Test: Tone2 Electra2

Electra2 ist der Nachfolger des virtuellen Hybrid-Synthesizers ElectraX und verfügt über vier unabhängige polyfone Klangerzeuger in einer Instanz. 14 Synthesemethoden, 37 teils nach klassischen Vorbildern modellierte Filter, Import eigener Samples, Arpeggiatoren, eine Modulationsmatrix und 37 Effekte ermöglichen genreübergreifendes Klangdesign – laut Hersteller auch für Einsteiger beherrschbar. Über einen internen Browser stehen mehr als 1200 Werksklänge bereit.

 

Recording und Studiotechnik

Überblick

Wer in den letzten Jahren auf der Suche nach einem vielseitigen Soft-Synthesizer war, der über die weit verbreitete virtuell-analoge Klangerzeugung hinausgeht, dürfte ElectraX, den Vorgänger unseres Testkandidaten, bereits kennen.

Mit Electra2 wird das Konzept des Vorgängers, Electra X,  nicht grundlegend verändert, sondern weiter ausgebaut. Neu hinzu gekommen ist eine Physical-Modelling-Synthese mit

  • Physical Modelling Filtern für Blas- und Zupfinstrumente
  • 16 neue Effekte
  • fünf neue Filter
  • 236 zusätzliche Wellenformen und
  • ein übersichtlicher Patch-Browser mit mehr als 3000 Sounds.
  • Als Bonus ist eine exclusive Sample/Wavetable Library von Best Service mit an Bord.

Electra2 ist kompatibel zur Library der Vorgängerversion.

Auch Electra2 verfügt über vier unabhängige Engines bzw. Layer. Die Klangerzeugung jeder dieser Layer baut auf drei mit unterschiedlichsten Wellenformen bzw. Syntheseformen definierbaren Oszillatoren auf. Als Spezialität und Alleinstellungsmerkmal verfügt Electra2 über eine fraktale Synthese. Per Unisono können intern bis zu 54 Oszillatoren pro Layer am Werk sein (im Ultrasaw-Modus mit bis zu 18 zueinander verstimmten Oszillatoren). Es lassen sich wandlungsfähige Hybridklänge (etwa Mischformen aus virtuell analoger, Wavetable- und Sample-basierter Synthese) ebenso wie extrem dichte, fette virtuell-analoge Klänge generieren. Die von den Oszillatoren erzeugten Basisklänge werden an ein duales Multimodefilter (seriell oder parallel geschaltet) weitergegeben. Auch hier sind die Gestaltungsmöglichkeiten groß: Neben einer erweiterten Standardausstattung mit Low-, High- und Bandpassfiltern unterschiedlicher Flankensteilheit trifft man etwa auf einen Ringmodulator, verschiedene Kamm-, Vocal- und fraktale Filter. Zudem gibt es eine Auswahl verschiedener Vorverstärkersimulationen.

Vom Filter aus geht es zu einem Insert Multi-Effekt weiter. Unter anderem steht ein Amp-Simulator und ein Vocoder bereit. Im darauf folgenden Settings-Modul lässt sich zwischen Monofon/Legato zu einer genau definierbaren Polyfonie wechseln. Hier kann auch für jeden der vier Layer festgelegt werden, auf welchem Tastaturbereich oder in welchem anschlagsdynamischen Bereich dieser aktiv sein soll. So lassen sich Split-Sounds ebenso wie auf die Anschlagsdynamik reagierende Mischklänge erzeugen. Schließlich gibt es noch eine Reihe interner Modulatoren:

  • vier ADSR-Hüllkurven (Volumen
  • Filter, AUX 1 und 2) und
  • vier LFOs, darunter ein Step-LFO.

Über eine Modulationsmatrix können bis zu 10 Modulatoren (interne, externe und statisch – mathematische) einem Ziel zugeordnet werden. Ziele sind neben den Parametern der Oszillator- und der Filterabteilung auch die Modulatoren selbst, sodass eine Cross-Modulation möglich wird. Am Ende der Signalkette gibt es einen (graphischen) Dreiband-Equalizer sowie einen Master-Multieffekt.

Zusammenfassung
  • 95%
    Klanqualität - 95%
  • 95%
    Flexibilität, Funktionsumfang - 95%
  • 90%
    Bedienkomfort - 90%
  • 85%
    Preis-Leistungsverhältnis - 85%
  • 100%
    Angebot an inspirierenden Presets - 100%
  • 90%
    CPU Leistungseinforderung (hoher Wert = niedrige CPU-Last) - 90%
92.5%

Auf den Punkt gebracht

Electra2 erweist sich als enorm flexibles Klanglabor mit zeitgemäß hoher Audioqualität, das quer über alle Genres hinweg eingesetzt werden kann.

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Installation und Systemanforderungen

Nach dem Erwerb erhält man einen Download-Link und eine persönliche Lizenz-Datei, die in denselben Ordner wie das Plug-In geschoben werden muss. Die Bedienoberfläche wird daraufhin am unteren Rand klein und dezent mit dem Namen und der Email-Adresse des Besitzers signiert.

Electra2 läuft als 32 und 64 Bit-Plug-VSTi und AU-Plug-In sogar auf älteren Rechnern: Mac ab OSX 10.3 (Power PC G4, G5 und Intel Mac) und auf Windows XP, Vista, 7, 8, ME; auf dem PC zusätzlich als Standalone-Version, ebenfalls in 32 oder 64 Bit. Trotz der aufwändigen Klangsynthese sind die Anforderungen an die CPU moderat (und zudem über die Stimmenzahl sowie drei abgestufte Audio-Qualitätslevel begrenzbar), sodass diese Kompatibilität mit älteren Systemen Sinn macht.

Erste Klangeindrücke

Electra2 verfügt über einen gut sortierten und reichlich gefüllten Browser mit virtueller Tastatur: Man kann per Mausklick vorhören.

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Beim Preset der Kategorie ArpMultilayer „1 Hour Glass MF“ sind drei Electra2-Layer (einer Instanz) am Werk:

 

„Chord Chip“ aus der selben Kategorie kommt mit zwei Layern aus und kombiniert einen herrlich warmen Analogbläser-Sound à la Jupiter 8 mit quirligen Elektro-Glöckchen, die durch den Arpeggiator in Bewegung versetzt werden. Hier im Zusammenspiel mit den EZdrummer Electronic Drums:

 

Dass Electra2 auch ganz alleine für Rhythmik sorgen kann, zeigen zahlreiche Dance-taugliche Presets der Kategorie ArpRhythm, hier „1 violet acid“. Es reicht völlig aus, eine Taste zu halten und das Modulationsrad zu bewegen:

 

Electra2 ist äußerst vielseitig. Die Palette reicht von filmmusikreifen Atmospheren …

 

… über stimmungsvolle Pads, gemischt mit Lofi-Charakter …

 

… bis hin zu außergewöhnlichen, frischen Drumrhythmen, Drum-Multisamples, Bass-Arpeggien und Effektvocals. Mit mehreren Instanzen von Electra2 hat man schnell eine kleine Song-Idee skizziert:

 

Alleine mit den Presets zu arbeiten, macht schon Spaß – und das kann man wirklich nicht von jedem Mitbewerber behaupten. In allen Browser-Kategorien stößt man auf interessante, anregende Klangvorlagen, und man fängt automatisch an, damit herumzuspielen. Projektideen entwickeln sich von selbst. Klangliche Anpassungen zwischen den Presets mehrerer Instanzen kann man, wie wir im Verlauf dieses Tests noch sehen werden, auch intern lösen. Neben diversen Equalizern bieten sich Justierungen der sehr flexiblen Multimode-Filter an.

Sehr schön ist auch, dass es reichlich Klänge mit Patina und (simulierten) elektronischen Artefakten gibt. So entsteht ein musikalisch ansprechender Gesamtklang: Der Reiz des Unvollkommenen, etwas Rauen oder Brüchigen fängt die Aufmerksamkeit ein. Im nächsten Audiodemo habe ich einen solchen Beat mit Nebengeräuschen verwendet (welche durch eine fraktale Oszillator-Wellenform generiert werden), einen herrlich runden, klopfenden Bass und eine in den Mitten ebenfalls angeraute Solostimme, eine Art E-Flöte.

 

Mehrere Instanzen von Electra2 lassen sich gut einsetzen, ohne dass dabei die CPU überfordert würde. Auch bei niedrig eingestellter Latenz (resp. Puffergröße) des Audio-Interfaces fordert eine Instanz bei einem Prozessor mit weniger als 3 GHz. Taktrate in etwa 20 % Leistung ein. Mehrere Instanzen werden vom Host-Sequenzern auf die Kerne verteilt, sodass die Belastung kaum ansteigt und keine Audioknackser auftreten.

Rundgang durch die Architektur

Rundgang ist hier wörtlich zu nehmen, denn im Großen und Ganzen folgt man auf der Bedienoberfläche dem Klangverlauf im Uhrzeigersinn. Die Pfeile am Rand der Module weisen den Weg:

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Oberhalb der Oszillator-Abteilung finden sich die Schalter der vier Layer. Diese kann man separat ein- und ausschalten. Mute oder Solo-Taster gibt es hingegen nicht. Sie sind auch nicht zwingend erforderlich, wenngleich sie praktisch wären. Will man drei der vier Engines ausschalten, braucht man drei Klicks, mit einem Solo-Taster wäre es nur ein Klick.

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Will man einen Klang von Grund auf neu konstruieren, klickt man auf den INIT-Button oberhalb des Settings-Fensters:

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Zur Auswahl stehen diverse Templates (alle Layer, ein Layer) sowie Templates vom subtraktiven virtuell-analogen Synthie über fraktale Klangsynthese bis hin zu den neu hinzugekommenen Physical-Modelling Optionen physical Guitar und physical Flute.

Die Oszillatoren

Jeder Layer verfügt über drei Oszillatoren, die alle auf die gesamten Alternativen der Klangsynthese zugreifen können. Zudem können die Oszillatoren untereinander synchronisiert oder FM-moduliert werden. Vor dem Ausgang zum Filtermodul gibt es für jeden Oszillator einen Ein-/Ausschalter, eine Lautstärkeanpassung sowie einen Mix-Regler, der bestimmt, zu welchen Teilen das Signal Filter 1 oder 2 erreichen soll.

Neben der Tonhöheneinstellung in Oktavschritten und dem Feintuning gibt es per Tone-Regler eine erste Klangeinstellung von dunkel bis hell – bei FM-Modulation greift man hiermit in das Obertonspektrum ein. Mit PW reguliert man bei klassischen analogen Wellenformen die Pulsbreite und macht den Ton weicher oder schärfer bzw. überblendet zwischen zwei Grundwellenformen: Aus einer Dreieckswelle wird stufenlos bis zum Rechtsanschlag des PW-Reglers eine Sägezahnwelle, aus einer Sinus- eine Rechteckwelle. Bei den Wavetables kann man per PW durch deren Teilwellenformen fahren. Die Frequenzmodulation (z. B. von OSC 2 durch OSC 1) wird über FM und Inter geregelt. Inter bestimmt dabei das Intervall zwischen den an der FM-Modulation beteiligten Oszillatoren.

Im zentralen Fenster mit der Kurvendarstellung der aktuellen Wellenform bestimmt man, welche Wellenform in den Oszillator geladen werden soll. Zur Auswahl stehen 36 Wavetables mit klassischen analogen Wellenformen, drei verschieden dichte Multi-Sägezahnwellen und Noise/Fraktal mit einer Liste klassischer Rauschgeneratoren, randomisierter und fraktal berechneter Wellenformen, um nur einige zu nennen. Neu ist hier Pink Noise, die Tone2 besonders für die Kombination mit dem physical String-Filter zum Erzeugen von gezupften oder angeschlagenen Saiteninstrumenten empfiehlt. Zusätzlich gibt es die Option, eigene Samples oder Wellenformen zu laden. Letztere werden durch Electra2 analysiert und können dann per PM-Modulation geformt werden. Sehr schön ist, dass die Wellenformdarstellung in Echtzeit abläuft. Man erhält also immer ein optisches Feedback zu dem, was man macht.

Insgesamt ist bereits der Grundklang, den die drei Oszillatoren mit dieser großen Auswahl an Wellenformen bereitstellen, sehr facettenreich. Von weich und analog über fett und prägnant bis zu geräuschhaftem Material wird alles geboten. Die Audioqualität der Oszillatoren ist hoch auflösend, transparent und – je nach Wellenform – ausgesprochen detailreich.

Das Dual – Multimode – Filter

Die üppige Ausstattung der Oszillatoren setzt sich bei dem Dual-Multimodefilter fort. 39 unterschiedliche Charakteristika stehen zur Verfügung, fünf davon sind neu hinzu gekommen:

  1. Vocal 2 formt Vokale via Cutoff und die Formantenlage via Resonanz.
  2. Vocal 2 klingt dabei nicht so abgegriffen oder verwaschen wie manch anderer Vowel-Filter, sondern bietet einen warmen, runden Klang, der sich auch gut für Synth-Vocal-fremde Klänge eignet, etwa für Keyboard- oder Orgelsounds.
  3. Vocal AM ist ein vokalnachbildendes Filter mit Amplitudenmodulation, LP AM ein Lowpass-Filter mit Amplitudenmodulation
  4. BP Boobs ein doppeltes Bandpass-Filter, bei dem der Resonanzregler den Abstand der Centerfrequenz beider Bänder kontrolliert.
  5. Hinter M Shape verbirgt sich ein serielles Duo aus Low- und High-Pass. Resonanz steuert hier die Filtergüte.

Die Filter und deren Modulationsmöglichkeiten haben es also in sich. Es sind einfallsreich ausgetüftelte, sehr musikalische Werkzeuge. Bei einer derart reich gefüllten Bastelkiste für das Klangdesign erwacht sofort der Spieltrieb.

Dass es abseits der Exoten aber auch mit einem traditionellen 24dB Low-Pass Filter geht, zeigt folgendes Audiodemo, in dem der Bass solchermaßen moduliert wird. Der Beat im Hintergrund stammt von einer zweiten Electra2 Instanz.

 

Jenseits der Neuzugänge unter den Filtern trifft man auf nach klassischen analogen Vorbildern modellierte Low-, High- und Bandpassfilter mit 12, 18 und 24 dB Flankensteilheit, Kammfilter, Mehrband-Equalizer, Moog-Adaptationen sowie die beiden bereits erwähnten Physical Modelling Filter Phys String und Phys Flute mit steuerbarem Tuning, Dämpfung und Decay. Wie leistungsstark die Physical Modelling Filter sind, zeigen die Templates, die über das Settings-Init-Menü erreichbar sind. Die Instrumente sind damit fast einsatzbereit geladen und können nun weiter verfeinert werden. Es ist aber auch erlaubt, die Physical-Modelling-Filter zweckentfremdet zu benutzen, wie wir gleich noch hören werden.

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Zwischendurch aber zur Auflockerung erst einmal ein weiteres Audiodemo, bei dem ich das Template Physical String verwendet habe. Mir ging es darum, einen betont percussiven, übernatürlich drahtigen und bei harten Anschlägen beinahe atonalen Bass zu entwerfen. Dafür habe ich …

  • den Ringmodulator per Step-Sequencer moduliert
  • den Analogregler per Random LFO und
  • den Cutoff des vorgeschalteten High-Pass Filters mittels wilder Drehbewegungen des Modulationsrades (nach vorherigem MIDI-Learn)
  • Zudem kommt der Arpeggiator zum Einsatz.

Auch hier stammt der Beat wieder aus der Preset-Library einer zweiten Electra2-Instanz. Bitte laut hören!

 

Insgesamt ist die Filterabteilung so leistungsstark, dass man diese von Anfang an in die Konfiguration eines Klanges mit einbeziehen sollte. Hat man also einen Zielklang im Kopf, so sollte man nicht zunächst versuchen, nur über die Oszillatoren diesen bereits zu 90 % abzubilden, sondern im Wechsel mit der Wahl von Wellenformen auch diverse Filtertypen zuschalten und eine grobe Einstellung der Lautstärke- und Filterhüllkurve vornehmen.

Die fraktalen Filter eignen sich beispielsweise für einen geschärften, knisternden oder angerauten Klang, dessen Obertonstruktur man mit dem Resonanzregler bis ins Detail ausformen oder für lebendige Klangbewegungen modulieren kann. Der Ringmodulator bietet sich für disharmonische, atonale Strukturen aller Art an und kann ein einfaches Sinus-Wavetable zu einem warmen aber dennoch metallischen Glockenklang transformieren.

Im folgenden Audiodemo habe ich lediglich in den ersten Oszillator eine einfachen Sinuswelle geladen und diesen simplen Grundklang durch das seriell geschaltete Dual-Filter geschickt.

  • Filter 1 arbeitet mit der Charakteristik Phys String und der Vorverstärkung Tube (Röhrensimulation)
  • Filter 2 mit einem Fractal Lowpass-Filter
  • Der Cutoff von Filter 1 und 2 sowie die Resonanz von Filter 2 werden per Hüllkurven (Aux 1und 2) moduliert

Ziel der Aktion ist eine anschwellende und dann wieder abebbende Geräuschtextur. Es soll ähnlich wie ein Motor oder wie ein Flugobjekt klingen. Die Tonhöhensteuerung erfolgt dabei durch die Modulation des Cutoffs des Physical String-Filters.

 

Wie bereits angeklungen, hat die Filter-Abteilung noch einiges mehr als „nur“ die Auswahl an Charakteristika zu bieten: Hierzu zählt zunächst der Einsatz von emulierten Vorverstärkern, die den Ton von warm über angeraut bis stark verzerrt gestalten. Grundsätzlich wirken die Vorverstärker auf das Obertonspektrum und fügen, insbesondere bei hoher Ansteuerung mittels Drive-Regler, harmonische und disharmonische Obertöne hinzu. Es stehen die Modelle Tube, Soft, Fuzz, Asymmetrie, Crunch und Shape zur Verfügung. Des weiteren trifft man auf einen Analog-Regler, der die Klangcharakteristik emulierter analoger Filterhardware beisteuert und einen Ring-Regler, der eine Ringmodulation am Filterausgang bietet. Vorsichtig dosiert kann er einem Klang eine dezente Brüchigkeit oder Patina verleihen.

Auch die Ausstattung mit Standard-Parametern ist lückenlos: Die Filter reagieren dosierbar auf die Filter-Hüllkurve, die Notenhöhe und können im Panorama verteilt und in ihrer Ausgangslautstärke angepasst werden.

Insgesamt bieten die Filter nicht nur eine Masse an Möglichkeiten, sondern auch höchste Qualität. Sie wirken differenziert auf das Audiosignal der Oszillatoren ein und schaffen – je nach Einstellung – detaillierte spektrale Strukturen. Die Analogemulationen sind gelungen. Der Analog-Regler verwandelt das Signal klassischer analoger Wellenformen deutlich erkennbar in einen edlen Vintage-Sound. Wer Schmutz und Patina haben möchte, wird mit dem Einsatz fraktaler Filter in Kombination mit Vorverstärkern bestens bedient. Die Filter bringen eine persönliche Note ins Spiel. Im Gegensatz zu manchem anderen auf dem Markt befindlichen virtuellen Filter innerhalb oder außerhalb von Klangerzeugern muss man mit dem Resonanzregler nicht vorsichtig umgehen, um unschöne, schrille oder unangenehm synthetische Klangfarben zu vermeiden – im Gegenteil: Hier hat man ein mächtiges Werkzeug für das Klangdesign an der Hand, mit dem man sich aus einem große Spektrum an Möglichkeiten das Geeignete heraussuchen kann. Dabei hat man eher die Qual der Wahl unter vielen inspirierenden Optionen der Klangformung.

Insert Effekte

Im Anschluss an das Dual Multimode-Filter durchläuft das Signal einen Multi-Insert-Effekt – ebenfalls mit breit angelegter Auswahl:

  • zehn Raumsimulatoren (u. a. Hall, Kathedrale, Raum)
  • vier Echos (temposynchron, darunter Bandecho, Ping-Pong und Multitap mit Rückwärts-Echo)
  • weitere Zeitverzögerungseffekte von Chorus über Ensemble bis Flanger, Vibrato, Tremolo, Ampsimulator, Leslie, Vocoder, ein rhythmisches Trancegate und Smart Unisono

Letzterer ist einer der Neuzugänge und erzeugt durch eine Reihe leicht verstimmter, im Stereo-Panorama verteilter Stimmen CPU-schonend einen Unisono-Effekt.

Alle Effekte sind mit einer kleinen Auswahl an Einstellmöglichkeiten ausgestattet. Die Effektparameter lassen sich aber im Gegensatz zu den Reglern der Oszillator- und der Filterabteilung nicht modulieren oder per MIDI-Learn durch externe Controller steuern. Als Beispiel hier der Rotary-Effekt …

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… der nicht nur für Orgelsounds gut ist, sondern auch zum vorangegangenen Motoren-Geräusch passt:

 

Der Settings – Dialog

Das Settings-Modul umfasst grundlegende Einstellungen. Anders als bei vielen anderen virtuellen Instrumenten geht es hier jedoch nicht um eine Konfiguration, die man einmal einstellt und dann kaum noch benötigt, sondern um Layer-spezifische Definitionen, die folglich auch zusammen mit dem Layer oder Patch abgespeichert werden.

Wer mit der CPU-Leistung haushalten muss, kann hier in den Low-CPU-Mode wechseln (ohne, dass Electra2 danach hässlich, oder gar nach Bit-Crucher klingt). Ebenfalls vorsorglich CPU-schonend lässt sich die maximale Stimmenanzahl festlegen. Alternativ gibt es einen monofonen Modus mit oder ohne Legato. Glide Time regelt das Portamento, Sound Mode bietet eine Basisdefinition für den Grundklang von Electra2 (Linear, Loudness, Bass-Boost, Bright Sound, Psychoakustic und analog).

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Jeden Layer kann man hier bei Bedarf auf eine Tastaturzone begrenzen und/oder einen anschlagsdynamischen Bereich nach Velocitywerten festlegen. So sind mit einer Instanz von Electra2 vier Split-Zonen mit unterschiedlichen Klängen machbar – oder vier anschlagsdynamische Layer. Bei Letzteren gilt allerdings die Einschränkung, dass es keinen Crossfade (also einen Lautstärkeübergang) zwischen den Layern gibt. Ab einem bestimmten Velocitywert wird der betreffende Layer dann nicht mehr abgespielt. Eine Überlagerung von Layern kann folglich zu Lautstärke- und Klangsprüngen führen. (Um weichere Übergänge zu erzeugen, lässt sich allerdings die Anschlagsdynamik über die Modulationsmatrix auf den Lautstärkeregler routen.)

Jedem Layer kann ein eigener MIDI-Kanal zugeordnet werden. Über Copy und Paste kopiert man eine komplette Layerkonfiguratrion auf einen zweiten Layer – interessant etwa für besonders breite, fette Sounds oder polyrhythmische Strukturen, wenn man mit unterschiedlichen Arpeggien arbeiten will.

Die INIT-Funktion habe ich bereits im Vorfeld angesprochen: Hier gibt es neben einer kompletten Zurücksetzung aller Parameter zahlreiche Templates, beispielsweise das für die Flöte, bei der die Physical-Modelling-Variante des Multimode-Filters zum Einsatz kommt. Im folgenden Audiodemo hören Sie die Flöte zusammen mit einem Percussion-Beat aus der Electra2 Library. Das Flötentemplate habe ich geringfügig bearbeitet und die Resonanz des Filters per LFO und Hüllkurve moduliert, dazu ein Bandecho als Insert-Effekt und einen Hall in der Master-Effektsection hinzugefügt:

 

Arpeggiator, Modulatoren und Modulationsmatrix

Electra2 beinhaltet einen leistungsstarken Arpeggiator mit 10 verschiedenen Abspiel-Modi, Tonhöhen- Velocity- und Swing-Definition für 16 Steps. Im polyfonen Chord-Mode können definierte Akkordfolgen tempogenau und rhythmisch abgespielt werden.

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Für den Arpeggiator ist nur ein kleines, dreizeiliges Display reserviert. Über Aufklappmenüs findet man hier jedoch zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Dennoch: Grafisch ansprechend oder selbsterklärend ist der Arpeggiator nicht. Nach einem Blick ins Handbuch wird die Sache jedoch klar, und man kann ohne hohen Lernaufwand gezielt mit dieser Funktion arbeiten. Das Manual ist vom Instrument aus über das Hilfe-Menü direkt erreichbar.

An Modulatoren stehen vier ADSR-Hüllkurven mit zusätzlichem Hold- und Shape-Parameter zur Verfügung:

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Hinzu kommen drei temposynchrone LFOs mit einer Auswahl von 14 Wellenformen sowie ein Step-LFO mit 16 Schritten.

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Um zwischen Steuermodulen und Steuerzielen eine Verbindung herzustellen, gibt es eine Modulationsmatrix mit 10 Slots. Alle relevanten, klangerzeugenden und -formenden Parameter (mit Ausnahme der Effekte) können hier nicht nur durch die internen Modulationsquellen, sondern auch über feste Werte wie bestimmte Sinuskurven oder Decayzeiten, über Velocity, Aftertouch, Expression-Pedal, Breath-Controller und diverse andere MIDI-CC-Controller angesprochen werden. Zusätzlich erreicht man über das Help-Menü einen MIDI-Lerndialog und kann mit dem einem Controllerkeyboards in die Steuerung von Electra2 eingreifen können. Leider stellte sich bei meinen Experimenten heraus, dass auf meinem System (Windows 7, Cubase 7) MIDI-Learn Schwierigkeiten bereiten kann. Nach dem Durchführen einer Controllerzuweisung war der Dialog offensichtlich im Hintergrund noch weiter aktiv. Beim Abspielen eines MIDI-Patterns mit CC-Modulationsdaten übernahm der nächste Regler, den ich anklickte die betreffende CC-Nummer als Modulationsquelle. Der Befehl „Remove MIDI CC Assignment“ per Rechtsklick auf den betreffenden Regler funktionierte auch nicht immer, was besonders ärgerlich ist, da Electra2 über keinen Undo-Befehl verfügt.

Der Hersteller nimmt hierzu wie folgt Stellung:

[red_box]

„Das Problem mit dem MIDI-Learn wurde von unseren Nutzern bisher noch nicht berichtet. Wahrscheinlich tritt das Problem nur unter ganz bestimmten Bedingungen auf. Falls hier ein Bug von unserer Seite besteht, werden wir den selbstverständlich im nächsten Update korrigieren.“

[/red_box]

Ergänzungen

In der Master-Section, die für alle vier, übrigens farblich in anthazit, gelb, grün und rot abgesetzten Layer relevant ist, hilft ein grafischer Dreiband-Equalizer, dem Frequenzspektrum den letzten Schliff zu verleihen. Ein Modulationsrad-Regler (global für alle Layer) dient dazu, per Mausbewegung auch ohne Keyboard die Steuerung via Modulationsrad zu überprüfen. Zuletzt trifft man hier auf einen Master-Effekt mit der selben Auswahl der Insert-Effektpalette.

Die Layer innerhalb einer Instanz von Electra2 können zwar über verschiedene MIDI-Kanäle angesprochen werden, über getrennte Audioausgänge verfügen sie hingegen nicht. Wenn also die Klanganpassungen innerhalb von Electra2 nicht ausreichen, muss man den Umweg über mehrere Instanzen gehen – was einen geringen Mehraufwand an Arbeit einfordert aber den Vorteil mit sich bringt, dass die CPU-Beanspruchung, auch im Hinblick auf externe EQs, Dynamikprozessoren oder Effekte auf mehrere Kerne verteilt wird.

Wem die im Lieferumfang inbegriffenen clubtauglichen Sounds nicht reichen, findet in einem optionalen Soundpaket „Modern Clubhits“ weitere Vorlagen.

Persönliche Anmerkungen

Eigentlich sollte dieser Test kurz und bündig werden. Doch Electra2 hat mich schnell in den Bann gezogen. Alleine die Presets sind faszinierend. Ich war kurz davor, die Testarbeit liegen zu lassen und einen ganzen Song nur mit Electra2 zu entwerfen. Nachdem ich angefangen habe, mit Oszillatoren, Filtern und Modulatoren zu experimentieren, wurde Electra2 zur Zeitmaschine. Die Uhr spielt plötzlich eine untergeordnete Rolle. Fast nie bin ich in Sackgassen geraten, also Situationen, in denen es einfach schlecht klingt, ohne dass man wieder aus dieser Lage herausfinden würde. Im Gegenteil: Es tauchen ständig neue Ideen auf. Daher zum Abschluß noch ein Audiodemo, das aus dem Sample einer elektrischen Tür entstanden ist. Hier zunächst die Originalaufnahme:

 

Das Laden eigener Samples in Electra2 funktioniert über den Load-Dialog im Sample-Waveformfenster eines Oszillators. Geladen werden Wav-Formate, allerdings nur, wenn sie als PCM-Wellenformen vorliegen. Exporte aus Cubase heraus können damit leider nicht geladen werden, da Cubase keine PCM-formatierten Wav-Files exportiert. Dieses Problem gab es schon zu Zeiten von ElectraX und Cubase 6.

Zurück zur Tür: Diese habe ich nun mit Filtern, Arpeggiator und diversen Modulatoren zu einer Geräuschkulisse umgewandelt, die durch rhythmische Akzente unterbrochen wird. Das Zwischenergebnis hört sich so an:

 

Und nun zusammen mit einem abgewandelten Preset aus der Kategorie „Chip“:

 

Jetzt aber endlich zum …

Fazit

Electra2 erweist sich als enorm flexibles Klanglabor, das quer über alle Genres hinweg eingesetzt werden kann. Groovige Acid-Beats, polyrhythmische Kombinationen aus Percussion und Soloinstrumenten, Geräuschtexturen, filmmusikreife Kulissen, Pads und Flächen mit ausgefeilten Klangfahrten oder wunderbar formbare, natürliche bis übernatürliche Physical Modelling Instrumente – die Welt von Electra2 ist groß und wird durch den Import eigener Samples (nur Wav PCM) noch erweitert. Die riesige Auswahl an Presets belegt eindrucksvoll das Spektrum dieses Ausnahme-Synthesizers. Unabhängig von der persönlichen Ausrichtung wird man unter den Werksklängen eine Reihe inspirierender Vorlagen finden, die, mit mehreren Electra2-Instanzen, schnell in ein kreatives Projekt münden oder eine geeignete Grundlage für eigenes Klangdesign liefern.

Die Audioqualität spielt sich auf hohem Niveau ab: Der Klang ist auch in den höchsten Höhen transparent und detailreich.

Ein tieferes Abtauchen in die Architektur lohnt sich, auch wenn man eine Weile braucht, die Schätze, die hier geboten werden, zu heben. Es versteht sich von selbst, dass man die teils außergewöhnlichen Synthesemöglichkeiten in Kombination mit den vielseitigen, erstklassig klingenden Filtern nicht im Handumdrehen beherrscht. Der Lernaufwand hält sich aber durch die übersichtliche Architektur in Grenzen, und das englischsprachige, übersichtliche Handbuch ist lückenlos.

Eine kleine Hürde stellt der leistungsfähige Arpeggiator dar, der auf engem Raum viele Optionen bietet, die nicht sofort selbsterklärend sind. Leider funktionierte der MIDI Learn- und Unlearn-Dialog auf unserem Testsystem nicht einwandfrei. Obwohl man sich beim Erstellen eigener Klänge selten in einem Klangchaos verirrt, vermisst man doch eine Undo/Redo-Funktion.

TOP PRODUCT AWARD

Holger Obst

Plus

  • viele alternative und kombinierbare Klangsynthesen
  • außergewöhnlich großes Spektrum an Klang- und Einsatzmöglichkeiten
  • erstklassiges und umfangreich ausgestattetes Dual Multimode-Filter
  • große Palette an guten Effekten
  • eigenständiges Physical-Modelling Konzept für Bläser und Zupfinstrumente
  • umfangreiche und inspirierende Preset-Library
  • sehr gute Audioqualität
  • moderate Leistungsanforderung an die CPU-Leistung
  • auch mit älteren Rechnern und Betriebssystemen kompatibel

Minus

  • MIDI-Learndialog funktionierte auf unserem Testsystem nicht einwandfrei (ggfls. Anhand der Demo-Version prüfen)
  • keine Undo/Redo – Funktion

Systemanforderungen Windows

  • Windows XP / Vista / 7 / 8 / ME (32 bit oder 64 bit); Intel Pentium4 kompatible CPU
  • 32-bit VSTi, 64-bit VSTi, 32 bit standalone, 64 bit standalone

Systemanforderungen Mac OS X

  • Mac: Mac OSX 10.3 aufwärts; PowerPC, G4, G5 oder Intel Mac (32 oder 64 bit)
  • Mac: 32-bit VSTi, 64-bit VSTi, 32-bit Audiounit, 64-bit Audiounit; Universal Binary

Die Software reagiert auch auf Touchscreens

Preis

  • 149 Euro

Hersteller

Vertrieb