Test: Godin Session

Godin hat mit der Session eine moderne Gitarre im Programm, deren Wurzeln ganz offensichtlich im traditionellen E-Gitarrenbau zu finden sind. Bei der Session trifft Vintage auf Moderne, sie will sowohl die an klassischen Rockidealen orientierten Gitarristen ansprechen, wie auch progressiv ausgerichtete Filtzefinger. Ob das gelingt?

Überblick

Bei Godin handelt es sich um eine kanadische Firma, deren Kopf und Namensgeber Robert Godin ist. Dieser baut seit den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Gitarren und vereint mittlerweile eine Vielzahl von Marken und Produktlinien unter seinem Dach. Angefangen bei der Hausmarke Godin über Seagull, Simon & Patrick, Art & Lutherie bis zum neuesten Spross La Patrie. Jede Produktlinie ist auf einen mehr oder weniger engen Bereich spezialisiert:

  • Godin fertigt elektrische und elektro-akustische Gitarren
  • Seagull kümmert sich um hochwertige Steelstrings und
  • Art & Lutherie um günstigere Steelstrings und Parlou-Gitarren
  • La  Patrie ist eine neue Produktlinie, die sich auf Nylonsaitengitarren spezialisiert hat

Godin-Modelle zeichnen sich seit jeher durch innovative Features und Detaillösungen aus. So besteht zum Beispiel bei den höherpreisigen Modellen mitunter die Möglichkeit, diese direkt mit Synthpickups zu bekommen, um Soundmodule anzusteuern.

Charakteristisch für Godin und die anderen Marken ist, dass im Hause Godin viel Wert darauf gelegt wird, mit lokalen Hölzern und Werkstoffen zu arbeiten. Die Fabriken Godins stehen zum Teil in Kanada, aber auch im US-Bundesstaat New Hampshire.

Die Godin Session

Bei der Godin Session handelt es sich unverkennbar um eine E-Gitarre, die durchaus Anleihen in der Tradition der klassischen Solidbodies macht, aber gleichzeitig mit aktuellen Features punkten kann.

Lange haben wir uns umschlichen, die Godin Session und ich. Strat-artige Gitarre mit Humbucker, 2 Single Coils und 2-Punkt-Vibrato? Habe ich schon. Sogar mehrfach. Ahornhals mit Ahorngriffbrett? Fehlt mir! Her also mit der Godin Session!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Fakten

Die Features der Godin Session lesen sich auf dem Papier wie folgt:

  • Korpus: Canadian Laurentian Basswood
  • Griffbrett: Ahorn
  • Hals: Ahorn
  • Pickups: 2 x Godin GS-1 Singlecoil, 1x Godin Humbucker
  • Regler: 1x Volume, 1x Tone (mit Coil Split-Option für den Steghumbucker), 5-Wege Schalter
  • Farbe: Cream
  • Finish: Highgloss
  • Inkl. original Godin-Gigbag

Alternativ ist die Session auch in matten Finishes und mit dunklem Palisandergriffbrett erhältlich.

Hardware

Schaut man sich die Gitarre an, sieht man zunächst klare Parallelen zur Stratocaster. Double Cutaway, Vibrato, asymmetrisches Korpusdesign, ergonomische Shapings vorne und hinten; es ist klar, wo hier die Kompassnadel hinzeigt. Als ich mir die Gitarre aber zum ersten mal umhängte, hatte ich eher das Gefühl, eine bequemere Telecaster am Gurt zu haben. Zwar ermöglicht das Design eine angenehme Bespielbarkeit wie bei einer Stratocaster, gleichzeitig hat die Session aber deutlich mehr Fleisch und wirkt längst nicht so fragil wie eine Stratocaster.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Linde oder Basswood, aus dem der Korpus gefertigt ist, hat sich im Gitarrenbau etabliert und ist längst nicht mehr nur eine günstige Alternative zu Erle, Esche und Co. Linde ist aber ein unspektakulär gemasertes Holz. Als Gitarrenhersteller muss man deshalb mit guten Lackierungen punkten. Godin kriegt das mit der Highgloss-Lackierung in Creme super hin, das Finish hat Showroom-Qualität. Die Session ist kein Leichtgewicht. Sie bringt amtliche 3,9 kg auf die Waage!

Der ansprechend gemaserte Hals setzt ebenfalls optische Akzente. Zum perfekten Glück würde jetzt nur noch ein Griffbrett aus Vogelaugenahorn fehlen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Statt dessen ist das Ahorngriffbrett nur normaler Standard und unlackiert, was dem Spielgefühl durchaus zuträglich ist und dem Klang keine Abbruch tut.

Der Griffbrettradius beträgt 12″, ideal also für komfortables Akkordspiel wie auch für rasante Soli. Engere Radien sind in der Regel freundlicher fürs Akkordspiel, bergen aber die Gefahr, dass Töne bei Bendigs „aufsetzen“ und abrupt absterben. Weitere Radien kommen zwar dem Solo-Shredder und Flitzefinger entgegen, sind aber beim Akkordspiel wesentlich schwieriger zu intonieren. Zudem besteht die Gefahr, dass Akkorde in sich immer leicht verstimmt klingen. Godin hat hier für beide Lager aber ein angenehmes Maß gefunden. Das betrifft sowohl die Dicke des Halses, als auch den Radius des Griffbretts.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Neben den ergonomischen Body-Shapings setzt Godin bei der Session auch auf einen verjüngten Hals-Korpus-Übergang, damit man als Spieler ohne Probleme alle 22 Bünde nutzen kann.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Bei der Bridge handelt es sich um das moderne Tru-Lock-Trem-System, das auf zwei Messerkanten aufliegt. Lock bedeutet aber nicht, dass das Vibrato über einen Locking Sattel oder Feinstimmer verfügt. Dieser Terminus bezieht sich darauf, dass sich der Schraubhebel rückseitig arretieren lässt. Damit ist es möglich, den Hebel in einer bevorzugte Position zu arretieren. Muss man ausprobieren. Beide Varianten haben ihre Vorteile. Das Vibrato lässt sich so einstellen, dass sowohl die Modulation der Tonhöhe nach unten wie auch nach oben möglich ist. Es arbeitet sanft und genau.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Im Zusammenspiel mit den Godin Mechaniken auf der Kopfplatte ergibt sich eine perfekte, nahezu verstimmungsfreie Einheit, die auch wilderen Einsatz im Rahmen eines Vintage-orientierten Vibratos gut wegstecken kann.

Die Hardware wird von Security Locks kompatiblen Gurtpins komplettiert. Hier passen sowohl die Originale von Schaller, als auch einige Derivate von Drittanbietern.

Tonabnehmer und Elektronik

Tonabnehmerseitig verfügt die Godin Session über zwei GS-1 Singlecoils am Hals und in der Mittelposition, sowie einen Godin-Humbucker am Steg. Der Humbucker am Steg lässt sich über den Tonpoti zusätzlich splitten, was einen einspuligen Single Coil-Sound ergibt. Dadurch hat man zusätzlich zum dicken Humbuckersound auch noch alle klassische Soundvarianten der Stratocaster mit an Bord. Die beiden Single Coils sitzen Telecaster-mäßig auf einem „halben“ Pickguard, während der Humbucker von einem Rahmen gehalten wird. Die Elektronik ist von der Rückseite des Korpus zugänglich. Der Fünfweg-Schalter bietet die klassischen (von der Stratocaster bekannten) Pickupkombinationen an.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Die Tonabnehmer der Einzelpositionen sind gut aufeinander abgestimmt. Die Single Coils sind etwas stärker im Ausgangspegel und fallen im Vergleich zum Humbucker nicht zu sehr ab. Der Humbucker dagegen ist eher ein an alten Idealen orientierter Typ mit moderatem Output. Auch im Split-Betrieb liefert er ebenfalls einen authentischen Einspulersound.

Der Session-Tone ist straff und druckvoll, mit viel relativ viel tieffrequenten Anteilen, begünstigt durch das Holz des massigen Bodies, der konterkariert wird vom strahlenden Ahornsound des Halses, was einen attackstarken, twangigen Ton mit reichlich Volumen und Bauch ergibt. Im Humbuckerbetrieb gibt die Session eine tolle Rockgitarre ab, die sich bei crunchigen AD/DC-Riffs sehr wohl fühlt, aber genauso überzeugend singende Soli-Linien a la Steve Lukather hervorbringt. Gesplittet hat der Stegpickup auch genügend Twang, um den Countrypicker überzeugen zu können. Am Hals wird es bluesig. Der Middlepickup geht gut für Akkordbegleitungen. In den Zwischenpositionen wird es wie erwartet kehlig-hohl – wenn auch mit sehr viel mehr Volumen als zum Beispiel bei einer Fender Stratocaster. Fast ist man geneigt den Singlecoils eine Tendenz in Richtung P90 zu unterstellen.

Sound-Beispiele

Die Soundbeispiele folgen alle dem gleichen Schema: Los geht es mit dem Humbucker am Steg, es folgt der Stegpickup gesplittet. Weiter geht es mit der Zwischenposition aus gesplittetem Stegpickup und Single Coil in der Mitte. Danach geht es zum Mittelpickup und dann zur zweiten Zwischenposition aus Mittel- und Halspickup. Am Ende steht der Halspickup für sich alleine.

Akkorde im Clean Sound

 

Cleanes Picking

 

Akkorde im Crunchgewand

 

Leadgitarre mit klassischer Rockzerre

 

High Gain Powerchords

 

Solo Lick High Gain

 

Verarbeitung

Mit Blick auf die Verarbeitung bleibt eigentlich nur festzustellen, dass sich diese auf hohem Niveau bewegt. Der Hals sitzt passgenau in der dafür vorgesehenen Halstasche, die Elektronik arbeitet einwandfrei und vielleicht am wichtigsten: die Bünde sind absolut sauber abgerichtet. Die Gitarre kam in ihrem Gigbag absolut perfekt eingestellt zu mir. An der Kopfplatte findet sich ein Hangtag, bei dem jeder Schritt des finalen Setup dokumentiert und von einem Godin-Mitarbeiter abgezeichnet wird.

Sehr oft hört man ja in Gesprächen mit Händlern und Gitarristen, das ein amtliches Setup im mittleren Preissegment gar nicht zu machen sei, weil eben das Abrichten der Bünde oder die perfekte Einstellung der Halskrümmung und des Trussrods nur per Hand zu erledigen ist. Man müsse dann eben noch mal 150-200 Euro in die Hand nehmen, damit ein Servicetechniker oder Gitarrenbauer dem Instrument den letzten Schliff gibt. Auf der anderen Seite fragt man sich dann, wie man dies bei Godin immer so perfekt hinbekommt.

Fazit

Die Godin Session hinterlässt bei mir einen durchweg positiven Eindruck. Das Instrument überzeugt ob seiner Konzeption, der hochwertigen, praxistauglichen Features und punktet mit hoher Verarbeitungsqualität.

Bestimmt kennt ihr diese Situation: Zur Probe, dem kleinen Clubgig oder der freitäglichen Session packt Ihr Euch eine Humbucker Gitarre ein. Kurz bevor Ihr aus dem Haus geht, überkommt Euch der Gedanke, vielleicht doch noch ein Instrument mit Single Coils einzupacken. Es könnte ja sein, dass schon jemand seine dicke Les Paul mitbringt. Für die Single-Coil-Gitarre braucht Ihr aber noch einen Booster oder Overdrive, um auch beim Solo genug Pegel auf der Pfanne zu haben. So wird dann meist aus dem „Ich nehme nur eine Gitarre mit“ die übliche Materialschlacht.

Die Session bedient mit ihrer Kombination aus Humbucker und Single Coils in Verbindung mit der Split-Option sowohl Clean- wie auch Zerrsounds. Selbst an einem einkanaligen Röhrenamp lässt sich über den Fünfwegschalter eine große Bandbreite an Sounds abrufen. Meiner Meinung nach liegt der Fokus dabei vor allem im Clean- und Crunchbereich.

Die Session bedient gerne alles zwischen Country, Blues und Rock. Das Metalbrett ist nicht so ihres, dazu ist die Auslegung des Humbuckers zu sehr am klassischen PAF orientiert. Die Single Coils hingegen haben etwas mehr Dampf als die klassischen Fender-Pendants, wodurch Pegelunterschiede zwischen den beiden Tonabnehmertypen nivelliert werden. Dies hat zur Folge, dass die Single-Coils etwas kräftiger tönen und nicht unbedingt den 50er Start Jingle Jangle-Sound liefern. Insgesamt fragt man sich bei der Session wirklich immer wieder, wie die das zu dem Preis hinkriegen.

Wer auf der Suche nach einer modernen, flexiblen Gitarre ist, sollte die Godin Session unbedingt mit in die engere Auswahl nehmen. Den Brückenschlag zwischen Vintage und Moderne schafft die Session auf jeden Fall.

TOP PRODUCT AWARD

BEST VALUE AWARD

Heiko Wallauer

Plus

  • Verarbeitungsqualität
  • Vielfältigkeit
  • Gigbag im Preis enthalten
  • Preis-/Leistungsverhäktnis

Minus

Preis

  • Je nach Ausführung und Lackierung liegen die Straßenpreise derzeit zwischen ca. 500 bis 600 Euro.