Test: Best Service Era 2 Limited Edition
Nach Forest Kingdom erscheint mit ERA 2 – Medieval Legends die nächste virtuelle Instrumentensammlung von Eduardo Tarilonte und Best Service in einer erweiterten und überarbeiteten Version. Wie der Name schon andeutet, geht es bei ERA 2 um mittelalterliche Instrumente, darunter viele Raritäten und Unikate, sowie Gesang. Neben einer ganzen Reihe neuer Patches ist diesmal auch das Angebot einer Limited Edition neu. Was es damit auf sich hat und wie sich die Neuerungen anfühlen lesen Sie in unserem ausführlichen Test.
Überblick
ERA 2 – Medieval Legends ist eine Sammlung altertümlicher Folkloreinstrumente und Sounds, die thematisch auf das Mittelalter- und Fantasygenre abzielen. Alle Instrumente und Patches aus ERA 1 sind in der neuen Version ebenfalls enthalten und wurden um diverse Exemplare erweitert. Darunter befinden sich nicht nur gesampelte Instrumente, sondern auch Tarilontes berühmte Soundscapes und einige Sounddesign-Elemente, die zumindest mir in seinen Libraries zum ersten Mal begegnet sind. Als Sampleplayer fungiert abermals die Engine 2 von (ehemals Yellow Tools)/MAGIX/Best Service als Host, welche allerdings neben dem Standalone-Modus auf dem Mac lediglich die AU-Schnittstelle in 32 und 64 Bit sowie die VST-Schnittstelle in 64 Bit und auf dem PC das VST-Format in 32 und 64 Bit unterstützt. Es besteht weder für Mac- noch für Windowssysteme ein RTAS- oder AAX-Support.
Die Limited Edition
ERA 2 kommt neben der gängigen Variante auch in einer auf 100 Stück begrenzten Limited Edition. Soweit ich es überblicken kann, ist das ein Novum bei Eduardo Tarilonte und Best Service. Die Limited Edition bietet einige interessante Ausstattungsmerkmale, die nicht nur physische Gimmicks, sondern auch exklusive Instrumente und Patches in der Software umfassen.
Das längliche Paket offenbart ein großes und hochwertig gedrucktes Poster mit dem ERA-2-Motiv, das weitestgehend knick- und stauchgeschützt in einem Kunststoffzylinder verpackt ist. Als nächstes fällt ein Echtheitszertifikat ins Auge, welches stilecht auf schön gestaltetem Papier (kein Papyrus), rotem Tarilonte-Siegel mit Bändchen (statt Wachs zwar weicher Kunststoff, dafür aber sehr detailliert) und Unterschrift von Eduardo himself daherkommt; eine Stücknummer verrät das Exemplar der streng limitierten Auflage. Außerdem findet sich noch ein solide gefertigter, aber relativ unspektakulärer Sticker mit im Sortiment.
Ein ausgedrucktes Handbuch hätte ich hingegen richtig klasse gefunden. Selbiges bietet kurz aber prägnant alle wichtigen Informationen zu den Instrumenten und Patches – aber eben nur in digitaler und englischer Form als PDF. Das eigentliche Highlight der Limited Edition verbirgt sich dann aber in einem kleinen Säckchen mit ERA-2-Branding.
Nachdem das (leicht bröckelnde) Säckchen aufgeschnürt ist findet sich darin nämlich ein weißer König als Schachfigur. Und als schon leicht Panik aufzukommen droht, weil vor lauter Bonusmaterial scheinbar die Software-DVDs vergessen wurden, entdeckt man einen kleinen zarten Aufkleber mit der Aufschrift „32GB“ an deren Schaft: Die Figur ist nämlich eigentlich ein USB-Stick, der die gesamte Library enthält!
Ich lasse mich selten und ungern zu abgedroschen Floskeln verleiten, aber während mein Ersteindruck bei den anderen Dingen der Limited Edition hauptsächlich von der Kategorie „Nett“ war, ist die Sache mit der USB-Schachfigur schon ziemlich stylisch. Wer will (und hoffentlich ein entsprechendes Backup der Library-Daten gemacht hat) kann die Figur wie einen gewöhnlichen USB-Stick weiterbenutzen und vermutlich einige Ahs und Ohs bei Freunden und Kollegen ernten.
Softwareseitig wurden der Limited Edition noch zwei Sänger mit je einem Phrasen- und Chromatikpatch sowie eine Handvoll weiterer Soundscapes spendiert. Darauf und auf eine Einschätzung des Mehrwertes werden wir im Verlaufe des Tests noch eingehen.
Installation und Autorisierung
Wie bei den Tarilonte-Libraries üblich, geht die Installation zum großen Teil händisch aber unkompliziert vonstatten. Die knapp 14 GB werden entweder von den DVDs oder dem Stick an den gewünschten Ort geschaufelt. Die Engine 2 sollte in der aktuellsten Version installiert sein, die man aber kosten- und problemlos von der Best-Service-Webseite herunterladen kann. Danach kann über den „Add Library“-Button zum Speicherort navigiert und die Library somit in Engine 2 aktiviert werden. Beim ersten Starten muss zwecks Autorisierung ein Challenge&Response-Verfahren durchgeführt werden. Hierbei wird in der Software ein Code generiert, der online über das Nutzerkonto bei Best Service zur Erstellung eines Freischaltcodes benötigt wird. Nachdem dieser wiederum in der Software eingegeben wurde ist die Autorisierung abgeschlossen.
Es stehen vorerst insgesamt drei Aktivierungen zur Verfügung. Der Support von Best Service ist aber bei Rückfragen sehr hilfsbereit und schnell. Mir passierte es, dass wegen eines mittlerweile behobenen Problems des Aktivierungsservers bereits zwei von drei Aktivierungen verbraucht wurden, was aber nach einem Hinweis an Best Service umgehend und unkompliziert korrigiert wurde.
Das Interface
Das Interface von ERA 2 wurde im Vergleich zum Vorgänger neugestaltet und profitiert sehr von einem aufgeräumteren und übersichtlicheren Design. Diesen Trend hat man beim Forest Kingdom 2 im Vergleich zu seinem Vorgänger bereits gesehen und ich begrüße die neue und unaufgeregte Gestaltung.
Bei den meisten Instrumenten werden drei Tabs angeboten. Im Main-Fenster können grundlegende Einstellungen wie Lautstärke, Panorama, Pitch und Hall vorgenommen werden. Auch eine einfache, aber solide ADSR-Hüllkurvenmanipulation ist möglich.
Unter Controls finden sich weitere Drehregler, mit denen auf individuelle Parameter der Instrumente zugegriffen werden kann. Zum Beispiel sind hier Zumischoptionen für Griff-, Release- und Nebengeräusche oder Vibratoeinstellungen zu finden. Das meiste lässt sich auch bequem per MIDI-Learn-Funktion externen MIDI-Controllern zuweisen.
Äußerst nützlich ist der Info-Bereich. Hier findet man den meisten Instrumenten nicht nur eine hilfreiche Kurzinfo und Kontext, sondern auch eine Übersicht zu allen angebotenen Keyswitches (falls vorhanden) – ein ausgesprochen hilfreiches Feature. Unabhängig vom ausgewählten Tab wird das aktuelle Keyswitch übrigens auch in einem zentralen Fenster angezeigt und ermöglicht so u. a. beim Playback eine detaillierte Kontrolle über das Gespielte.
Die Library
Die Instrumente und Patches sind in verschiedene Gruppen und Untergruppen eingeteilt:
- Brass (neu in ERA 2)
- Keys
- Percussion
- Strings (Plucked und Bowed)
- Voices (neu in ERA 2)
-
Winds (Breathing, Flutes, Reeds und War Horns)
Mit der neuen Version ist die ERA-Library auf ein beträchtliches Maß angewachsen und bietet nun noch mehr außergewöhnliche Instrumente. Einen detaillierten Blick auf alle zu werfen, würde den Umfang dieses Artikels sprengen, weshalb wir uns hier vorerst auf eine Auswahl markanter Instrumente konzentrieren werden, die in ERA 2 hinzugekommen sind. Davonstehlen wollen wir uns damit aber nicht: Da wir auf ReleaseTime bisher keinen ERA-1-Test hatten wird in Kürze ein umfangreicher Library-Check folgen, bei dem wir uns explizit nochmal mit dem Instrumentenensemble auseinandersetzen und Ihnen unsere Einschätzung dazu anbieten möchten.
ERA 2 bietet einen wirkungsvollen, aber sehr einfachen Hall. In den Klangbeispielen werden wir diesen Reverb verwenden. Ich empfehle jedoch ausdrücklich, sich je nach Bedarf mit externen Reverbs eine eigene Räumlichkeit zu erzeugen; die Samples wurden trocken aufgenommen und können separat mit Hall und Echo flexibel und lebhaft gestaltet werden.
Cornetto
Das spätmittelalterliche Cornetto, im Deutschen als Zink bezeichnet, ist eigentlich ein chromatisches Blasinstrument aus Holz. Aufgrund seiner Spielweise, welche sehr der einer Trompete und entsprechendem Mundstück ähnelt, wird es aber zu den Blechblasinstrumenten gezählt. Daran erinnert auch der Klang, der von den Entwickler sehr gut einfangen werden konnte – vor allem beim Anblasen und in den höheren Lagen. In der Audiodemo sind mit Legato, Staccato und Marcato alle angebotenen Artikulationen zu hören.
Nature Trumpet
Die frühmittelalterliche Nature Trumpet, die auch deutsch als Naturtrompete bezeichnet werden kann, lässt sich gut für Fanfaren und klangliche Nuancen einsetzen. Sie wird nicht wie andere Trompeteninstrumente mit Ventilen gespielt und kann daher nur Noten der „Natur“tonreihe, also einen Grundton und davon ausgehende Harmonische, anbieten. Für ein authentisches Spiel sollte man darauf achten, denn in ERA 2 lässt sie sich auch problemlos chromatisch spielen; zu Demonstrationszwecken wurde beim Klangbeispiel darauf verzichtet.
Bowed Psaltery
Das Psalter, auch Psalterium genannt, ist (wenn man so will) ein Vorläufer des Hackbretts oder der Zither. Seine Entstehung kann je nach Auslegung der Instrumentenfamilie bis auf das 5. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Normalerweise wird es mit Fingern oder Plektren gezupft bzw. wie ein Hackbrett angeschlagen. Diese Variante war bereits in ERA 1 vertreten. Nun ist das Streichpsalter hinzugekommen, das mit seinem zerrigen, aber definierten Klang die Instrumentenpalette bereichert. Obwohl der Klang vielleicht aus historischen Fernseh- und Kinoproduktionen bekannt ist, ist das Streichpsalter übrigens keineswegs ein mittelalterliches Instrument, sondern stammt aus dem 20. Jahrhundert.
Beim Spielen muss man sich etwas um die Kontrolle der Release Samples bemühen. Der Bogen, der beim Streichpsalter verwendet wird, ist recht kurz und muss relativ kraftvoll eingesetzt werden, um einen konsistenten Ton zu erzeugen. Daher können die Samples schneller ausklingen, als der Ton gehalten wird. Die Release Samples werden aber erst beim Note-Off bzw. Loslassen der Taste hörbar. Die ist am Ende das nächsten Klangbeispiels demonstriert: Die Taste wurde absichtlich länger gehalten, als der Ton spielt. Daher werden die Releasegeräusche separat hörbar. Das kann durch eine entsprechende Spielweise oder auch durch die Editierung der Hüllkurve im Main-Tab verhindert werden.
Nyckelharpa
Die mittelalterliche und aus den nördlichen Regionen Europas stammende Tasten- oder Schlüsselfidel wird ähnlich wie eine Violine mit einem Bogen gespielt. Die Tonhöhe wird dabei über Tasten reguliert, die die Saiten an einer bestimmten Stelle abgreifen. Die Tastengeräusche lassen sich dabei in ERA 2 flexibel einstellen.
Je nach Anschlagstärke wird bei der Tastenfidel ein Sample angeboten, bei dem Auf- und Abstrich zu hören sind. Die Rhythmik passt sich dabei auf das Tempo des Hosts an und erlaubt somit bequem eine lebhafte Spielweise. An dieser Stelle möchte ich Sie auch zum ersten Mal auf das Legato hinweisen, das die Tarilonte-Libraries schon immer ausgezeichnet hat und das auch in ERA 2 wieder hervorragende Dienste leistet. Leider funktionierte beim Test der Pitch Humanizer nicht immer korrekt. Dieser lässt sich unter Controls per Knopfdruck aktivieren und soll die Tonhöhen etwas stärker variieren und somit „vermenschlichen“. Hier führte es jedoch dazu, dass die Spur manchmal in der DAW ausfiel. Direkt reproduzierbar war der Fehler nicht, trat jedoch in unregelmäßigen Abständen und unkontrolliert auf. Ein Konflikt im Sample Buffering wäre denkbar. Zum Glück klingt die Tastenfidel auch ohne Pitch Humanizer bereits ausgesprochen gut:
Viola de Roda
Auch die Drehleier hält in ERA 2 Einzug. Hierbei wird die Tonhöhe ähnlich der Tastenfidel diskret mechanisch gespielt. Allerdings wird zur Tonerzeugung kein Bogen genutzt, sondern ein Rad, welches über eine Kurbel die Saiten anstreicht. Dabei entsteht ein markanter und durchdringender Klang. Es können auch zusätzliche Bordunsaiten mit konstanter Tonhöhe mitgespielt werden. Nachfolgend hören Sie eine Melodie einmal ohne und danach mit Bordunsaiten:
Es ist anzunehmen, dass das Sampling einer Drehleier nicht einfach ist. Daher haben sich auch einige Merkwürdigkeiten eingeschlichen: Das Vibrato auf manchen Tönen wirkt manchmal zu strapaziert und das Release-Verhalten ist auch bei der Drehleier wieder speziell. Wird ein Ton losgelassen ertönt manchmal ein deutlich hörbares Mitschwingen der freiwerdenden Saiten. Problematisch ist jedoch, dass diese Resonanz unregelmäßig auftritt. Das soll heißen, dass bei exakt der gleichen MIDI-Informationen der Ausklang manchmal hörbar ist und manchmal nicht. Und da dieser durchaus markant und je nach Situation auch störend sein kann, lässt sich damit bis hin zum Rendern bzw. Bouncen des Audiomaterials nicht vorausschauend arbeiten. In der Audiodemo ist eine Note mit gewöhnungsbedürftigem Vibrato und dem markanten Ausschwingen am Ende zu hören:
Gothic Harp
Viel gibt es bei diesem Instrument nicht zu sagen. Es besticht durch einen wunderschönen Klang und sehr gutes Sampling. Die Anschlag- bzw. Zupfstärken skalieren angenehm, es stehen ausreichend Velocity-Stufen zur Verfügung und es fallen keinerlei Unsauberkeiten auf. Ich empfehle, die Standardeinstellung für das Attack auf die geringste Stufe (0 ms) zu korrigieren.
Medieval Lute
In ERA 1 gab es bereits eine Barockgitarre und eine Laute aus der Renaissancezeit. Die mittelalterliche und einfachere Laute füllt in ERA 2 nun eine schmerzliche Lücke. Ihr dünner aber dennoch warmer Klang konnte von den Entwicklern ausgesprochen gut festgehalten werden. Neben der Solospielweise, die wie die Harfe über ausreichend feine Velocity-Stufen verfügt, bietet die Laute auch geschlagene Akkorde in zwei Geschwindigkeiten an. Dabei handelt es sich je nach gewählten Ton um den entsprechenden „5er-Akkord“, also Grundton, Quinte und etwaigen Oktavvarianten davon. Dadurch können die Akkorde der Laute problemlos für Dur- und Moll-Begleitungen verwendet werden, da die dafür entscheidende große bzw. kleine Terz nicht gespielt wird. Bund- und Rutschgeräusche können ebenfalls eingestellt werden. Im Klangbeispiel hören Sie eine kurze Passage, die im Solomodus eingespielt wurde. Das Akkordspiel wird später im Test noch zu hören sein.
Two Holed Flute
Ich beschäftige mich viel mit historischen, traditionellen und aus anderen Kulturkreisen stammenden Instrumenten, aber eine Definition, wo diese „Zweilochflöte“ (und nein: es bedeutet nicht „Doppelloch“) genau einzuordnen ist, muss ich Ihnen leider schuldig bleiben. Daher kann ich auch zur genauen Spielweise keine Angaben machen, die ich aber eingeschränkter vermute, als sie in ERA 2 angeboten wird (mit Überblasen nämlich über fast zwei Oktaven chromatisch). Manche Samples scheinen zu Beginn unsauber geschnitten zu sein. Im ersten Klangbeispiel hören Sie das bei der Wiederholung der ersten Melodiefigur: Hier ist anfangs ein deutlicher Click zu hören, der entsteht, wenn eine Wellenform sprunghaft ist und nicht vom Nulldurchgang aus gestartet wird. Aber nichtsdestotrotz handelt es sich meiner Meinung nach hierbei um ein deutliches Highlight der Flötenlibrary! Der Klang ist fantastisch und kann mit geschicktem Editing sogar noch merklich verbessert werden. Hören Sie dazu eine Melodie mit den Standardeinstellungen. Als Artikulationen kommen kurze Ornamente und Triller zum Einsatz:
Nun kann über den Controls-Bildschirm das standardmäßig deaktivierte und überraschend überzeugende Vibrato noch zugeschaltet und mittels Volume und Speed angepasst werden. Am Ende erhält man eine wunderschöne Anreicherung, die mit cleverer Automation jede Melodie deutlich aufwerten kann. Durch eine Erhöhung der Attackzeit wurde außerdem dem oben besprochenen Click entgegengewirkt.
Falls jemand mehr Informationen und Kontext zur „Zweilochflöte“ beisteuern kann, würde ich mich über Hinweise in den Kommentaren sehr freuen!
Wooden Transverse Flute
Hierbei handelt es sich um ein Querflötenmodell aus Holz. Diese einfachen Bauweisen, wie sie vom Info-Tab suggeriert wird, sind in verschiedensten Formen und in vielen Epochen, beispielsweise bis ins 12. Jahrhundert zurück, zu finden. In ERA 2 besticht sie durch eine hohe Anzahl von Artikulationen und abermals ausgezeichneten Legato Samples. Bei den spezielleren Spielweisen wie dem Frullato (auch Flatterzunge genannt) muss man beim Spielen auf eine überzeugende Dynamik achten. Ansonsten erlaubt sich auch dieses Instrument keine Fehler.
Ensemblebeispiel
Wem bei den vorhergehenden Klangbeispielen schon harmonische Gemeinsamkeiten aufgefallen sind, darf sich verdient auf die Schulter klopfen. Einige davon stammen aus einer kurzen Jam, die mit mehreren ERA-2-Instrumenten entstanden ist und an der ich Ihnen ein Ensemblespiel demonstrieren möchte. Den ersten Melodiepart übernimmt das Zink, während im zweiten ein Quasi-Unisono der Holzquerflöte und der Tastenfidel zu hören ist. Als Begleitung spielt die Laute im oben besprochenen Akkordmodus. Der Rhythmus wird von einer Schellentrommel aus der ERA-1-Library übernommen.
Die Jam entstand in wenigen Minuten und mit wenig Aufwand. Sie könnte durchaus noch optimiert und das Spiel authentischer programmiert werden; es sollte jedoch aufzeigen, wie gut das Zusammenspiel der Instrumente bereits out-of-the-box funktioniert. Beim Zusammenspiel mehrerer Instrumente wird der Standardhall jedoch rasch ziemlich kitschig. Wie bereits erwähnt würde ich stets auf eigene und besser abgestimmte Halllösungen zurückgreifen. Dass die Library dazu bestens geeignet ist zeigt das nächste Beispiel, bei dem der Reverb deaktiviert wurde:
Soundscapes und Sounddesigns
Wer die Soundscapes noch nicht kennt: Im Tarilonte-Jargon handelt es sich dabei um Flächen- und Effektsounds, die aus mehreren Ebenen bestehen und ein entweder konstantes oder sich entwickelndes Geräuschkonstrukt bilden. Jede Ebene kann dabei in ihrer Lautstärke verändert werden, was zahlreiche harmonische und disharmonische Möglichkeiten eröffnet. Jede Software von Eduardo Tarilonte bietet eine bestimmte Palette dieser Soundscapes, und in ERA 2 hat man mittlerweile eine ganze Batterie (nämlich 46 bzw. 66 in der Limited Edition) davon zur Auswahl. Die meisten davon gehen eher in die geräuschhafte als in die melodiöse bzw. harmonische Richtung. Die Qualität und das Design der Sounds sind dabei gewohnt hoch. Nachfolgend sind drei Soundscapes aus der Standardlibrary beispielhaft zu hören.
Bewitched – Ein melodiös von mir leicht überstrapaziertes Patch aus mehreren Harfenebenen, was fast schon Vollenweider-esk daherkommt:
Magic Winds – Ein harmonischerer Patch mit Sounds, die lange aufgebaut werden und so auch ausklingen:
Secrets from the Past – Abschließend noch ein Beispiel aus einer experimentelleren Schublade:
In der Sounddesign-Kategorie finden sich Klänge und Geräusche, die zur Untermalung geeignet sind und auf die Genres Horror, Mystery und Thriller abzielen: Verarbeitete Glockenklänge, imitiertes Feuer, dissonantes Saitenhämmern, drohende Geräuschflächen und Jumpscare-Sounds. Als beispielhafte Auswahl folgt nacheinander je ein Patch zu den Mysterious Bells, Scraps und Mysterious Atmospheres:
Die Voices
Die Voices sind in neu in ERA 2 und bestehen aus den „Tavern Singers“ und „Tavern Singer Shouts“. Ein umfangreiches Gesangspatch sollte man hier allerdings nicht erwarten. Die Instrumente sind mehr zur klanglichen Nuancierung zu gebrauchen und geben solistisch nur wenig her.
Die Shouts, also Ausrufe, klingen voll und sehr direkt. Zur Betonung bestimmter Passagen oder rhythmischer Figuren sind sie sehr gut geeignet. Eine Auswahl davon hören Sie im nächsten Audiobeispiel. (Dies wurde mit einem Bordunton der Drehleier unterlegt, um dem Hersteller kein Samplematerial vorwegzunehmen.)
Während mir die Shouts durchaus sympathisch und zweckmäßig erscheinen, sind die normalen Tavern Singers etwas schwieriger zu beurteilen. Man hat die Wahl zwischen drei verschiedenen Ausrufen, die entweder kurz oder lang auf verschiedenen Tonhöhen gesungen werden können. Einige Darbietungen sind aber recht unsauber. Achten Sie in der Audiodemo zu Beginn bei den kurzen „Ho“s auf die jeweils tieferen. Danach folgt die gleiche Figur nochmal mit „La“, wo eine ähnliche Unstimmigkeit bei den hohen Noten zu bemerken ist. Eine Nutzenprognose fällt hier etwas nüchtern aus. Punktuell können die Voices einen schönen Effekt haben; als eigenständiges Instrument für einen etwaigen Soloeinsatz eignen sie sich aber nicht.
Um den Bogen zur letzten Kategorie zu schlagen möchte ich Ihnen noch ein weiteres Ensemblebeispiel anbieten. Im Hintergrund hören Sie die Soundscape „Before the Battle“, die Laute im Akkordmodus und die Harfe. Im zweiten Teil kommen die gerade besprochenen Tavern Singers zur Unterstützung und die Traditional Wooden Flute aus der ERA-1-Library hinzu. Letztere umspielt die Heroica Female Solo Voice, die das Auffälligste der Audiodemo sein dürfte und um die es u. a. abschließend gehen soll.
Solo Voices
In der Limited Edition sind neben 20 weiteren Soundscapes zwei aufwändige Gesangspatches vorhanden, die laut Hersteller für mindestens ein Jahr garantiert exklusiv sind. Dabei handelt es sich um Aufnahmen von Celica Soldream und Iván López von der Musikgruppe EVO. Musik von Celica Soldream und EVO, von denen Sie Kostproben auf den gängigen Internetplattformen finden können, darf ich Ihnen an dieser Stelle wärmstens empfehlen. Dass es gleich beide Sänger in ERA 2 geschafft haben, hat mich aufhorchen lassen. Celica Soldream wird als Heroica Female Voice und Iván López als The Bard in der Library geführt.
Es gibt jeweils ein Patch mit Phrasen und ein Patch für spielbare Soloperformances. Erstere Variante für die Heroica Female Voice ist im vorhergehenden Klangbeispiel zu hören. Der Notenbereich, der sonst die Keyswitches bereitstellt, gibt nun die Tonhöhe vor während man über die höheren Lagen verschiedene Phrasen aktivieren kann. Sowohl für die Heroica Female Voice als auch für The Bard sind für die Phrasen Richtwerte bezüglich der optimalen BPM vorgegeben. Ohne externes Timestretching gibt es keine bequeme Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Phrasen im Nachhinein anzupassen. Die generelle Handhabe erfordert einiges an Ausprobieren und nachträglichem Editing. Das liegt daran, dass einige Phrasen einen Auf- und Schlusstakt haben und für eine passende Harmonik korrekt platziert werden müssen. Außerdem beginnen einige Samples mit kurzer Stille, weshalb der Note-on in diesem Fall auch korrigiert werden muss; einfaches Quantisieren im MIDI-Editor reicht hier also nicht aus. Für die Feinarbeit wird man dafür aber mit äußerst stimmungsvollem Gesang belohnt. Leider ist nicht nachzuvollziehen, was Soldream da tatsächlich singt.
Im Solopatch können Melodien und geringfügig auch gezielt Anfangssilben gespielt werden. Die Expertise aus Tarilontes anderen Gesangslibraries und das ausgezeichnete Legato ermöglichen klangvolle Gesangslinien.
Das Solopatch von The Bard war hingegen schwieriger zu bedienen und bot auf Anhieb weniger überzeugende Ergebnisse. Das Ansetzen weiterer Samples nach den Startsilben gestaltet sich als trickreich. Mit Geduld und ausreichend Nachbearbeitung lassen sich aber auch hier brauchbare Gesangspassagen programmieren:
Im Phrases-Patch bietet The Bard im Gegensatz zur Heroica Female Voice konkrete Cantigas (mittelalterliche höfisch-religiöse Lieder), die in kurze Phrasen unterteilt und separat spielbar sind. Durch den monophonen Charakter ist man hier harmonisch zwar eingeschränkt, aber es wertet das lyrische Angebot der Limited Edition sinnvoll auf. Ein kleiner Fehler war hier in einer Phrase zu bemerken, bei der zweimal ein Geräusch im Tiefton auftrat:
Einen Wordbuilder wie in den anderen Voice Libraries von Tarilonte ist in ERA 2 nicht vorhanden. Das geht auch völlig in Ordnung, wenn man bedenkt, dass die Heroica Female Voice und The Bard eigentlich nur ein Bonus sein sollen. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass dafür auch eine andere Engine mit mächtigerem Scripting nötig gewesen wäre – der mutmaßliche Grund, warum Shevennai, Altus, Cantus usw. für Kontakt und nicht für die Engine 2 erscheinen.
Die Solo Voices aus ERA 2 bilden ihr eigenes spezielles Spektrum und sind durchaus zu gebrauchen. An Umfang und Flexibilität kommen sie freilich nicht an vergleichbare Core Libraries heran, was hier aber kein Kritikpunkt sein soll. Fest steht allerdings auch, dass es in ERA 2 hauptsächlich um die Instrumente geht. Die Voices der Limited Edition sind daher eine wertige Dreingabe, schmälern aber keineswegs die Integrität der Standardversion.
Fazit
ERA 2 – Medieval Legends macht mit dem Versionssprung in vielen Punkten alles richtig. Das neue Interface erlaubt im Gegensatz zum verspielten Look des Vorgängers nun den ungetrübten aber dennoch stilvollen Blick auf das Wesentliche. Die Info-Seite mit zusätzlichen Informationen und der Keyswitch-Übersicht sind gerade bei so einer speziellen Zusammenstellung von Instrumenten sehr hilfreich.
Die Auswahl an Instrumenten, sowohl die, die aus ERA 1 bekannt sind, als auch die neu hinzugekommenen, ist exquisit und hochwertig. Dem muss nicht nur ein gründlicher Rechercheprozess vorangegangen sein, sondern auch eine vermeintlich aufwändige Suche nach guten Instrumenten und Musikern, die diese für die Aufnahmen auch bedienen können – zwei nicht zu unterschätzende Aspekte, die das Team um Eduardo Tarilonte gekonnt umgesetzt hat.
Der Detailgrad der Instrumente ist ausreichend und überzeugend: Die wichtigsten Artikulationen, Phrasierungen und Spielweisen sind vorhanden und nur selten bleibt der Wunsch nach mehr Tiefgang offen. Die Klangqualität ist über weite Strecken hervorragend und die Abstimmung der Instrumente untereinander konsistent und stimmig. Bei den Soundscapes überzeugt Tarilonte erwartungsgemäß und die Sounddesignkomponenten erweitern die Klangpalette zusätzlich.
Leider schlichen sich an manchen Stellen ob des großen Umfangs der Library auch Fehler bei den Samples und dem Scripting ein. Zudem versagt der Pitch Humanizer manchmal seinen (verzichtbaren) Dienst. Die Tavern Voices bleiben etwas hinter den Erwartungen zurück und sind eher für das Sounddesign und für Akzentuierungen geeignet, als für den Ensembleeinsatz in den vorderen Reihen.
Die Limited Edition ist ein interessanter Schritt in eine womöglich neue Vertriebsrichtung, die man bei Softwares bisher eher aus anderen Branchen kennt. Die Zugabe an Bonusartikeln ist Geschmackssache, aber die zusätzlichen Instrumente sind keineswegs lieblose Alibidreingaben und bieten durchaus einen Mehrwert. Essentiell sind sie für die Library jedoch nicht; auch in der Standardvariante ist ERA 2 ein äußerst stimmiges und umfangreiches Softwarepaket.
Eine gute Performance ist dank der optimierten Engine 2 gewährleistet. Eine Instanz mit bis zu 16 ERA-Instrumenten lief auch auf einem älteren Testsystem störungsfrei. Dass nur AU- und VST-Schnittstellen unterstützt werden, sollte beim Kaufgedanken bedacht werden.
ERA 2 – Medieval Legends ist nicht in Gänze perfekt, aber trotzdem eine hervorragende Library mit deutlichem Alleinstellungsmerkmal und viel Liebe und Leidenschaft zum Detail. Viele Instrumente sind woanders so nicht zu finden, der Klang ist fast makellos und das Scripting ermöglicht eine schnelle, bequeme und unkomplizierte Bedienung. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ausgesprochen fair und zufriedenen Nutzern von ERA 1 drängt sich ein Upgrade bei gerade mal 99 Euro fast schon auf.
Testautor: Baldwin Freising
Plus:
- Große und exquisite Instrumentenauswahl
-
Üppige Palette an Soundscapes und Sounddesigns
- Überwiegend sehr gute Klangqualität
- Viele Artikulationen und Phrasierungsmöglichkeiten
- Unkomplizierte Bedienung
- Zusätzliche Informationen und Keyswitch-Übersicht softwareintern
Minus:
- Kein AAX- oder RTAS-Format
- Vereinzelte Fehler in den Samples
- Pitch Humanizer bei manchen Patches instabil
Preis (Stand Mai 2015):
259 Euro
99 Euro (Upgrade)
Hersteller: Best Service
Systemanforderungen:
Mac OS
- Mac OS 10.9, 10.10
- minimal empfohlene Ausstattung: Intel Mac 2GHz, 2GB RAM
- Interfaces: Standalone, AU, VST (64bit )
- derzeit kein RTAS und AAX Support
Windows
- Windows Windows Vista, Windows 7/8, 32bit & 64bit
- minimal empfohlene Ausstattung: Pentium/Athlon XP 3.0GHz, 2GB RAM
- Interfaces: Standalone, VST (32bit und 64bit )
- derzeit kein RTAS und AAX Support