hoch, so sind auch angezerrte Sounds möglich. Der Twin kingt angezerrt etwas mehr nach Retro-Rock, der Boutique voluminöser.
Der Britvox wirkt mittiger, wärmer und schmutziger und ist eine gute Wahl für rhythmische Begleitungen mit Underground/Independent-Rock-Flair. Hohe Stellungen des Boost-Reglers auf Seite 2 (Eingangspegel für die Cabinet-Emulation) bringen rauschende bis raschelnde Nebengeräusch ins Spiel, die den Retro-Eindruck vertiefen. In Spielpausen werden diese Nebengeräusche durch ein internes Gate unterdrückt.
Rock Stack liefert einen Marshall-Retro-Sound der späten 60er Jahre. Breite, angezerrte Sounds gelingen nicht schlecht, mir fehlt hier jedoch etwas die Durchsetzungsfähigkeit. Ein nachgeschalteter Kompressor kann Wunder bewirken.
Die Amp-Module Hiwattage und Bassman verfügen ebenfalls über zwei umschaltbare Panel mit Amp- und Cabinet einschließlich Mikrofonauswahl, beim San-Z-Amp und Thriftshop ist alles auf der Frontseite untergebracht.
Hiwattage und San-Z-Amp erweisen sich als die Flexibelsten unter den Amp-Simulatoren. Ihre Spanne reicht von clean und smart bis zu stark angezerrt. Alleine der Drive-Regler leistet hier Beachtliches und kann, beispielsweise durch einen temposynchronen LFO mit Rechteck-Wellenform moduliert, für experimentelle Klangtransformationen verwendet werden.
Der Hiwattage-Amp ist von Natur aus etwas höhenlastiger. Besonders gut gefallen hat mir der San-Z-Amp, angezerrte und schmutzige Seite angenehm detailreich und differenziert klingt.
Alle Amp-Speaker-Simulationen eignen sich jenseits der Gitarrenbearbeitung auch für Lo-Fi-Klangdesign. Das Modul Thriftshop ist hierfür prädestiniert: Für seine Speaker-Abteilung steht eine luxuriös ausgestattete Auswahl aller möglichen Wiedergabegeräte zur Verfügung:
Die Presets reichen von subtilen Klangfärbungen wie man sie etwa bei diversen Radio-Modellen vorfindet, bis zu drastischen Lo-Fi-Varianten wie bei den Presets Iron Speaker oder Telephone Horn. Neben Lo-Fi-Experimenten eignen sich viele Thriftshop-Presets sogar für eine Post-Production. Wiederum vermisst man die Option, den Effekt auch außerhalb von Omnisphere als separates Plug-in nutzen zu können. Es gibt dafür jedoch eine, wenn auch unübliche Lösung: Über Audio-Import (dazu später) kann man einen kompletten Sub-Mix als Sample laden und dieses dann mit dem Effekt bearbeiten.
Deutlichen Zuwachs hat die Verzerrer-Abteilung erhalten. Hier sind die Module Stompbox, Metalzone, Toxic und Foxxy Fuzz hinzugekommen.
Damit dürfte in dieser Kategorie kein Wunsch mehr offen bleiben. Der Stompbox Modeler alleine bietet bereits 11 Fußtreter-Gerätschaften, einheitlich mit Drive, Tone und Level modifizierbar:
Die Klangquelle Amp Glitch 3 ist eine wilde Geräuschmelange mit tonalen Anteilen.
Mit Stompbox, Preset Sola Tone Bender, wird daraus ein wüstes Gitarrensolo, bei dem der Saitenartist die Kontrolle über seine Fußpedale verloren hat:
Das ist schon einigermaßen bestialisch.
Verzerrer eignen sich zum Schärfen aller möglichen Lead-Sounds, auch synthetischer Art. Hier eine kleine Synth-Linie vor einem Stylus-Beat (unbearbeitet):
Mit Metalzone wird es beißend und feurig:
Die Emulation der Foxxy Fuzz Tone Machine erlaubt das Hinzufügen einer Oktave:
Der Toxic Smasher kombiniert einen Bit-Reducer/Waveshaper mit verschiedenen Filtertypen, zu finden auf der zweiten Menüseite:
Zusammen mit Foxxy Fuzz:
Toxic Smasher apokalyptisch:
Wesentlich sanfter tritt das Solina Ensemble auf, ein Retro-Chorus:
Zusammen mit dem panning-fähigen Vintage-Tremolo …
… lassen sich nicht nur Orgel-Klänge in Bewegung versetzen, sondern auch Flächensounds und Texturen auf Retro trimmen und zugleich interessant modulieren.
Der neue Stomp Compressor passt gut zur Bandsättigung Tape Slammer (aus Omnisphere 1). Er begnügt sich mit drei Reglern.
Im folgenden Audiodemo habe ich zuerst den Tape Slammer, dann den Stomp Compressor hinzugeschaltet. Mit seinem Einsatz wird der Klang nicht nur lauter (was keine besondere Leistung ist), sondern erhält auch schärfere Attacks.
Während der Stomp Compressor eine etwas derbe und grobkörnige Klangkomponente mit sich bringt, ist der neue Precision-Compressor ein modernes Hi-Fi-Modell mit absolut klarem, transparentem Sound:
Die Ausstattung mit Parametern hält sich jedoch in Grenzen (eine Soft-Knee-Schaltung fehlt), die Bedienung ist entsprechend einfach. Der Precision-Compressor eignet sich für die finale Arbeit am Sound im Master FX-Rack.
Neu unter den Filtern und Equalizern ist das Crying Wah, das Envelope Filter und der Studio Equalizer.
Das Crying Wah haben wir bereits kennengelernt. Es eignet sich auch als Lo-Fi-Effekt und hat einen Vintage-Kompressor gleich mit an Bord. Das Crying Wah ist eine Emulation des Vox Cry Baby Wah-Wah-Pedals, welches unter anderem den Sound von Eric Clapton und Jimi Hendrix prägte.
Das Envelope-Filter kennen Sie auch bereits aus Audiodemos. Das Multimodefilter mit einer großen Auswahl an Charakteristika …
… reagiert mittels Envelope-Follower auf den Lautstärkeverlauf des eingehenden Signals. Ob sich das Filter öffnet oder schließt, bestimmt der Invert-Schalter. Auch hier ist ein Kompressor mit an Bord, zu finden auf Menüseite 2:
Der Studio EQ ist ein vollparametrischer Zweiband-Equalizer mit den Charakteristika Low/High-Pass, Kuhschwanz und Peak. Er eignet sich besonders für die Verwendung im Master Effekt-Rack.
Neu ist die Effekt-Kategorie „Creative“, in der sich die beiden Module Quad Resonators und Innerspace befinden.
Quad Resonators produziert einen metallischen Ton auf der Basis von vier stimmbaren Kammfiltern. Die Basistonhöhe der vier Teiltöne ist in Halbtonschritten von C1 bis C6 einstellbar, die vier Teiltöne bieten wiederum eine Spanne von +/- 24 Halbtonschritten ausgehend vom Basiston. Der Feedback-Regler reguliert die Rückkopplung der Kammfilterbearbeitung und produziert bei höheren Werten ein längeres Ausklingen der Resonanzen. Auf der zweiten Menüseite kann die Lautstärke der vier Teiltöne sowie die Gesamtlautstärke, die Verteilung im Stereopanorama und eine Dämpfung der Resonanzen durch ein 6dB-Lowpassfilter eingestellt werden.
Hier der Sound Analimbionic Builder, zunächst ohne Resonators-Modul:
Jetzt mit Resonantors:
Innerspace prägt jedem beliebigen Klang eine fremde Charakteristik auf. Dazu zählen akustische Resonanzen, gekratzte Klaviersaiten, raschelndes oder reißendes Papier, Plätschen von Flüssigkeiten, Plattenspielergeräusche und vieles mehr. Die Auswahl ist wahrhaft riesig:
Gleich zwei verfremdende Klangquellen können geladen und gemischt werden. Auf der zweiten Menüseite findet sich ein 7-Band-Equalizer zur Klanganpassung.
Die Innespace-Klangvorlagen Paper Cut und Wood Clacker 1 verwandeln einen harmlos gezupften Bass in ein derb angekratztes Ungetüm mit schleifendem Ambience-Sound.
Paper Cut produziert das schleifende, räumliche Geräusch, Wood Clacker mutiert die Attackphase zu einem Saitenschnarren.
Im nächsten Audiodemo erzeugt „Bronze Swipe“ einen metallischen Anschlag, während „Leaves 1“ die elektronisch raschelnde Textur hervorbringt. Den Originalklang habe ich mit 15% Mixanteil hinzugemischt.
11. Der Live-Mode
Das Live Mode-Menü findet man als Submenü unter Multi. Es geht dabei um die Kombination mehrerer Patches. Wie der Name schon sagt, ist dieser Modus speziell für eine Live-Performance interessant, kann aber auch für ein alternatives, intuitive Arrangieren im Studio benutzt werden. Im Live-Mode werden alle acht Patches über den selben MIDI-Kanal angesprochen.
Wie wir bereits gesehen haben, beansprucht eine umfangreiche Konfiguration mit mehreren Patches einiges an Rechenleistung. Der Live-Mode setzt daher einen schnellen und mit Arbeitsspeicher gut ausgestatteten Rechner voraus. Da Omnisphere 2 nicht über Multi-Threading verfügt, ist dabei die Geschwindigkeit des Prozessors wichtiger als die Anzahl der Kerne.
Für einen ökonomischen Umgang mit der Rechenleistung ist es von Vorteil, wenn Effekte über die vier AUX-Racks des Multis eingesetzt werden. Vor allem rechenintensive Module wie beispielsweise Hall können so ressourcenschonend verwendet werden. Im Live-Mode können Patches als Layer übereinandergelegt oder umgeschaltet werden.
Zum Training im Umgang mit dem Live-Mode bieten sich die Live Mode Demos an, die man als Kategorie im Mini-Browser (Multi-Ebene) findet:
Der Multi Jazz Guitar Live Combo benutzt vier Patches:
Sobald der Live Mode aktiv ist, erscheint in der Kopfzeile der entsprechende hellblaue Eintrag (direkt rechts neben Utility) und ist damit in allen Fenstern immer sichtbar.
Im Live-Mode spielt man zwar alle Patches auf dem selben MIDI-Kanal, dies bedeutet jedoch nicht, dass alle geladenen Sounds gleichzeitig getriggert werden. Man kann zwischen den Patches auf verschiedene Arten wechseln. Beispielsweise führt man einen Rechtsklick auf die Previous/Next-Taster aus, um den MIDI-Learndialog zu starten.
Alternativ kann zwischen den Parts auch mittels Key-Switch umgeschaltet werden. Key Switches werden ebenfalls per Rechtsklick (dieses Mal auf das Namensfeld des Patches) und den Befehl Learn MIDI Note eingerichtet. Wählt man die Ansicht „Show Key Select“ (zentral unterhalb von Live Mode), so erscheinen links die zugewiesenen Key-Switch-Tasten (in der Abbildung C-1, D-1, E-1 und F-1):
Dort finden sich auch Mute- und Solo-Felder sowie ein Mini-Lautstärkeregler (alle per Rechtsklick mit den bereits bekannten Steuerungsoptionen zuweisbar).
Der spielbare Bereich von Omnisphere 2 reicht bis in die tiefsten Lagen und deckt damit mehr als den Umfang einer 88er Tastatur ab. Sobald eine Taste eine Key-Switch-Funktion übernimmt, löst diese keinen Sound mehr aus.
Anders als bei den üblichen Key-Switch-Funktionen von Sample-Libraries, bietet der Live-Mode von Omnisphere 2 auch die Möglichkeit, mehrere Patches gleichzeitig aktiv zu schalten, sodass diese dann als Layer gespielt werden. Darüber hinaus bewirken Key-Switch-Befehle im Touch-Mode (einstellbar über die Settings-Seite des Live-Mode), dass das Spielen eines oder mehrerer Key-Switches alle zuvor aktiven Patches ausschaltet. Im Switch-Mode sind Patches wiederum so lange aktiv, wie die Key-Switch-Taste gehalten wird. So können reibungslos Layer zu- und wieder abgeschaltet werden.
Was für Key-Switches gilt, gilt auch für die Steuerung durch externe Spielhilfen, beispielsweise die Touch-Pads eines Controllerkeyboards, mit denen sich beispielsweise bis zu acht Arpeggien oder Sequenzen auf diese Weise an-, abschalten und übereinanderlegen lassen.
Der Lernaufwand für die Einrichtung und Bedienung des Live-Modes ist überschaubar, der Spaß-Faktor hoch.
Arbeitet man mit Beats und Arpeggien, die temposynchron ablaufen sollen, so kann man im Latch/Trigger-Fenster des Live-Modes das Verhalten einzelner Patches so konfigurieren, dass der Sound beispielsweise erst exakt mit dem Beginn des nächsten Taktes oder sofort bei Tastendruck startet. Auch eine Sechzehntel-Quantisierung kann eingestellt werden, sodass jede Note schneller Läufe auch bei etwas ungenauem Einspielen exakt im Temporaster landet.
Soundwechsel können auch als Program-Changes oder durch kontinuierliche Controller durchgeführt werden. Das Angebot an Alternativen zur Steuerung der Patches ist lückenlos.
Beim Wechsel eines Patches bricht der zuvor gespielte Klang nicht ab, sondern wird fortgeführt, klingt also beispielsweise aus oder läuft, soweit gewünscht und im Latch-Betrieb, als Arpeggio oder Rhythmus weiter.
Im Dual-Keyboard-Mode ist es möglich, jeweils vier der acht Patches zwei Controllerkeyboards zuzuweisen und die Patches über zwei MIDI-Kanäle zu spielen.
Was bei den Effekt-Racks nicht funktioniert, ist beim Live-Mode möglich: Per Klicken und Ziehen können die Patches der acht Slots an eine andere Position verschoben werden, auch im DUAL-Keyboard-Mode von einem zum anderen Keyboard.
Unterm Strich bietet der Live-Mode eine elegante Möglichkeit, intuitiv mit acht Klängen umzugehen, Kombinationen und Klangabfolgen auszuprobieren – nicht nur Live, sondern auch im Studio, wo alleine mit der Funktionalität von Omnisphere 2 komplette Songs auf nur zwei MIDI-Spuren erstellt werden können.
12. Der Stack-Mode
Auch der Stack-Mode zielt auf die Kombination von acht Patches, anders als beim Live-Mode geht es hier jedoch nicht um eine spielerische Alternative zum Arrangieren im Sequencer oder um eine komplexe Performance-Steuerung, sondern um das Übereinanderschichten oder Verteilen von Klängen auf der Tastatur.
Der Stack-Mode dient also der Einrichtung von Split-Zonen, dem Layern von Sounds und deren Überblendung mittels der Anschlagsdynamik oder durch einen Controller.
Auch hier benötigen aufwändige Klangkonfigurationen einen schnellen Prozessorkern, und es empfiehlt sich, Effektmodule in den AUX-Racks des Multis einzusetzen, wo sie für mehrere Patches gleichzeitig zur Verfügung stehen.
Beispiele für Stack-Mode-Multis stehen im Multi-Browser unter Split Patterns, Stacked Patterns, Stacked Sounds, Velocity Crossfades und Wheel Crossfades zur Verfügung.
Auch im Stack-Modus werden alle Patches über den selben MIDI-Kanal gespielt. Stack Mode bietet drei Konfigurationsfenster: Notes, Velocity und CC.
Im Notes-Fenster lassen sich durch Klicken und Ziehen der Begrenzungslinien oder der Eckpunkte die Patches bestimmten Tastaturbereichen zuweisen, über einen Tastenbereich ein- und ausblenden und dadurch auch Crossfades erstellen.
Per Rechtsklick erreicht man ein Aufklappmenü für das Platzieren von Sounds in den acht Zeilen des Stack-Modus. Handelt es sich um temposynchron ablaufende Patches wie Arpeggien oder Rhythmen, so kann hier auch bestimmt werden, wann sich diese sich in einen laufenden Beat einfügen.
Während im Notes-Fenster die Keyboarddarstellung im unteren Bereich relevant für die Platzierung der Patches ist, finden sich im Velo-Fenster hier die Werte für die Anschlagsdynamik von 0 bis 127: Hier geht es um das anschlagsdynamisches Layering. Die Funktionalität zur Einrichtung ist identisch mit dem Note-Modus.
Zum Dritten gibt es noch die Option, die Sounds per Controller zu überblenden, erreichbar über das CC-Menü des Stack-Modus.
Die drei Modi Notes, Velocity und MIDI-CC schließen einander gegenseitig aus. Es ist also an dieser Stelle nicht möglich, Patches über die Tastatur zu verteilen und zusätzlich Crossfades für die Anschlagsdynamik oder einen Controller einzurichten. Will man beides miteinander kombinieren, so bleibt der Weg einer Lautstärkeregelung der Patches per Velocity oder Controller über die Modulationsmatrix. Mit acht zur Verfügung stehenden Patches können solche Kombinationen aus Note-Split und Velocity-Crossfading durchaus sinnvoll sein. Dabei sollte man jedoch aufpassen, dass kein Split-Bereich entsteht, in dem bei einer bestimmten Anschlagsdynamik oder Controllerposition plötzlich nichts mehr zu hören ist, da Sounds für die gespielte Anschlagsdynamik und in der betreffenden Tastaturzone nicht vorgesehen sind.
13. Audio Import
Als Soundquelle können auch eigene Audiodateien geladen werden. Die geschieht entweder über das Utility-Menü → User Audio und das Navigieren durch die Rechnerhierarchie zum eigenen Soundfile oder per Drag & Drop in das User Audio – Feld des Soundsource Browsers:
Das Audiofile wird von Omnisphere 2 automatisch zur Library hinzugefügt. Will man es dort später eventuell wieder entfernen, so löscht man es einfach aus dem Ordner STEAM/Omnipshere/Soundsources/User/. Omnisphere 2 akzeptiert PCM-wav- und -aiff-Dateien mit bis zu 24 Bit und 192 kHz (laut FAQ-Seite Spectrasonics; im Manual ist auch von 32 Bit die Rede). Es können auch mehrere Files auf einmal geladen werden.
Mein Versuch, vier zuvor aus Cubase exportierte Audioloops (verschiedene Ueberschall-Loops) zu importieren gelang ohne Probleme. Bei anderen Synthesizern mit Audio-Import-Funktion habe ich es schon erlebt, dass Cubase-Wav-Exporte nicht akzeptiert wurden, da die Wav-Files nicht über das velangte PCM-Format verfügten beziehungsweise komprimiert sind. Umso schöner, dass es bei Omnisphere 2 entgegen der Aussage von Spectrasonics funktioniert.
Laut Manual erkennt Omnisphere 2 auch Audioloops und behandelt sie als solche, wenn die Loop-Punkte im Audiofile enthalten sind. Sonys Sound Forge 2, Steinbergs Wavelab und DSP Quattro sind beispielsweise dazu in der Lage, Loop-Punkte in den Audio-Export hineinzuschreiben.
Omnisphere 2 ist kein Sampler. Sample-Bearbeitungen, wie etwa das nachträgliche Loopen, Multisample-Export, die Konfiguration von anschlagsdynamisch gestaffelten Samples auf Layer-Ebene, Round-Robins – all das beherrscht Omnisphere 2 zwar bei den Werkspresets, für die User-Audio-Files stehen diese Möglichkeiten jedoch nicht zur Verfügung.
Dafür gibt es reichliche andere Gestaltungsmöglichkeiten, wie wir sie im Laufe dieses Tests kennengelernt haben, beispielsweise der Granular-Algorithmus, die Effektpalette und die umfangreichen Modulationsoptionen.
Das Experiment mit den Ueberschall-Loops möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Hier die beiden Loops, die ich verwendet habe, im Original (Ein Beat aus „Art of Sounds“ und Gesang aus „The Voice“):
Respektlos transformiert mit Omnisphere 2:
Zum Einsatz kamen Ringmodulator, Verzerrer-Module, Granular-Algorithmus und eine temposynchrone Modulation diverser Parameter durch LFOs und geloopte Hüllkurven.
14. Latch- und Trigger-Mode
Latch- und Trigger-Funktionen findet man auch außerhalb des Live-Modus, nämlich auf Patch-Ebene.
Hier kann sowohl Latch ein- und ausgeschaltet, als auch ein temposynchrones Triggern eingestellt werden, das dann für beide Layer gemeinsam gilt. Auf Layer-Ebene stehen diese Modi hingegen nicht zur Verfügung.
Im Latch-Modus werden Noten nach dem Note-Off gehalten. Spielt man die selbe Taste dann ein zweites Mal, so wird der Klang gestoppt. Man kann damit also einen Rhythmus oder eine Sequenz per Tastatur starten und stoppen.
Des Weiteren kann in der selben Menüspalte auch der Ausgangskanal und der MIDI-Channel des Patches eingestellt, die Anzahl von Stimmen (1 bis 64) definiert und eine Transponierung um bis zu +/- zwei Oktaven eingestellt werden.
Unter Clock Speed kann eine Tempoanpassung vorgenommen werden:
Diese betrifft Arpeggien und greift weder in die Geschwindigkeit von Modulatoren (LFOs und geloopte Hüllkurven) noch in die Abspielgeschwindigkeit der Samples oder Wellenformen ein.
Abseits der üblichen Stimmungen stehen auch exotische Varianten auf Patchebene zur Verfügung:
15. Das Settings-Menü
Der Vollständigkeit halber sei auch auf das Settings-Menü hingewiesen: Hier stehen einige grundsätzliche Anpassungen zur Verwaltung der Ressourcen bereit.
Am wichtigsten ist dabei der Grundmodus „Streamed“ oder „Not Streamed“. Werksseitig ist Streamed eingestellt, was dazu führt, dass der Arbeitsspeicher nicht mit den Samples vollgeladen wird und die Patches sehr rasch spielbereit sind.
Not streamed bewirkt je nach Speicherbedarf des Patches erhebliche Ladezeiten. Trotz Preview-Modus (die Patches sind vor dem vollständigen Laden bereits spielbereit, wenn auch noch ohne Round Robins und Velocity-Layer) kann es ohne Streaming bei den Schwergewichten der Library mit annähernd 2 GB Samples eine ganze Weile dauern, bis man loslegen kann – abhängig von der Festplatte, die verwendet wird. Will man also nicht streamen, so kann es ratsam sein, Omnisphere 2 auf einer SSD-Festplatte zu installieren.
Des Weiteren kann unter Round Robin eingestellt werden, ob alternierende Wiederholungssamples sequenziell (a, b, c, d, a, b, c, d, a …) oder in einer zufälligen Reihenfolge abgespielt werden.
Die klassischen Modulationsquellen können bei Bedarf auch umgeschaltet werden. Dies funktioniert hier über einen MIDI-Lerndialog. Wer beispielsweise eine nicht aftertouch-fähige Tastatur verwendet oder über keinen Breath-Controller verfügt, hat sich hierfür vielleicht schon eine Ersatzlösung ausgesucht, die er auch bei anderen virtuellen Instrumenten verwendet. Im Settings-Menü können diese physikalischen Controller zuweisen werden, sodass sie von Omnisphere standardmäßig verwendet werden.
16. Bedienung, Bugs, Systemlast
Zur Bedienung:
Omnisphere 2 ist in weiten Bereichen benutzerfreundlich aufgebaut, nicht unnötig verschachtelt und fordert vom User keinen hohen Lernprozess ein. Auch ohne eine Lektüre des englischsprachigen Handbuchs kommt man, ein wenig Erfahrung mit Samplern und virtuellen Synthesizern vorausgesetzt, relativ schnell zurecht.
Für ein umfassendes Verständnis der Architektur und um die Grundlage für flüssiges, kreatives Arbeiten mit Omnisphere 2 zu legen, sind die thematisch sortierten Tutorial-Videos des Herstellers empfehlenswert. Sucht man sich hier die Bereiche heraus, die man nicht ohne Hilfe beherrscht, spart man sich Zeit.
Unterm Strich dauert es nicht lange, bis man erfolgreich in die Tiefen des Editierens einsteigt und Spaß an der vielseitigen Klanggestaltung hat.
Im Großen und Ganzen ist also alles gut gelöst – wenngleich nicht ideal und in einigen Details verbesserungswürdig: Zu wichtigen Submenüs gelangt man über verhältnismäßig kleine Lupensymbole und Dreiecke. Insbesondere Letztere übersieht man beim eigenständigen Erkunden ohne Bedienungsanleitung schnell. Wenigstens die Modulationsmatrix hätte einen großen Taster in der Menüauswahl auf Patch-Ebene verdient. Genug Platz wäre vorhanden:
Etwas ärgerlich ist, dass man von den Einträgen in der Matrix nicht direkt zu den Modulationsquellen gelangen kann. Hier muss man den Umweg über die LFO- und Hüllkurvenmenüs der Layer gehen.
Dort kann man im Source- und Target-Dialog wiederum keine neuen Verknüpfungen anlegen. Hier wird nur angezeigt, was bereits zugewiesen ist. Hilfreich wäre zudem, wenn mit einem Umschalten zwischen den LFOs auch der Source/Target-Dialog synchron wechseln würde.
Nicht zwingend erforderlich aber dennoch schön wäre eine grafische Darstellung der Filterkurven.
Vermisst habe ich auch einen Verschieben von Effektmodulen innerhalb der Racks per Drag & Drop.
Schwerwiegender ist das Fehlen einer Undo-Funktion. Hat man sich einmal mehrere Fehlklicks in Serie erlaubt, ist es oft schwierig, wieder zurück zu finden.
Zur Stabilität und den Bugs:
Die Installation einschließlich Autorisierung verlief reibungslos und komfortabel. Omnisphere 2 lief während des intensiven und langen Tests stabil. Abstürze sind auf meinem Testsystem nicht aufgetreten.
Was Omnisphere 2 meistens aber nicht immer toleriert, ist das Laden von Patches (in leere Slots) während des Playbacks anderer Patches. Dabei kam es vereinzelt zu Grafikfehlern und Cubase-Warnungen kommen (Aufforderung: Projekt unter neuem Namen abspeichern und neu laden).
Zu Beginn des Tests kam es (vermutlich ausgelöst durch ein solches „Verschlucken“ beim Laden eines neuen Patches) zu wiederholten, reproduzierbaren aber nicht immer auftretenden Fehlermeldungen beim Versuch, das Cubase-Projekt zu beenden:
Cubase 7 ließ sich anschließend nicht regulär beenden, sondern musste über den Task-Manager geschlossen werden. Das wiederholte sich mehrere Male beim Schließen des Projekts. Die Cubase-Warnung, die in der Regel darauf hindeutet, dass das Projekt beschädigt ist und später nicht mehr geladen werden kann, erwies sich jedoch als falsch: Das Omnisphere-Projekt ließ sich problemlos erneut laden und ohne Abstürze bearbeiten. Nach dem Entfernen und Neuladen der Omnisphere 2 – Instanz trat das Problem nicht mehr auf.
Steuert man einen Regler oder Fader (nach MIDI-Learn) durch einen externen Controller (einschließlich Fußpedal), so erhält man nicht nur ein akustisches, sondern auch ein optisches Feedback: Der virtuelle Regler oder Fader bewegt sich synchron. Bei einer Zuweisung von Aftertouch funktioniert das nicht: Zwar arbeitete die Klangtransformation durch Aftertouch zuverlässig, die Regler oder Fader vollzogen die Steuerung jedoch nicht nach.
Das Löschen von Effektmodulen nach vorheriger Modulationszuweisung führt nicht zum Löschen der Modulationskonfiguration in der Modulationsmatrix: Dort bleiben die alten Effekte mit ihren Modulatoren und Parametern stehen und müssen manuell gelöscht werden.
Beim Zuweisen von externen Controllern passierte es mehrfach, dass Regler, die nicht moduliert werden sollten, plötzlichen ebenfalls gesteuert wurden. Solche Fehlzuweisungen mussten dann manuell gelöscht werden (via Rechtsklick, Aufklappmenü: Unlearn). Die Fehlzuweisungen konnte ich im Einzelfall nicht reproduzieren, sodass die Ursache für das gelegentliche Auftreten dieses Bugs unklar ist.
Nach dem Überschreiben eines Trilian-Patches blieb dessen Bild-Grafik im Patch Main-Menü irritierenderweise erhalten.
Unterm Strich sind die auf meinem Testsystem aufgetretenen Bugs von untergeordneter Bedeutung. Insgesamt konnte ich weitgehend flüssig arbeiten. Soweit vereinzelt Dysfunktionen auftraten, haben diese den Spaßfaktor kaum beeinträchtigt.
Zur Anforderung an das System:
Aufwändige Multis und Effekt-Konfigurationen können bei niedriger Latenz und geringer Puffergröße auch eine aktuelle CPU stark fordern. In den meisten Fällen wird man mit einem schnellen Rechner jedoch auch aufwändige Projekte gerade noch knackfrei und in Quasi-Echtzeit (Latenz etwa 6 ms) realisieren können.
Zwar finden sich Multi-Threading-Lösungen unter aktueller Musik-Software noch sehr selten, es gibt sie aber (Beispiel: Kaleidoscope von 2CAudio, Flux/Ircam-Tools). Als Top-Produkt würde Omnisphere 2 Multi-Threading ebenfalls gut zu Gesicht stehen.
Omnisphere 2 beansprucht also schon mal einen Kern für sich. Dennoch bleibt bei entsprechend gut ausgestatteten Multicore-Systemen trotz der hohen Leistungsanforderung unseres Testkandidaten noch genug Luft für andere virtuelle Instrumente oder Plug-ins. Im Test war es problemlos möglich, mehrere identische Omnisphere-Instanzen, jede für sich mit hoher CPU-Leistungseinforderung (Peaks bis 95%), parallel zu betreiben.
Begrüßenswert sind die Anpassungsmöglichkeioten an die vorhandenen Ressourcen über das Settings-Menü. Auch die schnelle Spielbereitschaft selbst aufwändiger Sample-Patches noch während des Ladevorgangs ist vorbildlich – aktiviertes Streaming vorausgesetzt.
17. Fazit
Das Warten auf Omnisphere 2 hat sich gelohnt. Spectrasonics hat in der Werbung nicht zuviel versprochen: Omnisphere 2 gebührt eine Sonderstellung unter den virtuellen Instrumenten.
Kaum ein anderes Instrument hat mich als Testautor derart in seinen Bann gezogen wie Omnisphere 2. Sie werden bemerkt haben, dass dieser Test in Teilen ein Erlebnisbericht geworden ist.
Das enorme Kreativpotential, das in vielen Instrumenten der Library steckt, sucht seinesgleichen. Eric Persing und seine Crew haben sich in puncto Klangdesign selbst übertroffen. Aufwand und Mühen wurden dabei nicht gescheut, man denke nur an die Schlauchbootfahrt durch eine Höhlenlandschaft, mit dem Ziel, den Klang von Stalaktiten als tonale Percussion einzufangen.
Man kann dem Hersteller einen außergewöhnlichen Ideenreichtum und ein oftmals ebenso unkonventionelles wie im Ergebnis einzigartiges Erschaffen neuer Instrumente bescheinigen. Die Beispiele dafür sind zahlreich. Man denke nur an den mit dem Bogen gestrichenen Hut oder an Diegos archaische Zupfinstrument-Konstruktion. Dank hoher Audioqualität und sorgfältiger Bearbeitung der Samples überträgt sich der Spaß am Klangexperiment von der Spectrasonics Mannschaft auf den User.
Unter den neuen samplebasierten Instrumenten finden sich zahlreiche aufwändige Exemplare, die es auch mit hochkarätigen Spezialisten aufnehmen können. Beispiele hierfür sind die Hang Drums oder einige Instrumente aus der Familie der M´biras. Mit Velocity-Layern, Round-Robins und Release-Samples wird bei diesen neuzugängen nicht gegeizt. Sowohl konventionelle als auch ungewöhnliche, artfremde Spielweisen haben ein großes Arsenal an ausdrucksstarken Klängen entstehen lassen.
Omnisphere 2 verfügt über mehr als 12.000 Sounds. Dabei gilt das Motto Klasse und Masse – eine in diesem Umfang und mit dieser inspirierenden Kraft seltene Kombination.
Abseits der samplebasierten Sounds trifft man auf ein überreichliches Angebot an Wellenformen, darunter zahlreiche Wavetables. Virtuell-analoge Klänge, Wavetable-Klangfahrten, Hybrid-Instrumente aus der Kombination mit Samples gibt es zu Hauf und in der vollen Bandbreite musikalischen Ausdrucks.
Omnisphere 2 kennt weder Genre- noch Mood-Beschränkungen. Von sanft und fragil über kernig und dominant bis zu verstörend experimentell wird alles geboten, was man sich wünschen kann (und auch einiges, von dem man noch gar nicht wusste, dass man es sich wünscht). Filmmusikschaffende, Spielevertoner und Multimedia-Artisten kommen ohne Einschränkung auf ihre Kosten und werden für die nächste Zeit kaum noch andere Instrumente benötigen. Viele Klänge liefern produktionsfertige Klangevolutionen mit hoher Ausdruckskraft und in einem derart breit aufgestellten Spektrum an Stimmungen, dass man auch bei schwierigen Aufgaben fündig wird.
Bei der Suche nach dem richtigen Sound hilft der komfortable Attribute-Browser mit Sonderfunktionen wie Sound-Match.
Auch im Bereich Dance und EDM hat Omnisphere 2 viel zu bieten. Die Auswahl an Sequenzen und Arpeggien ist groß und überzeugend. Im Live-Mode lassen sich packende Performances realisieren, spielerisch und klanglich schöpft man aus dem Vollen: Via MIDI-Learn kann man mit einem Controllerkeyboard wahre Klangorgien abfeuern. Im Stack-Mode lassen sich bis zu acht Instrumente anschlagsdynamisch, per Controller oder in Form von Tastaturzonen überblenden.
Man wird trotz der umwerfenden Werkssounds nicht lange warten, bis man eigene Klangkreationen entwirft. Die großzügige Versorgung mit Modulatoren (einschließlich loopfähiger, temposynchroner und extravaganter Kurvenverläufe) und die lückenlose Landschaft von Modulationszielen (inclusive aller Effekt-Parameter) liefert bereits nach kurzem Einarbeiten Ergebnisse, die einen nicht mehr loslassen. Lange nächtliche Klangforschungen sind vorprogrammiert.
Als mächtige Mittel zur Klanggestaltung erweisen sich die Multimode-Filter, die eine Vielzahl verschiedener Modelle bereitstellen. Sie veredeln den Grundklang der Oszillatoren mit ihrer persönlichen Note. Daneben erweisen sich sind auch die 25 neuen Effekte als eine Bereicherung. Hier finden sich überzeugend emulierte Vintage-Effekte, vom warmen, transparenten Chorus bis zum derb zupackenden Stomp-Kompressor. Die Amp/Speaker-Simulationen bieten eine große Palette von alternativen Abnahme-Mikrofonen und einen guten bis sehr gelungenen Sound. Module wie der kernige San-Z-Amp oder der vielseitige Thriftshop wünscht man sich auch als ausgekoppeltes Plug-in. Eine satte bis schneidende Verzerrung erster Güte liefern Metalzone und Foxxy Fuzz; zersetzende Lo-Fi-Sounds gelingen mit Toxic. Das Envelope Filter reagiert auf den Lautstärkeverlauf des eingehenden Audioignals – ideal für moderne, zappende Synth-Sequenzen. Innerspace transformiert den Klang bei Bedarf komplett und ist ein potenter Kandidat für Klangexperimente, beispeilsweise für Mutationen zwischen Naturinstrument, metallischer Percussion und Papierknistern.
Nicht zuletzt macht auch das Bearbeiten eigener Samples, Loops oder gleich ganzer Song-Passagen Spaß: Die neue Audio-Import-Funktion macht es möglich. Mit dem Granular-Algorithmus beamt man sich in ungeahnte Klangwelten, temposynchrone Modulationen lassen eine neue Rhythmik entstehen. Und nicht zuletzt geht es über diesen Umweg dann doch: Die Omnisphere-Effekte können nun auch als Plug-ins für externe Klangerzeuger eingesetzt werden.
Bei so viel Lob und Begeisterung soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass Omniphere zwar viel bietet, um den neuen Besitzer wochenlang zu beschäftigen, aber nicht alle anderen Mitbewerber im weiten Feld der virtuellen Instrumente (und Effekte) überflüssig macht. Das fängt bei den hauseigenen Libraries an: Die Überschneidungen mit Stylus RMX und Trilian sind gering. Omnisphere 2 ist zwar vielseitig rhythmisch aber kein Ersatz für eine Groove-Machine, Naturdrums und (atonale) Percussion. Auch akustische und elektrische Bässe sind eher eine Randerscheinung. Während einige der neuen, aufwändigen Sample-Patches es auch mit Spezialisten aufnehmen können (beispielsweise die Hang Drums), trifft dies auf die Gitarrenabteilung nicht zu. Die Gitarren, die aus Omnisphere 1 stammen, können es an Ausdruckskraft mangels Velocity-Layern, Round-Robins, Release-Samples und mit beschränktem Angebot an Artikulationen nicht mit Spezialisten aufnehmen. Auch Gesangsphrasen sind kaum an Bord. Die Chöre unterschiedlichen Geschlechts und Genres erreichen ebenfalls nicht hoch spezialisierte Gesangs-Libraries. Das wäre vielleicht auch zuviel verlangt.
Anders sieht es bei den virtuell-analogen Sounds aus: Wer sich Omnisphere 2 zulegt, kann weitere Investitionen auf diesem Gebiet erst einmal hinten anstellen. Sowohl auf Sample- wie auch auf Wellenformbasis wird hier reichliches Grundmaterial in hoher Qualität geboten. Die Gestaltungsmöglichkeiten auf Oszillatorebene, mit Multimode-Filtern, Modulationsmöglichkeiten und nicht zuletzt mit den Effekten stehen auch hochkarätigen Spezialisten in nichts nach.
Ein fließendes Arbeiten mit Omnisphere 2 gelingt nach einem überschaubaren Lernprozess, bei dem die Tutorial-Videos auf der Herstellerseite sich als hilfreich erweisen. Auch ein (fast) lückenloses PDF-Handbuch in Englisch ist verständlich geschrieben und übersichtlich strukturiert. Was man manchmal schmerzlich vermisst, ist eine Undo-Funktion.
Als vielseitiges Instrument, mit dem man bequem komplette Arrangements unterschiedlichster Stile meistern kann, ist es etwas unverständlich, dass Omnisphere 2 nicht auch als Standalone-Version vorliegt.
Die Preisgestaltung ist selbstbewusst. Mit einem Preis von 399.- EUR für die Komplettversion und 199.- EUR für das Upgrade liegt man beim Kauf bei einem deutschen Händler sogar noch unter den amerikanischen Preisen in US$.
Omnisphere 2 kann man definitiv nicht als „Schnäppchen“ bezeichnen, doch in Anbetracht der Qualität und des Leistungsumfangs ist Omnisphere 2 ohne Zweifel jeden einzelnen Cent wert.
Testautor: Holger Obst
Plus:
- achtfach multitimbral mit separaten Stereo-Ausgängen
- Split- und Layer-Sounds
- Live-Mode mit Key-Switches für acht Patches
- riesige Auswahl inspirierender Sounds
- große Auswahl an Wellenformen und Wavetables
- lexible Browser-Funktionen
- große Auswahl gut klingender, teils außergewöhnlicher Effektmodule
- umfangreiche Modulierbarkeit von Effekten
- genau definierbare Lite-Version und andere Funktionen zur Schonung der Resourcen
Minus:
- kein Undo
- keine Standalone-Version
- hohe CPU-Anforderung bei komplexen Multis
Preis: 399.- EUR (Vollversion), 199.- EUR (Upgrade)
Hersetller: Spectrasonics
Dieser Test kam durch die freundliche Unterstützung von Best Service, München, zustande.
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Systemanforderungen (nach Angaben des Herstellers):
Mac:
OSX 10.7
Intel Dual Prozessor
AU / VST 2.4 / AAX / RTAS (32 Bit / 64 Bit)
Windows:
Windows Vista / Windows 7 / Windows 8
VST 2.4 / AAX / RTAS (32 Bit / 64 Bit) kompatible Software
Testsystem:
PC Intel Core i7 3930K, Windows 7, Cubase 7, Motu 828 mKII;
Testprojekt Cubase: 44,1 kHz Samplerate, 24 Bit Auflösung
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