Samples sind giftig!

Immer häufiger frage ich mich, ob es einen Zusammenhang zwischen den ausufernden musikalischen Möglichkeiten heutiger Tage und der mehr und mehr nachlassenden Qualität aktueller Musik gibt. Jeder hat heute Zugriff auf Soundlibrarys, von denen die Beatles, Pink Floyd oder Led Zeppelin nur träumen konnten. Dennoch lieferten viele der alten Bands und Solokünstler oft derartig gute Songs ab, dass sie auch heute noch gern gehört werden und manchmal sogar stilbildend waren.

Auf jedem halbwegs aktuellen Mac kann man Plug-ins installieren, mit denen sich so gut wie jeder Sound bis zum Unkenntlichkeit verbiegen lässt. Jede Note lässt sich hinterher im Timing beschleunigen, verlangsamen und auf unzählige Arten durch den Wolf drehen. Der Sänger kann nichts? Auch kein Problem, die Stimme ziehen wir einfach in Melodyne gerade …

Software-Instrumente bieten jeden gewünschten Sound und auch leistungsschwächere Macs nehmen mehr Spuren auf, als die meisten in ihrem ganzen Leben brauchen werden. Das alles ist zumindest theoretisch in einer Qualität möglich, die von den wenigsten „Abhören“ zu Hause wiedergegeben werden können. Wer hat denn heute noch eine wirklich gute Stereoanlage (heißt das überhaupt noch so)?

Im krassen Gegensatz zu den ganzen Möglichkeiten hört sich allerdings aktuelle Musik oft an. Was heute im Radio gespielt wird, ist nicht selten Meilen vom Einfallsreichtum früherer Tage entfernt. Schlimmer noch: Die Musik ist oft langweilig und hat nur selten einen echten Wiedererkennungswert.

Major-Labels wünschen sich wegen möglichst geringer Investitionen meist Künstler, die schon bekannt sind. Unter diesen Umständen ist es wahrscheinlich kein Wunder, dass am ehesten Casting-Bands / -Sänger eine Chance bekommen, denn die kennt Herr und Frau Durchschnittshörer schließlich schon aus dem Fernsehen. Nur schade (aber wenig verwunderlich), dass die Halbwertszeit solcher Musiker eher begrenzt ist …

Irgendwie scheint mir das hier eine Art Teufelskreis zu sein. Die einen Musiker beschäftigen sich derartig exzessiv mit den Möglichkeiten aktueller Digitaler Audioworkstations, dass sie kaum noch einen tollen Song zu Stande bringen und die andere Fraktion, also die, die sich vorwiegend um gute Songs und Auftritte bemüht, wird von den Labels nicht mehr gehört …

Wie siehst du das?

Jörn