Test: Flux / Ircam Tools HEar V3
|Nachdem wir kürzlich zum Thema Binaurales Hören Waves Nx vorgestellt haben, werfen wir hier einen Blick (oder ein Ohr) auf Flux IRCAM Tools Hear, ein ebenfalls sehr preisgünstiges Plug-in, welches das Ziel verfolgt, einen Surround-Sound über Kopfhörer erfahrbar zu machen.
Nach den Plug-ins Verb, Trax und Spat, die wir Ihnen bereits in Form von Testberichten und Tutorials vorgestellt haben, präsentiert die französische Edel-Softwareschmiede schon seit 2011 mit HEar (inzwischen in der Version 3 angekommen) ein weiteres Podukt, dass zusammen mit dem IRCAM-Forschungsteam ins Leben gerufen wurde.
Im Gegensatz zu seinen drei Vorgängern, handelt es sich bei Hear um ein Plug-In mit einfacher Oberfläche, extrem niedrigen Preis aber – einer äußerst interessanten Option, nämlich der Echtzeitwandlung von Mehrkanalton in ein binaurales Signal, also ein Stereosignal, wechles, über einen Kopfhörer empfangen, eine räumliche Wahrnehmung ermöglicht.
Gelingt die Tarnsformation eines Mehrkanalsignals in ein binaurales Signal überzeugend?
Wie sieht es mit der CPU-Last aus?
Zusammenfassung
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Auf den Punkt gebracht
Flux IRCAM Tools HEar V3 ermöglicht es, über einen Stereokopfhörer eine Surroundabmischung vorzunehmen. Die Lokalisierung der Signale funktioniert. Positionen wie frontal, links, rechts, seitlich, links hinten oder rechts hinten sowie zentral hinten werden erkannt.
Benutzer-Bewertung
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Hintergrund
Die räumliche Lokalisierung einer Schallquelle geht auf einen Lernprozess zurück, der mit der Geburt einsetzt. Akustische Signale werden vom Körper und durch die individuelle Form der Ohrmuschel abgeleitet, bevor sie den Gehörgang erreichen und – verkürzt dargestellt – über Sinneshärchen in elektrische Signale der Nervenzellen umgewandelt werden.
Durch das Ableiten des Schalls über den Körper und die Ohrmuschel kommt es zu charakteristischen Laufzeitunterschieden der Schallwellen, die sich in Streuungen niederschlagen, sowie zu Intensitäts- bzw- Lautstärkeabweichungen und Färbungen des Frequenzspektrums in Abhängigkeit von der relativen Position der Schallquelle zu Hörer.
Bereits mit der Kunstkopfforschung hat man festgestellt, dass räumliches Hören über einen Kopfhörer simuliert werden kann: Einem Styroporkopf wurden Mikrofone in die Ohren gesteckt. Die aufgenommenen Signale konnten später über einen Kopfhörer dreidimensional lokalisiert werden.
Die Ergebnisse wurden weiter verbessert, indem man das Oberflächenmaterial des Kunstkopfes hautähnlich gestaltete und einen Torso hinzufügte. Während Kunstkopfaufnahmen eher Randerscheinungen im Musikbereich blieben und in der Automobilindustrie weiterentwickelt wurden, um die Schallwahrnehmung innerhalb eines Cockpits zu testen, eröffnete sich mit dem digitalen Zeitalter die Option, standardisierte Messergebnisse für eine virtuelle Simulation eines Kunstkopfmikrofons auszuwerten. (Man spricht hier von der HRTF-Funktion: Head Related Transfer Function).
Bedienelemente
Entscheidend dafür, dass die Lokalisation funktionieren kann, ist das richtige Routing in der Matrix: Hier werden Eingangskanäle Monitoren zugeordnet. Das Kopfhörersymbol daneben erinnert noch einmal daran, dass HEar nicht für die Wiedergabe über Boxen, sondern nur über Kopfhörer gedacht ist.
Der Preset-Wahlschalter darüber bietet neben der Neutraleinstellung drei unaufdringliche räumliche Färbungen.
Der Preset-Wahlschalter unterhalb der Matrix liefert fertige Routing-Konstellationen.
Speaker Width bestimmt den Winkel, indem die virtuellen Monitore zueinander aufgestellt sind, Angel Shift die Orientierung des Hörers auf der horizontalen Ebene. Hörer oder Monitore können nicht auf der vertikalen Ebene bewegt werden, d.h.: Der Effekt, den Sound von oben oder unten kommen zu lassen, ist nicht möglich.
Zudem stehen drei Studioumgebungen zur Verfügung, die den Raumklang eines Regieraumes simulieren. Diese sind nicht weiter editierbar.
HEar V3 in der Praxis
Hear ist dafür konzipiert, an einem Surroundmix zu arbeiten, wenn keine Surroundanlage zur Verfügung steht. Um Sie nicht weiter auf die Folter zu spannen: Es funktioniert tatsächlich. Die Richtung, die man dem einkommenden Signal zugewiesen hat, ist eindeutig identifizierbar, auch wenn die Schallquelle nach links hinten verschoben wird. Die Lokalisation gewinnt an Eindeutigkeit, wenn das Signal schmalbandig projiziert wird. Soll heißen: Will man bewirken, dass es sofort und deutlich von hinten links und mit weniger Streuungen im Raum wahrgenommen wird, sollte man den Surroundpanner des Kanals, von dem man das Signal in den Surroundkanal von HEar schickt, so einstellen, dass auch wirklich nur der hintere linke Monitor angesprochen und keine Teilsignale zu anderen Monitoren gesendet werden. HEar bildet das, was eingegeben wird, überzeugend räumlich für die Kopfhörerwiedergabe ab.
Geht man einen Schritt weiter und über die Funktion als Ersatz für die inaktive Surroundanlage hinaus, so kann man auch binaurale Abmischungen für Hörer erstellen, die Surroundsound über Kopfhörer hören wollen und nicht über eine Surroundanlage verfügen.
HEar V3 forderte bei einer Puffergröße von 256 Samples meinen 8-Kerne Mac Pro (Baujahr 2008) mit 2,8 GHz Prozessoren etwa 20% der CPU Leistung. Auf moderneren Rechnern mit schnelleren Prozessoren sinkt diese Last entsprechend. Als Besonderheit ist auch Multi-Threading möglich. In den Systemoptionen des Plug-ins kann die Leistungsanforderung auf mehrere Kerne verteilt werden. Damit dürfte HEar auch während des Einspielens eines Surrounprojektes mit geringen Latenzen problemlos eingesetzt werden können. HEar liegt auch als VST3-Varinate vor. Wenn es pausiert, wird keine Rechenleistung eingefordert.
Der Einsatz mehrerer Instanzen ist nur erforderlich, wenn man mit mehreren Surroundgruppen arbeitet (und diese nicht in eine gemeinsame Surround-Master-Gruppe routet). Insgesamt sollte man also auf einem halbwegs aktuellen Rechner mit HEar gut zurechtkommen, zumal man das Plug-In beim Einspielen nicht braucht, sondern erst beim Abmischen einsetzen wird und dann mit höheren Puffergrößen arbeiten und die CPU-Last drastisch senken kann.
HEar geht über 5.1 Surround hinaus und ermöglicht das binaurale Encodieren von bis zu acht Kanälen – was natürlich auch einen Host-Sequencer voraussetzt, der Surround bis 7.1 zur Verfügung stellt (etwa Nuendo, Cubase reicht nur bis 5.1).
Lädt man das Plug-in in einen Stereo-Kanal, so verschwindet die Im-Kopf-Lokalisation, man kann also über den Kopfhörer ermüdungsfrei abmischen. Es klingt dann so, als käme der Sound über die Monitore des Regieraumes.
Hier ein technisches Audiodemo mit einer Animation der Schallquelle, die im Uhrzeigersinn einmal um den Hörer herumwandert – unter Vorbehalt, denn die mp3-Qualität dürfte die Lokalisierbarkeit nicht gerade verbessern. Und es ist ja klar: Funktioniert nur über Kopfhörer!
Vergleichskandidaten
HEar V3 wird für 89.- Euro angeboten und liegt damit auf Augenhöhe mit der kleinen Version des Spatial Audio Designers von New Audio Technologie. Dieser hat deutlich mehr zu bieten. Der Waves Nx kostet regulär 99.- US Dollar, ist damit ebenfalls quasi preisgleich und bietet sogar Head Tracking via Webcam.
Wer seine ureigenen Ohren einmessen und ein Optimum an individueller Simulation erzielen möchte, greift zum Smyth Research A8 Realiser, eine Hardware für schlappe 3190.- Euro. Der Realiser A8 ist DAS Gerät für mobile Abmischungen. Man misst die eigene Abhörumgebung mitsamt Ohren und favorisiertem Kopfhörer ein und braucht dann seine Monitore nicht mitzunehmen – man hat den Studiosound von zuhause digital im Gepäck. Man kann sich natürlich auch in einem Studio einmieten und dort die Einmessung vornehmen. Dann hat man fortan, die richtige Wahl vorausgesetzt, eine sündhaft teure, penibel konstruierte Studioumgebung bei sich zuhause.
Einen etwas ausführlicheren Abschnitt zum Thema Vergleich finden Sie im Waves Nx Test, kurz vor dem Fazit.
Trotzdem will ich auch hier noch einmal drei Vergleichsdemos bringen, die sich allerdings nicht mit einer Surround-Abbildung, sondern mit dem Thema Stereo-Abmischung unter Kopfhörer beschäftigen. Und weil ich Tootracks EZdrummer so sehr mag, nehme ich einfach einen Beat vom Expansion-Pack Twisted Kit (da wird auf Ersatz-Schlagwerk wie Mülleimerdeckeln getrommelt).
Zunächst der Beat ohne binaurales Plug-in. Das Zentrum des Sounds wird unter Kopfhörer im Kopf lokalisiert.
Nun mit HEar:
mit Waves Nx:
mit dem Spatial Audio Designer, Studioumgebung: Studio Magazin Regieraum:
Letztlich ist es auch ein wenig Geschmacksache, welcher Simulation man den Vorrang einräumt. HEar macht seine Sache nicht schlecht und klingt angenehm nüchtern und wenig klangfärbend. Beim Waves Nx habe ich das Gefühl (mit meinen Ohren und unter meinem Kopfhörer – das mag bei Ihnen durchaus anders sein, denn die binaurale Wahrnehmung ist eine sehr individuelle Angelegenheit), dass die Entfernungs- und Positionswahrnehmung der Stereo-Frontmonitore besser gelingt. Der Spatial Audio Designer klingt am plastischsten und sehr schön rund. Allerdings werden die Bässe bei der Werkseinstellung stark betont. Dies ließe sich bei diesem Mitbewerber allerdings sowohl durch frequenzabhängige Abklingkurven des Regieraum-Halls als auch mittels Frequenzkurve der Kopfhörerkorrektur ausgleichen.
Ich habe natürlich auch auch meinen Smyth Research Realiser ausprobiert, der trotz des hohen Preisunterschiedes zur Software und der individuellen Einmessung bei diesem Audiodemo nicht um Welten besser klingt, aber doch eine Spur echter, oder besser: persönlicher.
Solche Eindrücke ändern sich aber auch je nach Audiomaterial und Einstellung der Parameter der Plug-ins. Ich habe auch schon 3D-Simulationen verglichen, bei denen mein Realiser nicht so gut klang wie der SAD. Die Entscheidung für den richtigen Kandidaten ist wirklich nicht leicht. Ab besten, Sie probieren die Demo-Versionen aus, denn solche gibt es für alle hier vorgestellten Plug-ins.
Zum besseren Vergleich habe ich abschließend einen Ausschnitt aus allen vier Versionen aneinandergesetzt. Sie hören in einem Durchgang und im Wechsel:
Dry – Flux/IRCAM HEar V3 – Waves Nx – New Audio Technology SAD.
Fazit
Flux IRCAM Tools HEar V3 ermöglicht es, über einen Stereokopfhörer eine Surroundabmischung vorzunehmen. Die Lokalisierung der Signale funktioniert. Positionen wie frontal, links, rechts, seitlich, links hinten oder rechts hinten sowie zentral hinten werden erkannt.
Damit sind auch binaurale Abmischungen für Kopfhörer möglich – ein Comeback des fast vergessenen 3D-Kunstkopfsounds der 70er/80er ist damit möglich, dieses mal mit dem Rechner, wesentlich flexibler und für einen Bruchteil der damaligen Anschaffungskosten.
Nebenbei sind auch Stereo-Abmischungen über Kopfhörer möglich. Der Preis ist angemessen, fünf Jahre nach der Markteinführung gibt es allerdings potente Mitbewerber.
Testautor: Holger Obst
Preis: 89.- EUR
Plus:
- Unterstützung bis Surround 7.1
- sauberer binauraler Klang
- Multi-Threading
- Unterstützung auch älterter Betriebssysteme
Plattformen: Windows Vista, 7 und 8; Mac (Intel) ab OSX 10.7
Formate: AU, VST3, AAX
iLok Konto erforderlich (physikalischer iLok nicht notwendig), alternativ: Flux USB Dongle
Hersteller/Produktseite mit Angaben zu Formaten und Systemanforderung