Test: iZotope Iris 2

Iris 2 soll noch nie dagewesene Klänge erzeugen – auf der Basis von Samples, kombiniert mit einer flexiblen modularen Architektur und einem außergewöhnlichen Klangdesign durch spektrale Filter. Inwieweit Iris 2 den Kosmos virtueller Klangerzeuger erweitert, erfahren Sie in unserem Test.

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Überblick

Grundlage für die Klangerzeugung von Iris 2 sind Samples oder klassische analoge Wellenformen. Auch eigenes Klangmaterial kann importiert werden. Diese Klangquellen können in vier unabhängige Engines geladen und als Layer übereinandergelegt werden.

Im nächsten Schritt beginnt mit dem Einsatz spektraler Filter ein sehr eigenständiges Klangdesign. Hierzu werden mittels verschiedener grafischer Werkzeuge Bereiche im Spektrogramm der Samples eingezeichnet.
Ein Master-Multimodefilter, ein neues, umfangreiches Modulationssystem mit der Steuermöglichkeit von mehr als 100 Parametern sowie eine Ausstattung mit Effekten runden die Gestaltungsmöglichkeiten ab.

Gegenüber dem Vorgänger bietet Iris 2 neben dem erweiterten Modulationssystem hunderte neuer Patches, den Import eigener Samples in vier Sample-Pools (Layer), analoge Oszillator-Wellenformen, eine überarbeitete Oberfläche sowie verbesserte Filter und Effekte.

Installation

Zunächst reicht es, die für zehn Tage voll funktionstüchtige Demo-Version herunterzuladen. Nach dem späteren Erwerb des Produkts erhält man eine Seriennummer, mit der man Iris 2 freischaltet, und im persönlichen iZotope-Benutzerkonto nun auch Zugriff auf den vollständigen Sample-Content. Dieser wiegt insgesamt rund 11 GB und ist in mehrere Pakete aufgeteilt. Die Sample-Library kann auf einer beliebigen Festplatte abgelegt werden.

Iris 2 läuft auf dem Mac ab OSX 10.7, auf dem PC ab Windows 7 in 32 und 64 Bit und in den Formaten VST, VST3, AU, AAX und RTAS. Im Gegensatz zur Vorgängerversion, die noch ab Windows XP SP2 und Mac OSX 10.5.8 lief, werden ältere Betriebssysteme nicht mehr unterstützt.

Die Patches von Iris 1 sollen aber mit der Version Iris 2.01 ohne Kompatibilitätsprobleme geladen werden können. Die Version 2.01 wird für Ende 2014/Anfang 2015 erwartet.

Aufbau dieses Tests

Dieser Test ist so aufgebaut, dass Sie ihn anhand der Demo-Version begleiten können und Schritt für Schritt tiefer einsteigen. Nach einem Überblick der Werksklänge geht es daher zunächst mit der Klangformung durch Filter, Effekte und Modulatoren weiter, mit denen man Werksklänge bearbeiten kann, ohne bereits in das Zeichnen spektraler Klangverläufe einzusteigen. Der Aufbau eigener Klänge mit den spektralen Zeichenwerkzeugen folgt anschließend.

Erster Einstieg: Die Werksklänge

Für den Einstieg bieten sich hunderte von Werksklängen an, komplette Konfigurationen mit bis zu vier Layern, die bereits über voreingestellte Modulationsmöglichkeiten via Makro-Regler verfügen.

Die Sounds unterteilen sich in die Kategorien Bass, Keys, Leads, Pads und Rhythmic. Über die Browser Tabs Samples und OSC Waves erreicht man zudem Klangquellen für die vier Layer – ein sehr breit gefächertes Angebot, doch dazu später.

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Beim Laden des ersten Instruments, nämlich des Bass-Presets „Almost Enough“ erscheint eine Meldung über den verwendeten Algorithmus Radius RT.

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Dieser bietet gegenüber der herkömmlichen Resynthese der Samples eine Pitch-Shift-Funktion, die die Länge der Samples beim Transponieren über die Klaviatur beibehält. Zwischen beiden Modi kann man in der Sample-Abteilung des Interfaces auch nachträglich wechseln.

Setzt man den RT-Modus im Settings-Menü auf „High Quality“, so steigt die CPU-Last bei geringer Latenz und einem 3,2 GHz Prozessor um etwa 3-5% an. Iris 2 beansprucht beim Spielen des monofonen Basses auf unserem Testsystem insgesamt etwa 23% der Leistung eines CPU-Kerns.

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Der Klang wird im High-Quality-RT-Modus vor allem in der Attackphase etwas markanter, im Sustain höher auflösend und geringfügig detailreicher. Unterm Strich ist der Unterscheid zum normalen RT-Modus jedoch nicht sehr groß, sodass man den High-Quality-Modus auch erst beim Abmischen hinzu schalten kann, wenn es auf letzte Feinheiten ankommt.

Für das erste Audiodemo habe ich Toontracks EZdrummer 2 mit dem Electronic-Kit als Rhythmusmaschine benutzt. Protagonist ist der fett, schmutzig und analog klingende Booka-Bass aus den Werksklängen von Iris 2:

 

Für erste Klangerkundungen bieten sich die bereits konfigurierten Makro-Regler an, deren Bedienpanel entkoppelt werden kann. Über einen MIDI-Lerndialog (erreichbar über den MIDI Assign-Button in der Kopfzeile) lassen sich externe Controller zuweisen. Zusammen mit einer Bewegung des Modulationsrades erreicht man im Nu eine abwechslungsreiche Performance. Genaueres zu den Modulationsmöglichkeiten folgt weiter unten.

Hier noch einmal der Bass, nun mit Modulation. Hinzu kommt das „Back Rhodes“ aus der Kategorie Keys, welches eher an eine verstaubte und verstimmte Orgel mit Geräuschtextur erinnert:

 

Und hier das Back Rhodes, im zweiten Durchgang zusammen mit einem Sound aus der Kategorie Leads, „Extra Terrestrial“, der zwischen elektronischen Glöckchen und Orgel angesiedelt ist:

 

Unter den Bässen finden sich vor allem analoge Vintage Sounds. Ein Blick auf die verwendeten Samples und Wellenformen zeigt, dass eine Reihe legendärer Synthesizer vom Moog bis zum Arp Pate gestanden hat. Obwohl die Werksvorlagen nicht ganz den zupackenden und druckvollen Sound der Oberliga emulierter Analog-Spezialisten erreichen, verfügen sie doch über einen angenehmen warmen und rauen Klang und bilden ein breites Spektrum ab.

Bei den Leads trifft man auf kräftige bis schneidende, sehr durchsetzungsfähige Klänge …

 

… und auch auf zarte, wiederum teils außergewöhnlich texturierte Sounds für Balladen:

 

Auch unter den Pads finden sich einige experimentelle Presets, die texturähnliche Elemente und zyklische Klangmetamorphosen einschließen. Im folgenden Audiodemo hören Sie das Pad „Ambient Tape“:


 

Hier zusammen mit dem bereits bekannten EZdrummer 2- Beat und der Cheap Guitar aus der Iris 2 – Kategorie Leads:

 

Die Kategorie Rhythmic bietet temposynchrone, per LFO-modulierte Klänge mit tonalem Anteil. Regelrechte Sequenzen mit perkussivem Charakter fehlen. Hier das Preset „Broken Wind Chime“ zusammen mit einem Kontrabass-Mutanten „Futuristic Western“ der Kategorie Keys:

 

Kleines Zwischenfazit zu den Werksklängen

Beim Surfen durch die Prestes trifft man schnell auf eine Reihe von warmen Vintage-Klängen, teilweise ornamentiert mit Details, wie etwa die texturähnlichen Layer des Back-Rhodes-Pianos, welches ich oben verwendet habe. Man fängt schnell an, kleine Ideen festzuhalten, was für die inspirierende Wirkung von Iris 2 spricht. Zweifellos ist es möglich, mit mehreren Instanzen von Iris ein komplettes Arrangement zu verwirklichen. Lediglich bei ryhthmisch-perkussiven Presets muss Iris weitgehend passen, sodass hier andere Klangerzeuger zum Einsatz kommen werden.

Grundlegende Funktionen

Iris ist sowohl polyfon, monofon als auch monofon mit Legato spielbar. Obwohl Iris 2 über vier unabhängige Klangquellen beziehungsweise Layer verfügt, ist das Instrument monotimbral: Die vier Layer können nicht über separate MIDI-Kanäle angesprochen werden und verfügen auch nicht über Einzelausgänge.

Interne Effekte stehen nicht als Layer-Inserts, sondern als vier gemeinsam nutzbare Sends oder Master-Effekte zur Verfügung. Die Ausstattung der Send- und Master-Effekte mit vier gleichzeitig nutzbaren Effektmodulen ist identisch. Die Master- und Send-Effektblöcke können nur wahlweise, nicht gleichzeitig betrieben werden.

Über einen Mixer können die vier Layer abgemischt werden. Wer jedoch eine weiterführende separate Bearbeitung der Layer, etwa mit individuellen Effekten realisieren will, muss mehrere Iris 2 – Instanzen laden. Mit den heutigen Multiprozessorsystemen sollte das kein Problem sein, da dann jede Instanz durch einen anderen Kern berechnet wird.

Praktisch ist, dass innerhalb von Iris auch spektrale Layer-Bearbeitungen von einem Layer auf den anderen kopiert werden können. Zudem gibt es einen umfangreichen Save- und Export-Dialog, der die Arbeit leicht macht, wenn man bei fortgeschrittenen Anwendungen mehrere Instanzen mit abgewandelten Klonen eines Layers betreiben will.

Die Anzahl der Stimmen kann zwecks CPU-Schonung begrenzt werden.

Layer-Architektur

Zwischen den vier Klangquellen wechselt man oben rechts im Bedienfeld.

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Hier kann man die einzelnen Layer auch auf Solo oder Bypass schalten. Aktiviert man All, so werden alle Layer im Spektrogramm dargestellt:

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Dort kann man sie nun der Reihe nach mit Zeichenwerkzeugen bearbeiten, wozu wir gleich noch kommen werden.

Über Mix öffnet sich ein weiteres, ebenfalls entkoppeltes Fenster. Hier stellt man das Tuning und Abspielverhalten der Layer ein. Zudem bieten sich vier Send-Effektwege an, die individuell angesteuert und in dieser Ansteuerung auch moduliert werden können.

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Die vier Layer können im Key-Mapping-Fenster einem Tastaturbereich zugeordnet werden. Damit sind Mischformen aus Layering und Splits möglich.

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Eine anschlagsdynamische Staffelung der Layer, etwa über Velovity-Crossfades, ist hier nicht realisierbar. Es gibt jedoch für eine komplexe dynamische Steuerung eine Alternativlösung: Über die Steuerung per Velocity und/oder Keyboard Tracking, lässt sich die Lautstärke eines Layers in Abhängigkeit von der Anschlagsdynamik oder Notenhöhe regulieren. So kann beispielsweise ein Layer mit zunehmender Anschlagsstärke lauter, ein anderer leiser werden. Analog lassen sich gegenläufige Lautstärkeverteilungen für die Notenhöhe realisieren.

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Auf die Arbeit mit den Modulatoren kommen wir noch zurück.

Um einen neuen Klang zu entwerfen, klickt man unterhalb des Browser-Fensters auf New und fügt anschließend Samples oder Oszillator-Wellenformen aus den diversen Kategorien-Ordnern per Doppelklick in die Slots der Layer. Alternativ können auch eigene Samples importiert werden.

Zunächst habe ich ein Sample aus der Kategorie Toys/Electronic in den ersten Layer geladen:

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Wie sich herausstellt, ein außergewöhnliches Exemplar:

 

Filter und Effekte

Im ersten Schritt der Klangformung kann man nun den Master-Filter einschalten, an dessen Eingang das Summensignal aller Layer anliegt. Er bietet ein resonanzfähiges, stimmbares Multimodefilter mit insgesamt 17 verschiedenen Modellen der Charakteristika Tief-, Band-, Hoch- und Peak-Filter:

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Die hier verwendeten Filteremulationen klingen durchweg organisch und verfügen über eine persönliche Note. Sie wirken nie technisch oder piepsig, selbst bei hohen Resonanzwerten und Eigenresonanz. Eine Kurvendarstellung des Filterverlaufs fehlt allerdings. Stattdessen befindet sich oberhalb des Filters ein Spektrogramm, welches die Wirkung auf den Frequenzverlauf in Echtzeit abbildet und aussagekräftiger als jede statische Filterkurve ist. Den Luxus individueller Filter pro Layer bietet Iris allerdings nicht.

Direkt darunter befinden sich die Master-Effekte mit einem Multimode-Verzerrer, Chorus, temposynchronem Echo sowie einem algorithmischen Hall. Die Effekte bieten eine überdurchschnittliche Bandbreite an alternativen Modellen und/oder Parametern.

Das Verzerrermodul offeriert sechs verschiedene Typen, von der eher sanften Röhrensättigung bis zum kreischenden Scream. Aliasing ist ein Lo-Fi-Effekt, der niedrigere Samplingraten erzeugt und uns zurück in die Zeit früher Sampler beamt. Insgesamt klingen die Verzerrermodelle alle stilvoll, musikalisch und verhelfen den Basissounds zu mehr Fülle, Breite oder Biss. In puncto Klangaufwertung und Transparenz übertreffen sie manchen Distortion-Effekt angesehener virtueller Gitarren-Effektracks. (Unter den Presets der Kategorie Lead finden sich einige Sounds, die auch schreienden, dominanten Sologitarren Konkurrenz machen können.)

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Auch der Chorus bietet eine breite Palette an Einstellmöglichkeiten …

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… und produziert in der oben abgebildeten Einstellung beispielsweise einen breiten, schwebenden Klag, ideal für Pads.

Das wahlweise temposynchrone Delay verfügt als Besonderheit über eine Crossmix-Funktion, bei der die Ausgangssignale beider Kanäle wieder in den Eingang des jeweils anderen eingespeist werden. Im Analog-Modus klingt es ausgesprochen warm mit deutlicher Höhendämpfung. Zusätzlich bieten Low- und High-Cut-Filter eine Begrenzung des Frequenzspektrums.

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Auch der algorithmische Hall mit Reglern für die Größe, Stereobreite, Reflexionsdichte und Begrenzungsfiltern gefällt durch einen organischen, musikalischen Klang und macht sich speziell bei Pads und Texturen gut.

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Die Modulatoren

Die Modulatoren sind farblich voneinander abgesetzt: Wahlweise temposynchrone LFOs (gelb), Hüllkurven (rot) und Controller (gelb). Über das kleine Kreuz neben dem Icon des betreffenden Modulators können dieser per Drag & Drop einem der drei Modulationsslots der Zielparameter dosierbar zugewiesen werden.

Per Rechtsklick auf den Modulator werden die konfigurierten Modulationsziele angezeigt (und können bei Bedarf hier auch wieder gelöscht werden). Jeder Modulator kann mehrere Ziele steuern.
Hier steuert die Anschlagsstärke das Panorama und die Lautstärke von Pool 1 (womit Layer 1 gemeint ist):

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Die Hüllkurve Nummer 5 steuert per default die Lautstärke des Ausgangssignals.

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Hier kann man den Klangverlauf grob voreinstellen. Insgesamt stehen fünf ADSR-Hüllkurven bereit. Die Form der Hüllkurven stellt man über die Regler oder im Kurvendisplay über das Ziehen der Ankerpunkte sowie der Kurvensegmente ein. Letztere können von einem logarithmischen über einen linearen bis zu einem exponentiellen Verlauf gestaltet werden. Zudem kann die Hüllkurve invertiert (um eine imaginäre X-Achse gespiegelt) werden, was allerdings in der Darstellung nicht grafisch umgesetzt wird.

Weitere Ankerpunkte können nicht hinzugefügt werden. Auch alternative Abspielmodi (etwa temposynchrone Hüllkurven-Loops) gibt es nicht.

Die wahlweise temposynchronen LFOs bieten eine große Auswahl auch exotischer Wellenformen. Per Attack-Regler kann ihre Wirkungsstärke langsam hochgefahren werden.

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Der kleine Schieberegler unterhalb des LFO-Kurvendisplays erlaubt eine fließende Formveränderung des gewählten Kurve, etwa eine Invertierung oder Spiegelung mit entsprechenden Zwischenformen. So ergibt sich unterm Strich eine immense Auswahl an Verlaufsformen für eine LFO-Modulation.

Die LFOs wurden anhand analoger LFOs moduliert. Unter den Multi-Shapes finden sich Modelle, die auch für eine Amplituden- oder Frequenzmodulation genutzt werden können.

Die Hüllkurven können ebenso wie die fünf LFOs per Klicken und Ziehen beliebigen Parametern zugewiesen werden. Die Stärke und Richtung der Modulation ist definierbar. Primäre Modulationsziele sind das Master-Filter sowie die Effekte, daneben das Tuning, die Lautstärke und die Panoramaposition der vier Layer, nicht zu vergessen der Panorama- und Gain-Regler der Mastersection. Schon alleine dadurch lassen sich ausgiebige Klangevolutionen einschließlich räumlicher Metamorphosen realisieren.

Darüber hinaus können sich die Modulatoren auch untereinander beeinflussen. Eine Hüllkurve mit langsamem Attack kann beispielsweise einen LFO, der das Panorama eines Reglers steuert, sukzessive ins Spiel bringen, sodass der Klang im Verlauf damit beginnt, im Stereofeld hin- und her zu wandern.

Um solche Modulationen mit Modulatorparametern als Ziel einzurichten, benutzt man anstelle der Drag & Drop – Methode ein Aufklappmenü (per Rechtsklick) und wählt dort das Modulationsziel aus.

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Für eine komfortablere Bearbeitung kann das Modulatoren-Fenster in vergrößerter Darstellung entkoppelt werden:

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Als weitere Modulatoren können die Notenhöhe, Anschlagsstärke, Aftertouch und das Modulationsrad eingesetzt werden. Wie wäre es beispielsweise, einen Leadsound per Aftertouch zum kreischenden Monster zu transformieren, indem man den Amount des Sättigungseffektes damit steuert. Oder das Modulationsrad steuert die Wirkungsstärke eines LFOs mit Rechteckwelle, der die Lautstärke eines Layers steuert. So wird per Modulationsrad aus einem Sustain-Sound ein temposynchroner Puls.

Des Weiteren gibt es acht Makro-Regler, die mehrere Parameter gleichzeitig steuern können und entweder per Maus (Animationsspur) oder via MIDI-Lerndialog über Controller in Bewegung versetzt werden können. Sie eignen sich insbesondere für umfangreiche Klang-Metamorphosen auf der Bühne via Controllerkeyboard.

Der Sampler

Für die grundlegende Einstellung geladener Samples stehen einige einfache Parameter bereit: So gibt es verschiedene Abspielvarianten im Loop-Modus …

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… die Zuweisung des Root-Keys (Klaviaturtaste mit Originaltonhöhe), Loop Start und End, Crossfade und Vorverzögerung des Abspielens. Die hier vorgenommenen Loop-Einstellungen sind allerdings nur für einen reinen Sample-Playback-Betrieb von Bedeutung.

Das Spektrogramm – Grundlagen

Das Spektrogramm stellt den zeitlichen Verlauf eines Frequenzgangs (Horizontale), das Frequenzspektrum von den Bässen bis zu den Höhen (Vertikale) und die Lautheit einzelner Frequenzen (Farbintensität) dar. Bei Bedarf lässt sich auch die klassische Wellenform einblenden (über den kleinen Schieberegler rechts, unterhalb von Delay).

Hier sehen Sie das Frequenzspektrum (grau schattiert), die eingeblendete Wellenform (weiß) und zwei bereits markierte Bereiche (gelb).

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Oberhalb des Spektrogramms wird die Wellenform (hier recht dünn und hellblau) zusätzlich abgebildet. Das weiße Quadrat gibt Auskunft über den Teilbereich des Samples, der im Spektrogramm dargestellt wird. Das Quadrat lässt sich verschieben und skalieren und damit die Ansicht des Spektrogramms anpassen.

An die Arbeit: Die Zeichenwerkzeuge

Richtig spannend wird es, wenn man Zeitabschnitte oder spektrale Anteile der Samples mit den Zeichenwerkzeugen herausgreift. Nun werden nur noch jene Abschnitte aus den Samples oder Wellenformen abgespielt, die per Zeichenwerkzeug markiert sind. Lücken zwischen dem ersten und letzten eingezeichneten Segment werden allerdings auch durchfahren. Malt man also in einem Layer mehrere Punkte in das Spektrum, so springt Iris 2 nicht von Punkt zu Punkt, sondern verstummt (bei diesem Layer) im Leerbereich zwischen den Punkten. In dieser Eigenschaft liegt ein beachtliches Gestaltungspotenzial für Flächen, Texturen und Klangcollagen: Bei Verwendung mehrerer Layer kann man einen, mehrere oder sogar alle dazu benutzen, kurze Akzente zu setzen oder längere Ornamente einzuflechten.

Zu den Zeichenwerkzeugen: Es bieten sich neben rechteckigen Auswahlfenstern für zeitliche Abschnitte (vertikal), Frequenzbänder (horizontal) oder einer Kombination aus beiden ein skalierbares Stiftwerkzeug, ein Lasso und ein Zauberstab an. Letzterer erkennt zusammenhängende Teilspektren. Das können abhängig vom Sample horizontal verlaufende Grund- und Obertöne, vertikal verlaufende Impulse oder eine Mischung aus beiden sein. Eine Empfindlichkeitseinstellung für den Zauberstab, wie man sie aus Grafikanwendungen kennt, gibt es allerdings nicht.

Mit einem Radiergummi kann man Abschnitte und Teilspektren herauslöschen, ebenso mit den anderen Werkzeugen bei gehaltener Alt-Taste. Per Invers-Button lässt sich die Auswahl umkehren.

Äußerst angenehm und komfortabel ist, dass Iris 2 über eine Undo/Redo-Funktion verfügt, ein für umtriebige Klangbastler essentielle Funktion, die ich bei vielen anderen Synthesizern häufig vermisse. Ebenfalls praktisch sind Zoom-Funktionen, mit denen man in das angewählte Teilspektrum hineinfahren und eine grafische Detailarbeit vornehmen kann. Nicht zuletzt erleichtert die Preview-Taste das Editieren: Im Preview-Modus wird der bearbeitete Abschnitt abgespielt, ohne dass man hierfür eine Keyboard-Taste halten muss.

Nachdem ich in ein Didgeridoo-Sample folgende Teilspektren eingezeichnet habe …

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hat sich folgender Sound ergeben:

 

Auch invertiert klingt es interessant:

 

Zur Verdeutlichung der Werkzeuge hier einige weitere Beispiele: Zunächst habe ich in Layer 1 ein Basssample geladen. (DessenName deutet auf den Alesis Andromeda als Samplelieferant hin).

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Dies hört sich folgendermaßen an:

 

Mit dem Zeichenwerkzeug Frequency Selection Tool habe ich nun zwei Teilspektren herausgegriffen:

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Mit folgendem akustischen Ergebnis:

 

Mit dem Time Selection Tool habe ich nun mehrere vertikale Balken hinzugefügt. An diesen Stellen wird das Signal mit vollem Frequenzgang durchgelassen. Danach habe ich mit dem Radiergummi Löcher ins Spektrum sowie nach unten geneigte Bahnen eingezeichnet, die sich ähnlich wie ein Filtersweep anhören:

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Hier die Hörprobe dazu:

 

Zusammenhängende Selektionen kann man übrigens auch durch Anfassen der Randlinien verbreitern oder verschmälern und per Handwerkzeug verschieben. Zusammen mit aktiver Preview-Taste lässt sich so spielerisch der Klang gestalten. Hier eine neue Version des Andromeda Basses …

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… und der Sound dazu:

 

Als nächstes wähle ich Layer 2 und lade die Ambiance Dolphin Seascape. Dabei fällt auf, dass die automatische Zuweisung des Root-Keys (im Settings-Menü abschaltbar) manchmal korrekturbedürftig ist. Unbearbeitet hört sich der Sound folgendermaßen an:

 

Eine Korrektur der Root-Note auf C3 und eine recht freie, experimentelle Malerei im Frequenzspektrum …

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… erzeugt eine futuristische, unheimliche Textur:

 

In Slot 3 lege ich eine Oszillator-Wellenform aus einem Moog Modular. Diese rhythmisiere ich, indem ich einen temposynchronen LFO mit Square-Wellenform per Drag und Drop auf die Ausgangslautstärke und den Send-Effekt Distortion, Modell Tube lege. Zudem moduliere ich mit einem zweiten LFO mit Sample & Hold-Wellenform die Depth, also die Wirkungsstärke der Square-Wellenform des ersten LFO, wodurch die Rhythmik des Basses etwas brüchig wirkt.

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Mit wenigen Klicks erreicht man eine komplexe Steuerung. Die unterschiedliche Länge der Samples der drei geloopten Layer bewirkt, dass sich deren Klangverläufe in immer neuen Konstellationen überlagern, wodurch ein sich ständig wandelnder Klangverlauf entsteht.

Der Sound, den Iris2 dabei produziert, ist angenehm organisch. Die Röhrensättigung trägt zu einem leicht rauen Vintage-Charakter bei. Zusammen mit einem rasch zusammengestellten Beat aus Toontracks EZdrummer 2, Electronic Set, ergibt sich folgende Passage:

 

Nebenbei: Der Fundus an Samples, die Iris 2 im Gepäck hat, ist enorm. Ganz abgesehen von der instrumentalen Verwendung trifft man hier auch auf eine stattliche Sammlung von Geräuschkulissen verschiedenster Art, die für sich alleine genommen bereits eine interessante Kollektion für die Filmvertonung bieten, darunter Field-Recordings städtischer und ländlicher Umgebungen, Tiergeräusche, Wind- und Wettervariationen, blubbernde Nudeltöpfe, gurgelnde Kaffeemaschinen, schmatzende Schritte im Schlamm, Mechanik, Wassermelonenbongos, vorbeifahrende Vehikel, die teilweise so klingen, dass man selber lieber nicht darauf fahren möchte, oder menschliche Stimmeffekte. Die Sammlung ist ebenso umfangreich wie einzigartig, phantasievoll und oftmals witzig.

 

Zurück zur Technologie und ihren Besonderheiten: Durch die destruktive Reduzierung der Klangspektren mittels Auswahl von Teilspektren wird der Sound naturgemäß leiser. Dies kann man mit einer entsprechenden Anhebung der Layer und/oder Ausgangslautstärke oder beispielsweise einem externen Limiter mit entsprechend reduziertem Threshold wieder ausgleichen.

Rauschen entsteht durch die teils drastischen Pegelanhebungen nicht, soweit in den Teilspektren nicht selbst Rauschen enthalten ist (und dieses findet sich allenfalls, wenn man ungeschickt in einem fast leeren hochfrequenten Bereich operiert und diesen dann exorbitant verstärkt).

Führt man einen Rechtsklick in das Spektrogramm aus, so erscheint folgendes Aufklappmenü:

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Will man in die Layer mit Variationen des selben Samples laden, so bietet sich der Copy & Paste – Dialog an. Die Selektion kann dabei mit kopiert werden. Im folgenden Beispiel habe ich diese Möglichkeit benutzt. Zunächst der Originalklang des Samples Grainy Bell aus der Kategorie Granular:

 

Nun habe ich eine Vielzahl kleiner Punkte und eine dünne Kurve in das Spektrogramm gezeichnet – mit folgendem Ergebnis:


 

Anschließend habe ich Sample und Selektion auf den zweiten Layer kopiert und dort invertiert, sodass hier nun genau die Klanganteile abgespielt werden, die im ersten Layer ausgeblendet sind. Auf diese Weise kann man den Originalsound einem Mix-Regler beimischen, ohne dabei die bearbeiteten spektralen Selektionen zu überlagern und zu verwässern. Beide Layer zusammen hören sich nun so an:

 

Vom Prinzip her hat das funktioniert, nur möchte ich aus dem Klang mehr machen, eine Art expimentelle Geräuschkulisse mit fiependen Klangbruchstücken vor einem düsteren Hintergrund – der Spieltrieb ist erwacht.

Um aus Layer 1 eine Art Zwitschern zu generieren, habe ich ein Echo als Send-Effekt hinzugezogen und bei diesem die linken und rechten Delayzeiten durch Sample & Hold LFOs moduliert. Damit diese Modulation chaotisch und unregelmäßig vonstatten geht, habe ich die LFOs wiederum durch andere in ihrer Geschwindigkeit moduliert. Der hinzugemischte Hall erzeugt mehr Räumlichkeit, und die Panorama-Position habe ich ebenfalls per Sample & Hold LFO gesteuert. Das Zwitschern der elektronischen Vögel soll in breitem Panorama vor einem düsteren Hintergrund ablaufen. Hierfür habe ich Layer 2 zwei Oktaven nach unten transponiert und ebenfalls reichlich Hall beigemischt.

 

Bedienung

Die Bedienung von Iris 2 ist sehr durchdacht und lässt keine Wünsche offen. Die Zeichenwerkzeuge für Selektionen im Spektrogramm dürften den meisten Benutzern aus der Bildbearbeitung bekannt sein und lassen sich ohne Lernhürde einsetzen. Auch die Drag & Drop – Zuweisung der Controller ist vorbildlich, ebenso die umfangreichen Browser-Funktionen, Copy & Paste von Layer-Samples oder Selektionen. Insgesamt verfügt Iris 2 über eine benutzerfreundliche Struktur.

Offene Wünsche

iZotope ist für eine intensive Produktpflege und -weiterentwicklung bekannt. Andere Tools des Herstellers, etwa das Mastering-Flagschiff Ozone, ist bereits in der Version 6 angekommen und wurde fortwährend perfektioniert.

Obwohl Iris 2 über ein erstaunliches Klangforschungs- und Inspirationspotenzial verfügt und im Gegensatz zu manch anderen virtuellen Synthesizern den Benutzer nicht mit einem Überangebot an Funktionen erschlägt, wären einige Erweiterungen aus meiner Sicht dennoch wünschenswert. Hierzu zählen Einzelausgänge für die vier Layer, die dann separat mit externen Effekten bearbeitet werden könnten. Im Moment geht das nur über mehrere Instanzen von Iris. Auch wären mir persönlich Insert-Effekte, die individuell pro Layer geladen werden können, lieber als die Wahl zwischen Send- und Master-Effekten.

Eine Multitimbralität mit der Möglichkeit, den Layern individuelle MIDI-Kanäle zuzuweisen, würde ebenfalls einen differenzierteren Einsatz ermöglichen.

Ein Layer-spezifischer EQ oder besser noch individuelle Filter würden den Gestaltungsspielraum ebenfalls beträchtlich erweitern.

Fairerweise muss man sagen, dass in der Oberliga experimentell verwendbarer virtueller Synthesizer (etwa mit Wavetable-Synthese oder anderen ausgefallenen Syntheseformen) Insert-Effekte und Einzelausgänge kaum anzutreffen sind. Daher ist diese Auflistung hier, wie betitelt, als Wunschliste, nicht als abwertende Kritik zu verstehen.

Audioqualität und Klang

Iris 2 verfügt über eine gute Audioqualität. Einige der extravaganten Samples können ohne Weiteres für Geräuschkulissen eingesetzt werden – ohne jegliche weitere Bearbeitung. Der Klang ist insgesamt organisch und musikalisch, wozu auch das vielseitige und charaktervolle Multimodefilter beiträgt.

Fazit

iZotope Iris 2 ist ein außergewöhnlicher Synthesizer, der neue Klangwelten erschließt. Dies geschieht auf der Basis von Samples und Oszillator-Wellenformen durch zeichenbare Selektionen im Spektrogramm. Hier kann iZotope auf Erfahrungen und die Technologie der Restaurations-Suite RX zurückgreifen und erreicht ein Klangergebnis von erstklassiger Qualität.

Für eine weit reichende Klanggestaltung sorgen neben guten Effekten auch ein leistungsstarkes Master-Filter mit charaktervollem Klang. Die neue, erweiterte Modulationsabteilung mit fünf LFOs, fünf Hüllkurven, Controllern und Makros erlaubt eine abwechslungsreiche Performance.

Trotz all dieser Optionen ist Iris 2 ohne großen Lernaufwand schnell bedienbar.

Für den Einstieg bietet sich eine Fülle von Werksklängen an. Diese beinhalten unter anderem genreübergreifend viele Klänge des täglichen Bedarfs von fetten Bässen über dominante Leads bis zu schwebenden Pads.

Iris 2 eignet sich jedoch auch für die Filmmusik und artverwandte Genres und liefert hier außergewöhnliche Klangevolutionen und Texturen. Experimentelle Ambience oder Pop-Kompositionen können ebenfalls profitieren.

Ganz nebenbei findet man im mit rund 11 GB gut gefüllten Sample-Browser eine üppige Kollektion von Geräuschen und Klangkulissen, die sich auch ohne den Einsatz der spektralen Resynthese für die Verwendung als Soundtracks eignen.

Der Preis ist angemessen.

Holger Obst

Plus:

  • außergewöhnliche , inspirierende Klangsynthese
  • gute Audioqualität
  • umfangreiche Modulationsmöglichkeiten
  • gute Effekte
  • charaktervolles Master-Filter
  • viele gut nutzbare Werksklänge
  • breit gefächerte Sample-Library

Minus:

System

  • Mac ab OSX 10.7, PC ab Windows 7
  •  32 und 64 Bit
  • Formate: VST, VST3, AU, AAX (alle 32 und 64 Bit), RTAS (32 Bit).

Hersteller

Öffentlichkeitsarbeit und Marketing

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