The Headroom Project – Jetuton Andawai
|2005 – 2006
Eigenwilligen Elektro-Ethno-Beat bietet auch dieses dritte Album, welches mit Acapella-Gesang vor einer Geräuschkulisse beginnt. Alle anderen Songs sind eher knallig und bunt gemischt.
Linda Morena ist ein guatemaltekisches Volkslied, vorgetragen von Anna José Lima Martinez. Als ich an dem Song arbeitete, war Anna José längst wieder in Guatemala – und ich habe seitdem nichts mehr von ihr gehört. Die ohne Taktell eingesungene Solostimme habe ich mit Melodyne zu einem mehrstimmigen Gesang ausgebaut, den einzelnen Stimmen dabei unauffällige Unregelmäßigkeiten (Timing/Tonhöhenschwankungen) und unterschiedliche Formanten (stimmfärbende Klangelemente) verliehen, damit es sich nach mehreren Sängerinnen oder zumindest nach mehreren Aufnahmen und nicht nach punktgenau getakteten Klonen anhört. Heute würde ich zusätzlich noch TRAX von IRCAM/Flux einsetzen, um vollständig anders gefärbte Zweit- und Drittstimmen zu erhalten, aber diese Software gab es Anno 2005 noch nicht.
Abgesehen von Linda Morena gibt es auf dem Album nur noch ein zweites zart-melancholisches Stück: Jardin Oublié.
Mit Hejm und Jetuton Andawai geht es deftig zur Sache – hier hauen die Trommler ganz schön auf die Felle, und die Sängerinnen benutzen ihre kräftigen Stimmen, um sich durchzusetzen.
Die Vocals zu Industrial Blues stammen aus dem Roland V-Synth, einem experimentell ausgerichteten Synthesizer, der mittels Timestretching und formantenunabhängigem Pitchshifting Gesangsfragmente transponierbar und synchronisierbar macht. Zu Industrial Blues gibt es auch ein Video, Ergebnis meines (zweiten) kurzen Ausflugs in die Grafik-Animation, welchen ich wegen der 2006 noch unzulänglichen Rechenleistung der handelsüblichen PCs jedoch bald wieder einstellte. Mein Rechner benötigte teilweise eine ganze Woche, um 15 Sekunden Film zu rendern. Zum Einsatz kamen Maxon Cinema 4D, Poser, Xfrog. Die stark kompromierte Bildqualität des Youtube-Videos gibt den Detailreichtum des Originals leider nicht wieder.
Gediegen und klassisch ist eher ein anderer Blues, nämlich der Late Night Blues. Hier wollte ich endlich mal ein normales, nicht verrücktes, geradliniges Stück komponieren. Da ein klassisch-stilorientiertes Komponieren nicht gerade meine Stärke ist, nahm ich als Vorlage fertige Song-Bausteine des Herstellers Ueberschall. Es fiel mir außerordentlich schwer, die Vorlagen nicht gehörig zu zerschnipseln, zu verbiegen und etwas völlig Neues daraus zu machen. Also konzentrierte ich mich auf das Solo: Die Gitarre, die zwischen getragenen, gehaltenen Passagen und rasend schnellen Läufen wechselt, ist mit Melodyne Note für Note zusammengebaut.
Bei Anu de Dilaho bin ich noch einen Schritt weiter gegangen: Hier habe ich zunächst den Gesang bearbeitet, dann ein kurzes Gitarrensolo (auf einer echten Gitarre) eingespielt und diesem (mittels Melodyne) die Melodieführung der zuvor entwickelten Gesangslinie aufgeprägt. Die Gitarre antwortet nun quasi auf den Gesang – vor einer Kulisse aus mehrfach gemorphten und teils rückwärts ablaufenden Elektro-Beats.
Und endlich: 2005 lernte ich per Zufall eine professionelle Sängerin kennen, mit der ich seitdem regelmäßig zusammenarbeite. Sigrid Haverkamp, Gesangslehrerin, Sprecherin beim WDR, Front-Woman in diversen Bands und Musik-Projekten sowie Musical-Komponistin ist ein in der Branche selten anzutreffender bescheidener und gleichermaßen fröhlicher Mensch. Sigrid hat Gesang und Lyrics zu Yesterday beigesteuert – und dann auch noch meine eigenwilligen Nachbearbeitungen mit Melodyne akzeptiert.
Zu guter letzt soll nicht unterschlagen werden, dass das Piano-Solo von Copeuse Concon von Sebastian Swigon stammt, der in den 90ern eine steile Karriere mit Industrial-Techno absolvierte und mit dem ich eine Weile einen intensiven und inspirierenden Kontakt gepflegt habe – schade, dass aus unserer musikalischen Zusammenarbeit nicht mehr geworden ist.
Meine Favoriten dieses Albums: Yesterday, Jetuton Andawai und Hejm.
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