Test: XLN Audio Addictive Keys
|Die schwedischen Entwickler von XLN Audio schicken nun 8 Jahre nach ihrem Debut am Musikmarkt das zweite eigenständige Softwareinstrument Addictive Keys ins Rennen. In der Zwischenzeit hatten sie sich um die Erweiterung und Pflege ihres erfolgreichen Erstlingswerk Addictive Drums gekümmert, welches durch schlankes und schnelles Sampling bestach. Ob dieses Konzept auch bei ihrem neuen Tasteninstrument überzeugen kann und was es zu leisten imstande ist, erfahren sie in unserem ausführlichen Test.
Rückblick
In Zeiten, in denen die Libraries in puncto Datenvolumen und Detailwahn immer ausufernder wurden und teils gar auf separaten Festplatten ausgeliefert werden mussten, verfolgten XLN Audio mit der Veröffentlichung von Addictive Drums im Jahr 2006 einen Ansatz, der reduzierter und effizienter sein sollte. Die Software verfügt über eine relativ kleine Soundlibrary und wenig Kits. Umso mächtiger ist jedoch die Engine, die eine enorme Vielfältigkeit an den Tag legt und das eigentliche Highlight des virtuellen Instruments ist.
Diese Kombination aus dahingehend abgestimmtem Sampling und maßgeschneidertem Processing half Addictive Drums, im hart umkämpften Markt der Softwaredrumkits zur festen Größe zu werden. Und so wundert es nicht, dass diese Designphilosophie auch bei Addictive Keys fortgesetzt werden soll. Die Ausgangslage ist überraschend ähnlich zu der des Drumbruders: Addictive Keys nimmt Kurs auf den Markt softwarebasierter Tasteninstrumente, der heute als gesättigt gilt.
Überblick
Addictive Keys ist ein virtuelles Tasteninstrument und bietet in der Studio Collection, welches die gängige Distributionsvariante ist, drei gesampelten Modelle: Ein Flügel, ein Klavier und ein E-Piano. Diese können zwar als Sonderoption auch einzeln erworben werden, wir wollen uns hier aber mit dem Bundle beschäftigen. Es wird als Plug-in in den Formaten VST (32 und 64 Bit), RTAS (32 Bit) und AAX (64 Bit) für Windows (ab XP) und Mac (ab OSX 10.5) angeboten. Außerdem ist auch ein Standalone-Betrieb möglich – ganz im Gegensatz zum früheren Addictive Drums. Die Softwarearchitektur erlaubt es, Addictive Keys mit neuen Instrumenten zu erweitern, die von XLN Audio ADPaks genannt werden.
Installation und Autorisierung
Addictive Keys wird nach meinen Recherchen nur noch als Download angeboten. Hierbei muss man sich auf sich auf gut 3,5 Gigabyte einstellen. Eine Bezugsquelle, bei der man sich noch einen Datenträger bestellen kann, konnte ich nicht finden. Selbst normale Händler scheinen nur noch die Softwarelizenz zu verkaufen. Die Frage nach weiterer Ausstattung wie einem gedruckten Handbuch oder Übersichtsbroschüren erübrigt sich daher.
Mit Addictive Keys wurde auch der Online Installer eingeführt. Dies ist ein kostenloses und fortan notwendiges Programm zur Verwaltung aller Produkte, die XLN Audio anbietet. Die Entwickler wollen also einen gänzlich eigenständigen Weg gehen. Da dahinter ein nicht zu unterschätzendes Maß an Programmieraufwand steckt, lässt vorsichtig vermuten, dass nach den Drums und nun den Keys vielleicht noch andere Instrumente folgen sollen.
Zur Verwendung des Online Installers ist ein Nutzerkonto bei XLN Audio nötig, was aber unkompliziert angelegt werden kann. Danach lässt sich mit der erworbenen Lizenznummer Addictive Keys auf maximal zwei Systemen mittels Challenge-Response-Verfahren herunterladen und freischalten. Die anschließende Installation läuft ebenfalls zum Großteil automatisch ab. Im Gegensatz zu Addictive Drums kann man außerdem nun einen eigenen Speicherort wählen. Möchte man diesen nachträglich ändern oder den Referenzordner für die Plug-ins anpassen, ist das nun auch über den Online Installer möglich.
Alle Produkte, wozu auch die ADPaks gehören, lassen sich außerdem über den Online Installer updaten und so aktuell halten. Das funktioniert sehr komfortabel. Dennoch kam es bei uns an manchen Stellen zu nicht reproduzierbaren Abstürzen des Online Installers, welche aber keine Folgen für die allgemeine Funktionalität hatten. Während der Downloads lief die Software stabil. Nach dem jüngsten Update macht sie außerdem einen polierteren Eindruck; gänzlich verschwunden sind Abstürze aber noch nicht.
Die Instrumente
Addictive Keys bietet drei Instrumente: Das Studio Grand, das Modern Upright und den Mark One. Die Kombination aus Flügel, Klavier und E-Piano ist ausgewogen. Neue Modelle werden in Zukunft vermutlich noch in Form der bereits genannten ADPaks folgen. Eines ist bereits unter dem Namen Electric Grand erschienen. Alle Modelle lassen sich in der Gallery gut überblicken und bieten über eine Previewfunktion mit verschiedenen eingespielten Phrasen bereits erste Klangeindrücke. Auffällig ist dabei, dass man während des Spielens über die Pfeilgrafiken die Modelle on-the-fly umschalten kann. Hierbei fallen schon die sehr kurzen Ladezeiten von selten mehr als drei Sekunden (!) auf. Dazu später mehr.
Studio Grand
Das vermutlich beliebteste Instrumente und die inoffizielle Visitenkarte jeder Piano-Library ist der Flügel. Das Design des Studio Grands deutet stark auf einen Steinway hin; ein Presetname suggeriert, dass es sich hierbei um ein D-Modell handeln könnte. Zur Einstimmung folgen drei Klangbeispiele dieses Modells anhand vorgefertigter Presets:
Arena Ballad:
Mr Bright:
Grand Noir:
Über Qualität und das Empfinden selbiger – gerade bei gesampelten Tasteninstrumenten – lässt sich oft streiten. Ich möchte mich jedoch bemühen, Ihnen einen Eindruck darüber zu verschaffen, wie das Sampling beim Studio Grand und den anderen Modellen umgesetzt wurde und wie ich sein Klangverhalten einschätze. Dazu nutze ich kurze Phrasen, die die kritischen Aspekte bei einem Samplingpiano genauer beleuchten sollen. Außerdem werden trockene Einstellung ohne Effekte, Timbreanpassungen oder ähnliches genutzt. Wir beginnen mit einer Abfolge gleicher und ähnlicher Noten. Sind die Wiederholungen gleichartiger Töne nur halbherzig gescriptet, würde es sich rasch unnatürlich anhören.
Man merkt, dass der Klang klar und eindeutig bleibt. Die Spektren der Samples sind gut aufeinander abgestimmt. Die Wiederholung gleicher Noten wirkt nicht künstlich und bleibt frisch; die Velocitykurven halten keine Überraschungen bereit. Mit welcher Technik XLN Audio hier im Hinblick auf die datenmäßig kleine Library arbeitet kann ich nicht genau nachvollziehen (Repetition Samples und Round Robin Samples wären beispielsweise denkbar). Das Verhalten des Studio Grands ist in diesem Punkt aber überzeugend. Bei wenigen Tönen kann es jedoch zu einer leichten überzeichneten Verdichtung des Klangs kommen, wen man die Aufschichtung der Samples zu stark provoziert. Dies mag freilich keiner normalen Spielweise entsprechen und ist hier nur mutwillig herbeigeführt. Besonders aufgefallen ist dies beim eingestrichenen H und dem zweigestrichenem E. Letzteres ist im folgenden Klangbeispiel mit einer schnellen Abfolge zu hören. Die Überzeichnung entsteht bei der zweiten Harmonischen, die (zu) deutlich hörbar wird.
Hier ist eine Momentaufnahme aus besagtem Beispiel als Frequenzspektrum angefügt:
Als nächstes untersuchen wir das Layering der Samples. Dazu folgen weite Glissandi, um das Frequenzspektrum zügig und ausgiebig zu füllen. Achten Sie jeweils auf den Ausklang der ersten drei bis fünf Töne bei den Aufwärtsbewegungen und auf die wiederkehrenden Grundtöne in den mittleren Lagen der Abwärtsbewegungen. Im besten Fall bleibt die Klangfarbe deutlich und identifizierbar ohne zu stark von den anderen Noten verwischt zu werden. Um harmonisch eindeutig zu bleiben, verwenden wir einfache Dur- und Mollglissandi; sie beginnen jeweils einmal in den tiefen und oberen Lagen. Anschließend folgt eine schnellere Figur, um die polyphone Aneinanderreihung der Samples auf Artefakte hin zu überprüfen.
Hier erlaubt sich das Studio Grand keine Aussetzer und Fehler. Es mag Libraries geben, die hier einen noch filigraneren Eindruck machen. Dies würde aber vermutlich nur im Direktvergleich auffallen. Vom geschmacklichen Standpunkt abgesehen, ist die hier sehr ordentlich.
Zum Schluss überprüfen wir das Studio Grand noch in puncto Harmonie. Es sei angemerkt, dass die einzelnen Noten jedes Modells individuell nach- und umgestimmt werden können. Vom Start weg sollte das Instrument jedoch über eine solide klangliche Balance verfügen. Damit ist weniger die eigentliche Stimmung des Instruments gemeint, sondern vielmehr passende Frequenzcharakteristika weitgefächerter Zusammenklänge. Vor allem bei frühen Samplelibraries entstanden hier oft Probleme.
Wie zu hören ist, wirken keine der gespielten Intervalle und Kombinationen in sich unstimmig. Ungewollte Schwebungen beim Einsatz des Sustainpedals treten ebenfalls nicht auf. Die dem Tritonus inhärente Dissonanz in der Mitte des Klangbeispiels bleibt über mehrere Oktaven überzeugend stabil.
Modern Upright
Neben dem Flügel ist mit dem Modern Upright auch ein Klavier in der Auswahl vorhanden. Weniger „modern“ (im positiven Sinne) klingt die Auswahl der zur Aufnahme genutzten Mikrofontechnik unter denen sich diverse Klassiker befunden haben mögen – dazu später mehr.
Sound Board:
Dry Bite:
Mono Compressor:
Auch hier möchte ich zur Beurteilung und Einschätzung der Qualität des Instruments die Aspekte beleuchten, die wir uns bereits beim Studio Grand genauer angehört haben. Die „trockenen“ Presets sind im Stereopanorama schon recht breit aufgestellt. Ich habe mich dazu entschlossen daran nachträglich nichts zu ändern, um Fehler, die nicht vom Instrument herrühren, zu vermeiden. Wir beginnen wieder mit den Tonwiederholungen. Hierbei sind mir keine Überhöhungen in den Klangspektren aufgefallen, die ich beim Studio Grand noch als Kritikpunkt ausgewiesen hatte. Die besprochene Harmonische ist zwar wieder markant, bleibt aber vom Pegel her in einem ausreichenden Verhältnis zum Grundton und somit im frequenzspezifischen Rahmen dessen, was ich als normal erachten würde.
Anschließend folgen wieder die beiden Audiobeispiele zum Layering mit den Glissandi und der etwas schnelleren Phrase. Wie für Klaviere üblich sind die tieferen Lagen im Vergleich zu einem Flügel recht dünn; die Tonzeichnung selbst bleibt aber klar und deutlich. Hervorzuheben sind auch die sehr hohen Töne, die in den Glissandi zu hören sind. Einige Libraries bieten hier mehr klirrende als klingende Sounds an, wobei das Modern Upright auch hier definiert bleibt. Das liegt natürlich auch zu einem gewissen Teil an der Auswahl des Instruments – als positive Eigenschaft des Modern Upright möchte ich es hier dennoch geltend machen.
Bezüglich der harmonischen Balance des Modern Upright in der Basiseinstellung nutzen wir wieder das oben eingeführte Klangbeispiel. Im Wesentlichen trifft das zum Flügel Gesagte auch hier auf das Klavier zu; die Qualität bleibt im Vergleich ähnlich hoch. Hervorzuheben sind abermals die hohen Töne, die auffallend klar aufgenommen werden konnten.
Mark One
Das E-Piano erweitert die Palette sinnvoll und die Ähnlichkeit zum legendären Fender Rhodes ist unverkennbar. Dank der modular erdachten Softwarestruktur, zu der wir später noch kommen wollen, passt sich der Mark One nahtlos in Addictive Keys ein. Den halbgaren Eindruck, dass es sich hierbei eher um ein Gimmick handelt, wie es bei manchen gemischten Libraries der Fall ist, erhält man daher nicht.
Velvet 34:
Silverface:
Vibrotown:
Die Klangpalette des Mark One ist natürlich viel umfangreicher als die des Studio Grand oder Modern Upright. Um darüber einen kleinen Überblick zu bieten folgt einen Phrase mit verschiedenen Basispresets, die schon recht vielfältig sind.
Bei einem E-Piano setze ich andere Maßstäbe als beim Flügel oder Klavier, wenn ich mir Gedanken über die Qualität mache. Aufgrund der mechanisch/elektrischen Funktionsweise halte ich es für eine andere Herausforderung beim Sampling oder der Emulation. Eine Note klingt bei einem Fender Rhodes oder vergleichbarem Instrument ausfüllender und reichhaltiger. Bei diesem markanten Sound ist mir die Unterscheidbarkeit dichter Töne wichtig. Ein Klangbeispiel soll demonstrieren, dass der Mark One hier zufriedenstellende Leistung bringt:
Ich hatte bisher leider nur einmal selbst das Vergnügen, ein richtiges Fender Rhodes Mark One spielen zu dürfen. Von daher fällt es mir schwer, ein Urteil zur Authentizität bezüglich der Spielbarkeit zu fällen. Die Klänge skalieren aber mit der Anschlagsstärke sehr gut und mich hat das virtuelle Pendant der Addictive Keys schnell angesprochen. Ich schätze, dass man sich gemeinhin zügig auf den Mark One und sein unaufgeregtes Spiel einstellen können wird.
Zu einer E-Piano-Emulation gehören selbstverständlich noch weitere Aspekte, die bei den Addictive Keys im Edit-Modus untergebracht sind und den wir beleuchten wollen, nachdem wir uns einen größeren Überblick über die Handhabe der Software verschafft haben.
Das Interface
Wer die Addictive Drums kennt, der wird sich in den Addictive Keys schnell und intuitiv zurechtfinden – auch wenn sich die Nutzeroberfläche nun in einigen Punkten erweitert hat. Unterteilt ist diese jetzt in den Gallery-, Explore-, Edit- und Session-Settings-Abschnitt.
In etwa der Reihenfolge steigern sich auch die Einstellungsmöglichkeiten der jeweiligen Instrumente. Spieler, die schnell und einfach ein ordentliches Setup benötigen, werden mit der Gallery und dem Explorer sehr schnell zu Ergebnissen kommen. In Ersterer wählt man das gewünschte Instrument und bei Bedarf eine von drei Explore-Varianten. Die oben gezeigten Abbildungen der vorgestellten Instrumente entstammen dieser Gallery. Alternativ lassen sich auch direkt alle Explore-Ansichten darstellen.
Im Explore-Bereich verbergen sich die Werkpresets, die ausgewogen und vielfältig einsetzbar sind. Im Modus „As Recorded“ finden sich die direktesten und natürlichsten Klangoptionen, unter „Selections“ gibt es eine breitere Palette bis hin zu sehr experimentellen Presets und im „Producer“-Bereich kann man zusätzlich an einigen instrumentenspezifischen Parametern die Sounds beeinflussen.
An die Navigation gewöhnt man sich schnell, auch wenn die direkte Wechselwirkung zwischen Gallery- und Explore-Abschnitt nicht auf den ersten Blick klar ist. Für die Organisation der Presets und den zügigen Einstieg in die Instrumente und deren Sounds halte ich die Herangehensweise für unkompliziert und nützlich. Jedes via Explore auswählbare Preset bietet eine hilfreiche Vorhörmöglichkeit, bei der eine kurze MIDI-Phrase genutzt wird, um den Klang zu präsentieren. Presets können auch selbst erstellt und zusammen mit den Werkpresets in einem Browser verwaltet werden. Hier lassen sich die Previews auch per Drag-and-Drop als MIDI in einen Sequenzer transportieren, was ein noch bequemeres Arbeiten ermöglicht.
Bei der Arbeit in einem Sequenzer fällt leider auf, dass außer den einzelnen Kanal- und Zumischpegeln keine weiteren Parameter automatisierbar sind. Die Software arbeitet also relativ statisch, und interne Effektveränderungen oder dahingehend ausgerichtete Klangexperimente sind nur eingeschränkt möglich.
Das Herzstück: Der Edit-Modus
Mein Highlight der Addictive Keys verbirgt sich in der Edit-Ansicht. Dort hat jedes Instrument seine spezifischen Einstellungsbereiche, in denen man den Klang formen, verfeinern oder gar verfremden kann.
Der Aufbau bedient sich dem Prinzip, welches die Entwickler schon bei den Addictive Drums genutzt haben: Der Klang wird nach und nach so erstellt, wie man es auch bei einer Aufnahme in einem Tonstudio organisieren könnte. Kundige Nutzer werden so direkt mit den meisten Fenstern etwas anzufangen wissen. Andere Softwares arbeiten hier oft mit weniger und speziell bezeichneten Buttons oder Potis, die man aber erstmal ausprobieren muss; das eigentliche Wirkungsprinzip bleibt dabei auch meist verborgen. Addictive Keys legt hier die Karten auf den Tisch und lässt den Nutzer Schritt für Schritt selbst entscheiden, was passieren soll. Der Nachteil ist dabei, dass sich Nutzer, die sich mit diesen Arbeitsschritten weniger auskennen, von den Einstellungsmöglichkeiten zu Beginn überfordert fühlen könnten. Außerdem geht diese Methodik relativ schonungslos mit Fehlern um, die sich im Workflow schnell fortpflanzen können. Hier sollte man also wissen, was man tut. Wer sich dessen unsicher ist braucht sich aber nicht voreilig entmutigen lassen, da man anhand der Presets und mit etwas Geduld und Recherche einen guten Einblick in die Funktionsweise erhalten kann.
Da das Edit-Fenster individuell auf die Instrumente zugeschnitten werden kann, fügt sich wie eingangs erwähnt das Mark One nahtlos in die Software ein. Soweit keine allzu exotischen Klangvorstellungen realisiert werden sollen, ist alles Benötigte bereits in der Software vorhanden.
Im ersten Modul kann man die Pedaleinstellungen (nicht beim Mark One) und Anpassungen an der Velocitiy-Kurve vornehmen. Die Übersetzung zwischen gespielter Anschlagstärke und dem eigentlichen Sample lässt sich so gezielt auf Spielweisen oder das eigene Keyboard anpassen.
Für die Pedale lässt sich der Pegel der Auslösegeräusche regulieren und Näheres zum eigentlichen Verhalten festlegen. Das Pedalgeräusch klingt markant, aber gleichzeitig wenig aufdringlich und ist gut dosierbar. Zur Demonstration ist im folgenden Klangbeispiel zuerst dreimal das kurzzeitige Drücken und danach das Halten des Sustainpedals vom Studio Grand zu hören. Dazu wurde der Noise-Regler auf das Maximum gestellt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Artefakte und Rauschen zu hören sind, die wegen der Anhebung der Lautstärke im Nachhinein und der MP3-Kodierung entstanden sind und so nicht von Addictive Keys herrühren. Bitte achten Sie auch darauf, nicht zu laut abzuhören.
Beim Sustainpedal bestimmt man mit „Body“ und „Noise“ die Charakteristik des Ausklangs einer Note. Ersteres wirkt sich auf den Sound des Sustains direkt aus, indem das Resonanzverhalten der geschlagenen Noten betont wird. Die Wirkung mutet allerdings stark Phaser-artig und daher leicht künstlich an, kann aber dennoch den Ton des Instruments bereichern. Mit „Noise“ lässt sich das Mitklingen des Instrumentenkorpus und der übrigen Saiten bei gehobenem Dämpfer einstellen. Sowohl Body- als auch Noise-Regler bietet somit ausreichende Details für Arrangements, in denen das Instrument im Mittelpunkt steht oder solo gespielt wird. Im Klangbeispiel erklingt viermal ein via Sustainpedal gehaltener Akkord – zuerst gänzlich ohne Details, dann mit „Body“, anschließend mit „Noise“ und zum Schluss mit beiden Varianten (jeweils in der Maximalstellung).
Das Sostenuto-Pedal arbeitet in gewohnter Manier. Allerdings muss man beim Verhalten des Una-Corda-Pedals in puncto Authentizität und Spielverhalten Abstriche machen. Über „Soft“ lässt sich hier die Anschlagscharakteristik der Saiten beeinflussen. Das Klangverhalten entspricht aber nicht dem, was man von einem echten Flügel erwarten würde. Obwohl es oft unterschätzt wird, bietet das es nämlich subtile Klangbeeinflussungen. Der Kenner wird wissen, dass pro Taste eigentlich mehrere Saiten angeschlagen werden und dass deren Anzahl über das Pedal durch Verschieben der Mechanik verringert werden kann. Somit werden Töne bei Bedarf in ihrer Reichhaltigkeit reduziert. Auf einem echten Instrument wirkt sich das auf die höheren Töne stärker aus, da im Bassbereich meist nur eine Saite schwingt und die Anzahl in den höheren Lagen zunimmt. Diese klangliche Asymmetrie beim Bedienen des Una-Corda-Pedals kann bei Addictive Keys nicht überzeugend dargestellt werden. Der Soft-Regler verändert den Ton hauptsächlich im Anklang, allerdings in allen Lagen auf nahezu identische Art. Dies ist ein Detailkritikpunkt, der aber nicht unerwähnt bleiben soll. Ein großer Vorteil beim Soft-Regler ist hingegen die Möglichkeit dass man nicht fix sondern stattdessen stufenlos festlegen kann, wie markant der Anschlag sein soll.
Im nächsten Bereich können weitere Einstellungen vorgenommen werden. Über drei Tabs sind Lautstärkehüllkurve, eine Filter- und eine Pitchsektion angeordnet. Diese lassen viel bei der Klangbearbeitung zu und ermöglichen auch starke Verfremdungen bis hin zu Synth- und Pad-artigen Sounds. Im oberen Bild sind die drei Tabs zur besseren Ansicht untereinander angeordnet.
Als nächstes kann man sich um das Arrangement der Mikrofontechnik kümmern. Dazu wird das Instrument mit allen verfügbaren Mikrofonpositionen im Raum dargestellt; beim Mark One handelt es sich dabei um die Positionen vor dem Verstärker. Jede ist mit einem festen Mikrofon verknüpft. Man kann bis zu drei Signalkomponenten an den anschließenden Mischer schicken. Stereopaare nehmen dabei nur einen Kanalzug in Anspruch, sodass man meines Erachtens ausreichende Möglichkeiten hat, mit denen man sich das Mastersignal zusammenstellen kann. Die Mikrofone selbst können sich auch sehen beziehungsweise hören lassen: Neben vielen Röhrenmodellen wie beispielsweise dem Neumann-Klassiker U47, befinden sich auch Bändchen- und (gut geeignet für die Abnahme des Rhodes-Amps) dynamische Mikrofone wie das Shure SM57. Sogar ein Paar Grenzflächenmikrofone stehen beim Mark One zur Verfügung. Echte Modellnamen sind vermutlich aus Lizenzgründen nicht verwendet worden, aber die alternativen Bezeichnungen deuten eindeutig auf die genutzte Aufnahmetechnik hin.
Wünsche bleiben hier wohl kaum offen. Die Auswahl der Mikrofone ist exquisit, die Positionierung fachmännisch und nützlich und die Möglichkeiten zur Zusammenstellung des gewünschten Signals ausreichend und einfach zu handhaben. Ideal wäre ein noch höheres Maß an Flexibilität, indem man nicht nur die genutzte Position, sondern auch das darin verwendete Mikrofon bestimmen könnte. Aber das würde wahrscheinlich einen erheblichen Mehraufwand zur Folge haben und gegen das Designprinzip hoher Performance arbeiten, dass bei Addictive Keys verfolgt wird.
Abgerundet wird das Edit-Fenster durch eine feste EQ- und Noise-Sektion und zwei Effektslots, in denen Chorus, Phaser, Tremolo oder Kompressor und Verzerrung ausgewählt werden können.
Unter Noise kann man aus verschiedenen Rauschquellen wählen: Grundrauschen eines Neumann-U47-Mikrofons auf Band, weißem Rauschen, Gleichspannungs- beziehungsweise thermischem Rauschen und Brummen, flangerartigem Rauschen eines Effektgeräts, Vinyl beziehungsweise Schallplatte und zwei Varianten Bandrauschens. Löblich ist eine Decay-Funktion, bei der bestimmt werden kann, wann das Rauschen ausblenden soll, sobald kein Ton vom Instrument erzeugt wird.
Der Chorus, Phaser und Tremolo sind solide gehalten und bieten gängige Parameter, mit denen man das Verhalten steuern kann. Tief wird hier nicht in die Trickkiste gegriffen; es ist aber meiner Meinung nach genug Effektspielraum für den gegebenen Kontext vorhanden. Besonders gefallen hat mir der ansprechend abgestimmte Chorus, der nicht zu heftig aber auch nicht zu zaghaft mit dem Signal umgeht und der schöne Schwebungen erzeugen kann. Etwas gesichtslos blieb hingegen der Phaser – aber auch das ist wieder Geschmackssache.
Hervorzuheben ist hingegen das ausgezeichnete „Compressor & Distortion“-Modul, was mich in seinem Ansprechverhalten sehr an das aus Addictive Drums erinnert. Als Kompressorbauteile stehen Röhren, Übertrager mit Eisenkern, ein an MXR erinnerndes Effektpedal, gängige algorithmische Kompression und sogar die etwas kuriose „Air Pressure“-Kompression, die ich aber als weniger nützlich empfand, zur Verfügung.
Große Bedeutung bei der Erarbeitung eines Klanges spielen natürlich Reverb und Delay. Auch dazu wartet Addictive Keys mit wertigen Lösungen auf, die allerdings etwas schwieriger zu finden sind, als der Rest: Wenn man auf die Fadergruppe „FX1/FX2“ klickt, gelangt man zu einem neuen großen Fenster, in dem die entsprechenden Einstellungen vorgenommen werden können. Via Drehregler an den Mikrofonfadern kann entschieden werden, mit welchem Pegel das jeweilige Signal in diese Effektsektion gelangen soll; über die „FX1/FX2“-Schieber regelt man dann das tatsächliche Zumischen der Hall- und Echoanteile.
Die Umsetzung des Reverbs und des Delays ist in Addictive Keys recht interessant gewählt. Sowohl FX1 als auch FX2 können Reverb oder Delay oder – und hier liegt das Besondere – beides sein. Passend dazu wird der Effekt von den Entwicklern auch „Delerb“ genannt. Über einen speziellen Fader kann man die Einstellungen zur Räumlichkeit stufenlos zwischen Reverb und Delay mischen. Zur Illustration des Prinzips sind nachfolgend vier Stellungen zu sehen. In der ersten steht der Fader ganz auf Delay und in der erstellten Hüllkurve ist klar die zeitliche Abfolge zu erkennen, in denen die Wiederholungen auftreten. Bewegen wir ihn nun in Richtung Reverb, wird jede Delayantwort um einen stets anwachsenden Ausklang erweitert. Befindet sich der Fader dann gänzlich in der Reverb-Position, haben sich alle entsprechenden Informationen zu einer Hallfahne angeglichen.
Es wird also von einem einfachen Delay beziehungsweise Klangwiederholungen ausgegangen, von denen dann anteilsmäßig Verhallungen festgelegt werden können. Für die Definition des Delays stehen übliche Parameter wie die Verzögerung (die auch mit dem voreingestelltem Takt synchronisiert werden kann), die Menge des Feedbacks und ein Filter zur Begrenzung der zu bearbeitenden Spektren zur Verfügung.
Der Reverb wird über vier Grundräumlichkeiten definiert: Ambient, Room, Hall und Plate. Dazu können dann Predelay, Decay und Dämpfung eingestellt werden. Abgeschlossen wird die FX-Sektion von einem optional zuschaltbaren Equalizer.
Diese Kombination ist interessant, aber zu Beginn etwas zäh zugänglich. Es ist gut, dass es zwei Slots gibt, sodass man auch gewohnt Delay und Reverb getrennt definieren und zumischen kann. Meine Einschätzung ist die, dass man durch die Möglichkeit der Kombination aus Reverb und Delay die Zahl der Zumischeffekte effektiv auf vier erhöhen kann, man aber gleichzeitig Flexibilität beim Zumischen verliert, da so ein Fader stets für zwei Effekte gleichzeitig zuständig ist. Situationen, in denen eine Kombination über den Fader konkret handfeste Vorteile böte, sind mir nicht eingefallen – zumal er über einen Sequenzer leider auch nicht automatisierbar ist.
Die Qualität der Effekte würde ich als solide und brauchbar bewerten. Der Delay ist einfach, bietet aber alle nötigen Parameter. Der Reverb ist im Vergleich zu externen Lösungen eingeschränkt und auch relativ unflexibel. Dennoch sollte man mit dem Modul in vielen Situationen gut zurechtkommen. Besonders gefallen hat mir die grafische Darstellung der Reverbanteile beziehungsweise der Hallfahnen. Details verschweigt die Grafik zwar, aber man hat stets ein direktes visuelles Feedback zu den Einstellungen, die man vornimmt.
Das letzte Fenster zeigt die „Session Settings“. Hier geht es um detaillierte Einstellung zum Instrument und dessen Spielbarkeit.
Es können Verhalten von Pitchbend- und Modulationwheel eingestellt und sowohl das Master-Tuning für das gesamte Instrument als auch einzelne Anpassungen für jede Note festgelegt werden. Hervorzuheben ist außerdem die „Temperament“-Auswahl, bei der die Temperierung beziehungsweise Grundstimmung des Instruments verändern werden kann. Neben der heute üblichen Stimmung („As Recorded“) sind eine Vielzahl weiterer auswählbar, die das Instrument dann entsprechend vorbereiten:
Zusammenfassung zum Edit-Modus
Die Engine und die Editiermöglichkeiten der Addictive Keys sind die überzeugendsten, die ich bisher bei einem virtuellen Tasteninstrument gesehen habe. Der Workflow ist intuitiv, die Strukturierung der Module sinnvoll, und kein Bereich leistet sich grobe Fehler. Das Software- und Bedienungsdesign empfinde ich als sehr ansprechend. Die Nähe zur Arbeit im Tonstudio erleichtert viele Handgriffe und Abläufe ohne den Nutzer zu sehr zu bevormunden.
Die Gestaltungsmöglichkeiten der Instrumente in Addictive Keys sind dadurch sehr vielfältig und bieten eine enorme Flexibilität. Dass man damit auch fernab der gängigen Brot-und-Butter-Sounds experimentieren kann, sollen abschließend die folgenden Klangbeispiele demonstrieren, bei denen ich zu jedem Instrument zwei interessante Presets herausgesucht habe.
Studio Grand:
Modern Upright:
Mark One:
Die Leistung
Wie zu Beginn des Tests schon erläutert, besticht der Vorgänger Addictive Drums vor allem durch seine hohe Performance und die trotzdem eher niedrigen Systemanforderungen. Selbst auf langsameren Computern läuft das Instrument problemlos und zuverlässig. Diese Eigenschaft hebt die Software von vielen anderen ab und das wiederholt sich bei den Addictive Keys nun tatsächlich wieder. Eine nur knapp vier Gigabyte große Library für einen kompletten Konzertflügel, ein Klavier und ein E-Piano dürfte bei vielen Enthusiasten mehr als ein Stirnrunzeln hervorrufen; manche Konkurrenz wartet hier mit Schwergewichten auf, die durchaus das 60-fache und mehr an Speicherplatz beanspruchen können.
Hier haben beide Seiten mit Vor- und Nachteilen zu kämpfen. Doch die Reduktion bei den Addictive Keys bei gleichzeitig überzeugendem Klang ist eine deutliche Kampfansage. Das Laden und Umschalten von Instrumentenmodellen dauerte selbst auf einem sieben Jahre alten Testsystem nicht mehr als fünf Sekunden. Mit kurzen Aussetzern ist so die Modellwahl sogar on-the-fly während des Spielens möglich. Des Weiteren profitiert man von geringer CPU-Belastung und – insofern ein Soundchip zum Einsatz kommt, der entsprechend geringe Puffergrößen anbietet – niedriger Latenz, was Addictive Keys auch für den Einsatz als Liveinstrument interessant macht. Als nachteilig würden Puristen jetzt wohl die eingeschränkten Klangmöglichkeiten anführen, zu denen zum Schluss auch noch etwas gesagt werden soll …
Fazit
Ich habe bereits versucht zu verdeutlichen, wie schwer die Beurteilung eines so filigranen virtuellen Instruments wie Flügel oder Klavier sein kann. Dass die Addicitve Keys auf einen begrenzteren Pool an Samples zurückgreift als andere Vertreter, liegt bei der Größe der Library auf der Hand. Ein paar Schwächen sind bei näherer Betrachtung der Instrumente auch aufgefallen.
Ungeachtet aller ideologischen Meinungen, wie eine ordentliche Piano-Library auszusehen hat, möchte ich den Addictive Keys ein klanglich sehr gutes Zeugnis ausstellen. Auch wenn man anderswo einen höheren Detailgrad entdecken könnte, ist es doch so, dass ich nichts an Vielfalt oder klanglicher Nuance vermisse. Zusammen mit der wieder sehr durchdachten und mächtigen Engine verknüpft sich so alles zu einem durchweg runden, zuverlässigen, schnellen und flexiblen Instrument. Die Auswahl an Modellen ist ausgewogen und auch der Mark One wirkt stimmig eingebunden. Die Spielbarkeit ist hervorragend und lässt sich nach Belieben detailliert anpassen. Die Dynamik und Abstimmung der Sounds innerhalb der Instrumente halten keine Überraschungen parat und ermöglichen ein verlässliches und lebhaftes Spiel. Leider mangelt es im Sequenzer-Betrieb erheblich an Automationsparametern.
Der Preis ist für das Gebotene völlig in Ordnung und angesichts dessen, dass Addictive Keys durch die Erweiterbarkeit noch einen gewissen Mehrwert bietet, vergebe ich hierfür unseren Best-Value-Award.
Baldwin Freising
Plus
- Platzsparende Library
- Kurze Ladezeiten
- Hohe Performance
- Geringer CPU-Bedarf
- Umfangreiche Editiermöglichkeiten
- Konsequentes Design
- Mit wenigen Abstrichen überzeugender Klang
- Standalone- und Plug-in
Minus
- Kaum Automationsmöglichkeiten
- Reverb- und Delaymodul etwas „versteckt“
- Vereinzelt spektrale Überzeichnungen bei provozierter Spielweise
Preis
- 149 Euro (Stand: Oktober 2014)