Cubase Pro 9: Sampler Track und Caleidoscope Library
|Die neue Sampler-Spur gehört zu den großen Neuerungen in Cubase 9 und ist in allen drei Versionen enthalten, Cubase Pro 9, Artist 9 und Elements 9.
Bevor wir starten, hier die Links zu den bisher veröffentlichten Artikeln zu Cubase 9:
Cubase Pro 9 – Sentinel, die Blacklist und mögliche Folgen für Cracks
Cubase Pro 9: Das Ein-Fenster-Layout und die Lower Zone
Latenz-Management und Verzögerungsausgleich unter Cubase
Cubase Pro 9 – MixConsole und History
Wie komme ich zur Sampler-Spur?
Cubase bietet zahlreiche Möglichkeiten, eine Sampler-Spur zu öffnen. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem Zugang über die neue Lower Zone:
Dazu öffnet man zunächst die Lower Zone über das mittlere dieser drei Icons, die man oben rechts im Hauptfenster findet:
Wenn Sampler Control noch nicht angewählt sein sollte, dann erreicht man diese über den entsprechenden Karteireiter am unteren Rand der Lower Zone:
Anschließend wird man bereits aufgefordert, eine Audiodatei in das noch leere Feld zu ziehen:
- Die Audiodatei kann aus einer Audiospur stammen,
- sie kann von einem beliebigen Speicherplatz des Rechners hierhin gezogen werden
- und man kann sie der Media Bay entnehmen, wo sich im Übrigen auch die Caleidoscope-Library befindet.
Wir probieren es zunächst mit einer Audiodatei aus einer Audiospur aus. Dazu habe ich einen Beat aus Ueberschall Rare Grooves als Audioclip aufgenommen. Der Beat läuft bei 78 BPM.
Es spielt keine Rolle, ob man diese Aufnahme schneidet. Zieht man den Audioclip (oder Schnipsel daraus) in das Feld Sampler Control, so wird immer der gesamte ursprüngliche Clip in den Sampler geladen. Will man also nur einen Hit aus einem Beat in den Sampler verfrachten, muss man zuvor diesen einen Hit isoliert als Audiodatei in einer eigenen Spur aufnehmen (oder exportieren).
Diese Mühe kann man sich allerdings sparen, denn innerhalb des Samplers kann man sowieso einen Start- und Endpunkt sowie einen Loop setzen. Es ist also kein Problem, aus dem Groove innerhalb der Sampler Control einen einzelnen Hit zu isolieren. Dabei lassen sich über die Schaltfläche „Audio Nulldurchgänge finden“ auch Knackser vermeiden (die entstehen würden, wenn eine Amplitude außerhalb des Nulldurchgangs getrennt wird).
Ob man nun den Groove oder nur einen Hit nimmt: In der Werkseinstellung wird das Sample nach guter alter Manier über die gesamte Tastatur transponiert und kann nun über die Klaviatur wie jedes andere MIDI-Instrument gespielt werden. Dazu klickt man die Sampler-Spur an, die Cubase automatisch anlegt, sobald der Sampler mit Audiomaterial versorgt wird.
Den Root Key (die Taste, die das Sample in der Originalgeschwindigkeit und -tonhöhe abspielt) stellt man in der oberen Befehlszeile im Feld „Grundton“ über Pfeiltasten ein:
Komfortabler geht es, indem man das kleine weiße Dreieck über C3 anfasst und nach links oder rechts verschiebt:
Über welchen Tastaturbereich das Sample spielbar sein soll, definiert man ebenfalls über Anfasser links und rechts oberhalb der virtuellen Tastatur:
Rechts daneben definiert man den Umfang des Pitch-Bendings in Halbtonschritten (bis zu 12).
Ob und in welchem Loop-Modus das Sample abgespielt werden soll, legt man über ein kleines Aufklappmenü fest.
Daneben finden sich Befehlstasten für
- One Shot: Es wird unabhängig vom Note-Off immer das ganze Sample vom Start- bis zum Endpunkt abgespielt.
- MIDI Reset: Im Falle von MIDI-Hängern kann man diese hier stoppen. Auch das Abspielen im One-Shot-Modus wird dann unterbrochen.
- Fix: Das Sample wird nicht transponiert.
- Reverse – Rückwärts Abspielen
- M: Monophonic Modus: Monofoner Sampler, besonders interessant mit dem Legato-Modus des Audio Warp Moduls. Der Glide-Parameter des Pitch-Moduls bestimmt das Portamento.
- Dreifach Pfeile: Übertragen des (bearbeiteten!) Samples zu Groove Agent, Groove Agent SE oder Halion. Dazu wird eine neue Instanz der jeweiligen virtuellen Instrumente geöffnet.
Skalierungen:
Ebenso wie der Mixer oder der MIDI-Editor der Lower Zone kann man auch den Sampler entkoppeln und damit komfortabel vergrößern. Dazu klickt man auf die Pfeiltaste oben rechts:
Das ist eine feine Sache, besonders wenn man mikroskopische Arbeiten innerhalb der Wellenform vornehmen will, denn über die Zoom-Funktionen des Wellenformdisplays kann man die Darstellung bis zu einer tausendstel Millisekunde vergrößern. Diese Abbildung zeigt bei Weitem noch nicht die maximale Vergrößerung:
Aus dem Groove habe ich einen Beckenschlag herausgeschnitten und dessen Decay im alternierenden Modus geloopt:
Das Lineal am oberen Rand kann zwischen Samples, Zeit und Takten per Rechtsklick und Aufklappmenü umgeschaltet werden. Auf diese Weise kann man auch einen temposynchronen Loop zeichnen. Allerdings gibt es kein Netz mit Einrastfunktion. Für eine möglichst hohe Genauigkeit beim Setzen der Loop-Marker sollte man daher entsprechend stark hineinzoomen.
Für die Klangbearbeitung steht zunächst ein Multimode-Filter mit verschiedenen Preamp-Modellen …
… und unterschiedlichen Charakteristika sowie Flankensteilheiten bereit:
Über einen Mangel an Auswahl kann man sich wirklich nicht beschweren, und auch der Sound stimmt: Dieses Filter klingt, nicht zuletzt durch die Vorverstärkung mit Sättigungs- und Verzerrereffekten, ausgesprochen musikalisch.
Es kommt aber noch besser: Das Filter hat eine eigene, multipolare Hüllkurve, die man über das Hüllkurvensymbol des Filtermoduls öffnet:
Per Doppelklick lassen sich nun Ankerpunkte setzen und anschließend in Position bringen.
Ein Teilbereich der Filterhüllkurve kann als Loop durchlaufen werden. Anders als im Wellenformdisplay gibt es hier leider kein Raster in Notenwerten, sondern nur in Zeiteinheiten. Dennoch hat man hier ein Gestaltungswerkzeug, was zu Experimenten einlädt. Damit das Filter überhaupt hörbar wird, muss allerdings der AMT-Fader (Amount) ganz links oberhalb oder unterhalb der neutralen Mittelposition stehen.
Der Beckenschlag mit Filtermodulation:
Noch mehr Bewegung in den Klang bringt eine Automation der Filterparameter. Dazu aktiviert man den Write-Taster der Sampler Control und bewegt die Regler.
Auch die Lautstärkehüllkurve lässt sich in den Loop-Modus schalten:
Und schließlich gibt es noch ein Pitch-Modul, ebenfalls mit einer Multi-Ankerpunkt-Hüllkurve für die Tonhöhenmodulation. Alternativ können auch hier die Parameter per Automation verändert werden. Glide Time bezieht sich auf den monofonen Modus und bestimmt die Dauer des Portamentos.
Wie schon bei der Filterhüllkurve gilt: Damit die Pitch-Hüllkurve ihren Betrieb aufnimmt, muss man den Amount-Slider (AMT) ganz links in den positiven oder negativen Bereich fahren.
Den Amount-Slider kann man übrigens ebenfalls automatisieren. Aus unserem Beckenschlag lassen sich damit schon recht chaotische Effektklänge zaubern:
Mittels Audio Warp eröffnet sich weiteres Klangdesign durch Timestretching. Zwei Modi, Solo und Music stehen bereit und sind für Soloinstrumente oder dichteres Material gedacht, etwa für eine Drum-Gruppe. Das Timestretching kann dem Songtempo angepasst werden.
Diese Phrase stammt aus Ueberschall Vocal Dance Hits 2:
Ausgesucht habe ich mir den Abschnitt „Lady Love“. Hier ist Audio Warp und Tempo Sync eingeschaltet, daher wird das Sample über die gesamte Klaviatur in der gleichen Geschwindigkeit abgespielt aber trotzdem transponiert.
Ohne Audio Warp würde es sich so anhören:
Audio Warp + Automation der Formanten:
Eine Key-Funktion mit automatischer Anpassung der Formanten an die Notenhöhe gibt es nicht.
Über Anfasser im Wellenform-Display kann man nicht nur Sample Start- und Endpunkte sowie Loop-Marker setzen, sondern auch ein Fade-in und Fade-Out erzeugen, sogar mit exponentieller oder logarithmischer Kurve:
Schaltet man den Sync-Modus des Warp-Moduls aus, so taucht ein Speed-Regler auf, mit dem extreme Verfremdungen machbar werden. Er bestimmt, mit welcher Geschwindigkeit das Sample durchfahren wird. Im harten Linksanschlag wird die Abtaststelle eingefroren.
Aus Lady Love wird bei hoher Geschwindigkeit beispielsweise:
Bei niedriger Geschwindigkeit (oberhalb des kompletten Stillstands) bewegt man sich durch den Mikrokosmos der digitalen Audiowelt:
Eine extreme Verfremdung der „Lady Love“:
Caleidoscope
Sounds für den Sampler Track finden sich reichlich in der neuen Caleidoscope-Library, die genau hierfür gedacht und gemacht ist.
Fängt man bei Null an, öffnet man einen neuen Sampler Track, etwa über das Kopfzeilen-Menü Projekt → Spur hinzufügen → Sampler.
In der Befehlszeile des Samplers klickt man dann auf Preset laden.
Und schon öffnet sich die ganze Palette an schönen Klängen, übersichtlich nach Kategorien und Attributen sortiert. Hat man etwa im Hinterkopf, sich eine neue Beat-Machine mit Groove Agent 4 zu basteln, sucht man sich einen Drum-Hit aus:
Diesn Hit transportiert man über den Dreifach-Pfeil in der Kopfzeile rechts von Sample Control (Sie erinnern sich?) zu Groove Agent. Es öffnet sich dabei automatisch eine neue Instanz von Groove Agent. Innerhalb von Groove Agent kann man das Sample auch auf ein anderes als das werksseitig ausgewählte Pad ziehen. Anschließend kehrt man zum Sapler zurück und erzeugt Variationen des Hits.
Mit dem Filter hat man im Nu einen Gong daraus gemacht:
Will man diese erste Bearbeitung nun ebenfalls in die zuvor angelegte Groove Agent – Instanz laden, so funktioniert das leider nicht. Die direkte Import-Funktion (über den Dreifach-Pfeil, Sie erinnern sich?) bewirkt, dass eine weitere Instanz von Groove Agent angelegt wird. Um die Bearbeitung in die selbe Instanz von Groove Agenz zu transportieren, hilft nur ein Export oder eine Aufnahme des Samples innerhalb von Cubase in eine Audiospur. Von hier aus (oder vom Sample auf der Festplatte aus, aber nicht direkt aus dem Wellenform-Display des Samplers) kann man nach und nach die diversen Bearbeitungen per Drag & Drop auf Pads in Groove Agent ziehen.
Caleidoscope erreicht man auch über die Media Bay:
Die Ordner Atmos, Chords, Downfilter, Impacts, Pads, Percussive Hits, Stabs, Upfilters und Voxscape liefern Samples für eine breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten – von der Film-Musik und Spielevertonung über Dance und Pop bis zu Ambient.
Per Rechtsklick auf ein Sample öffnet sich ein Aufklappmenü, unter anderem mit dem Eintrag „Sampler Spur erzeugen“. Und schon kann es losgehen.
Komfortablerweise erhält die Sampler-Spur auch gleich den Namen des Samples.
Neben den reinen Samples gibt es, wie wir schon wissen, auch die Track-Presets, die Bearbeitungen, etwa mit dem Filter, beinhalten. Hier ein Opener für eine Dance-Nummer:
Fortgeschrittene Anwendung: Multisamples mit Duplikaten des Sampler Tracks
Mit dem Sampler-Track lassen sich einfach und intuitiv verschiedene Variationen eines Samples erzeugen. Diese kann man zum einen wie oben beschrieben der Reihe nach in Groove Agent oder Halion importieren und dort über verschiedene Pads oder als Multisamples arrangieren.
Wer den Sampler Track selbst für Multisamples verwenden will, erreicht dies über einen Umweg: Man legt ein Preset der ersten Bearbeitung an, öffnet dies in einem zweiten Sampler Track und weist beiden verschiedene Tastaturbereiche zu, erzeugt also sozusagen Splits (wie oben gezeigt: über die Anfasser links und rechts oberhalb der virtuellen Tastatur). Alternativ kann man über Projekt → Spuren duplizieren eine Kopie erstellen.
Anschließend bearbeitet man das Duplikat und erschafft eine zweite Variante des Samples. Diesen Prozess kann man mehrfach wiederholen, alle Sampler Tracks der besseren Übersicht halber in einen Ordner verfrachten (alle Spuren bei gehaltener STG-Taste anklichen, dann Rechtsklick und den Befehl wählen „Ausgewählte Spuren in neuen Ordner verschieben“) und bei der Aufnahme über MIDI alle Sampler Tracks gleichzeitig aktivieren. So erhält man (mit einigem Aufwand) ein Multisample-Instrument. Neben Splits sind natürlich auch Layer möglich, die man im Panorama anordnen und über eine Lautstärkeanimation auch mischen kann. So kann man breite Klangevolutionen und abwechslungsreiche Texturen auf der Grundlage nur eines Samples oder Loops bauen.
Ergänzendes
Sampler Tracks mit individuellen Bearbeitungen können über die Preset Verwaltung abgespeichert werden.
Laut Cubase-Forum gibt es (aktuell noch) Probleme mit dem Import datenreduzierter Formate in den Sampler Track (FLAC, mp3). Mp3-Dateien konnte ich nicht in den Sampler Track ziehen. Dazu muss man sagen, dass datenreduzierte Formate nicht gerade die Grundlage für einen idealen, professionellen Sound sein können und dass auch andere ausgewachsene Sampler solche Formate nicht unterstützen. Rex2-Files konnte ich hingegen importieren.
Schlussbetrachtung
Der Sample-Track bietet einen erfrischend unkomplizierten Zugang zum Klangdesign auf der Grundlage einfacher Audio-Clips. Neben Audiodateien aus Audio Tracks des Projektes und vielen Vorlagen aus der Caleidoscope-Library bietet sich der Sampler Track auch als unkomplizierte Lösung für den Import diverser alter Samples aus Libraries an, die man vielleicht schon Jahre nicht mehr benutzt hat.Unterstützt werden neben den gängigen nicht datenbreduzierten Audioformaten auch Rex2-Files.
Multisamples oder Velocity Layer gibt es hier nicht, dennoch gelingen (bei Bedarf auch auch extreme) Klangbearbeitungen und Experimente, die einfach Spaß machen. Dafür sorgt ein umfangreich ausgestattetes Filter, Moduationshüllkurven mit zeihenbaren Verläufen für das Filter, die Lautstärke und die Tonhöhe und nicht zuletzt das Warp-Modul mit Timestretching und Formantenanpassung.
Alles in allem eine gelungener Einstand. An einigen Enden besteht noch Erweiterungspotenzial, ohne dass man aus dem Sampler Track direkt einen Sampler-Boliden macht und damit wieder den so herrlich intuitiven Zugang verbaut: Temposynchrone Loops bei den Hüllkurven, etwa über ein Notenwerte-Gitter mit Einrastfunktion, wäre ein Wunsch, dann der Export mehrerer Klangvariationen eines Samples auf verschiedene Pads einer Instanz von Groove Agent, beispielsweise einfach per Drag & Drop aus dem Wellenformdisplay der Sampler Control heraus oder über einen erweiterten Export-Dialog.
Aber wir wollen nicht meckern: Der Sample Track macht Spaß. Die bearbeiteten Clips oder Samples können wie ein MIDI-Instrument gespielt werden; über den Kanalzug des Sampler Tracks lassen sich externe Effekte einbinden.
Die Anzahl von Sampler Tracks in einem Projekt ist nicht beschränkt. Man kann dieses neue Kreativwerkzeug also nach Belieben einsetzen – um neue Instrumente zu erzeugen, Variationen von Loops mit Warp-Funktion oder für eine Effektbearbeitung eines Signals, die dann dem Original beigemischt werden kann. Mit ein wenig Aufwand lassen sich sogar Multisample-Instrumente über mehrere Duplikate des Sample Tracks erzeugen.
Autor: Holger Obst
Cubase Pro 9 – Sentinel, die Blacklist und mögliche Folgen für Cracks
Cubase Pro 9: Das Ein-Fenster-Layout und die Lower Zone
Latenz-Management und Verzögerungsausgleich unter Cubase
Cubase Pro 9 – MixConsole und History