Test: zplane Vielklang 2

 

Vielklang gehört zur Familie der Pitch/Time-Spezialisten und ist eine leistungsstarke, einfach zu bedienende Software, die skalengetreu aus einer Stimme ein Quartett oder aus einem einzelnen Trompeter einen Bläsersatz zaubert.

Recording und Studiotechnik

 

Wird man nach Spezialsoftware für die Transponierung und das Quantisieren von Gesangsaufnahmen oder Soloinstrumenten gefragt, denkt man zunächst an Celemony Melodyne oder Antares Auto Tune. Dass es mit Vielklang eine Alternative mit eigenständigem Konzept und einigen Features gibt, über welche die „Großen“ in diesem Marktsegment nicht verfügen, wissen viele nicht.

Dabei steckt die zplane Technologie in mancher Software; beispielsweise ist die Elastik Engine der Ueberschall-Loop-Libraries eine Entwicklung des im Jahre 2000 gegründeten Berliner Pitch/Time-Forschungslabors.

Vielklang, inzwischen in der Version 2 angekommen, verspricht Harmonien und passende harmonische Progressionen mit einem Klick. Die Software ist auf die Bearbeitung monofonen Audiomaterials beschränkt. Wie bei Melodyne muss das Audiomaterial, welches bearbeitet werden soll, erst einmal analysiert werden. Danach stehen eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten bereit, die, das sei vorweggenommen, einfach zu handhaben sind. Vielklang liefert nicht nur Harmonien, man kann auch in den Klangcharakter der geklonten Stimmen eingreifen – Note für Note, wenn es sein soll.

Sie können diesen Test mit der Demoversion (LINK) von Vielklang begleiten. Im Anhang finden Sie die Systemanforderungen.

Installation

Nach dem Erwerb erhält man einen Download-Link und eine Seriennummer, mit der man Vielklang im persönlichen Account auf der zplane-Webseite registriert. Anschließend erhält man einen Code zum Freischalten. Wie immer bei Challenge-Response-Autorisierungen geht es online schnell und reibungslos von der Hand, ist aber auch offline über einen anderen Rechner möglich.

 

Überblick

Vielklang zielt auf die

  • Intonationskorrektur,
  • Erzeugung von Zweit-, Dritt- und Viertstimmen,
  • Bearbeitung des Klangverlaufs (Vibrato; Tonhöhenkurve, Formanten).

Die Features:

  • Vielklang analysiert nicht nur die Tonhöhe und erkennt selbstständig die richtige Skala, sondern analysiert auch die Melodieführung, um passende Chorstimmen zu erzeugen.
  • Die Chorstimmen können manuell nachbearbeitet oder von vorneherein als MIDI-Noten eingespielt werden.
  • Umgekehrt können die Chorstimmen auch als MIDI-Files exportiert werden, etwa um damit Samplechöre oder Instrumente zu spielen.
  • Tempo und Tonart können durch einen Klick verändert werden.

 

Vielklang in der Praxis

Wir starten mit einem Vocal Track und nehmen hierfür zwei Loops aus der Ueberschall-Library „Deep House“ – im Originaltempo von 121 BPM und in der Tonart F-Moll.

Die Originalloops klingen so:

 

Die Vocals sind bereits für die Abmischung präpariert. Ein dezenter Hall ist beigemischt. Das ist eigentlich keine ideale Voraussetzung für die Bearbeitung mit einer Pitch-Time-Software. Mal sehen, wie Vielklang damit zurecht kommt.

Vielklang wird nicht als Plug-in, sondern als Instrument geladen. Anschließend zieht man die Audiodatei bzw. den Abschnitt des Audiotracks in das noch leere Fenster von Vielklang. Das ging auf unserem Testsystem (Win 8.1, Cubase 8.5) problemlos per Drag & Drop innerhalb des Sequencers. Man sollte darauf achten, dass der Cursor beim Import am richtigen Platz sitzt. Über das Arranger-Fenster lässt sich der Clip aber auch später an die gewünschte Position verschieben. Alternativ zum Drag & Drop lädt man Audiomaterial über die Import-Funktion.

Wie man es auch immer macht: Ein Audiofile muss zunächst erstellt werden. Da Vielklang kein Plug-in ist, kann man die Software nicht einfach in den Audiokanal eines Samplers platzieren. Auch ist es nicht möglich, dessen Ausgang auf Vielklang zu routen und so das Audiosignal direkt in Vielklang aufzunehmen. Der kleine Umweg über den Audio-Export stellt aber keine Hürde dar, die den Arbeitsfluss wesentlich beeinträchtigen würde.

Soweit Vielklang nicht sofort die richtige Tonart erkennt, kann man diese als ersten Arbeitsschritt eingeben:

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Anschließend klickt man auf „Harmonize“, und Vielklang korrigiert die erste Stimme und fügt zwei weitere Chorstimmen hinzu.

Es gibt, wie Sie oben in der Abbildung gesehen haben, neben Dur und Moll noch eine Reihe anderer Skalen, etwa Gypsy I und II. Exotischen Skalen machen natürlich nur Sinn, wenn man die polyfonen Instrumente auch entsprechend einspielt. Mit Vielklang lassen sich zwar mehrstimmige Tracks aus monofonem Material erzeugen jedoch kein polyfon gespieltes Instrument transponieren bzw. an eine andere Skala anpassen.

Unterhalb des Piano-Roll-Editors befinden sich die Schaltflächen für die Tonart und die Anzahl der Stimmen. Man kann hier prinzipiell jederzeit, d.h. auch während des laufenden Playbacks, die Tonart wechseln und den Chor auf zwei Stimmen begrenzen oder auf vier Stimmen erweitern.

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Will man lediglich die Intonation der Solostimme korrigieren, so kann man die Klone auch ganz ausschalten.

Bis hierhin wirkt alles sehr übersichtlich. Durch die farblich voneinander abgesetzten Chorstimmen kann man die Gesangslinien sehr gut auseinanderhalten. Ein Duett aus dem Stand heraus, ohne Feinjustierungen, klingt so:

 

Dafür habe ich die Kombination F-Harmonic Minor, 2 voiced intelligent gewählt. Die Chorstimmen lassen sich übrigens auch ohne großen Aufwand global in andere Lagen verschieben, und zwar über ein vertikales Ziehen der farbigen Balken ganz rechts im vierten unteren Display. Benutzt man einen „intelligent“-Modus, werden oberhalb der Piano-Roll Akkordsymbole angezeigt. In diesem Fall kann man auch über ein Aufklappmenü andere Akkorde auswählen und so eine komplett neue Akkordprogression erstellen.

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Es stehen noch diverse andre Modi bereit, um ein Duo, Trio oder Quartett zu generieren. Das Angebot ist derart reichhaltig, dass ich hier nur einige Möglichkeiten herausgreife.

Neben einfachen Oktavtransponierungen …

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… werden die Stimmen im Modus „Parallel“ statisch um definierbare Intervalle verschoben:

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Hier das Ergebnis von Fauxbourdon, Tenor intelligent:

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Möchte man nun die Stimmen anschließend separat mit externen Plug-ins wie Equalizer, Kompressor oder Exciter bearbeiten, so funktioniert das nicht über Einzelausgänge, sondern über den separaten Export der Originalstimme und ihrer Klone:

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Zurück zu den Harmonie-Optionen: Blocksätze für Bläser gibt es auch:

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Hier eine kurze Posaunen-Passage aus Ueberschall Horns:

 

Nun im Terzett nach der Analyse und dem Hinzufügen von weiteren Stimmen durch Vielklang:

 

Eine Transponierung in F-Dur, Blocksatz „intelligent“:

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Bislang haben wir uns im Menü „Harmony Settings“ bewegt. Im Menü „Voice Control“ kann man pro Stimme die Feinstimmung (Tune), das Vibrato (Drift), das Timing und den Klang (Transponieren der Formanten mittels Shape) variieren. Insbesondere für Gesang ergibt sich mit Shift die Möglichkeit, den Klonen einen vom Original abweichenden Klangcharakter zu verleihen, sodass es sich so anhört, als würden tatsächlich vier unterschiedliche Sänger(innen) auftreten. Kleine Timing-Abweichungen machen auch Bläsersätze lebendiger.

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Im Menü „Mix“ justiert man die Panoramaposition und Lautstärke jeder einzelnen Stimme:

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In der Piano Roll Ansicht lassen sich einzelne Noten horizontal verschieben, dehnen, stauchen und transponieren. Zieht man einen Auswahlrahmen um mehrere Noten, so kann man diese gemeinsam bearbeiten.

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Im Advanced Edit Mode lässt sich darüber hinaus die Lautstärke und der Tonhöhendrift einzelner Noten bearbeiten; mit gehaltener Alt-Taste nimmt man eine Feinstimmung vor.

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Anfasser am oberen und unteren Rand rund um die Note herum ermöglichen es auf intuitive Weise, die Lautstärke und die Stärke des Vibratos einzustellen. Auch die Formanten lassen sich pro Note transponieren sowie ein Fade-in/Fade-Out für jede Note einstellen.

Im Vibrato/Tremolo-Edit-Modus kann jeder Note ein künstliches Vibrato hinzugefügt werden. Dabei lässt sich die Frequenz des Vibratos, ein Fade-In und Fade-Out durch die Start- und Endlautstärke des Vibratos definieren sowie ein zusätzliches Tremolo dosiert hinzufügen.

Um solche Operationen Note für Note gezielt vorzunehmen, empfiehlt es sich, in den Piano-Roll-Editor stark hineinzuzoomen und eine Großansicht der Note zu erhalten. Auch das lässt sich über Anfasser der Schieberegler der horizontalen und vertikalen Achse einfach erreichen.

Im Cut and Glue – Modus lassen sich Noten schneiden oder (mit gehaltener Alt-Taste) zusammenkleben.

Im Arranger lassen sich einzelne Clips auf der Zeitachse verschieben.

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Im MIDI-Modus lassen sich Harmonien über eine Klaviatur einspielen. Die automatische Harmonisierung ist in diesem Modus außer Betrieb.

Hier eine Passage mit viel Vibrato aus Soundiron Voie of Rapture: The Alto:

 

Die Stimme ist ideal aufgenommen worden, nämlich ohne jeglichen Raumanteil. Erzeugt man ohne jede Vorarbeit Klone, so wird aus dem wunderschönen Vibrato der Solostimme ein unnatürliches gemeinsames Leiern.

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So sieht eine Note im Advanced Edit Mode aus:

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Lautstärkeanpassung, Drift, Formant-Shift, Fade in und Fade Out-Time sind alle über Anfasser direkt erreichbar. Fährt man mit der Maus über die farblich markierten Teilbereiche der Note, denen die genannten Funktionen zugeordnet sind, so taucht zudem eine kontextsensitive Hilfe in Textform auf.

So hört es sich an, wenn man Drift auf ein Minimum reduziert und damit das Vibrato glattbügelt:

 

Fazit

Vielklang 2 ermöglicht einen intuitiven Zugang zur Bearbeitung monofonen melodischen Materials. Das Erschaffen ganzer Harmonie-Progressionen durch intelligente Modi ist mir in dieser Form noch bei keiner anderen Pitch-Time-Software begegnet. Die Qualität des Timestretchings und Pitch-Shiftings ist gut. Insgesamt macht Vielklang einen durchdachten Eindruck. Neben praktischen globalen Eingriffen in das Timing und die Tonhöhenmodulation ermöglicht der Advanced Edit Mode umfangreiche Detailarbeiten an einzelnen Noten. Sogar ein künstliches Vibrato kann minutiös gestaltet werden. Ein weiteres Feature ist das Transponieren über MIDI-In oder der Export von mehrstimmigen Clips als MIDI-Files.

Einen Test anhand der Demo-Version kann ich nur empfehlen.

Testautor: Holger Obst

Hersteller: zplane

Systemanforderung, Formate, Preise

Vielklang läuft auf Mac ab OSX 10.6 und PC ab Windows 2000. Es stehen die Formate AU, VST 2.4, RTAS in 32 oder 64 Bit zur Verfügung (RTAS nur 32 Bit). Die Vollversion kostet 119.- EUR, eine abgespeckte LE-Version 79.- EUR. Testgegenstand war die Vollversion. Im Umfeld der Pitch/Time-Spezialisten liegen die beiden Vielklang-Versionen im unteren Preisbereich.

Testsystem

Win 8.1 PC, Intel 6-Core i7, 5930K, mit 3,5-3,8 GHz CPU unter Cubase 8.5, RME Fireface 802, Testprojekt mit 44,1 kHz Samplerate und 24 Bit Auflösung. Audiodemos in 128k mp3.