Test: Native Instruments Session Strings Pro

Mit Session Strings Pro präsentiert Native Instruments eine deutlich erweiterte Version des vorangegangenen kleineren Pakets Session Strings. Die Pro-Klasse wartet mit stolzen 31,61 GB Samplematerial auf, knapp 30 GB mehr. Dabei beziehen sich diese Zahlen auf die Dateigröße der verlustfrei komprimierten Samples. Ausgepackt bewegt man sich in einer Größenordnung von etwa 50 GB. Kontrabässe, Celli, Violas und Violinen sind an Bord.

 

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Dies schlägt sich in Round-Robin-Samples, Velocity-Layern, Release-Samples und in der Vielfalt von 29 Artikulationen nieder. Als Besonderheit ist ein Arpeggiator/Step-Sequencer mit an Bord, der die Library speziell für Pop-Genres interessant macht. Was nicht heißen soll, dass Breitwand-Kinosound nicht zum Zuge käme. Alles in allem also ein spannendes Produkt, das wir hier im Detail unter die Lupe nehmen.

Engine, Installation, Autorisierung

Session Strings Pro läuft, wie sollte es anders sein, auf der hauseigenen Kontakt-Engine, erfreulicherweise auch auf dem kostenlosen Kontakt-Player. Die Installation der vier DVDs benötigt ihre Zeit, die Autorisierung erfolgt in gewohnt reibungsloser Weise über das Native Instruments Service Center.

 

Überblick

Die Instrumente, die man im Rechner zum Klingen bringt, sind sämtlich italienischen Fabrikats und stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Session Strings Pro bietet vier Streicher-Ensembles, jeweils bestehend aus:

  • Vier Violinen
  • Drei Violas
  • zwei Celli und
  • zwei Kontrabässen

Die vier Ensembles unterscheiden sich in der Direktheit des Klangs und der Verteilung im Stereo-Panorama. Die Sections 1 und 2 sind für Pop konzipiert, 3 und 4 für traditionell klassischen Sound. Daneben gibt es alle Ensembles in zeitgenössisch neutral klingendem Sound, alternativ im 60er/70er Jahre Stil. Nicht nur unterschiedliche Klanggeschmäcker, auch verschiedene Anwendungsweisen wurde bedacht: Die Performance-Presets eignen sich für intuitives, variantenreiches Live-Einspielen; Production-Presets erlauben die Steuerung von Artikulationswechseln mittels Key-Switches und eignen sich für die Studioarbeit; Animator-Presets sind die erste Wahl, wenn man auf eine Reihe von Grooves zurückgreifen will.

Bei der Auswahl es richtigen Presets klickt man sich durch die logisch aufgebaute Hierarchie: Zunächst stellt sich die Frage “Klassische Darbietung oder Pop”?

 

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M-Town oder zeitgenössisch?

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Welche Instrumente hätten Sie denn gern?

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Performance, Animator oder Key-Switch-Menü?

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Feine Unterschiede

Die vier Ensembles sind für unterschiedliche Anwendungszwecke konzipiert:

  1. Section 1 bietet einen sehr trockenen, direkten Sound, ideal für den Einsatz im Pop-Genre oder wenn man eine Mischung aus samplebasierten Raumanteilen und einem optionalen Hall vermeiden will.
  2. Section 2 klingt etwas entfernter, beinhaltet also mehr Raumanteil, wirkt damit nicht so direkt und eignet sich besser für eine dezentere Untermalung im Hintergrund. Beide Sections stellen die Bässe in die Mitten, die Violinen nach außen. Ideal für den Pop-Mix.
  3. Die Sections 3 und 4 sind für einen typischen klassischen Sound gedacht. Die Aufnahmen sind in größerer Entfernung aufgezeichnet worden. Die Instrumente sind in Section 3 entsprechend der Sitzordnung in einem klassischen Orchester verteilt, in Section 4 spiegelbildlich.

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Das Alles gibt es zweimal: Zunächst als zeitgenössische Aufnahmen: Diese sind in einem neutral klingenden Raum aufgenommen worden. Zum Zweiten als MTown-Samples: Hier geht es darum, den Soul- und Disco-Sound der 60er und 70er Jahre wiederzugeben, der sich durch eine besondere Präsenz der Mitten auszeichnet.

Jedes Preset enthält zwei Sections: 1 und 2 (für Pop) oder 3 und 4 (für klassischen Sound). Im Hauptfenster stellt man die Mischung zwischen den beiden Sections her. Sehr gelungen ist die Contour-Abteilung, mit der man die Bogengeräusche hervorheben oder abschwächen kann.

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Wie alle Regler lässt sich auch dieser per Rechtsklick midifizieren und mit einem Controller steuern. Das bringt Leben ins Spiel. Wer die Streicher richtig schön im Raum schweben lassen will, dreht den Width-Regler auf – wie immer bei solch schönen Dingen bleibt auch hier die verlustfreie Mono-Wiedergabe über Omas Küchenradio auf der Strecke. Die Phasenauslöschung folgt jeder Stereoverbreiterung auf den Fuß. Dafür klingt es über den High-End-Kopfhörer toll.

Die Release-Samples werden nahtlos an das Sustain angehängt, sobald man die Taste loslässt. Der Vorteil ist ein sehr natürliches Ausschwingen, der Nachteil die durch das Sample vorgegebene Dauer. Speziell bei Pop-Anwendungen benötigt man manchmal längere oder sehr kurze Abklingzeiten. Diese erreicht man über das Abschalten der Release-Samples und der individuellen Justierung des Release-Parameters. Direkt daneben befindet sich der Attack-Regler, der im Gegensatz zum Release-Regler immer in Betrieb ist. Sanftes, langsames Einschwingen kann hier manuell eingerichtet werden und macht sich besonders gut in Kombination mit den MTown-Patches und 70er Jahre Balladensound.

Performance Patches …

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… beinhalten vier Fenster: das bereits bekannte Main-Window, welches für alle Presets identisch ist, den Animator, Articulation und FX. Unter Articulation lassen sich verschiedene Spielweisen den Controllern Anschlagsstärke, Sustain-Pedal, Expression-Pedal und Pitch-Bender zuweisen, der Round-Robin-Modus an- und abschalten sowie die Dynamik per Minimum/Maximum-Regler begrenzen und über Curve an die persönliche Spielweise anpassen. Unter Main stellt man die Basisspielweise ein, der die virtuellen Streicher folgen, solange die anderen Controller nicht aktiv werden. Zur Auswahl steht eine üppige Auswahl an Artikulationen.

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Die Artikulationen lasen sich jedoch nicht über das Dropdown-Menü wechseln, solange eine Taste gehalten bzw. eine Note gespielt wird. Per default ist Legato die Basisartikulation. Es handelt sich hier um polyphones Legato. Akkorde werden polyphon wiedergegeben, nacheinander gespielte Noten gebunden, auch während ein Akkord noch gehalten wird.

 

Legato wird außer Kraft gesetzt, sobald man mittels Controller eingreift und damit eine andere Spielweise aktiviert. Stellt man beispielsweise Tremolo für die Anschlagsstärke ein und justiert mit dem links daneben befindlichen Value-Regler den Velocity-Schwellenwert, wechseln die Streicher bei einer Anschlagsstärke, die diesen Wert überschreitet, zu Tremolo.

 

Native Instruments Session Strings Pro

Sehr schön für zarte Passagen ist die Spielweise Diminuendo, bei der die Streicher im Verlauf der Sustainphase leiser werden:

 

Diminuendo

Diese kann man beispielsweise auf ein Expression-Pedal legen. Hier gibt’s keinen definierbaren Schwellenwert wie beim Wechsel von Artikulationen per Velocity. Etwa auf der Hälfte des Pedalwegs findet der Wechsel statt. Eine Besonderheit stellt die Spielweise Trill(er) dar, bei der die Tonskala eingestellt werden kann.

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Für Gliss up und down (auf den Ton hinauf oder zu ihm hinabrutschen) gibt es einen Prozentregler, der die Geschwindigkeit des Glissandos definiert. Der Regler eignet sich dazu, per MIDI-Learn mit dem Modulationsrad gesteuert zu werden, um Variationen ins Spiel zu bringen.

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Hier der Wechsel zwischen FortePiano/Crescendo Fast und Gliss Up (beim ersten gehaltenen Akkord mit minimaler Geschwindigkeit, beim zweiten mit maximaler):

 

Die FX Seite bietet einen semiparametrischen EQ über drei Bänder, einen einfachen Kompressor mit Amont-Regler, der dazu dient hervortretende Dynamikspitzen unauffällig abzufangen, und einen Faltungshall mit Mix-Regler. Bei den bisher gehörten Audiodemos waren EQ und Kompressor ausgeschaltet, der Hall steuerte die Akustik einer Konzerthalle bei.

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Dass die Aufnahmen der Section 1 wirklich sehr trocken und dennoch lebendig und warm klingen, zeigt sich, wenn man den Hall ausschaltet:

 

Wie eingangs erwähnt, klingt Section 2 etwas zurückhaltender. Das Mix-Verhältnis zwischen beiden lässt sich im Main-Panel einrichten.

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Section 3 mit der klassischen Orchesterverteilung:

 

Soweit ist alles wunderbar, dennoch gibt es eine kleine Merkwürdigkeit: Auf unserem Testsystem (s. Anhang) wurde die Legato-Funktion (nur) beim Export (nicht beim Playback) nicht berücksichtigt, wenn der Faltungshall ausgeschaltet war. Überlappend gespielte Noten führten dann zu unerwünschter Polyphonie. Schaltete man den Reverb wieder ein und stellte den Mix-Regler auf Null, stimmte das Ergebnis wieder.

Der Animator ist sowohl in den Performance-Patches an Bord, als auch als eigenes Preset. Bei diesem Modul handelt es sich um einen für die Streicher optimierten Arpeggiator/Step-Sequencer, der die Spielweisen Staccato, Spiccato und Pizzicato bereitstellt.

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Die Sequenz des Animators läuft wahlweise kontinuierlich durch oder wird im Retrigger-Modus mit jeder (nicht legato gespielten) Note neu gestartet. Zwei Pattern mit je 8 Steps werden nacheinander abgespielt, wenn man 16 Steps eingestellt hat. In der Einstellung 8 Steps beschränkt sich die Sequenz auf ein Pattern. Die Pattern können über den Length-Regler auf 5 bis 8 Steps Länge festgelegt werden. Mit den Längen von 5 oder 7 Steps spielt der Animator im 5/4 oder 7/8 Takt. Jeder Step verfügt über einen eigenen Lautstärkefader. Zur Wahl stehen eine Reihe von Phrasen:

Akkordrhythmik …

 

… oder als aufgelöste Tonfolgen, die aus den eingespielten gespielten Akkorden abgeleitet wird:

 

Die „Animation“ wird bestimmt durch die Phrase …
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… die Artikulation …

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… und den Modus.

Neben den Factory-Presets gibt es genügend Raum für User-Pattern, die zusammen mit dem Song oder als .nki-File für die Verwendung in anderem Kontext abgespeichert werden können. Eigene Phrasen können per Keyswitch über die Tastatur von C0 bis A0 abgerufen werden. Abwechslung kann man ins Spiel bringen, indem man den Dynamik-Regler midifiziert und über das Modulationsrad oder einen anderen Controller steuert. So lässt sich die Lautstärke aller Steps gemeinsam anheben oder absenken und die Dynamikspanne, in der die Sequenz abläuft, stufenlos variieren, um Betonungen einzubauen. Groove taktet den Animator von 1/4 bis zu 1/16tel Triolen und bestimmt damit die Geschwindigkeit, in der die Phrasen abgespielt werden; Swing verschiebt die Noten. Da ein Humanize-Regler fehlt, kann man anstatt dessen den Swing Regler subtil animieren, um kleine Unsauberkeiten im Timing und damit ein natürlicheres Spiel simulieren. Die beiden folgenden Audiodemos zeigen einen gehaltenen Akkord, der in ein Arpeggio umgewandelt wird, zuerst ohne Dynamik- und Swing-Animation …

 

dann mit (über Modulationsrad und Expression-Pedal):

 

Innerhalb der Animator-Presets kann man zum (bereits besprochenen) Articulation-Tab wechseln. Der Animator wird durch das Laden einer Main-Articulation abgeschaltet. Sinn der Sache ist, dass man kein neues Instrument laden muss, um innerhalb einer Produktion die Arbeitsweise zu wechseln.

Als dritte Preset-Kategorie gibt es die keyswitch-basierten Instrumente, die sich innerhalb der Poduction-Presets finden.

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Auch hier bietet sich die Round-Robin-Option für lebensnahen Abwechslungsreichtum an. Sechs Tasten sind für Key-Switches reserviert. Deren Notennummer lässt sich anpassen. 29 Artikulationen stehen pro Keyswitch zur Auswahl bereit:

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Sechs Slots für verschiedene Spielweisen sollten auch für ausdrucksstarke und variantenreiche Darbietungen genügen. Hier ein einfaches Beispiel für den Wechsel zwischen Staccato (für kurze Noten) und Spicato (für die längeren). Zunächst nur Spiccato:

 

Klingt schon ganz nett – aber es geht besser:

 

Pizzicato und schnelles Crescendo:

 

Accent und Diminuendo:

 

Audioqualität und Sound

Die Audioqualität der Aufnahmen kann rundum überzeugen. Native Instruments Session Strings Pro gehört zu den wenigen Libraries, bei denen mir kein einziger Fehler in den Samples aufgefallen ist. Nirgendwo wurden versehentlich Nebengeräusche mit eingefangen, es gibt keine Verzerrungen, Knackser, unpräzise geschnittene Samples und auch keine Aussetzer, die auf eine nachlässige Programierung des Scripts zurückzuführen wären, keine Ungereimtheiten (abgesehen von den oben erwähnten Export-Problemen bei ausgeschaltetem Reverb und Legato-Spiel) oder Bugs.

Alle Instrumente klingen sehr natürlich und echt: Die Violinen sind wunderbar zart, die Violas haben Herz, die Celli klingen wehmütig, die Kontrabässe dunkel und charaktervoll. Alle Instrumente strahlen den Charme einer gepflegten Patina aus, bieten eine ausgesprochen lebendige Dynamik; eine Fülle von Spielweisen eröffnet alle erdenklichen Ausdrucksformen und durch die Round-Robin-Technik kommt kaum der Verdacht auf, dass hier ein Sampler am Werk ist.

Die MTown-Instrumente bringen das typische Vibrato der 70er Jahre Pop-Streicher mit sich, ohne dass es hier auf Dauer als unangenehmes Eiern empfunden würde, dafür sorgen dezente Unregelmäßigkeiten – hier wurde definitiv keine simple LFO-Technik benutzt, sondern natürliches Vibrato aufgezeichnet.

Leistungshunger

Wer mit geringer Latenz einspielen möchte und eine Buffer-Size von 128 Samples einstellt, wird feststellen, dass auch diese Streicher dem Rechner einiges abverlangen, 30 % Rechenleistung auf unserem 8-Kerne-Intel Mac (Vermutlich laufen die Streicher unter Cubase auf einem Prozessor). Innerhalb eines komplexen Arrangements, bei dem auch andere anspruchsvolle Instrumente oder Effekte zum Einsatz kommen, wird ein halbwegs aktueller Rechner zur Pflicht, wenn man nicht die Puffergröße höher setzen will und damit Verzögerungszeiten oberhalb von 10ms in Kauf nimmt. Setzt man mehrere Presets und Spielweisen ein, benötigen die Streicher auch schon mal mehr als 1 GB Arbeitsspeicher. Im Vergleich zu anderen angesagten Klassik-Libraries hält sich der Bedarf an Arbeitsspeicher damit noch in überschaubaren Grenzen – Mitbewerber fordern teilweise zwischen 6 und 16 GB RAM ein.

Top Product Award

Abschließend

Gemessen am Preis von knapp 300 Euro wird man großzügig bedient und rundum zufrieden sein – auch wenn die Ansprüche hoch gesteckt sind und ein technisch fortgeschrittenes, genre-ungebundenes Streicherensemble gefragt ist. Im Vergleich zu deutlich teureren Produkten, die in etwa das Dreifache und mehr kosten, gibt es bei Native Instruments Session Strings Pro jedoch kein Divisi.

Fazit

Mit Session Strings Pro liefert Native Instruments eine umfangreiche, unkomprimiert etwa 50 GB schwere Streicher-Library mit 29 Artikulationen, Animator (Step-Sequencer/Arpeggiator), Key-Switch-Menü, Round-Robin-Technik und vor allem mit einem tollen, natürlichen Klang von Kontrabässen, Celli, Violas und Violinen. Das Produkt empfiehlt sich für Pop-Anwendungen, speziell durch die Arpeggiator-Phrasenm und ebenso uneingeschränkt für klassischen/cineastischen Kontext. Auch der 60er/70er Jahre Sound findet sich mit den MTwon-Presets wieder. Die Instrumente sind absolut sauber und wunderbar trocken aufgenommen, sorgfältig programmiert und ohne ein langes Studium des ausführlichen Manuals intuitiv spielbar. Das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr gut. Besitzer der kleinen, älteren Version Session Strings, können zum Differenzpreis zwischen beiden Produkten upgraden – sehr fair.

Holger Obst

Ergänzende Links (ReleaseTime-Artikel)

Systemvoraussetzungen Mac und Windows

  • Kontakt 4, Kontakt Player 4
  • Mac: Nur Intelmacs
  • PC: SSE2

Preise

  • 299 Euro
  • Upgrade 199 Euro

Hersteller