Test: Native Instruments UNA CORDA
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Una Corda ist ein präpariertes Piano mit zahlreichen Extras: Neben einer vielfältigen Ausstattung mit Präparierungen können zahlreiche Parameter gesteuert und damit Klangfarben fließend überblendet werden.
Una Corda hat aber noch mehr zu bieten: Das Piano, welches hier als Sample-Library für den Kontakt Player 5 angeboten wird, ist nämlich etwas ganz Spezielles: Es handelt sich um ein Unikat des in Balingen ansässigen Klavierbauer Klavins, das in Zusammenarbeit mit dem Pianisten Nils Frahm gebaut wurde. Die von Otto Heuss in Deutschland gefertigte Klaviatur und Hammermechanik schlägt pro Taste lediglich eine Saite an (traditionelle Klaviere sind je nach Lage mit bis zu drei Saiten pro Taste bespannt; bei leichten Verstimmungen entstehen Chorus-ähnliche Effekte; man denke an den Extremfall eines Saloon-Pianos).
Das Original ist mit 100 kg ein Leichtgewicht-Piano mit avantgardistischem Design in offener Bauweise und mit einer 64-Tasten-Klaviatur, einem Rahmen aus Edelstahl und einem Resonanzboden aus massivem Fichtenholz. Zum Vergleich: Standklaviere wiegen um die 300 kg, ein Konzertflügel bringt auch schon einmal satte 550 kg auf die Waage.
Die virtuelle Variante bietet einen erweiterten Spielumfang von 88 Tasten (A-1 bis C7).
Der Grundklang des Originals ist rein, warm und modern.
Zusammenfassung
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Auf den Punkt gebracht
Una Corda ist ein Meisterwerk des Sample-Managements, dem es an nichts fehlt: Obertöne, Saitenresonanzen, globale Dynamik- und Klangfarben-Parameter, Nebengeräusche von Sustainpedal und Dämpfer, Release-Samples, Rückwärts-Samples, mechanische Geräusche für Note-On und Note-Off, Umgebungsrauschen oder Mikrofonsimulation, knarrendes und knackendes Holz, dazu eine breite Palette an Stoffen, die zwischen die Hämmer und Saiten gelegt und nah mikrofoniert wurden.
Die Einleitung zu einem Test sollte ja eigentlich distanziert klingen und Wertungen vermeiden. Ich gebe aber zu, dass ich es nicht lassen konnte, das Klavier erst einmal anzuspielen … und habe mich dann recht schnell in den vielschichtigen Klangwelten verloren.
Mit den entsprechenden Einstellungen strömt das Una Corda regelrecht Wärme aus. Klavierpassagen werden von einem schützenden Gewand umhüllt, knirschende und knisternde Geräusche eröffnen einen geheimnisvollen Klangraum. Sogar Umgebungsrauschen verschiedenster Art kann eingebunden werden. Das Piano wird dann in einen organischen Mikrokosmos transferiert – einzigartige Hörerlebnisse tun sich auf. Filmmusikkomponisten und Experimental-Pianisten der zeitgenössischen E-Musik dürfen sich um eine wundervolle Bereicherung ihres Repertoires an Klangerzeugern freuen.
Die Fakten
Una Corda beansprucht 9,98 GB Festplattenspeicher. Der Speicherort ist frei wählbar; den Pfad gibt man in Kontakt an.
Verantwortlich für das mit allerlei Feinheiten der Skript-Programmierung versehene Instrument ist Galaxy Instruments. Dieser Hersteller hat bereits das monströse „The Giant“, ebenfalls aus dem Hause Klavins, digitalisiert und ist dabei eigene Wege gegangen. Auch Rise & Hit stammt von Galaxy Instruments.
Neben den reinen Klängen stehen zwei weitere Soundbänke bereit, bei denen zwischen Hammer und Saite Fremdmaterialien eingebracht wurden, etwa Filz oder Baumwollstoff. Diese können durch eine zweite Präparierung ergänzt werden.
Für einen extravaganten, detailreichen Klang sorgen vielfältige Nebengeräusche: Pedal- und Hammermechanik bis hin zu knarrenden Geräuschen der Sitzbank, auf der sich der Pianist bewegt. Laut Hersteller wurde das Instrument mit eher sanftem Anschlag und entsprechend leise eingespielt, wodurch selbst Atemgeräusche des Pianisten mit eingefangen wurden.
In der Tat ist die Dynamik im Pianissimobereich einzigartig detailliert aufgelöst. Am anderen Ende reicht der Basisklang nicht bis zum härtesten Forte-Fortissimo-Anschlag. Durch die Einstellung für einen harten Klang (mittels Color-Regler), Begrenzen der Dynamik, Hinzufügen von Harmonics, Tonal Depth, Obertönen, Resonanz, Anschlagsmechanik-Samples plus Body Punch und Transientenbetonung aus dem FX-Menü erreicht man bei Bedarf dennoch einen ausgesprochen durchsetzungsfähigen, dominanten Klang.
Neben dem Transienten-Tool sind eine Reihe anderer Effekte, darunter experimentelle Impulsantworten an Bord. Das Klangdesign ist für ein Piano rekordverdächtig breit angelegt.
Una Corda lässt sich vielseitig einsetzen:
- Als Piano mit frischem, modernem und eigenständigem Klang,
- als präpariertes Klavier mit viel Vintage-Flair und Retro-Klangfarben, hinter denen man teils eher ein uraltes Modell erwarten würde,
- für filmmusikreife Texturen und Flächenklänge, die anhand der außergewöhnlichen Samples, auf die hier zurückgegriffen wird, über ihren ganz eigenen Charme verfügen.
Una Corda Pure – Die Basis und die Verfremdungsmöglichkeiten
Una Cora Pure bietet aus dem Stand heraus und ohne Parametermanipulationen einen warmen, vollen Klang:
Satte Pedalgeräusche sind bereits an Bord. Will man das Instrument weicher oder härter klingen lassen, bewegt man den Color-Regler unten links.
Rechts von der Zwölf-Uhr-Position klingt das Piano härter. Es werden andere Samples geladen, die einen akzentuierten Anschlag wiedergeben. Dreht man den Regler nach links, so wird der Klang weicher.
Per Rechtsklick öffnet sich – wie bei Kontakt-Instrumenten allgemein üblich – ein MIDI-Lerndialog, über den man alternativ zur Automatisierung den Parametern einen externen Controller zuweisen kann. Das habe ich gemacht und für das folgende Audiodemo den Color-Regler von soft zu hart bewegt:
Mit dem zweiten Regler, Dynamic Range, erweitert man die Dynamikspanne. Im Rechtsanschlag wird auch Pianossimo mit einbezogen, im Linksanschlag startet man bei Mezzoforte. Die Klangfarbe bleibt dabei unbeeinflusst (dafür ist ja der Color-Regler verantwortlich).
Haben Sie die erste Note gehört? Una Corda bedient selbst Piano Pianissomo (ppp): Zarte Anschläge sind bei maximaler Dynamikspanne kaum hörbar. Die meisten Mitbewerber lassen den ganz leisen Bereich aus.
Ohne Hall gespielt klingt das Una Corda nicht tot oder leblos: Das Nachschwingen des Resonanzkörpers ist deutlich mit eingefangen worden, außerdem kommen Release-Samples hinzu.
Der dritte Regler, Space, stellt das Instrument in einen Raum und dient der Balance zwischen Direktschall und Raumklang. Verwendet wird ein Faltungshall, und es bleibt natürlich nicht bei diesem einen, spartanischen Regler. Wechselt man zum FX-Menü, so findet man eine Auswahl an realen und irrealen Raumklang-Kategorien, Vintage, Room, Mystique, Piano, Echo und Reverse, die ihrerseits eine ganze Reihe von unterschiedlichen Varianten bereitstellen. So gibt es eine ganze Reihe von Tape- und Analogechos oder futuristischen, klangmalerischen Spielereien in der Kategorie Mystique.
Auch die Größe und und das Predelay (ohne Werteangabe, nicht temposynchron) kann eingestellt werden. Wem das noch nicht genug ist, der kann über das Schraubenschlüsselsymbol oben rechts in der Kopfzeile in den Edit-Modus von Kontakt 5 (nur Vollversion) wechseln und dort unter Send Effects weitere Räume laden und diese auch mit anderen Effekten kombinieren.
Das FX-Menü hat noch mehr zu bieten: Einen Dreiband-Equaliser mit drei Mitten-Charakteristika (Body, Punch, Presence). Bewegt man den Air-Regler nach rechts, so erreicht man kristallklare Höhen.
Über den Schalter Noises to EQ routet man die Geräusche der Dämpfungsmaterialien (Baumwolle, Filz, Seide, Leder und andere), der Mechanik, der Pedale und der Umgebung ebenfalls zum Equalizer.
Ein Transienten-Modul erlaubt eine Betonung der Attack- oder Sustainphase. Eine Stereoverbreiterung ist ebenfalls an Bord. Per Swamp baut man ein spiegelverkehrtes Piano: Die Bässe erklingen dann rechts im Panorama, die Höhen links.
Mit dem Modul Compression/Tape erreicht man einen Kompressions- bzw. Sättigungseffekt. Über ein Aufklappmenü stehen diverse Modelle zur Verfügung, darunter Bandsättigung, Band-Limiting aber auch Kompressoren ohne Tape-Charakteristik. Die Kompressionskurve wird bei Soft-Knee-Modellen angezeigt. Dieses Modul sollte man einsetzen, wenn man das Una Corda etwas kompakter und druckvoller klingen lassen will. Es kann sich dann in einem Mix etwas besser durchsetzen, wirkt aber auch nicht mehr so offen.
Weitere Eingriffe in den Klang bietet das Style-Modul, welches über drei Modi mit einer ganzen Reihe verschiedener Effekte via Aufklappmenü verfügt:
Timbre fügt leichte Färbungen hinzu, etwa eine Bandsättigung, eine Mikrofonsimulation, eine Speakersimulation (altes Radio) oder den Klang eines konventionellen Flügels mit geschlossenem Deckel.
Moving bringt Bewegung ins Spiel: Chorus, softe Filtersweeps, Panoramabewegungen oder auch einen angezerrten, resonanzreichen Klang.
Continuous bietet fließende Effekt-Evolutionen, etwa Knistern und Knacken oder Metallstäbchen eines Windspiels als Resonatoren.
Wer also extravagante Sounds, etwa in Form einer Mischung aus Texturen und tonalen Elementen benötigt, braucht nicht unbedingt auf externe Effekte auszuweichen. Una Corda hat einiges schon an Bord.
Eigentlich beginnt man die Klanggestaltung jedoch im Workbench-Menü.
- Dort trifft man in der Abteilung Tones zunächst auf den Lautstärkeregler für den unbearbeiteten Klang (einschließlich Resonanz-, Oberton- und Release-Samples),
- darunter einem Harmonics-Slider, mit dem man Flageolets beimischen kann.
- Reverse spielt den Klang rückwärts ab – und zwar auf Wunsch auch temposynchron in verschiedenen Notenwerten. Dabei wird nicht etwa eine vorgeschaltete Zeitverzögerung, sondern die Länge der Rückwärtssamples eingestellt.
- Tonal Depth fügt Resonanzen hinzu.
Weiter geht es mit einer lückenlosen Geräuschabteilung, die ich in diesem Umfang noch bei keiner Piano-Library angetroffen habe:
Fabric fügt Samples hinzu, die durch die eingangs beschriebene Präparierung des Klaviers mit einer Auswahl an sechs Stoffen entstanden sind. Je nach Stoff wird ein zartes, höhenreiches (Seide) oder mittigeres (Leder) Rascheln hörbar, welches dank Round Robin Samples abwechslungsreich eingeflochten wird.
Die Geräuschsamples können in der Lautstärke gemischt werden. Sie können unabhängig vom reinen Klavierklang auftreten.
Auch die Abteilungen Harmonics, Reverse, Tonal Depth, Ambience und Pianist können unabhängig voneinander beigemischt werden.
Ambience fügt ein kontinuierliches Umgebungsrauschen hinzu. Die Auswahl ist riesig und beinhaltet auch den Klang billiger Mikrofone oder die Geräuschkulisse einer Vinyl-Schallplatte.
Pianist fügt die Geräusche des Klavierspielers hinzu, worunter man hier diverses Rascheln von Kleidung und knarzendes Holz versteht. Schmatzen, Schnalzen, Rülpsen, Niesen, Husten sind mir nicht begegnet. Das wäre doch mal eine Idee für ein Update …
Bei den mechanischen Geräuschen muss man sich entscheiden, ob man sie beim Spielen oder Loslassen der Taste hinzufügen möchte. Beides zusammen wäre dann vielleicht auch etwas zuviel des Guten.
Wer noch mehr haben möchte, kann sich bei den Geräuschen bedienen, die durch Pedalarbeit ausgelöst werden, und zwar getrennt für Sustain- und Dämpferpedal. Zusätzlich kann die dezente Saitenvibration (aller Saiten, auch der nicht angeschlagenen) beigemischt werden, die bei Betätigung des Sustainpedals durch die Bewegung der Mechanik ausgelöst wird.
Im folgenden Audiodemo habe ich auf die klassischen Basis-Piano-Samples völlig verzichtet:
Mit zugemischter herkömmlicher Spielweise und Mystical-Space FX:
Im nächsten Menü, Response, geht es um weitere Details des Klangverhaltens.
Release fügt kurze Abkling-Samples hinzu, die wiedergeben, wie sich die Saite verhält, wenn deren Vibration nach dem Note-Off vom Dämpfer gestoppt wird. Zur Verdeutlichung hier eine Akkordfolge mit Release-Samples (in maximaler Lautstärke, also etwas übertrieben):
Und nun ohne:
Attack reguliert die Attackzeit und wird vor allem dann interessant, wenn man sanfte Flächenklänge mit den Klaviersamples erzeugen möchte.
Low Key dient dazu, die Bässe unterhalb von C3 in der Lautstärke abzusenken oder anzuheben.
Overtones liefert das, was man andernorts unter „Sympathetic String Resonance“ versteht: Wenn eine Saite schwingt und eine oder mehrere andere Noten gespielt werden, kommt es zur Wechselwirkung zwischen den Saiten und zu einer dynamischen Veränderung des Obertonspektrums.
Resonance beschreibt den selben Effekt für alle Saiten, der dann auftritt, wenn durch Drücken des Sustainpedals alle Dämpfer von den Saiten gelöst werden und nun auch nicht angeschlagene Saiten durch die Vibration gespielter Noten in Schwingung geraten. Der Klang wird dadurch vielschichtiger und voluminöser.
Das letzte Audiodemo hört sich mit Overtones und Resonance bei gehaltenem Sustainpedal so an:
Schlußendlich finden sich noch Anpassungen an die Anschlagsdynamik, darunter Voreinstellungen für die NI Controllerkeyboards Komplete Kontrol und Komplete Kontrol S88. Diese Keyboards bieten fertig gemappte Parameterzuweisungen für ihre Regler.
Snapshots des Una Corda – Pure
Das Experimentieren mit den außergewöhnlichen Klangfarben des Una Corda macht von Beginn an Spaß. Eine Lernhürde gibt es praktisch nicht. Man spielt eine Passage ein, lässt sie durchlaufen und probiert diverse Optionen aus. Dabei wird auch ohne Manual schnell klar, was die einzelnen Funktionen bewirken.
Darüber hinaus stehen eine Reihe von Snapshots zur Verfügung …
… und man kann eigene Bearbeitungen natürlich auch als solche ablegen.
Die zuletzt verwendete Akkordfolge mit dem Snapshot Pure – Church Organ:
Hier wird mit unter anderem mit langsamem Attack, Obertönen, Resonanz und dem Effekt Continuous/Shaked gearbeitet.
Eine Cembalo-Adaptation verwendet Obertöne, mechanische Geräusche beim Note-On und eine Prise Gardinenstoff zwischen Hammer und Saite:
Vor allem in den unteren Lagen klingt das Una Corda bei dieser Konfiguration unerreicht archaisch.
Weitere Basis-Instrumente
Neben dem Una Corda Pure – welches, wie wir gesehen haben, weit über einen puristischen Pianoklang hinaus verfremdet werden kann, gibt es noch die Basispresets Una Corda Cotton und Una Corda Felt, bei denen anders als bei der Pure-Version grundlegend Samples des mit Baumwollstoff und Filz gedämpften Pianos verwendet werden.
Wie bereits erwähnt, wurde der Stoff dabei zwischen Hammer und Saite platziert, also nicht etwa flächig über die Saiten drapiert. Durch eine Nah-Mikrofonierung entstanden so geräuschhafte Attack-Samples, die auch die Rolle eines rhythmischen Begleitinstruments übernehmen können:
Die Passage stammt aus der Library Country für Toontracks EZKeys.
Schaltet man bei Una Corda Cotton und Felt das Fabric-Modul hinzu, werden weitere Präparierungen addiert. Die Architektur der Menüs Workbench, Response und Finish ist identisch mit der Pure-Variante.
Auch hier gibt es eine Reihe von Snapshots, die man als Vorlage für eigene Kreationen nutzen kann.
Fließende Übergänge ohne Knackser oder Audioaussetzer gelingen mit allen kontinuierlichen Parametern.
Im folgenden Audiodemo habe ich auf der Basis des Una Corda Cotton den Parameter Dynamic Range, die Lautstärke von Haupt- und Obertonsamples sowie das Vinylschallplattengeräusch über externe MIDI-Controller gesteuert, um den Klang von einem alten Piano in eine reine Geräuschkulisse zu überführen, bei der nur noch die Reverse-Samples als tonaler Restbestand übrigbleiben.
Der Snapshot „Mystic Soundscape“ des Una Corda Felt eignet sich für filmmusikreife Hintergründe zwischen Geräuschtextur und sanft einschwebenden tonalen Klängen:
Mystic Soundscape nutzt neben der Präparierung mit Filz und Baumwolle Reverse-Samples, Note-On-Geräusche und diese beiden Effekte …
… durch die auch die Geräusche geschleust werden.
CPU-Leistungseinforderung
„Nanu? Ist das ein Kriterium für ein Sample-Instrument?“ werden Sie sich vielleicht fragen. Doch, das ist es. Nicht nur Plug-ins und virtuell-analoge, algorithmische Klangerzeuger beanspruchen Rechenpower, sondern auch Sample-Instrumente. Früher fiel das kaum auf. In Zeiten, in denen die Sample-Instrumente über immer komplexere Scripts verfügen und immer mehr Samples diverser Artikulationen, Velocity-Layer und Round Robins schnell geladen (besser: gestreamt) werden müssen, können unsauber oder ungeschickt programmierte Sample-Instrumente selbst bei Verwendung von SSD-Discs CPU-Peaks produzieren, die sogar bei mittleren Puffergrößen noch zu Audioaussetzern und Knacksern führen. Una Corda verfügt zwar über ein aufwändiges Sample-Management, brachte auf unserem Testsystem (s.u.) die CPU aber selbst bei niedrigen Latenzen nicht aus der Fassung.
Das Marktumfeld
Präparierte Klaviere und Pianos, die Nebengeräusche (Pedale, Dämpfer) sowie Saitenresonanzen mit einbinden, gibt es einige – keines davon erreicht die Flexibilität und vielseitige Ausstattung, die Una Corda bietet.
Meine Persönlichen Favoriten unter den präparierten Klavieren waren bislang das IRCAM Prepared Piano für die UVI Workstation, bei dem man für jede einzelne Taste unterschiedliche Präparierungen konfigurieren kann (was ein zeitaufwändiges Unterfangen ist) und das sehr stimmungsvolle Piano aus Olafur Arnalds Composer Toolbox von Spitfire Audio.
Native Instruments / Galaxy Instruments Una Corda kann mehr als beide zusammen und das in exzellenter Audioqualität.
Fazit
Una Corda ist ein Meisterwerk des Sample-Managements, dem es an nichts fehlt: Obertöne, Saitenresonanzen, globale Dynamik- und Klangfarben-Parameter, Nebengeräusche von Sustainpedal und Dämpfer, Release-Samples, Rückwärts-Samples, mechanische Geräusche für Note-On und Note-Off, Umgebungsrauschen oder Mikrofonsimulation, knarrendes und knackendes Holz, dazu eine breite Palette an Stoffen, die zwischen die Hämmer und Saiten gelegt und nah mikrofoniert wurden – ideal für einen einzigartig intimen Klang oder für eine perkussive Begleitung.
Auch die Ausstattung mit Effekten kann sich sehen lassen. Hier sind neben Bandsättigungen auch ausgefallene Impulsantworten an Bord, die zu allerlei extravaganten Klangreisen einladen. Bevor man externe Effekte hinzuzieht, sollte man dieses Arsenal unbedingt ausloten.
Aber: Ein Klavier ist ein Klavier ist ein Klavier. Und genau das ist das Una Corda, welches nur mit einer Saite pro Taste bespannt ist und einen edlen, modernen Klang bietet, zuallererst auch:
Als Pure-Piano ohne den Einsatz von Präparierungen eröffnet sich bereits eine breite Palette von Klangfarben – von weich und intim bis zu voll und majestätisch. Ein dynamischer Pianoklang der Superlative. Da darf man auch den besten virtuellen Steinway mal auf Seite schieben und es wagen, alternativ einen frischen Sound auszuprobieren. Aber Vorsicht: Das Una Corda verfügt über magische Anziehungskräfte und wird den aufgeschlossenen Pianisten so schnell nicht loslassen.
Die Reise durch bislang unentdeckte Piano-Klangwelten geht nämlich noch viel weiter: Nimmt man die Präparierungen und die Nebengeräusche hinzu, so kann man ebenso archaische Uralt-Modelle basteln, hinter denen man Urgesteine aus der Geschichte des Klavierbaus vermuten würde, wie schwebende Texturen mit zarten Resonanzen, Obertönen und einer detailreichen, sich nie wiederholenden oder gar langweilig werdenden Geräuschkulisse. Auch ein Sound wie von einer alten Schallplatte oder aus einem Radio der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts ist möglich.
Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist die komplette Steuerbarkeit aller klangrelevanten Parameter einschließlich dem Ein- und Ausschalten von Modulen. So lässt sich das Piano fließend, ohne Knackser, Audioaussetzer oder Artefakte vom dumpfen Wohnzimmerklavier (das geht nämlich auch) über einen majestätischen, strahlenden Quasi-Flügelsound in eine futuristische Klangmaschine verwandeln.
Das Una Corda ist ein wahres Chamäleon und kann genreübergreifend eingesetzt werden, für Rock-, Pop und Jazz-Kompositionen wie für stimmungsvolle Klänge in der Filmmusik, für Klanginstallationen und zeitgenössische E-Musik.
Das Una Corda lässt die Mitbewerber unter den präparierten Klavieren ein gutes Stück weit hinter sich und macht darüber hinaus auch jedem anderen Sample-Flügel Konkurrenz, es sei denn man will gezielt einen Steinway oder Bechstein und nichts anderes. Una Corda ist für alle, die mit Klavierklängen experimentieren wollen, eine uneingeschränkte Empfehlung.
Richtig Spaß macht das Una Corda, das dürfte keine Überraschung sein, mit einer Klaviatur mit Hammermechanik. Native Instruments Komplete Kontrol S88 bietet sich da an. Für knapp unter 1000.- EUR erhält man nicht nur ein gutes Controllerkeyboard mit solider Klaviatur, passenden Maps zur Steuerung von NI-Instrumenten (und auch anderen), sondern nebenbei ein ansehnliches Software-Paket, Komplete Select, mit Massive, Prism, Scarbee Mark I, Solid Bus Comp, Drumlab, The Gentleman, Vintage Organs, Monark, Retro Machines und West Africa, welches obendrein upgradefähig auf Komplete Kontrol 10 ist (Stand: April 2016).
In Anbetracht der umfassenden, perfekten Leistung des Una Corda ist der Preis ausgesprochen günstig. Ein Top-Produkt!
Testautor: Holger Obst
Plus:
- erstklassiger, extrem facettenreicher Piano-Klang
- hervorragende dynamische Auflösung bis ppp
- exzellente Audioqualität
- einzigartige Vielseitigkeit an Spiel-Nebengeräuschen
- Vielfalt an Präparierungen
- vielschichtige, fließende Wandlung des Klanges per Automation oder über externe Hardware-Controller
- leistungsstarkes Effektboard
- fairer Preis
Minus:
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Preis: 149.- EUR
Systemanforderungen:
Win/Mac
Kontakt Player 5 (kostenlos)
Hersteller: Native Instruments / Galaxy Instruments
Testsystem: i7 6-Core PC, Win 8.1, Cubase 8.5, Datenfestplatte: Samsung SSD Pro, RME Fireface 802.
Testprojekt mit 24 Bit und 44,1 kHz; alle Audiodemos in 128k mp3.