Test: Zynaptiq INTENSITY

Zynaptiq hat inzwischen eine Reihe von Plug-ins entwickelt, die bislang undenkbare Operationen am Audio-Material zulassen oder eine neue Qualität von Effekten darstellen. So wundert es kaum, dass auch INTENSITY alles andere als die Neuauflage bekannter Werkzeuge ist, sondern von Grund auf eigene Wege beschreitet.

Recording und Studiotechnik

Die Wirkung von biometrischen Algorithmen auf die Audioqualität

Die zentrale Aufgabe des Plug-ins ist es, quasi auf Knopfdruck den Klang zu verbessern. Das Plug-in deckt damit die Königsdisziplin des Masterings ab, kann darüber hinaus aber auch Instrumente und Gruppensignale aufwerten.

Was die Beschreibung der anvisierten Klangverbesserungen betrifft, verfolgt INTENSITY zwangsläufig altbekannte Ziele, setzt dafür aber neue Methoden ein. INTENSITY soll den Klang klar und transparent machen und zugleich die wahrgenommene Lautheit ohne einen Verlust an Dynamik erhöhen. Letzteres unterstützt ein Limiter mit Soft-Knee-Charakteristik vor dem Ausgang.

INTENSITY ist quasi multitaskingfähig und erledigt Aufgaben, für die man bislang mehrere Spezialisten oder eine üppig ausgestattete Suite benötigte, ein gerütteltes Maß an Erfahrung im Umgang mit moderner Tontechnik vorausgesetzt.

Die Software soll zudem in der Lage sein, den natürlichen Charakter der jeweiligen Instrumente auch in einem vollen Mix zu erkennen und mit einer bislang nicht dagewesenen Natürlichkeit und Detailtreue hervorzuheben. Dieser Ansatz ist neu und wird von keinem Mitbewerber geboten.

INTENSITY verwendet zu diesem Zweck lernfähige Algorithmen, wie sie normalerweise bei der Verarbeitung biometrischer Daten und speziell der Gesichtserkennung zum Einsatz kommen und bewegt sich technisch auf ganz anderem Terrain als konventionelle Tools wie etwa eine Röhrensimulation zwecks Belebung des Obertonspektrums, eine separate Bearbeitung von Transienten und Sustainphase, ein dynamischer Equalizer oder auch Psychoakustik-Prozessoren wie der Vitalizer von SPL. Mit letzterem hat INTENSITY gemeinsam, dass man das Plug-in nicht mehr missen möchte, wenn man es einmal eingesetzt hat: Die Art und Weise, wie INTENSITY Abmischungen belebt und auf ein neues audiophiles Level hebt, beschert uns einen wahren Hörgenuss. Ein Abschalten des Effektes bedeutet einen regelrechten Salto rückwärts in graue Vorzeiten. Kaum vorstellbar, dass man damit einmal zufrieden war. Anders als beim Vitalizer birgt INTENSITY jedoch weniger die Gefahr der Übertreibung: Beim Vitalizer verhält es sich so, dass sich das Gehör schnell an den Effekt gewöhnt und man ihn während der Arbeit am Mix immer stärker einsetzt. Hört man sich am nächsten Tag die Abmischung an, so ist man oft erstaunt, wie stark man das Signal überzeichnet hat. Also dreht man den Effekt wieder zurück und das Spiel beginnt von neuem. Bei INTENSITY findet man hingegen rasch die richtige Dosierung und bleibt dabei. Je nach Genre und Qualität der Audiosignale reicht manchmal ein dezent beigemischter Effekt (akustische Instrumente, Jazz, Balladen etc.), während man in anderen Fällen gerne in die Vollen greift, so beispielsweise überall dort, wo der Loudness War das Terrain beherrscht oder einfach maximaler Druck und ein kräftiger Sound gefragt sind.

Bedienkomfort und erste Eingriffe in den Klang

Ein vollkommen neuer Ansatz fordert oft ein nicht unerhebliches Maß an Lernwilligkeit seitens des Benutzers. Anstelle einer Flut futuristischer Parameter beschränkt sich INTENSITY jedoch auf einige wenige Stellschrauben. Das erleichtert den Zugang und führt umgehend zu erstaunlichen Resultaten. Je weniger Parameter man in den Griff bekommen muss, desto geringer die Gefahr des Verschlimmbesserns oder der Verirrung in einem Labyrinth interagierender Funktionen.

Für den Einstieg bieten sich zahlreiche aussagekräftig benannte Werksvorlagen an, neben Konfigurationen für Gruppensignale und das Mastering findet man auch Presets für Gitarre, Gesang und Piano.

Der erste Griff sollte der zum Dry-Wet-Regler sein. Die globale Gewichtung des Effektanteils macht sofort deutlich, wie viel gestalterische Kraft in diesem Plug-in steckt. Oft reichen Mischanteile von 10 oder 20%, um das Signal dezent aber spürbar aufzuwerten.

Erstaunlich ist, wie genügsam der Effekt auf eine Erhöhung des Eingangslevels reagiert: Übersteuerungen treten erst bei hoffnungsloser Übertreibung ein und Artefakte, wie beispielsweise die von Kompressoren bekannten Pumpeffekte, sind ganz ausgeschlossen. Ungeachtet dessen kann man über den Eingangspegel bestimmen, wie voll und kompakt der Klang wirken soll. INTENSITY erlaubt tatsächlich eine extreme Steigerung der Lautheit, ohne dass die wahrgenommene Dynamik darunter leiden würde.

Hinter solchen Möglichkeiten vermutet man sofort einen Hyper-Kompressor. Auf der Herstellerseite findet sich dazu eine Erklärung, die wir hier verkürzt wiedergeben: Für den Kompressionseffekt von INTENSITY ist eine künstliche Intelligenz verantwortlich, deren Wirkung auf den Klang man sich in etwa so vorstellen kann wie die eines idealen Kompressors, der in Echtzeit mit unendlich vielen Bändern und der Zeitkonstante Null arbeitet. Um es ganz klar zu stellen: INTENSITY ist kein Kompressor, erst recht keiner im herkömmlichen Sinn, denn die üblichen Parameter wie Threshold, Ratio, Attack- und Releasetime sind auch hinter den Kulissen nicht zu finden.

Weiterführende Klanggestaltung

Hat man Input- und Output-Level fürs erste justiert, bieten sich die beiden großen Regler für weitere Modifikationen an: Der namensgebende Parameter INTENSITY gibt vor, wie intensiv das eingehende Signal bearbeitet wird.

Der Prozess hinter diesem Regler unterteilt das Signal in

a) markante, deutlich hervortretende und eher grobe Klanganteile und

b) Feinheiten und Details, die den besonderen, individuellen Charakter des betreffenden Instruments oder auch eines komplexen Klangbilds (Mastering) ausmachen.

Mit dem Regler verstärkt man nun die Details, während die markanten, „breiter“ aufgestellten Klanganteile unangetastet bleiben. Das Resultat ist ein dichter und dennoch transparenter und detailreicher Klang, der den Charakter des Originalsignals verstärkt und zugleich einen Zuwachs an wahrgenommener Lautheit mit sich bringt.

INTENSITY macht also das, was man bislang für unvereinbar hielt: Mehr Detailreichtum, mehr Klangfülle und trotzdem mehr Transparenz und mehr Lautheit.

Um sich zu vergegenwärtigen, wie sich die aktuelle Konfiguration auf den Klang auswirkt, dreht man kurz de Dry/Wet-Regler auf 100% Wet und verändert dann die Intensität. Der Effekt bewirkt, wie oben dargestellt, eine Zunahme an Lautheit, und was lauter ist, wird automatisch auch als besser klingend empfunden. Um die Bearbeitung besser beurteilen zu können, klickt man auf Level Comp(ensation).

Den Effekt kann man zudem spektral gewichten. Mit dem rechten Regler, Bias, legt man fest, wie stark diese Gewichtung vorgenommen werden soll (2). Für die Gewichtungskurve über das Frequenzspektrum hinweg stehen mehrere Presets (1) zur Verfügung:

Der Bias-Regler wirkt dabei in zwei Richtungen, sodass jede Gewichtungskurve über die X-Achse gespiegelt wird und dosierbar zum Anheben und Absenken spektraler Bereiche verwendet werden kann, wie in den folgenden drei Abbildungen zu sehen:

Es ist jedoch auch möglich, eigene Kurven einzuzeichnen und diese mit einem Klick auf die doppelten Werte zu setzen (Taste x2), zu halbieren (Taste /2), zu invertieren oder auf neutrale Nullwerte zurückzusetzen.

Wem der Zugewinn an wahrgenommener Lautheit durch den INTENSITY-Schaltkreis nicht reicht, der erzielt den ultimativen Pegel-Kick über Output-Saturate. Diese kleine und harmlos erscheinende Anzeige bringt einen Soft-Knee-Limiter mit warmem Klang (Sättigung) ins Spiel.

Wie schon bei dem INTENSITY-Regler reicht auch hier in vielen Fällen eine leichte Beimischung der Sättigung. Geht man in Richtung Maximum, wird der Klang deutlich gefärbt und erhält einen Overdrive-Charakter. Für die Bearbeitung eines Summensignals ist das zu viel des Guten. Für ein Gitarrensolo, eine Hammond oder ein Fender Rhodes ist eine deftige Sättigung hingegen sehr interessant.

Klangbeispiele

Für unsere Audiodemos haben wir Loops aus Libraries des deutschen Herstellers Ueberschall verwendet. Wir starten mit Loops aus Psychedelic Rock. Hier zunächst das Original:

 

Am Sound ist grundsätzlich nichts zu bemängeln. Der Charakter der 60er Jahre wird auf hohem Niveau geschmackvoll abgebildet. Mit INTENSITY erreicht man eine modernere Variante. Zunächst ohne die spektrale Gewichtung (Bias-Kurve) und mit dem INTENSITY-Regler auf der 3-Uhr-Position:

 

Mit spektraler Gewichtung (Preset „Silver Air“):

 

Die Bässe klingen nun angenehm kräftig und rund, ohne dabei andere Instrumente zu erdrücken. Die Gitarre dominiert wie beabsichtigt weiterhin das Geschehen und wirkt eine Spur markanter. Hi-Hat und Tamburin, die zuvor eher ein Schattendasein fristeten, sind jetzt bewusst und detailreich hörbar – ohne dabei das ausgewogene Klangbild zu stören.

Mit dezenter Sättigung am Ausgang und dieser Einstellung:

 

Aus Ueberschall Blues Colors; wie immer erst das Original, dann die Bearbeitung:

 

In unserem letzten Beispiel hören Sie drei Instanzen von INTENSITY. Die Loops stammen aus Ueberschall Glitch Art. Beats, Begleitung und Stimme laufen über drei individuelle Stereo-Ausgänge des Elastik-Players.

Zunächst das unbearbeitete Original. Der Gesang setzt erst mit Takt 9 ein:

 

Nun mit den drei Instanzen von INTENSITY. Bei den Beats und der Begleitung habe ich INTENSITY moderat eingesetzt, bei der Stimme etwas stärker.

 

Weiterführendes

Neben dem Einschalten der Sättigung finden sich im Bereich des Audio-Ausgangs noch drei weitere Taster. Mit diesen definiert man das Ausgangssignal wie folgt:

  • IN: Es wird das Eingangssignal direkt hinter dem Eingangspegel-Slider abgegriffen, also ohne INTENSITY-Effekt. In funktioniert also wie Bypass jedoch mit Pegelkontrolle.

  • CMP: Loudness-Ausgleich (Ausgleich der subjektiv empfundenen Lautheit, nicht des technischen Pegels). Hier wird kontinuierlich die Lautheitsdifferenz zwischen Input und bearbeitetem Signal gemessen und entsprechend nachgeregelt. Das funktioniert in der aktuellen Version von Intensity automatisch.

    KURSIV ANFANG

    Hinweis: Laut Tool-Tips muss zwecks Lautheits-Ausgleich zuvor ein Learn-Modus durchlaufen werden („… the compensation amount must first be learned using the LEARN function“). Diser Tool-Tip ist ein Relikt aus einer älteren Version des Plug-ins. Intensity lernt sozusagen permanent und ohne eine zusätzliche Lern-Funktion.

    KURSIV ENDE

  • Out: Ausgangspegel ohne Pegelanpassung mit allen Effektanteilen (INTENSITY-Schaltkreis, spektrale Gewichtung und, falls eingeschaltet, Sättigungstool).

Das Plug-in lässt sich auch über MIDI-Controller extern steuern. Dazu gibt es einen umfangreichen MIDI-Lerndialog:

Um MIDI-Learn zu starten, kickt man oben links auf das MIDI-Buchsensymbol und anschließend auf eines der kleinen Dreiecke (in der Abbildung das Dreieck für den INTENSITY-Regler).

Die MIDI-Steuerung lässt sich sehr genau einstellen und dosieren (Wertebereich). Sogar diverse Empfindlichkeitskurven, wie man sie sonst etwa für die Anschlagsdynamik bei Pianos findet, werden geboten, des weiteren eine Übersicht über alle zugewiesenen Spielhilfen. Einen derart umfangreich ausgestatteten MIDI-Lerndialog findet man bei Plug-ins selten.

CPU-Leistungseinforderung

Wer andere Plug-ins von Zynaptiq kennt, weiß, dass deren revolutionäre Fähigkeiten teils auch eine schnelle CPU verlangen und eher für die Arbeit am Mix und weniger für den Live-Einsatz oder die Einspielphase mit niedrigen Latenzen gedacht sind. Das trifft im Falle unseres Testkandidaten nicht ganz so extrem zu: Eine Instanz von INTENSITY kann man auch live verwenden, vorausgesetzt man verfügt über einen einigermaßen aktuellen Rechner und setzt im selben Projekt keine leistungshungrigen Instrumente oder Effekte ein.

Auf unserem etwa drei Jahre alten Betriebssystem (Haswell Extreme Workstation, Intel i7 5930k, 6 Kerne mit 3,5 GHz-Prozessoren, RME Fireface 802, Cubase 9.5) kam es bei einer Puffergröße von 128 Samples und einer Rundum-Latenz von etwa 7 ms teilweise zu CPU-Peaks bis 70%. Als Instrumente war nur der Elastik-Player von Ueberschall aktiv, ohne weitere Effekte. Je nach Host-Sequencer wird INTENSITY von mehreren Kernen parallel berechnet, was die CPU-Last reduzieren kann. Bei unserer Version von Cubase wird INTENSITY hingegen nur von einem Kern berechnet.

Während der ausgiebigen Testphase gab es keine Fehlfunktion von INTENSITY. Diese uneingeschränkte Stabilität ist die Grundvoraussetzung für den Live-Einsatz.

Fazit

INTENSITY gehört zu einer neuen Generation von Musiksoftware, die künstliche Intelligenz einsetzt. Die jüngste Entwicklung von Zynaptiq macht tatsächlich Dinge möglich, die zu erreichen bislang so einfach und überzeugend nicht denkbar war:

Das Plug-in ist eine Instant-Lösung für die Veredelung von Audiomaterial. Abmischungen wirken frischer, detailreicher und bei Bedarf auch druckvoller und lauter. Maximale Lautheit und ein detailreicher, dynamischer Klang werden hier simultan realisiert – bislang waren das Eigenschaften, die als schwer vereinbar galten.

INTENSITY ist aber nicht nur die neue Wunderwaffe für das Mastering, sondern wertet auch einzelne Instrumente und Gruppen wie etwa Schlagzeug oder eine komplette Begleitung deutlich auf. Besonders Gesang und Solo-Instrumenten erstrahlen dank INTENSITY in neuem Glanz und erreichen einen prächtigen, markantem Klang. Die räumliche Staffelung einer Abmischung wirkt deutlich tiefer und der Raumklang insgesamt plastischer.

INTENSITY klingt dabei durch und durch musikalisch: Der zentrale lernfähige Algorithmus ist in der Lage, charakteristische Feinheiten zu erkennen und hervorzuheben. Das kann kein anderes Plug-in.

Erfreulich ist auch die unkomplizierte Bedienung. Man muss kein ausgebuffter Tontechniker sein, um klanglich zu bislang unerreichten Höhenflügen abzuheben.

Zynaptiq ist mit INTENSITY abermals ein großer Wurf gelungen. Das Plug-in setzt einen weiteren Meilenstein in der Tontechnik und hat das Zeug zu einer großen Karriere. Wer es einmal ausprobiert hat, will es nicht mehr missen. Vor diesem Hintergrund ist das gehobene Preisniveau absolut gerechtfertigt, zumal das neue Wunderwerk von Zynaptiq manch andere Spezialisten zur Klangverbesserung arbeitslos machen dürfte. INTENSITY beschert mühelose Erfolgserlebnisse, wo man bislang nervenaufreibend an der Perfektion des Klanges feilen musste.

Plus

  • einzigartiger, derzeit konkurrenzloser Ansatz für die Klangverbesserung

  • umfassende Klangverbesserung: gleichzeitig mehr Detailreichtum, Transparenz sowie Lautheit

  • individuelle spektrale Gewichtung des Effektes

  • vielseitig verwendbar (von Einzelinstrumenten über Gruppen bis zum Mastering)

  • produktionsfertige Werksvorlagen für die wichtigsten Anwendungen

  • komfortable MIDI-Lernfunktion

  • einfach zu bedienen

  • spart viel Zeit und Nerven beim Feilen am bestmöglichen Klang

Minus

System: Mac / PC

Formate: AU, RTAS, AAX (incl. AudioSuite), VST 2.4, VST 3

Preis: 379.- EUR (Stand: Februar 2019, UVP)