Test: SPL GainStation 1
|Die Arbeit am Sound fängt, wie man weiß, bereits ganz vorne in der Signalkette an. Direkt nach dem Instrumentalisten oder Sänger sind es die Vorverstärker, die als Erste in der Bearbeitungskette audiophile Akzente setzen – oder auch nicht. Jeder, der schon einmal mit billigen Vorverstärkern oder Mixern gearbeitet hat, kennt das Problem: Was hier verdorben wird, lässt sich später kaum wieder gut machen. Insbesondere für Sänger und Solisten akustischer Instrumente ist nach einem guten Mikrofon ein guter Vorverstärker (oder gar Channel Strip) die nächste sinnvolle Investition. Gleiches gilt für Gitarristen und Bassisten – vor allem, wenn direkt ins Mischpult eingespielt werden soll.
Bei der GainStation handelt es sich um einen solchen Preamp, oder besser gesagt: Um zwei in einem Gehäuse: Eine Transistor- und eine Röhrenvorstufe verstärken das Signal. Wer von Beiden in welchem Maße beteiligt ist, lässt sich über separate Gain-Potis bestimmen. Die Maximalverstärkung (die Summe beider Vorstufen) erreicht rekordverdächtige 88 dB. Verstärkt werden kann alles, was einen Audio-Output hat: Mikrofone aller Gattungen, Gitarren und Bässe, elektronische Klangerzeuger und Line-Signale. Das kompakte Kraftpaket bietet sich neben dem Studiobetrieb auch für den Live-Einsatz an. Für den schonenden Transport gibt es sogar ein Mini-Gig-Bag.
Äußere Merkmale, Verarbeitung und Anschlüsse
Äußerlich …
… gibt sich die GainStation 1 äußerst kompakt: Mit 10,6 x 12,2 cm (Breite x Höhe) präsentiert sich das mit LEDs, Kippschaltern und drei Reglern bepackte Bedienfeld in sehr überschaubaren Maßen. Um trotzdem die Technik unterzubringen, ist eine Tiefe von 27,1 cm nötig. Beim Auspacken ist man zunächst überrascht vom Gewicht, das die kleine Kiste auf die Waage bringt: 2,65 Kilogramm sind gemessen an der Größe respektabel und deuten darauf hin, dass das Innenleben dicht besiedelt ist.
Eine livetaugliche Robustheit und saubere Verarbeitung sind Pflicht: Die Technik ist rundum durch ein solides Metallgehäuse geschützt. Seitlich sorgen Lüftungsschlitze für die Kühlung (in der Tat erreicht die GainStation im Dauerbetrieb ansehnliche Temperaturen); zwei Tragegriffe schützen zugleich die Frontpartie, ohne dabei den Zugriff auf die Bedienelemente zu verstellen. Alle Kippschalter sind von bester Qualität und wackeln auch nach jahrelangem Gebrauch nicht (unser Testgerät ist seit 2004 in Betrieb). Die Regler sind nicht zu eng platziert und Dank Gummierung griffig und gut zu bedienen. Warum die Regler für Tube Gain und Output-Level gerastert sind, der Clean-Gain-Regler aber nicht, bleibt allerdings offen. Die schwarzen Beschriftungen heben sich einigermaßen gut von der gold schimmernden Frontplatte ab; für schwache Bühnenlichtverhältnissen sind sie jedoch etwas klein geraten und dann schwer lesbar. Geht man aber davon aus, dass die GainStation für den Live-Einsatz, etwa für den Mikrofon- oder Gitarrenbetrieb voreingestellt ist, wird man während des Auftritts die Kippschalter sowieso nicht bedienen müssen, sondern allenfalls die Lautstärke nachregulieren. Wichtiger sind da die LEDs, die den Betriebszustand der GainStation signalisieren und den Eingangspegel, Clipping, die aktive Phantomspeisung sowie den Einsatz des Limiters anzeigen.
Auch die Rückseite …
… ist mit Anschlüssen dicht bestückt: Als analoge Eingänge stehen eine XLR-Buchse (Mikrofon) und eine Klinkenbuchse für den Anschluss von Gitarre oder E-Bass (Hi-Z) sowie Line-Signale bereit. Auch die analogen Ausgänge sind sowohl in XLR- als auch in Klinkenausführung vorhanden. Es können sowohl symmetrische als auch unsymmetrische Kabel verwendet werden. In der digitalen Version mit optionalem A/D-Wandler kommen zu den Analoganschlüssen ein S/PDIF-Eingang, der hier lediglich der Synchronisation zu externem Digitalequipment dient (die GainStation schaltet dann automatisch auf die passende Samplerate), ein zweiter Klinkeneingang, der ein zweites Signal zum AD-Wandler führt und alternativ als Insert genutzt werden kann, sowie S/PDIF und optische Digitalausgänge hinzu. Die Samplerate des Wandlermoduls liegt bei 44,1, 48, 88,2 oder 96 kHz. und ist wahlweise schaltbar.
Auch der Power-Schalter befindet sich auf der Rückseite. In der linken oberen Ecke ist er auch ohne Hinzusehen von vorne gut erreichbar. Hat man die GainStation schwer zugänglich in einem Rack eingebaut, wird man sich allerdings mit einer externen Steckerleiste behelfen müssen.
Die Bedienelemente der Front
Nach dem Einschalten leuchtet die kleine blaue Power-LED auf und signalisiert, dass die GainStation betriebsbereit ist. Über die sechs Kippschalter stellt man – von links nach rechts – ein:
- Die Wahl des Eingangs (Mikrofon oder Hi-Z/Line-Eingang)
- einen Trittschallfilter (für Gesangsaufnahmen), der Störfrequenzen unter 50 Hz absenkt
- einen Phasenumkehrschalter
- einen Impedanzwahlschalter
- die Phantomspeisung
- den Limiter: Peak oder FET
Im Einzelnen:
- Das High-Pass- (Trittschall-) Filter ist passiv aufgebaut und senkt die tiefen Frequenzen unterhalb von 50 Hertz in zwei Schritten um jeweils 6 dB ab: Einmal vor, einmal nach der Transistorverstärkung. Die passive Bauweise vermeidet unerwünschte Klangverfärbungen; die Absenkung vor der Verstärkung bewirkt, dass die tiefen Frequenzen gar nicht erst angehoben werden.
- Der Impedanzwahlschalter dient der Anpassung der Eingangsimpedanz des Mikrofoneingangs an das verwendete Mikrofon. Insbesondere bei dynamischen Mikrofonen kann eine Anpassung der Impedanz zu einer lauteren Signalaufnahme und besseren Ergebnissen führen.
Die GainStation verfügt über zwei Limiter, die wahlweise eingesetzt werden können und vor dem Ausgangsregler bzw. vor dem A/D-Wandler platziert sind: Der auf einer speziellen Diodenschaltung aufbauende Peak-Limiter eignet sich vor allem zur Begrenzung von Signalen mit starken Impulsen, beispielsweise bei einer Schlagzeugabnahme. Auch die Transienten werden von ihm erwischt und unauffällig unterdrückt. Einer Verzerrung wird so vorgebeugt.
Der FET-Limiter (Feldeffekttransistor) greift hinter der Röhre in die Dynamik des Signals ein und arbeitet ähnlich wie ein Kompressor (mit hoher Ratio). Der FET-Limiter eignet sich vor allem für weniger impulsstarke und transientenreiche Signale (Piano, Gesang, Bass). Im FET-Limiter-Betrieb ist der Peak-Limiter dem FET-Limiter immer nachgeschaltet, um etwaige Pegelspitzen noch abzufangen. Schaltet man die Röhre durch Linksanschlag des Tube-Gain-Reglers aus, so wird zugleich der FET-Limiter ausgeschaltet, auch wenn der Kippschalter noch in der Aktiv-Position steht. Einstellmöglichkeiten für die Limiter (Threshold) gibt es nicht. Sie zielen auf eine Begradigung zu hoher Pegel, dienen dem Schutz vor Verzerrungen und sind nicht für die Zweckentfremdung als Dynamikeffekte gedacht. Bei einer guten Aussteuerung der GainStation bleiben sie dann auch im positiven Sinne unhörbar: Das Signal klingt weiterhin natürlich, obwohl die LED des Limiters den kurzzeitigen Betrieb bei Pegelspitzen anzeigt. In der Praxis gewähren sie somit Übersteuerungssicherheit ohne jeglichen Anspruch an die Bedienung.
Die GainStation in der Praxis, Audioqualität
Gleich zu Beginn konfrontieren wir unseren Testkandidaten mit hohen Anforderungen: Ein 25 Jahre altes dynamisches Mikrofon, das AKG 330 BT offenbart in meinem kleinen Testlabor immer die Grenzen bzw. Schwächen von Preamps, denn es benötigt eine gute Portion Vorverstärkung, damit eher zurückhaltend eingesungene Passagen laut genug und dynamisch aufgezeichnet werden können. Mittelmäßige Preamps, wie man sie auch in Audio-Interfaces oberhalb der 500-Euro-Grenze findet, entpuppen sich bei diesem Härtetest oftmals als unzulängliche Rauschgeneratoren.
Ganz anders die GainStation: Ohne Lundahl-Option (dazu später) muss man den Clean-Gain-Regler zwar in die 3 Uhr Stellung und den Tube-Gain sogar voll aufdrehen, um einen wirklich kraftvollen Sound zu erreichen, doch das Ergebnis ist geradezu spektakulär gut: Selbst in dieser Extremsituation schlägt die GainStation mit immer noch 70 dB Rauschabstand alles, was mir bislang an Vorverstärkern auf den Tisch gekommen ist. Die stark aufgefahrene Röhrenvorstufe liefert einen warmen, runden Klang und schmeichelt der Stimme. Wer keinen Vintage Charakter möchte und einen betont neutralen, vergleichsweise etwas härteren Klang bevorzugt, kommt auch bei Verwendung eines schwachen dynamischen Mikros mit der Transistorverstärkung alleine zurecht. Lediglich die letzten 5 % des Reglerweges sollte man vermeiden, denn hier steigt der Nebengeräuschpegel sprunghaft an. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Die meisten Vorverstärker geraten schon weit vorher, also bei deutlich geringerer Verstärkung an ihre Grenzen und verlangen nach einem Noise Gate.
Nimmt man nun ein Kondensatormikrofon (welches durch die zuschalbare Phantomspeisung der GainStation mit der nötigen Betriebsspannung versorgt wird), so genügt bereits eine vergleichsweise geringe Vorverstärkung; der Rauschabstand liegt nun unter 80 dB und sollte selbst höchste Ansprüche befriedigen.
Die letztere Aussage gilt nicht nur die technische Seite der Audioqualität, sondern auch, und das ist noch wichtiger, für die musikalische Qualität: Die GainStation überträgt die Eingangssignale in hoher Auflösung; alle Feinheiten kommen zur Geltung. Über weite Bereiche erweist sie sich im besten Sinne als klangneutral: unerwünschte Verfärbungen gibt es nicht. Im Grenzbereich erweist der Limiter ausgezeichnete Dienste.
Bei Gesangsaufnahmen mit kräftiger Röhrenvorverstärkung empfiehlt sich der Einsatz des FET-Limiters (dem ja, wie wir wissen, zusätzlich noch der Peak-Limiter nachgeschaltet ist). Im Grenzbereich zur Übersteuerung fangen beide Limiter zu laute Signale angenehm unauffällig ab, regeln sie herunter, und es kommt weder zu störenden Verzerrungen noch zu einem unerwünschten Nebeneffekt der Kompressionstechnik wie Pumpen oder unerwünschte Eingriffe in die natürliche Dynamik. Die Stimme wird während der überlauten Passagen lediglich eine Spur druckvoller, was die musikalische Bedeutung dieser Passagen unauffällig unterstreicht. Besser geht es nicht.
Mit einer starken Röhrenvorverstärkung erlebt man Vintage-Sound vom Feinsten: Die Röhre der GainStation liefert einen warmen, runden und mit zunehmender Verstärkung satten Klang. Die Röhrenverstärkung betont die Weichheit der Stimme, verleiht ihr aber zugleich subtil Volumen und Kraft. Der FET Limiter sorgt dafür, dass es zu keinen Übersteuerungen kommt. Die Stimme hebt sich nun deutlich ab.
Neben Gesangsaufnahmen eignet sich die GainStation grundsätzlich auch als Vorversärker bei der Abnahme aller akustischen Instrumente einschließlich der Mikrofonierung eines Drum-Kits. Insbesondere bei Pop- und Jazz-Bläsern sorgt der Limiter dafür, dass es auch bei bewegten Live-Aufnahmen und entfesseltem Temperament nicht zu Übersteuerungen kommt. Beim Schlagzeug ist die GainStation mit einer Mischung aus Transistor- und Röhrenvorstufe ein Garant für den richigen Wumms der Bass-Drum, greift aber auch einer etwas schlappen Snare unter die Arme und verhilft ihr zur nötigen Durchsetzungskraft. Für einen klaren, transpartenten Klang der Becken eignet sich die Transistorverstärkung. Der Peak-Limiter sorgt speziell bei Bassdrum, Snare und Toms für eine leichte Betonung der Attackphase. Das einkanalige Modell reicht natürlich nur für ein Instrument. Wer mehr GainStations benötigt beziehungsweise auf den Geschmack gekommen ist, dem sei an dieser Stelle gesagt, dass es auch eine 8-fache Rack-Version gibt (etwa zum fünffachen Preis unseres Testkandidaten).
Jenseits der Mikrofonierung bietet sich der Hi-Z-Eingang an, der auch teure Konsolen schlägt, wenn es darum geht, eine E-Gitarre oder einen E-Bass direkt einzupielen. Auch hier liefert die GainStation eine originalgetreue, natürliche, verfärbungsfreie Klangwiedergabe, die allen Feinheiten gerecht wird. Durch den hohen Rauschabstand und die entsprechend saubere Dynamikabbildung kommen auch kleinste Nebengeräusche (Griffbrett) zur Geltung, und Transienten werden einwandfrei abgebildet.
Im Verbund mit einer Gitarre, hoher Röhrenvorverstärkung und eingeschaltetem FET-Limiter liefert die GainStation einen warmen, runden Klang. Auch bei sehr dynamischem Spiel mit plötzlichen Impulsen kommt es nicht zu Verzerrungen – wobei die Arbeit des Limiters unbemerkt bleibt und erst aufgedeckt wird, wenn man ihn ausschaltet. Die GainStation eignet sich sehr gut für clean eingespielte E-Gitarren, Solo oder Rhythmus, von Jazz bis Pop.
Mit den Verzerrungen insbesondere der Röhrenvorstufe und bei ausgeschaltetem Limiter kann man zwar in Grenzen colorierend arbeiten, einen Ersatz für einen Overdrive, eine Distortion-Box oder den übersteuerten Marshall ist die GainStation jedoch nicht. Die Verzerrungseffekte der GainStation brechen einigermaßen abrupt ab, wenn das Sustain der E-Gitarre den kritischen Pegel unterschreitet.
Weitere Anwendungsgebiete
Die Kombination aus Class A – Transistor- und Röhrenvorverstärkung ermöglicht breit gefächertes Anwendungsspektrum: Überall dort, wo ein sehr klarer, neutraler oder moderner Klang gefragt ist, beispielsweise bei der Abnahme von akustischen Gitarren, Streichern oder klassischen Bläsern per Mikrofonierung oder filigranen Flächenklängen eines Synthesizers über den Line-In, erreicht man über Clean-Gain mit bis zu +63 dB eine sehr rauscharme Vorverstärkung mit äußerst klarem und transparentem Klang. Wärme, Vintage-Feeling und „Körperlichkeit“ erhält der Klang durch den Einsatz der Röhrenvorstufe (bis zu +26 dB). In den meisten Fällen wird man eine Mischung aus beiden Vorverstärkern fahren. Die Verstärungsleistung addiert sich dann.
Dies ist nicht gerade das zentrale Aufgabengebiet der GainStation, doch auch die Option, sie beim Abmischen in einen Effektweg einzuschleifen, sollte man nicht aus den Augen verlieren. Der Klang einer echten Röhre wird auch im Jahr 2012 nicht überzeugend durch Plug-ins realisiert und bereichert subtil die digitale Welt. Speziell eine Gesangsspur aber auch Bläser, Bass, Bassdrum und Snare können spürbar von einer Nachbearbeitung mit der GainStation profitieren.
Die Lundahl-Option
Optionale Lundahl Eingangsübertrager erhöhen die Eingangsverstärkung nochmals um +14dB. Line- und Instrumentensignale werden um +12 bis +22dB verstärkt. Auch ohne Lundahl-Option bietet die GainStation zweifellos eine überdurchschnittlich hohe, rauscharme Vorverstärkung. Wer jedoch höchste Ansprüche (Bsp.: Abnahme klassischer Instrumente) stellt, sollte diese Aufrüstung in Erwägung ziehen.
Das gefällt mir nicht
—
Das gefällt mir
Die GainStation ist ein rundum gelungenes Werkzeug – vielleicht hat es auch deshalb bis dato noch keine Weiterentwiklung der Ursprungsversion gegeben. Sie strotzt geradezu vor livetauglicher Robustheit und ist aus eigener Erfahrung zuverlässig und langlebig. Die Bedienung ist spielerisch einfach. Die Audioqualität kann sowohl technisch (Rauschabstand) als auch musikalisch mit deutlich teureren Mitbewerbern unter den Preamps mithalten (hier werden teilweise Liebhaberpreise bezahlt). Sie schlägt die Vorverstärker auch guter Mischpulte oder Audio-Interfaces um Längen. Die vereinte Kraft von Class A Transistor und Röhre decken das gesamte Anwendungsspektrum instrumenten- und genreübergreifend ab. Sowohl Solisten als auch Homerecordler, die nicht ausschließlich rechnerbasiert arbeiten und Mikrofone einsetzen oder eine Gitarre / einen Bass direkt aufnehmen wollen und noch über keine besondere Ausstattung verfügen, sollten sich dieses kleine aber feine Kraftpaket einmal näher ansehen.
Das Preis- Leistungsverhältnis ist sehr gut.
Holger Obst
Preis
- ca. 970 Euro Straßenpreis
Hersteller