Test: Soundiron Tbilat
|Tbilat bietet für ein Taschengeld aufwändig gesampelte Percussion aus Marokko. Das Instrument dürfte nicht nur für Ethno-Pop interessant sein …
… sondern auch für Filmmusik, speziell Dokumentationen vor entsprechender mediterraner oder arabischer Kulisse. Ein fortgeschrittener Arpeggiator und eine Reihe abgedrehter Effektsounds macht die Trommeln auch für EDM-Projekte und als Generator außergewöhnlicher Klangeffekte für die Spielevertonung interessant.
Überblick
Die aus Ton gefertigten und mit Ziegenhäuten bespannten Trommeln treten immer im Duo auf: Zwei unterschiedlich große Trommeln sind aneinandergebunden. Der Ton ähnelt Bongos, von denen sich die Tbilats durch einen archaischen, im Anschlag rauen und höhenreichen und im Sustain runden, erdigen Klang unterscheiden. In der Regel werden sie mit der Hand gespielt, also mit dem Handballen und den Fingerkuppen. Unterschiedliche Klangfarben entstehen schon alleine durch die Platzierung der Schläge: Tbilats werden variantenreich am Rand, in der Mitte, offen oder gedämpft gespielt. Auch das Wischen über das Fell und Schläge gegen den tönernen Korpus gehört zum Repertoire eines Tbilat-Spielers.
Soundiron hat alle diese Schlagvarianten (und ein paar Effekt-Schläge mehr) im Studio eingefangen und dabei eine trockene Raumakustik gewählt, die das Einbinden externer Raumsimulatoren oder anderer Effekte erlaubt, ohne dass sich Raumanteile überlagern oder ungewollt mit bearbeitet werden.
Dem nicht genug hat man das Instrument auch in einem großen, gekachelten Raum aufgenommen, und zwar sowohl nah als auch mit Raummikrofonen. Aus diesen beiden Mikrofonierungen sind produktionsfertige Sounds für cineastischen Kontext entstanden.
Die Multisamples verfügen neben den vielfältigen Artikulationen über bis zu sechs Velocity-Layer und bis zu zehn Round-Robins.
Die virtuellen Instrumente bieten darüber hinaus Möglichkeiten der Echtzeit-Klangsteuerung über externe Controller oder nachträglich per Automation. Ein LFO moduliert eine Reihe alternativer Klangparameter. Ein Multimodefilter erzeugt elektronisch klingende Sounds. Auch ein FX-Board für Klangverfremdungen ist dabei. Zudem gibt es einen Ambience-Layer mit Effekthalls, der ohne Umwege Spezialeffekte generiert.
Für eine Sample-Library, die regulär weniger als 30.- Euro kostet, ist diese Ausstattung und der damit verbundene Produktionsaufwand außergewöhnlich.
Installation
Die Software wird mit einem eigenen Installer auf die Festplatte geschrieben und nicht, wie bei vorherigen Soundiron-Libraries, über das Programm Connect heruntergeladen und installiert. Mit Connect gab es nie Probleme, und das gilt auch für den neuen Installer. Für ein flüssiges Arbeiten bei niedrigen Latenzen empfiehlt es sich, die Library auf einer SSD-Platte abzulegen. Download- und Installationsdisk müssen nicht die selben sein:
Als NI-Kontakt 5 – Instrument werden die gängigen Formate auf Mac und PC unterstützt sowie eine Standalone-Anwendung angeboten, die vor allem live interessant wird, da sie keinen Umweg über den Host-Sequencer erfordert.
Tbilat in der Praxis
Wie ganz oben in der ersten Abbildung zu sehen, gibt es eine Tbilat-Version, die eine Reihe von Spielweisen als Ensemble zusammenfasst. Hier sind neben Schlägen mit dem Finger oder der Hand auf die kleine und große Trommel, am Rand oder mittig auf das Fell, sogar Effektspielweisen dabei.
Die Dynamik steuert man über über die Anschlagsstärke und den Swell-Parameter, der werksseitig dem Modulationrad zugewiesen ist, per Rechtsklick und MIDI-Lerndialog aber auch anders adressiert werden kann. Ein Expression-Pedal würde sich als Alternative anbieten.
Während man über die Anschlagsstärke verschiedene Velocity-Layer abruft, die sich bei diesem Instrument vom Klang her deutlich unterscheiden …
… steuert man über Swell lediglich die Lautstärke, wechselt aber nicht zwischen verschiedenen anschlagsdynamisch getaffelten Samples.
Subtile Abwechslung bringen zudem nicht nur die Round-Robins, sondern auch eine Steuerung des Attacks und Offsets. So lassen sich Transienten abschwächen oder überspringen und sanftere Anschläge einbinden. Mit Release bestimmt man, ob die Trommel nach dem Note-Off natürlich nachschwingen oder mehr oder weniger abrupt gestoppt werde soll. Auch hier machen kleine Parameterautomationen das Salz in der Suppe aus, wenn man an der Echtheit der Präsentation feilen und ein Maximum herausholen will.
Klangverfremdungen erreicht man über das Multimodefilter mit zwölf alternativen Charakteristika:
Solche Eingriffe sind speziell für EDM und Dance-Genres interessant. Das Filter bietet weitere Optionen für das Klangdesign:
Über ein Aufklappmenü erreicht man alternativ zum Ensemble die ganze Vielfalt der einzelnen Artikulationen.
Diese sind hier jeweils über die gesamte Tastatur verteilt und transponiert. Der Arpeggiator ist ein Modul, das Soundiron schon seit Jahren für Kontakt-Instrumente verwendet. Der Arpeggiator ist entsprechend fortgeschritten.
Wir haben den Arpeggiator bereits bei Tests zu anderen Soundiron-Libraries ausführlich besprochen, daher hier nur die Highlights:
- Die Dynamik der Arpeggios (bis zu 32 Steps) kann eingezeichnet werden.
- Im Modus „Hold +-“ fügt man der Reihe nach Noten hinzu und nimmt sie durch nochmaliges Drücken der selben Taste wieder heraus.
- Es gibt 15 verschiedene Grundmuster bzw. Notenreihenfolgen des Arpeggios (aufwärts/abwärts/ zick-zack, wie gespielt u. s. w.).
- Manipuilationen der Parameter Swing und Random bringt Abweichungen ins Spiel und lässt die Arpessios zusammen mit der wechselnden Dynamik ausgesprochen natürlich klingen.
- Über die Skalenkorrektur werden nur Noten innerhalb einer Tonart gespielt. Da Tbilkat zu den tonalen Percussion gehört, ist das ein wichtiges Feature.
Raumklang
Neben den trockenen Studio-Samples gibt es mit Hall close und Hall far interne Raumoptionen (wie im Kapitel „Überblick“ bereits beschrieben), die wie Ambience zu- oder abgeschaltet werden können. Darüber hinaus können die Raumklang-Samples (dry, close, far) nicht nur in der Lautstärke angepasst werden, sondern bieten eine ganze Reihe von Parametern, wie in dieser Abbildung zu sehen:
Für Hall close, Hall far und Dry Studio können zudem verschiedene Artikulationen geladen werden. So lassen sich mehrere Schlagvarianten als Stacks übereinanderlegen.
Ambience fügt Effekt-Halls wie Flatterechos, Raumklang mit Flanging oder Resonanzen ins Spiel, die den Trommeln futuristisch klingende Effekte entlocken. Zwölf solcher Hall-Effekte sind an Bord.
FX
Wer vom natürlichen Klang weg will, findet im modular aufgebauten Effekterack eine Menge an Klangverfremdungen.
Für Klangexperimente bietet sich zudem ein temposynchroner LFO an, der verschiedenen Zielen zugewiesen werden kann, wie hier abgebildet:
Eine Reihe von Effektsounds sind bereits fertig programmiert:
Anwendung mit Parameterautomation
Zum Abschluss noch ein Audiodemo mit Toontracks EZdrummer, Pop-Beat und zwei Tbilat-Instanzen, die beide den Arpeggiator verwenden.
Die erste Instanz ist von Takt 1 bis 8 aktiv. Hier habe ich lediglich die Hall close – und Ambience-Layer ein- und ausgeschaltet, um Akzente zu setzen (das geht per MIDI-Learn auch über Taster eines Controllerkeyboards). Der Ambience-Layer produziert als Übergang zum zweiten Beat einen regelrechten Spezialeffekt. Die zweite Instanz ist von Takt 9 bis 24 aktiv. Die Abspielrichtung des Arpeggiators habe ich mittels MIDI-Controller gewechselt. So entstehen Rhythmuswechsel on the fly.
Hier habe ich beim Layer „Dry Studio“ Swell und Tonhöhe per MIDI-Controller automatisiert. Die tief gestimmten Trommeln ab Takt 17 ergeben sich durch eine Transponierung mittels Pitch um eine Oktave nach unten. Beim Layer „Hall close“ habe ich ebenfalls die Tonhöhe (bis zu einer Oktave aufwärts), Swell und Offset automatisiert.
Damit es keine Verwechslungen gibt, hier zunächst der Beat des EZdrummer solo:
Und nun zusammen mit den beiden Tbilat-Instanzen:
FAZIT
Tbilat ist sorgfältig aufgenommen und überraschend wandlungsfähig. Entsprechend breit aufgestellt sind die Anwendungsmöglichkeiten.
Die Percussion aus Marokko lässt sich dank guter Ausstattung mit Velocity-Layern und Round-Robins nicht nur nuanciert und lebendig im Rahmen von Ethno-Projekten und für Filmdokumentationen spielen, es sind auch abgedrehte Arpeggien und Rhythmen sowie außergewöhnliche Klangeffekte an Bord, die man solchen Trommeln nicht zugetraut hätte. EDM-Musiker werden dadurch ebenso angesprochen wie Spielevertoner, die auf der Suche nach frischen Effektsounds sind.
Es lassen sich verschiedene Spiuelweisen als Layer kombinieren. Drei Mikrofonpositionen sind mit einer individuellen Parameterzeile (Swell, Attack, Release, Offset, Pitch u. s. w.) ausgestattet.
Kaum zu glauben, dass eine derart vielseitige Library im niedrigen zweistelligen Preissegment angeboten wird. Soundiron hat (mal wieder) ganze Arbeit geleistet und ein spannendes Produkt abgeliefert, an dem man viel Freude haben wird.
Auf der Herstellerseite finden Sie weitere Audiobeispiele.
Plus
- sorgfältig aufgenommene Samples
- drei Mikrofonpositionen plus Ambience-Effekte
- zahlreiche Artikulationen
- gute Anschlagsdynamik
- natürliches Einspielen möglich
- einzelne Dry- und Hall-Samples mit kompletten eigenen Parameterblöcken ausgestattet
- ausgefuchster Arpeggiator
- Spezialeffekte für die Spielevertonung als FX-Presets
- sehr kundenfreundlicher Preis
Minus
–
System
NI Kontakt (Vollversion erforderlich)
Hersteller: Soundiron