Test: Sugar Bytes Cyclop
Der jüngste Klangerzeuger aus dem Hause Sugar Bytes mit Sitz in Berlin empfiehlt sich für progressive Club- und Dance-Genres, als Effektsynthesizer mit Rhythmuspotenzial und – angesichts der sechs verschiedenen Syntheseformen – als Multitalent in Sachen vielseitiger Klangerzeugung.
Zwei Oszillatoren können (unabhängig voneinander) in den Modi Saw Regiment, Analog Sync, FM, Transformer, Spectromat und Phase Stressor betrieben werden. Auch eigene Samples können als Wellenformen in die Oszillatoren geladen werden. Eine umfangreiche Ausstattung mit zehn Filtertypen, Effekten und Verzerrern, diversen Modulatoren, darunter ein neuer „Wobble Generator“ gipfelt in einem internen Effekt-Sequencer; und wer Effekt-Plug-ins des Herstellers kennt (wie etwa Turnado), ahnt, dass hier die üblichen Grenze gesprengt werden. Cyclop ist monofon und daher zentral auf Bässe und Solo-Instrumente zugeschnitten. Erstere dürften von einem Suboszillator und Bassprozessor profitieren. Das virtuelle Instrument ist als VST-, AU-, RTAS- und AAX-Version verfügbar. Was Cyclop in der Praxis alles kann und wie flüssig die Bedienung funktioniert, erfahren Sie in diesem Test.
Installation und erster Eindruck
Nach dem Kauf der Software erhält man eine Seriennummer, mit der man Cyclop auf der Herstellerseite registriert und anschließend herunterlädt (175 MB). Ein Blick auf das GUI lässt zunächst eher einen Kampfjet-Flugsimulator als einen Synthesizer vermuten – das mag aber auch an der erdigen Farbgebung zwischen braun und anthrazit liegen.
Jedenfalls gibt es keinen Mangel an Displays und Reglern in allen Größenordnungen, doch bevor wir uns damit auseinandersetzen, bietet sich ein Rundgang durch die mehr als 800 mitgelieferten Presets an. Für diese gibt es einen sehr benutzerfreundlichen Attribute-Browser im Tag-Wolke-Stil: Je mehr Attribute (Instrument, Syntheseform, Klangfarbe, Rhythmik) man anklickt und damit die Auswahl einschränkt, desto gezielter sind die Vorschläge. Attribute können durch wiederholtes Anklicken auch wieder ausgeschaltet werden. Die Suche ist sehr komfortabel und einen Schritt weiter gedacht und eleganter, als die üblichen Multi-Kategorien-Browser.
Syntheseformübergreifend klingen viele Presets detailreich und warm. Die virtuell-analoge Synthese steht hier (teilweise in Abwandlungen) im Vordergrund. Viele Klänge kann man als fett, markant bis rau bezeichnen. Rhythmische Klangverläufe sind häufig vertreten. Zwischen den einzelnen Presets gibt es teils deutliche Lautstärkeunterschiede; beim Umschalten während gehaltener Note kann es zu kurzen Audioimpulsen kommen. Ein Brickwall-Limiter vor dem Masterausgang des Sequencers kann für alle Fälle nicht schaden. Hier einige Beispiele vorab, bei denen ich lediglich die Note C1 bis C4 über jeweils zwei Takte gehalten habe:
Beispiele für die Attribute Bass/Wobble:
Beispiel für die Attribute Rhythmic/Noisy:
Beispiel für die Attribute Sequenced Digital:
Beispiele für die Attribute Vowel/Wobble:
Schnell wird klar: Cyclop hat fette Bässe und klingt in den unteren Lagen sehr zupackend. Drastische ryhthmische oder sequenzielle Klangveränderungen sind das Markenzeichen dieses Instruments. Dafür sorgt insbesondere der FX-Sequencer, der temposynchron zwischen Effekten wechseln kann, aber auch der Wobble-Generator (durch Modulationssprünge der LFO-Wellenformauswahl) sowie der Modulations-Step-Sequencer.
Pads und Atmosphären sind hingegen nicht die Stärke von Cyclop: Bei einem monofonen Synthesizer wäre das auch ein kleines Wunder. Trotz des FM-Oszillatormodus sollte man auch keine Klänge erwarten, wie sie von den virtuellen Nachfolgern des DX7 erzeugt werden. Abwechslungsreichtum bietet hingegen der Transformer-Modulator: Je nach Sampleauswahl bewegt man sich hier ein Stück weit weg vom virtuell-analogen Retro-Sound.
Klangerzeugung, Routing und Filter
Schon bei den ersten Gehversuchen stellt sich heraus: Cyclop hat viel zu bieten, allerdings ist die Bedienung nicht selbsterklärend. Ein Blick ins Handbuch tut Not, will man nicht ins Leere laufen oder Klangchaos erzeugen. Im Handbuch startet man sofort mit den Modifikatoren; will man die Architektur verstehen, ist dies nicht sofort zielführend – wir machen es hier anders und werfen zunächst einen Blick auf die Klangquellen.
Die beiden Oszillatoren befinden sich unten links, hier zunächst abgebildet mit der Klangerzeugung Saw-Regiment, hinter der sich geklonte Sägezahnwellenformen verbergen:
Die Auswahl der Syntheseform erfolgt über ein Aufklappmenü:
Die drei oberen Oszillatorparameter variieren von Syntheseform zu Syntheseform. Hier die Analog-Sync-Synthese mit drei alternativen Wellenformen für Master und Slave:
Ein Klangbeispiel für diese Syntheseform:
Eine Kombination mit Transformer- und Analog-Sync-Synthese:
Beim Transformer können, wie bereits erwähnt, Samples geladen und die Tonhöhe der Formanten, die Abspielposition und mit dem Parameter Grain eine zeitlich im Millisekundenbereich versetzte Vervielfachung geregelt werden. Samples werden im Transformer nicht einfach abgespielt. Eine Bewegung durch die Wellenform richtet man durch eine Modulation des Position-Reglers ein. Die Modulation der Formanten eignet sich unter anderem für sprachähnliche Klangfärbungen (Roboter-Vocals):
Die mitgelieferte Sample-Library ist gut sortiert und per Klick ins Oszillatorfenster erreichbar:
Bei der Mac-Version erinnert sich Cyclop allerdings nicht an den Speicherpfad. Hat man zwischen zwei Cyclop-Anwendungen anderweitig navigiert, muss man den Speicherpfad erneut eingeben (System -> Benutzer -> Dokumente -> Sugar Bytes -> Cyclop -> Samples).
Der Phase Stressor eignet sich für etwas weichere, vintage-mäßige Klangfarben auf der Basis von Phasenverzerrungen:
Spectromat arbeitet mit 32 Frequenzbändern, die im Verhältnis zur Originaltonhöhe verschoben werden können. Die Kurve der Frequenzbänder lässt sich detailliert formen und verschieben. Allerdings benötigt man zum Aus- und Einschalten einzelner Frequenzbänder eine ruhige Hand mit Zielgenauigkeit im Millimeterbereich. Eine Miniaturisierung von Displays, Bedienelementen und Beschriftungen ist bei Cyclop auch an deren Stellen anzutreffen und wird bei den Älteren unter unseren Mitmusikern unweigerlich den Griff zur Lesebrille auslösen. Doch zurück zur Klangerzeugung: Spectromat wäre ein guter Kandidat für polyphone Orgelklänge. Doch die verwendete Syntheseform ist sehr rechenintensiv, sodass der Hersteller hier sogar das Unisono auf zwei Stimmen halbiert hat. Eine Polyphone könnte die aktuellen 15% CPU-Last (bei geringer Latenz) schnell über die 50%-Marke hinaustreiben.
Eingestellt werden kann für alle Sytheseformen die Tonhöhe und die Verstimmung des (abgesehen von Spectromat-Oszillatoren vierfachen) Unisonos, was zu breiteren Klängen führt. Mit beiden Oszillatoren kann man zwei Syntheseformen kombinieren, was ein breit angelegtes Spektrum von Hybridklängen eröffnet.
Mittig unten befindet sich das Signalflussrouting mit vier alternativen Schaltungen, bei denen es vor allem darum geht, welche Oszillatoren in welcher Reihenfolge die beiden Multimode-Filter durchlaufen. Für härtere Gangarten bietet sich ein Multi-Distortion-Modul an (ein zweites befindet sich am Ende der Signalkette in der Master-Section):
Die beiden Filter sind identisch ausgestattet und bieten eine Reihe verschiedener Charakteristika, darunter Ladder-, Notch- und Kammfilter – zuzüglich Vowel-Option ist das eine üppige Ausstattung. Die Filter bringen eine warme, zugleich zupackende Retro-Chrakteristik in den Klang ein und sind damit keine rein technischen, sondern auf angenehme Art klangfärbenden Module. Eine markante Selbstoszillation erreichen sie allerdings nicht. Über einen Mix-Regler kann das Filtersignal mit dem Originalsignal gemischt werden.
Der Wobble-Faktor
Kommen wir zu den Modulatoren: Der Wobble-Generator ist eine Neuentwicklung und verdient das Prädikat “innovativ”. Es handelt sich hier um einen Multi-LFO, der zwischen 12 verschiedenen Wellenformen hin- und herspringen und obendrein per Amount-Regler zwischen zwei Moduationszuweisungen gemorpht werden kann. Je nach Programmierung vollführen beide Regler hektische Bewegungen und dokumentieren damit in Echtzeit ihren Einsatz.
Die Anordnung der LFO-Wellenformen rund um den Wobble-Regler kann per Zufallsfunktion geändert werden. Als Besonderheiten gibt es zudem feste, stehende Werte für einzelne Wellenformpositionen, sodass der Multi-LFO auch als Step-Modulator bedient werden kann (rechteckige Icons in der obrigen Abbildung). Außerdem kann die aktuelle Wellenformposition eingefroren werden (Freeze, Schneeflocken-Icon). Bewegungen des Wobble-Reglers und damit eine Fahrt durch das weite Reich der LFO-Variationen können per Record-Knopf aufgezeichnet und via Play-Buton abgefahren werden. Startpunkt und Quantisierung der LFOs, Abhängigkeit von der Anschlagdynamik sowie die Steuerung der Wobble-Positionen über Hotkeys (Steuertasten außerhalb des Spielbereichs) sind weitere Optionen. Auch eine externe Steuerung via MIDI-Controller ist möglich.
Die Zuweisung des Wobblers zu Klangparametern geschieht über den zentralen Zuweisungs-Screen:
Der Wobbler ist ein mächtiges, komplex aufgebautes Modulationswerkzeug, welches jedoch verstanden werden will, um gezielt eingesetzt werden zu können (zum Beispiel in der Sonderfunktion als weiterer Step-Sequencer). Planloses Draufloswobbeln kann zum Klangchaos führen.
Modulatoren und Effektsequenzer
Im unteren Bereich stehen die fünf Modulatoren zur Auswahl: Wobble-Generator (WBL AMT), Hüllkurve, LFO, Step-Sequencer und der Sound-Knopf als globaler, manuell zuweisbarer Modulationsregler. Die blauen und grünen Balken stehen für die Beeinflussungsstärke der Oszillator- und Filterparameter. Spezifische Aktivitäten des Wobblers können in (gefühlter) Pixelgröße verfolgt werden:
Der Effektsequenzer ist neben dem Wobbler maßgeblich am Kreativpotenzial von Cyclop beteiligt. Auf vier Kategorie-Effektspuren können jeweils acht verschiedene Effekte geladen werden. Übergeordnet gibt es noch einen 32-Step-Gater, der das Audiosignal komplett aus- und wieder einschaltet. Fahrten durch den Effektereigen können entweder manuell über den FX-Knopf geschehen (der wie fast alle Parameter des Cyclop per Rechtsklick und MIDI-Learn über einen Hardware-Controller bedient werden kann), synchron zum Song abgspielt oder per Aufnahme- und Abspielfunktion aufgezeichnet und über MIDI-Noten abgesielt werden (Hotkeys).
Geboten werden folgende Effekte:
- Pitchlooper (Wiederholung des Signals mit Tonhöhenveränderung)
- Looper (einfache Wiederholung in bestimmter Länge)
- Vinyleffekte (mit Scratch- und Tape-Stop-Varianten)
- Phaser, Chorus, Delay, Reverb
Für die jeweiligen Effekte gibt es verschiedene fertige Varianten, die als winzige Nummern in den bunten Effektslot-Icons angezeigt werden. Eine genaue, tiefere Editierung über ein eigenes Effekt-Bedienfeld ist nicht möglich – und man vermisst solche weiterführenden Optionen auch nicht: Der Wechsel zwischen verschiedenen Grundeinstellungen desselben Effekts reicht vollkommen aus, um einen Sound gehörig umzukrempeln und/oder so zu zerlegen, dass er wie eine Aneinanderreihung fragmentierter Klangbilder wirkt. An Abwechslungsreichtum herrscht kein Mangel.
Hier ein Beispiel für den Einsatz des FX-Sequencers. Zunächst ohne Effekte (nur mit Wobbler):
Und nun mit dem FX-Sequencer; hier kommen Vinyl Stop, Pitch-Looper und Delay zum Einsatz:
Hier noch ein Demo mit Vinyl Stop, Vinyl Scratch und sechs hintereinandergehängten Pitch-Loop-Effekten, die den Klang stufig und raspelnd nach unten transponieren. Die Klangerzeugung erfolgt über ein Sample im Transformer-Oszillator:
In der Mastersection trifft man auf eine Bassanhebung mit Verstärkung charakteristischer Tiefenfrequenzen. Wem das nicht reicht, der findet im Sub-Oszillator die ultimative Lösung: Hier wird ein weiterer Sinus-Oszillator im tieffrequenten Bereich zugemischt. Eine Stereoverbreiterung durch Verteilung verschiedener Frequenzbänder des Ausgangssignals im Stereopanorama macht den Klang räumlich breiter ohne zu Phasenauslöschungen zu führen. Als Dreingabe für brachiale Sounds mit Schmutz und Biss gibt es noch einen weiteren Multi-Verzerrer.
Bedienung
Cyclop ist kein Synthesizer, den man im Handumdrehen beherrscht. Die Möglichkeiten und Verschaltungen von Wobbler und anderen Modulatoren sowie die Funktionsweise des FX-Sequencers über das zentrale Multifunktionsdisplay erfordern einen ausgedehnten Blick ins Handbuch sowie Einübung. Wer sich mit aufwändiger programmierten virtuellen Synthesizern bereits auskennt, dürfte nach ein bis zwei Stunden den Durchblick haben. Belohnt wird man mit ausdrucksstarken, effektvollen Klängen, die so kein anderer Synthesizer bieten kann. Andererseits bieten mehr als 800 Presets reichlich fertiges und clubtaugliches Klangfutter. Oft reichen dann kleine Modifikationen, um ans Ziel zu kommen.
Und zur Entspannung zwischendurch hat Sugar Bytes ein kleines Computerspiel mit eingebaut …
… mit entsprechender klanglicher Untermalung, versteht sich.
Bevor wir zum Fazit kommen, werfen wir noch einen Blick auf die Arbeit mit eigenen Samples. Vor allem für experimentelle Anwendungen ist der Import eigener Samples im Transformer-Synthesemodus interessant. Hier ein Beispiel für die Transformation eines Babygebrabbels:
Allerdings fällt wiederum auf (wie schon beim Test zum RayBlaster von Tone2), dass aus Cubase (Version 6.5) exportierte WAV-Files nicht akzeptiert werden (vermutlich, weil sie nicht verlustfrei PCM-codiert sind). AIFF-Audioexporte aus Cubase 6.5 werden jedoch angenommen und bei den meisten anderen Sequencern sollte dieses Problem auch bei WAV-Dateien nicht auftreten.
Doch auch mit dem migelieferten Samplematerial lassen sich problemlos experimentelle Klänge realisieren:
Fazit
Durch die umfangreichen und ausgefuchsten Modulationsmöglichkeiten und den FX-Sequenzer eignet sich der monofone Cyclop für abwechslungsreiche, rhythmische und sequenzielle Bass- und Solosounds im Sinne progressiver und clubtauglicher Klangabläufe. Darüber hinaus ist das Experimentierpotenzial enorm. Die Audioqualität ist gut und auf der Höhe der Zeit. Cyclop hat dank organisch und musikalisch klingender Filter einen deutlichen Vintage-Charakter ohne dabei verwaschen oder zu wenig transparent zu klingen. Im Gegenteil: Die Sounds sind sehr kräftig und brutzeln schön in den mittleren bis unteren Lagen. Das gilt auch für die geräuschhaften Klänge.
Das Klangchamäleon, das man hinter den sechs verschiedenen Syntheseformen vermuten könnte, ist Cyclop hingegen nicht. Zarte FM-Glöckchen, hauchige, obertonreiche Pad-Sounds oder leichte, schwebende Texturen sollten nicht das zentrale Anliegen sein. Effektklänge auf Samplebasis sind hingegen schnell realisiert. Schade, dass die Syntheseform Spectromat, die das Potenzial für gute Orgelklänge mit bringt, aufgrund der Monofonie nicht wirklich ausgereizt werden kann. Fairerweise muss man allerdings anmerken, dass Cyclop als Basssynthesizer angeboten wird. Während andere Hersteller gerne mehr versprechen, als sie bieten, ist es im vorliegenden Fall umgekehrt: Das tatsächliche Leistungsspektrum geht weit über die Vorgabe hinaus.
Plus:
- Knackiger, kerniger Sound
- Innovativer Effektsequenzer mit temposynchronen, fragmentierten Effektklangabfolgen
- Multi-Wellenform-LFO mit außergewöhnlichen Modulationsmöglichkeiten
- Weit mehr als “nur” ein Basssynthesizer (wie vom Hersteller angegeben)
Minus:
- Grafische Darstellung teilweise etwas miniaturistisch
Neutral:
- Gehobener Anspruch an die Einarbeitung
Holger Obst
Preis
- 119 Euro
Ergänzende Links
- Hersteller: Sugar Bytes
- Produktwebseite Cyclop