Test: Eventide / Newflangled Audio Elevate Bundle

Elevate wird von Eventide als „Mastering Limiter mit Köpfchen“ präsentiert. Die Bezeichnung „Limiter“ ist dabei eine Untertreibung, denn Elevate kann deutlich mehr als nur eine harte Kompression. So heißt es dann auch weiter „Elevate ist das fortschrittlichste Mastering Plug-in, das jemals geschaffen wurde“.

Recording und Studiotechnik

Das ist ein hoher Anspruch, doch bei Eventide darf man davon ausgehen, dass er nicht unbegründet ist. Schließlich ist der amerikanische Hersteller von Nobel-Effektprozessoren seit rund 45 Jahren im Geschäft und hat einen nicht unerheblichen Anteil an der Geschichte moderner Tontechnik.

Elevate ist keine hauseigene Entwicklung, sondern das zweite Produkt des jungen amerikanischen Unternehmens Newfangled Audio, hinter dem Dan Gillespie steckt, der 15 Jahre lang DSPs für Eventide entwickelte. Sein erstes Produkt, ein psychoakustischer Equalizer namens EQuivocate, ist Bestandteil des Elevate-Bundles. Zu EQuivocate finden Sie bei uns einen separaten Test, der diesen hier ergänzt.

 

Formate und Autorisierung

Elevate ist auf dem Mac und PC in 32 und 64 Bit und den Formaten VST 2, VST 3, AAX native und AU zuhause. Für die Autorisierung benötigt man einen iLok Account, keinen physikalischen iLok. Im Preis sind zwei Autorisierungen enthalten, die gleichzeitig installiert sein dürfen, etwa auf der Studio-Workstation und dem mobilen Laptop. So sehen die Lizenzen für das iLok-Konto aus …

… und so das Angebot für den PC:

 

Was kann Elevate, was andere nicht können?

Grundlegend anders ist schon der Ansatz, mit 26 (und nicht nur mit drei oder fünf) Bändern zu operieren. Doch der Clou an der Sache ist, dass die Eckfrequenzen der Filter im sogenannten Mel-Modus genau auf die spezifischen sensiblen Hörareale im Innenohr ausgerichtet sind.

Elevate berücksichtigt als erstes Mastering-Tool das nicht-lineare menschliche Hören nach neuesten Studien der Humanbiologie. Dieser wissenschaftliche Ansatz führt tatsächlich zu einem deutlich anderen Klangerlebnis, wie unser Test von EQuivocate gezeigt hat: EQuivocate klingt direkter, natürlicher und unterstützt ein unverstelltes Hörerlebnis. Die akustische Wahrnehmung geht auf subtile Weise entspannter vonstatten. Genaueres dazu finden Sie in unserem Test zu EQuivocate.

Bei Elevate benutzt nun auch der Limiter diese 26 psychoakustischen Bänder. Mit Elevate soll es möglich sein, die Lautstärke zu erhöhen, ohne dass die Wahrnehmung der Dynamik darunter leidet. Dieses Ziel verfolgen alle modernen Mehrband-Limiter. Wir werden sehen und hören, ob man mit Elevate hier wirklich ein Stück weiter kommt.

Elevate ist aber nicht primär als Maximizer-Maschine für den Loudness-War gedacht, sondern soll dabei helfen, die Balance im Mix zu verbessern. Dabei sind auch subtile Detailkorrekturen möglich. Damit das überzeugend gelingt, passt der Limiter in Echtzeit den Pegel, die Transienten und die Geschwindigkeit des Korrekturprozesses für jedes Band separat an. Erfreulicherweise verläuft diese Anpassung automatisch. Man muss nicht erst einmal zahllose Regler in die richtige Position bringen oder andre komplizierte Voreinstellungen vornehmen.

Egal wie hart man den Limiter fährt, das Signal soll laut Eventide immer transparent und natürlich klingen. Das ist bis jetzt noch keinem Hersteller gelungen. Zwar sind die Fortschritte in den letzten Jahren bei Top-Produkten erheblich, im Grenzbereich fangen aber auch die besten Limiter und Maximizer an, den Klang plattzudrücken, die Dynamik hörbar und übertrieben einzuschränken und den Klang zu verzerren.

In Elevate kommen Algorithmen künstlicher Intelligenz zum Einsatz. Vielleicht ist das der Grund, warum es hier besser werden soll. Die künstliche Intelligenz hat aber nicht alleine das Sagen: Es bleiben genug Eingriffsmöglichkeiten für den Toningenieur, um manuelle Anpassungen vorzunehmen. Das Schöne daran ist, dass diese ebenso effektiv wie leicht zu bedienen sind.

 

Einstieg und Presets

Unter den Presets finden sich zahlreiche Vorlagen für den Einstieg. Eine Reihe von Toningenieuren haben dabei mitgewirkt. Die Namen der Presets verdeutlichen bereits, wofür sie gedacht sind.

Oftmals liefern die Presets bereits überzeugende Resultate, sodass eigene Modifikationen gar nicht mehr nötig erscheinen. Dazu ein Beispiel. Zunächst das Original aus Ueberschall Deep House:

 

Nun die Bearbeitung mit Elevate, Preset Add Excitement:

 

Eine Eigenbearbeitung mit einem stärkeren Einsatz des Clippers:

 

Ein weiteres Beispiel, wieder zunächst das Original:

 

Mit der Vorlage „Funky Warmer“:

 

Mit einer Eigenkonfiguration, bei der ich versucht habe, die oberen Frequenzen der Snare zu betonen, um diese nach vorne zu holen:

 

Wenn man mit eigenen Bearbeitungen beginnt, kann man mit dem Compare-Button zwischen dem Preset und der Eigenentwicklung hin und herspringen. Verschlimmbesserungen fallen dann sofort auf.

Über die Pfeil-Taster kann man durch die Presets zappen. Save erlaubt das Abspeichern eigener Konfigurationen, die später ohne Navigation durch die Rechner-Hierarchie wiedergefunden werden.

Mit Gain Lock arretiert man die Lautstärken der Parameter Gain, Drive, Ceiling, Input- und Output-Level. Zappt man durch die Presets, so lassen sich diese besser und fairer vergleichen. Lauter eingestellte Presets würden sonst als besser klingend empfunden werden, obwohl sie es möglicherweise nicht sind.

Über Info öffnet man das englischsprachige PDF. Unter Settings schaltet man das Dithering mit wahlweise 8, 12, 16, 20, 24 Bit ein oder aus.

 

Die Architektur von Elevate

Das Signalfluss-Diagramm findet sich inmitten der Oberfläche:

Im Hauptfenster stellt man ein:

  • Limiter Gain: Den globalen Threshold, ab den der Soft-Knee-Limiter greift.
  • Speed: Die globale Geschwindigkeit, mit der der Limiter auf Überschreitungen des Thresholds reagiert.
  • Ceiling: Anpassung des Ausgangspegels
  • Über Adaptive Gain und Adaptive Speed stellt man den Umfang ein, in dem man dem intelligenten Algorithmus erlaubt, in Abhängigkeit zum Eingangssignal den Threshold und die Reaktionsgeschwindigkeit des Limiters anzupassen. Speed kontrolliert dabei zugleich das Attack und Release des Limiters separat für jedes Filterband (!), um Artefakte wie Pumpen oder „Atmen“ zu verhindern.

  • Des Weiteren definiert man die globale Betonung von Transienten und auch hier das Korrekturmaß durch den intelligenten Algorithmus.
  • Soll der Klang rauer und härter werden, so setzt man den Clipper ein, dessen Stärke man mit Drive und dessen Grad der Anzerrung man mit Shape definiert. Die dazu gehörende Kurve findet man im Clipper-Modul, dem letzten Block vor dem Ausgang.

Im Modul Filter Bank …

  • wählt man die Anzahl der Filter über ein Aufklappmenü,
  • schaltet einzelne Filter auf Solo (zwecks Kontrolle oder um Lo-Fi- sowie Kammfiltereffekte zu erzeugen; dazu können per STG + Klicken mehrere Filter zusammen in den Solobetrieb versetzt werden),
  • fügt über die kleinen Plus/Minus-Kästchen Filter hinzu oder entfernt sie
  • und verschiebt die Eckfrequenzen einzelner Filter.

Verschiebt man einzelne Filter-Eckfrequenzen, so entstehen unsymmetrische Filterflanken. Man befindet sich dann automatisch im Custom-Modus. Die Eckfrequenzen der Filter korrespondieren nun nicht mehr (alle) mit den spezifischen, besonders empfindlichen Arealen im Innenohr, und man bewegt sich ein Stück weit vom psychoakustischen Ansatz fort.

Es entsteht aber kein Bereich im Frequenzgang, der nicht durch die Filter abgedeckt wäre und dann nicht mehr beeinflusst würde. Je mehr Filter man verwendet und je dichter man sie zueinander positioniert, desto schmalbandiger sind sie. Im Hintergrund sorgt ein Algorithmus dafür, dass scharfe Resonanzen durch dicht nebeneinander positionierte Filter ohne manuelle Korrekturen vermieden werden. Auch das findet sich so bei kaum einem anderen Equalizer.

Eine weitere Besonderheit bei diesen Filtern ist, dass sie alle gleichzeitig und parallel mit dem Eingangssignal gespeist werden. Die Filterbank aus Elevate ist ein Linear-Phase-Equalizer. Phasige Artefakte durch geringe Zeitverschiebungen zwischen den Filtern entstehen nicht.

Nachdem man in der Filterbank die Anzahl und Verteilung der Filter vorgenommen hat, stellt man im Modul Limiter/EQ deren Lautstärke ein. Die Kurve kann man bequem mit gedrückter Maustaste zeichnen und natürlich auch einzelne Pegel anheben oder absenken, pro Band um plus/minus 6 dB.

Die grünen Balken zeigen das Eingangs-, die gelben das Ausgangslevel, die roten die Kompression an. Die Slider für Limiter Gain und Adaptive Gain korrespondieren mit den gleichnamigen Bedienelementen aus dem Hauptfenster.

Im Transient Modul stellt man für jedes Filterband die Transient Emphasis individuell ein. Dieser Parameter erlaubt es, dass Transienten vor dem Limiting durchgelassen werden, um einen detailreicheren oder auch aggressiveren Klang zu erhalten bzw. einzelne Instrumente hervorzuheben, indem man deren charakteristischen Attack-Frequenzen Raum gibt.

Im Detail: Herkömmliche Limiter neigen dazu, Transienten glatt zu bügeln, wenn man sie im Look-Ahead-Modus betreibt, da dieser auch schnellste Impulse erkennt. Elevate arbeitet ebenfalls nach dem Einschalten der intelligenten Algorithmen (Adaptive-Modi) mit Look Ahead, bietet aber die Möglichkeit, das unerwünschte Unterdrücken der Transienten zu umgehen, indem diese am Limiter vorbei per Clipper aufbereitet werden und dann wieder zur vollen Geltung kommen.

Über Adaptive Transient aktiviert man den intelligenten Algorithmus. Über den Slider stellt man ein, ob die Transienten durch den Algorithmus global erfasst oder die einzelnen Bänder individuell geregelt werden sollen. Will man etwa einzelne Instrumente wie Bassdrum, Snare oder Hi-Hat und Becken getrennt bearbeiten, so schiebt man den Regler nach rechts in Richtung „Multi Band“ (s. Abbildung oben).

Die roten Pegel im Transienten-Modul zeigen an, wo die charakteristischen Attacks liegen und wie weit diese durch die Einstellung der Pegelfader betont werden.

 

Metering und Lautstärkekontrollen

Elevate verfügt über hoch auflösende Pegelanzeigen für das Eingangs- und Ausgangslevel. Peak- und RMS-Level werden als Balken und numerisch angezeigt. Hinzu kommt eine rote Balkenanzeige für die Pegelreduzierung durch den Limiter.

Für die Lautstärkekontrolle gibt es drei Schalter mit unterschiedlicher Wirkung:

  • Auto kompensiert hinzugefügte Lautheit und reduziert den Ausgangspegel um diesen Wert. (Dieser Schalter dient der sporadischen Kontrolle der Effizienz von Elevate, und sollte während der Arbeit am Mix nicht permanent eingeschaltet sein, erst recht nicht beim finalen Mixdown, denn die Effizienzkontrole führt dazu, dass der Ausgangspegel unter dem Einangspegel liegt.)
  • Match Level hebt die Lautstärke des unbearbeiteten Eingangssignals auf den Pegel des bearbeiteten Signals. Schaltet man Elevate an und aus, um die Wirkung der Einstellungen zu prüfen, so klingt das bearbeitete Signal dann nicht lauter und kann besser bewertet werden. Was lauter ist, wirkt nämlich grundsätzlich beeindruckender und spektakulärer, weshalb Limiter ohne Pegelausgleich gerne überbewertet oder schlicht übertrieben eingestellt werden. Wenn das Eingangslevel von Haus aus bereits an der Marke von 0 dBfs kratzt, kann es allerdings zu Übersteuerungen durch die zusätzliche Verstärkung per Match Level kommen. Man sollte hier also auf ausreichenden Headroom achten.
  • Gain Lock gleicht den Pegel zwischen Presets an, wie bereits erläutert.

 

Visualisierungen und Display

Was beim Plug-in EQuivocate nicht anzutreffen ist, darf bei einem ausgewachsenen Mastering-Limiter nicht fehlen: Ein Spektrogramm, dass die Arbeit des Limiters in Echtzeit dokumentiert.

Im Modus Input/Output wird der Eingangs- dem Ausgangspegel gegenübergestellt, sinnvollerweise als Peak Levels, um die Dynamik und Transienten differenziert erkennen zu können. Sehr lobenswert ist, dass Übersteuerungen am Eingang ebenfalls in Gelb aufgezeigt werden und sofort ins Auge springen. Solche sollte man tunlichst vermeiden.

Im Modus Gain Reduction wird die Pegelreduzierung dargestellt, wahlweise pro Band oder global. Arbeitet man mit wenigen Bändern (wie bei den meisten anderen Multiband-Limitern), so ist Anzeige der einzelnen Bänder hilfreich:

Bei 26 Bändern sieht es so aus:

Bei mehr als fünf Bändern ist daher der Stack Waveform – Modus aussagekräftiger, wenngleich die Differenzierung zwischen der Pegelreduzierung im tiefen Frequenzbereich (dunkelrot) und der im hohen Spektrum (hellrot) schwer fällt.

Der Anzeigemodus Filter Bank zeigt Eingangs- und Ausgangspegel sowie die Pegelreduzierung als Balkengrafik und pro Filterband. Die Anzeige ist damit identisch mit der Visualisierung im Modul Limiter/EQ.

Arbeitet man aber an der Verteilung der Filter im Custom Modus, so erweist sich diese Visualisierung der sich verändernden Pegel in Abhängigkeit zur Filterplatzierung als gute Hilfe.

Die Bedienoberfläche ist großzügig angelegt aber nicht überdimensioniert. Zwar sind einige Beschriftungen wie Peak, RMS und die dazu gehörenden Wertefelder unnötig klein ausgefallen, im Großen und Ganzen ist aber alles gut erkennbar. Elevate ist dank des logischen Aufbaus mitsamt Anzeige des Signalfluss-Diagramms leicht verständlich und bedienbar. So fällt es kaum ins Gewicht, dass das Interface nicht skalierbar ist. Neben dem Modern-Look, den ich für alle Abbildungen bis hierher verwendet habe, gibt es noch den Newflangled-Look …

… der besonders sachlich und wissenschaftlich wirkt, und den „Twin Turbo“ …

… schick und in Lila.

 

Elevate in der Praxis

Wenn man sich abseits der fertigen Presets bewegt oder diese modifiziert, merkt man schnell, wie exakt man mit Elevate arbeiten kann. Über das Limiting mit Pegelanhebung und zusätzlicher Transienten-Bearbeitung kann man jedes Detail herausarbeiten. Dabei ist es noch nicht einmal erforderlich, immer alle 26 Bänder zu betreiben. Bedenkt man, dass andere Mastering-Tools meist mit drei bis fünf Bändern arbeiten, sind acht oder zehn Bänder bereits ein Luxus. Unter den Presets finden sich dementsprechend auch Vorlagen, die nicht das volle Potenzial von Elevate nutzen und trotzdem ausgezeichnet klingen.

Man kann sich also von fünf Bändern aus hocharbeiten und merkt dann sehr schnell, ob man eine höhere Auflösung benötigt.

Ich persönlich bleibe dabei gerne im Mel-Modus, denn die psychoakustischen Eigenschaften von Elevate kommen nur hier vollständig zur Geltung und bewirken, dass das Signal direkt und natürlich klingt. Anstatt Filter an passende Stellen zu verschieben, erhöhe ich, falls erforderlich, die Anzahl der Filter über das Aufklappmenü. Zuvor eingestellte Lautstärkekurven werden dabei übernommen und nun feiner aufgelöst.

Psychoakustische Exciter führen oft dazu, dass man sich schnell an die Klangverbesserung gewöhnt und diese immer weiter nach vorne treibt. Hört man sich den Mix am nächsten Tag an, bemerkt man erst Übertreibungen, die teilweise erheblich ausfallen und zu völlig unbrauchbaren Abmischungen führen können. Dann fängt man wieder von vorne an.

Bei Elevate tappt man in diese Falle nicht. Hier werden auch keine Obertöne hinzugefügt, sondern vorhandene Obertöne verstärkt und dabei sensible Areale im Innenohr stimuliert. Dieser psychoakustische Ansatz von Newflangled Audio bedeutet eher eine besondere Effizienz von Parameterveränderungen, bewirkt aber keine Schönfärberei des Signals, in der man sich verlieren kann.

Allerdings ist die Kombination aus psychoakustischen Filtern, Limiter, Transienten-Werkzeug und Clipper ein mächtiges Paket, das fein dosiert eingesetzt werden will. Man kann es also auch hier zu weit treiben, nur hört es sich dann anders an als bei den Mitbewerbern im Bereich Limiter/Maximizer.

Wie eingangs erwähnt, ist mir bislang kein potenter Limiter oder Maximizer begegnet, der als Waffe im Loudness War nicht zum Plattbügeln jeglicher Dynamik missbraucht werden könnte. Mancher Hersteller weist daher deutlich auf Meterings hin, die die verbliebene Dynamikspanne anzeigen.

Bei Elevate kann man ebenfalls dank Auflösung der Output-Meter deutlich erkennen, ob sich die Ausgangspegel (Peak) noch bewegen, oder an der obersten Grenze festkleben. Das folgende Audiodemo wäre ein idealer Kandidat, um mit einem Limiter ordentlich Dampf zu machen. Hier das Original:

 

Nun habe ich Elevate richtig böse und extrem eingesetzt. Mein Kontroll-Plug-in zeigt eine verbliebene Dynamikspanne von etwa 1,5 dB an. Das entspricht exakt der Pegelanzeige in Elevate. Es klingt aber trotzdem nicht plattgefahren:

 

Na, wenn das keine knochentrockene Bassdrum ist …

Und: Keine Sour von Dynamikverlust – im Gegenteil: Durch die Transientenbearbeitung klingen die impulshaften Instrumente, hier also Bassdrum, Snare und Hi-Hat, ausgesprochen lebendig und prägnant. Das ließe sich auch moderater gestalten. Erstaunlicherweise kommt es auch nicht zum Clipping. Der intelligente Algorithmus, der hier für die Transienten zuständig ist, leistet ganze Arbeit: Er verhindert zu rasches Limiting, verhindert aber trotzdem Clipping. Als Testautor schreibt man so etwas selten, aber ich bin wirklich völlig platt (weil es der Mix nicht ist). Die gewisse Rauheit im Sound ist schon im Original vorhanden. Allerdings springt einem der Beat nun regelrecht ins Gesicht und wirkt übertrieben aggressiv, sagen wir: eine Art Weckruf. Live und im Club könnte sich diesem knalligen, markant pulsierenden Sound niemand entziehen. Auf Dauer wirken solche Einstellungen jedoch strapazierend und ermüden das Gehör. DJs sollten also nicht jede Nummer derart puschen.

Es bleibt festzuhalten, dass Eventide nicht zu viel versprochen hat: Mit Elevate sind auch extreme Lautheitsmaximierungen möglich, ohne dass dabei die psychoakustisch wahrgenommene Dynamik auf der Strecke bleibt.

Kommen wir zu schöneren oder zumindest zivileren Anwendungen:

Für das folgende Audiodemo habe ich eine etwas ungewöhnliche Kombination aus einem Beat von Superior Drummer 3, einem Loop ethnischer Glöckchen, einem Bass und Gesangsloops gewählt. Bei Superior Drumer 3 wird die Hi-Hat – Figur durch Fingerschnipser gespielt. Ich möchte wissen, ob Elevate es schafft, diese vielen kleinen Impulse detailliert herauszuarbeiten ohne dabei die futuristischen E-Drum-Becken im Hintergrund oder gar den Gesang zu zerhacken. Die Glöckchen habe ich mit Eventide Fission bearbeitet und dabei den Anteil der Transienten und der Sustains moduliert. Auch das sollte von Elevate erkannt und hervorgehoben werden.

Zunächst das unbearbeitete Original:

 

Die bearbeitete Version:

 

Der Klang wirkt lebendiger und offener. Alle Instrumente profitieren von Elevate. Und tatsächlich hat man das Gefühl, jeden einzelnen Fingerschnipser genau heraushören zu können. Auch die Modulation der Glöckchen durch Fission wird nun deutlicher. Der Gesang, die Becken und das Sustain der Glöckchen wird durch die Transientenbearbeitung der vielen schnellen Impulse nicht beeinträchtigt. Insgesamt nimmt man die Bearbeitung nicht als solche wahr. Das, was Elevate leistet, tritt nicht als Effekt in den Vordergrund. So sollte es sein.

Das Rauschen stammt übrigens nicht von Elevate, sondern vom Bandsimulator im Overhead-Kanal von Superior Drummer. Eine gute Portion Rauschen ist auch leider in den Samples des Gesangs enthalten (in der Hallfahne).

Neben dem Mastering kann man Elevate auch für Einzelinstrumente oder Gruppen einsetzen. Dann wird es allerdings zu einem regelrechten Balanceakt, wenn man das Tool zusätzlich auch noch im Masterkanal platziert hat, und man muss höllisch aufpassen, dass sich die Bearbeitungen nicht übermäßig verstärken.

Kommen wir zu Gruppenbearbeitungen und damit noch einmal zum Beat zurück. Dieser hört sich unbearbeitet so an:

 

Nun möchte ich ordentlich maximieren, also das ganze möglichst laut machen. Damit das Rauschen des Bandeffekts nicht auch lau wird, setze ich den adaptiven Denoiser aus iZotope RX6 ein.

Das Ergebnis mit hartem Limiting und Tansientenbetonung:

Bild 20

 

Ein weiterer Groove aus Superior Drummer 3, dieses Mal ein akustisches Kit (Yamaha):

 

Nun möchte ich die Bassdrum knackiger und wuchtiger machen, die Snare soll mehr knallen, die Hi-Hat differenzierter im Attack sein. Elevate liefert nach fünf Minuten des Experimentierens dieses Ergebnis:

 

Die Bassdrum hat einen ordentlichen Wumms erhalten und klingt fast so, als sei man mit dem Ohr direkt am Fell. Die Snare knallt wie gewünscht. Insbesondere die feinen Anschläge des Ride-Beckens kommen nun gut zur Geltung, und das Schlagzeug rückt insgesamt näher nach vorne, ohne dabei die schöne Raumakustik zu verlieren, die George Massenburg mit einer Surroundmikrofonierung eingefangen hat (siehe unser Test zu Toontrack Superior Drummer 3).

Elevate bietet des weiteren umfangreiche Automationsmöglichkeiten für Klangexperimente. Hier als letztes Beispiel eine Filterspielerei.

 

EQuivocate

Innerhalb von Elevate stellt EQuivocate die Filterbank. EQuivocate ist zudem als separates Plug-in im Elevate-Bundle enthalten, und das bringt weitere Vorteile mit sich: Separat betrieben, bietet EQuivocate nämlich einen vollwertigen psychoakustischen Equalizer mit Matching Funktion: Der Sound eines Referenzsignals kann auf den Mix (oder einzelne Instrumente) übertragen werden. Auch kann man die Matching-Funktion verwenden, um die Abmischungen der Songs eines Albums aneinander anzupassen (VST-User müssen dazu die VST 3 – Komponente laden).

Darüber hinaus kann man EQuivocate für Lo-Fi-Sounds in einzelnen Tracks oder mittels Filterautomation als Spezialeffekt nutzen, was CPU-schonender ist, als Elevate dafür einzusetzen.

 

Was Elevate nicht kann

Elevate und auch EQuivocate bieten keine Mid/Side-Modus. Man kann also keine unterschiedlichen Einstellungen für die in der Stereomitte und auf den Seiten platzierten Signale vornehmen. Wirklich vermisst habe ich diesen Modus nicht, denn durch das gezielte Herausgreifen einzelner Instrumente, klingen diese dann auch dort, wo sie platziert sind, betonter und charakteristischer bzw. verhaltener, wenn man sie zurücknehmen will. Auch könnte die Freiheit von Phasenauslöschungen und Verfärbungen durch das unterschiedliche Gewichten von Mittel- und Seitensignal leiden.

Recht praktisch wäre ein globaler Mix-Regler gewesen, mit dem man das Originalsignal beimischen kann. Allerdings würde man den psychoakustischen Effekt der Filter aus EQuivocate damit verwässern.

 

CPU-Leistungseinforderung

Trotz der exzellenten Audioqualität der 26 Filter und der Echtzeit-Analyse des Audiosignals bei separater Anpassung aller Bänder ist Elevate kein CPU-Killer: Beim Mastering ist man sowieso nicht auf extrem niedrige Latenzen angewiesen. Bei einer Puffergröße von 256 Samples beanspruchte Elevate bei vollem Betrieb mit 26 Bändern auf unserer Haswell-Extreme-Workstation mit Intel Core i7-5930K, Cubase 9 Pro, RME Fireface 802, etwa 20 bis 25% der Rechenleistung eines Kerns. Setzt man Elevate live ein, sei im Club als Loudness-Super-Tool oder einfach, um den Sound aufzufrischen, braucht man schnelle Prozessoren, wenn auf der selben DAW andere Effekte oder virtuelle Instrumente berechnet werden sollen.

 

Fazit

Mit Elevate präsentiert Eventie/Newflangled Audio ein Mastering-Tool der Extraklasse. Dass einige namhafte Toningenieure behaupten, sie würden beim Mastering teils nur noch auf Elevate zurückgreifen und das Plug-in grundsätzlich immer in der Mastering-Kette einsetzen, darf man ihnen ruhig abnehmen.

Elevate klingt exzellent und ist wunderbar einfach zu bedienen. Ganze 26 Bänder, die gezielt auf die sensiblen Areale des menschlichen Innenohrs wirken, liefern die Grundlage für einen fein justierbaren, ausgewogenen und natürlichen Klang.

Intelligente Algorithmen sorgen dafür, dass das Limiting und die Transientenbearbeitung in Echtzeit an die Dynamik des Eingangssignals angepasst werden – und zwar nicht global, sondern pro Band.

Durch die feine Auflösung ist es möglich, einzelne Instrumente aus dem Mix hervorzuheben oder Überbetonungen zurückzufahren. Dabei betont Elevate den natürlichen Klang der Instrumente, fügt also nichts hinzu und verfärbt nicht. In dieser Qualität, Präzision und Klangtreue ist mir das noch bei keinem anderen Plug-in begegnet. Es gelingen sogar Korrekturen an Abmischungen, denen man mit anderen Werkzeugen nicht mehr oder nur mit enormem Aufwand beikommen kann. Abgesehen vom Mastering eignet sich Elevate auch für die Bearbeitung einzelner Instrumente oder Gruppen.

Auch wenn es um Lautheits-Maximierung geht, kann kaum ein Mitbewerber Elevate das Wasser reichen: Selbst bei maßlosen Übertreibungen klingt Elevate immer noch dynamisch und frei von Verzerrungen.

Vintage-Sound liegt außerhalb des Leistungsspektrums von Elevate, und die Dreiecksfilter kann man nicht in einen anderen, färbenden Modus umschalten. Elevate ist aber durchaus geeignet, auch ein Projekt mit Vintage- oder Retro-Sound zu mastern und ist nicht auf ein spezifisches Genre ausgerichtet.

Diverse Visualisierungen helfen bei der Arbeit: Auch kleinste Übersteuerungen des Eingangssignals werden warnend angezeigt; die Wirkung des Limiters lässt sich global oder für alle 26 Filter ablesen.

Elevate gehört ohne Zweifel zu den Top-Produkten für das Mastering und bietet eine Klanggestaltung, wie sie auch mit deutlich teureren Tools so nicht möglich ist. Der Preis ist ausgesprochen fair, zumal EQuivocate als separates Plug-in dazu gehört und zwei Autorisierungen enthalten sind.

 

Testautor: Holger Obst

Plus

  • exzellente Audioqualität
  • psychoakustischer EQ, Limiter/Maximizer und Transienten-Tool
  • hohe Auflösung mit 26 Bändern
  • Echtzeit-Dynamikanpassung durch intelligente Algorithmen
  • extreme Maximierung ohne Dynamikverlust möglich
  • feinste Korrekturen einzelner Instrumente in einem vollen Mix
  • EQuivocate als separates Plug-in mit EQ-Matching
  • zwei Autorisierungen gleichzeitig nutzbar
  • sehr kundenfreundlicher Preis

 

Minus

Hinweis: iLok Account erforderlich

Systeme und Formate: s. oben, Abschnitt Formate und Autorisierung

Hersteller / Vertrieb: Newflangled Audio / Eventide

Produktseite

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