Test: Eventide / Newflangled Audio EQuivocate

Bei unserem Testkandidaten handelt es sich um einen psychoakustischen Equalizer, der menschlichen Hörgewohnheiten Rechnung tragen soll.

Neuem aus dem Hause Eventide gebührt immer besondere Aufmerksamkeit. Die amerikanische Nobelschmiede, deren Harmonizer-Generationen über Jahrzehnte hinweg das Elixir für besondere Momente des Klangdesigns und Tontechnik waren (und sind), bietet seit einigen Jahren auch Plug-ins an.

Dabei ist es nicht bei Auskopplungen von Algorithmen aus der legendären Eventide-Hardware geblieben (die es natürlich auch gibt: H3000 Factory, UltraReverb und UltraChannel, Omnipressor, Octavox, das Anthology Bundle), es wurden auch Neuentwicklungen wie Tverb und Fission vorgestellt. EQuivocate führt diese Reihe fort.

EQuivocate kommt nicht aus dem Eventide-Labor selbst, sondern ist das erste Produkt von Newfangled Audio, einem jungen Unternehmen, ins Leben gerufen von Dan Gillespie, der 15 Jahre lang DSPs für Eventide entwickelt hat.

Um das Plug-in zu installieren, benötigt man lediglich einen iLok-Account. EQuivocate läuft auf Mac und PC in den Formaten AU, VST 2 und AAX in 32 und 64 Bit. Eine VST 3 – Version steht kurz vor der Veröffentlichung. So sieht das Auswahlfenster für die Formate auf dem PC aus:

Bei den Filtern, die hier zum Einsatz kommen, spricht Eventide von „Gehör“-Filtern, die einen besonders natürlichen Klang bewirken sollen.

EQuivocate bietet ganze 26 Filterbänder, die im Endeffekt jeweils bestimmte Bereiche des Innenohrs ansprechen sollen. Das klingt neu und interessant, daher will ich diesen Aspekt hier etwas vertiefen:

 

Im Innenohr sitzen Sinneshärchen (genau genommen hauchdünne, schlauchartige Gebilde), die abhängig von bestimmten Frequenzen in Schwingung versetzt werden, und deren Bewegung über Rezeptoren und Nervenzellen zum Gehörsinn der Großhirnrinde weitergeleitet werden. Die Sinneshärchen sind von einer Flüssigkeit umgeben, die durch das Zusammenwirken von Trommelfell und der anschließenden organisch-mechanischen Weiterleitung der Schwingungen über drei Knöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel) in Bewegung versetzt wird.

Je nach Frequenz werden unterschiedliche Areale des Innenohrs angesprochen und je nach Lautstärke die Sinneshärchen unterschiedlich stark gebogen.

Das menschliche Ohr ist für bestimmte Frequenzen empfänglicher und reagiert auf diese sensibler als auf andere. Der Frequenzgang, den ein Kleinkind wahrnehmen kann, liegt bei 16 bis 20.000 Hertz. Mit fortschreitendem Alter nimmt die Sensibilität und das Hörvermögen für höhere Frequenzen deutlich ab. Mit 50 Jahren werden oft nur noch bis zu 8 kHz wahrgenommen, darüber sackt die Kurve exponentiell ab. Tiefe Frequenzen benötigen auch in jungen Jahren deutlich mehr Energie, um wahrgenommen zu werden.

 

Bei den Filtern, die EQivocate verwendet, handelt es sich nicht um Filter mit Glocken-, Cut- oder Kuhschwanzcharakteristik, sondern um Dreiecksfilter, wie man sie in wissenschaftlichen Modellen verwendet, die kritische Frequenzbereiche des menschlichen Hörens abbilden. Anders als herkömmliche Filter, wie man sie bei Grafischen Equalizern findet, verhalten sie sich bei 0dB absolut klangneutral und werden unabhängig von ihrer Pegelanhebung oder -absenkung auch von den Nachbarfiltern nicht beeinflusst.

EQuivocate gehört zur Klasse der Linear Phase EQs: Phasenverschiebungen durch hintereinander mit einem minimalen Zeitversatz operierende Filter bleiben hier außen vor.

Die 26 Filter-Bänder folgen in der Werkseinstellung der sogenannten Mel-Skala: Die Filter sind dann genau auf die kritischen, d.h.: für das menschliche Hören charakteristischen Frequenzen, eingestellt. Jeder Slider bedient quasi einen anderen Bereich der Rezeptoren im menschlichen Innenohr.

EQuivocate verfügt darüber hinaus über eine Matching-Funktion: Ein externes Audiosignal kann analysiert und dessen Frequenzgang auf den Mix oder ein Instrument übertragen werden. Auf diese Weise lassen sich etwa zwei Takes eines Gitarrensolos, das man in zwei Sessions an unterschiedlichen Tagen und mit nicht identischen Aufnahmeeinstellungen aufgenommen hat, aneinander angleichen. Auch eine Angleichung des eigenen Mixes an ein Referenzsignal ist möglich. Und schließlich kann man beim Mastern den Klangcharakter der unterschiedlichen Titel eines Albums aneinander anpassen.

Die 26 Filter können individuell ein- und ausgeschaltet werden und das Frequenzspektrum mit schmalen oder breiten Bändern, mit hoher Auflösung an Filtern oder mit nur einem einzelnen Band bearbeitet werden. Will man die psychoakustische Dimension von EQivocate voll ausschöpfen, sollte man mit allen 26 Filtern arbeiten und diese gleichmäßig verteilt lassen (dazu gleich mehr). Will man einfach einen Sound geradebiegen oder gar mit Lo-Fi experimentieren, braucht man oft deutlich weniger Filter und verschiebt die Eckfrequenzen.

Die gesamte Filterkurve kann mit einer Mausbewegung gezeichnet werden. Einzelne Filter können nachträglich verschoben werden. Auch eine automatische Anpassung zwischen Eingangs- und Ausgangslautstärke ist an Bord. Über Solo-Funktionen kann jedes Band isoliert gehört werden. Zahlreiche Presets dienen zum Einstieg.

Über eine Vergleichsfunktion (Compare Button) kann man zwischen zwei Einstellungen hin- und herspringen.

 

EQuivocate in der Praxis

Will man sich einen schnellen Überblick über die Möglichkeiten des Equalizers verschaffen, so zappt man durch die Presets. Deren gibt es reichlich. Hier die Beiträge von Richard Devine:

Beim Wechseln der Presets stellt man fest, dass diese eine sehr unterschiedliche Anzahl von Bändern verwenden, darunter Modelle, die lediglich über zwei Bänder verfügen.

Auf den ersten Blick wirkt der EQuivocate wie ein herkömmlicher Grafischer Equalizer. Und tatsächlich ist oben rechts in der Ecke „Auditory Graphic EQ“ zu lesen.

Doch EQuivocate verhält sich nicht wie ein klassischer Grafischer Equalizer.

Zum einen klingt er anders: Verändert man die Lautstärke bestimmter Frequenzregler, so hat man das Gefühl, Teiltöne hinzu zu mischen oder zu entfernen. Ein wenig erinnert mich dieser Effekt an den Sound Designer aus Melodyne 4, wo ja auch schmalbandig gearbeitet werden kann (EQ) oder definierte Obertöne angehoben oder abgesenkt werden. Anders als bei Melodyne lassen sich bei EQivocate jedoch alle Filterbewegungen als Animation aufzeichnen.

Zum anderen lassen sich die einzelnen Frequenzbänder auch verschieben. Dabei verschiebt man die benachbarten Bänder gleich mit, und es kommt beispielsweise zu solch einer Konstellation …

… oder zu solch einer:

Wie im unteren Bereich der Bedienoberfläche zu sehen, dehnt oder staucht man die Verteilung der Filterbänder. Diese Operation kann man mit mehreren Bändern in mehrere Richtungen vornehmen.

Wie Sie vielleicht schon gesehen haben, wird zu jedem Filter in einem Kästchen dessen Eckfrequenz angezeigt. Dieses Kästchen ist zugleich der Anfasser zum Verschieben. Beim Stauchen bzw. Zusammenschieben benachbarter Filter zeigen diese plötzlich alle die selbe Eckfrequenz an.

Es kommt dennoch nicht zu schrillen Resonanzen. Diese werden vermieden, indem automatisch nur noch einer der Filter aktiv ist, die über identische Eckfrequenzen verfügen. Das erkennt man an den Pegelanzeigen. Hier sind von drei Filtern bei 79 Hertz zwei offensichtlich inaktiv:

Sobald man die Filter minimal verschiebt, sodass sie mindestens um 1 Hertz voneinander abweichen, schlägt die Pegelanzeige wieder aus. Dennoch kommt es nicht zu Resonanzen.

Per Doppelklick gelangt man zur Eingabe von Werten. Man muss also nicht die Feinmotorik bemühen, um präzise zu arbeiten.

Die eckige Grafik im unteren Bereich zeigt die Dreiecksfilter und deren Wirkungsbreite. Letztere hat auf den Lautstärkeverlauf (anders als bei herkömmlichen EQs) allerdings keinen direkten Einfluss. Die Lautstärkekurve ergibt sich über den Verlauf der Gain-Regler. Hat man nur wenige an Bord, so ist diese allerdings nicht aussagekräftig. Ein Echtzeit-Spektrogramm fehlt. Sind allerdings 26 Filter aktiv, bieten die Pegelanzeigen mit Pre- und Post-Gain pro Band ein ausreichendes visuelles Feedback. Die Pegelanzeigen lassen sich abschalten.

Hier entsteht kein Frequenzloch bei 2 kHz, was man anhand des Filterverlaufs, wie er unten angezeigt wird, vermuten könnte:

Über die Schalter Custom und Mel wechselt man zwischen der gleichmäßigen, werkseitig vorgegebenen Verteilung der Bänder und dem eigenen Entwurf nach Dehnen/Stauchen.

Die Anzahl der Filter insgesamt kann man per Aufklappmenü jederzeit ändern:

Über die +/- – Taster unterhalb der Solo-Funktion eines jeden Bandes aktiviert oder entfernt man benachbarte Bänder:

Tooltipps helfen bei der Orientierung.

Das Interface bietet drei alternative Looks. Hier ist der „Newflangled“ – Look, den ich oben bereits verwendet habe:

Über „Reset Gains“ setzt man alles auf Null zurück: Sämtliche Filterbänder sind nun ohne Einfluss.

Über Info erreicht man das PDF-Manual direkt aus dem Interface heraus. Dort habe ich vergeblich nach „undo“ gesucht, in der Hoffnung, dass diese Funktion irgendwo versteckt ist. Das ist sie leider nicht. Da man sich beim Einstellen der Bänder schnell vergaloppiert hat, ist das ein kleines Manko.

EQivocate ist zwar nicht schwierig zu bedienen, das Plug-in verhält sich aber klanglich nicht wie herkömmliche EQs, sodass man sich erst einmal einarbeiten muss. Hat man die Bänder erst einmal verschoben, die Verteilung also gedehnt und/oder gestaucht, so kommt man nicht einfach wieder zurück. Die durch das Verschieben eines Bandes betroffenen Nachbarbänder rutschen nämlich nicht mehr in ihre Ausgangsposition zurück, wenn man das manipulierte Band zurück bewegt.

Man kann allerdings Zwischenergebnisse, die des Archivierens wert erscheinen, über Save abspeichern. Sie werden später komfortabel wiedergefunden, d.h.: ohne umständliche Navigation durch die Ordnerhierarchie des Rechners. Auch eigene Ordner können angelegt werden.

 

Klangbeispiele

Wir starten mit einem Preset aus Toontracks Superior Drummer 3 (Test folgt in Kürze), zunächst das Original:

 

Nun mit dem Preset „Punchy Drums“ aus der Library von EQivocate:

 

Das klingt zwar etwas druckvoller, zugleich aber auch leicht muffig in den Mitten. Presets sind aber ja dazu da, angepasst zu werden. Hier eine Eigenbearbeitung:

 

Der Sound klingt ein wenig offener als das Original.

Die Bearbeitung geht leicht von der Hand: Man fügt bei laufendem Playback Bänder hinzu (soweit erforderlich über die Plus-Taster), verschiebt sie und experimentiert mit deren Lautstärke. Dabei stellt sich heraus, dass eine Formung des kritischen Bassbereichs sehr gut gelingt. Man kann ein überbetontes Low End wie mit einem steilflankigen Cut-Filter gut begrenzen. Im Höhenspektrum muss man ein wenig aufpassen, dass der Klang nicht zu spitz wird. Zu wenige oder zu sehr verstärkte Bänder klingen zwar nicht kalt oder technisch aber etwas analytisch. Einen gleichmäßigeren und gut ausbalancierten Klang in den Höhen erreicht man eine höhere Auflösunf an Bändern mit dezenter Anhebung.

Beim letzten Audiodemo habe ich diese Einstellung verwendet:

Hier habe ich auf 19 Bänder erhöht und von Custom auf Melow Spacing umgeschaltet:

 

Apropos Spacing: Der größte klangliche Unterschied zu einem herkömmlichen EQ besteht darin, dass EQivocate mit dem Anheben oder Absenken von Frequenzen auch den Raumanteil in diesem Frequenzbereich betont. Daher kommt auch der leicht muffige Sound beim ersten Einsatz: Hier wurde der Raumanteil bei den unteren Mitten betont.

Für das nächste Anwendungsbeispiel habe ich zwei Loops aus Ueberschall Rare Grooves verwendet. Wie immer zunächst das Original:

 

Die Mastering Presets aus der Library von EQivocate gehen äußerst behutsam mit dem Signal um und sind etwas für feine Ohren. Bei der 196k-mp3-Qualität, die wir hier auf releasetime bieten, wäre der Effekt kaum differenziert wahrnehmbar. Daher habe ich die Kurve etwas stärker geformt, nämlich so…

… mit diesem Ergebnis:

 

Die Filter befinden sich nun im Custom-Modus. Schaltet man auf dem Mel-Modus um, so werden wie eingangs erwähnt, die charakteristischen Frequenzen des menschlichen Hörens berücksichtigt. Die Eckfrequenzen der Filter verschieben sich also. Nun hört es sich so an:

 

Bei 21 Bändern, die auch im Custom-Modus einigermaßen gleichmäßig verteilt sind, ist der Unterschied minimal, wenn man analytisch hört. Beim musikalischen Gefühl hingegen tut sich etwas: Es klingt subtil angenehmer und natürlicher – wie vom Hersteller versprochen.

Nun habe ich versucht, einen ähnlichen Kurvenverlauf mit anderen Equalizern herzustellen. Zunächst mit dem Pro-Q2 von FabFilter (ebenfalls ein Linear Phase EQ):

 

Der Unterschied ist deutlich: Während EQivocate dezent vorgeht und den ursprünglichen Charakter des Originals betont (der Retro-Sound bleibt erhalten, die Mikrofonierung und die Rauminformationen, die einen Großteil des Vintage-Feelings ausmachen, werden sogar hervorgehoben), macht der FabFilter Pro-Q den Sound kräftiger, moderner und ein wenig Hi-Fi-mäßiger. Das liegt bei diesem Beispiel natürlich am Kurvenverlauf …

Der API 560 Stereo von Waves verfügt nur über 10 Bänder und klingt bei ähnlichen Einstellungen so:

 

In den Höhen wirkt er bei weitem nicht so offen wie EQivocate. Die API-Emulation bringt einen allerdings schönen Analog-Touch mit sich. Solche Färbungen kann und soll der EQivocate nicht bewirken.

EQivocate kann auch Spezialeffekte, wie etwa einen Kammfilter. Dazu schaltet man einfach jedes zweite Band auf Solo und fräst auf diese Weise Lücken ins Spektrum:

 

Mit gehaltener STG-Taste schaltet man der Reihe nach einzelne schmale Frequenzbänder ein und aus. So lassen sich wunderbar Lo-Fi-Sounds erzeugen.

Mini Speaker:

 

Playing Next Door:

 

Matching

Kurz nach dem Erscheinen von EQivocate hat der Hersteller auch die VST 3 – Version nachgeliefert, die von VST-Usern dringend benötigt wird, um die Matching-Funktion zu verwenden. Denn im VST-Format funktioniert das hierfür erforderliche Sidechaining nur mit VST 3.

Matching dient dazu, den Klang eines Mixes an ein Referenzsignal anzupassen. Mögliche Anwendungsgebiete habe ich eingangs bereits erwähnt.

Für das Matching platziert man die VST 3 – Variante von EQivocate im Kanal des Signals, dessen Frequenzgang angepasst werden soll, und verbindet das Audiosignal des Referenztracks mit dem Sidechain-Input von EQivocate (beispielsweise über das Routing im Mixer). Nun lässt man das Referenzsignal und zugleich das Originalsignal im Playback durchlaufen und klickt in EQivocate auf den Match EQ – Button.

Während des Playbacks kann man beobachten, wie sich die Lautstärkeslider verschieben. Das Besondere beim Matching von EQivocate ist, dass man auch hier im Mel – Modus unterwegs ist, also die Anpassungen das menschliche Hören berücksichtigen.

Für die Demonstration des Matchings habe ich Loops aus Ueberschall-Libraries benutzt. In der Library 60s Psychedelic Rock finden sich zahlreiche Abmischungen, die dem Sound dieser Ära huldigen, also authentisch nach 60er-Jahre-Equipment klingen. Hier das Original:

 

Diesen Klang will ich nun aufpolieren. Als Referenztrack nutze ich einen Loop aus Ueberschall Pop Ballads:

 

Nach dem Matching hört sich der Psychedelic-Loop nun so an:

 

Das Topfige und der etwas mittige Charakter des Originals hat sich komplett gewandelt. Der Mix hört sich deutlich transparenter und ausgesprochen angenehm ausbalanciert an.

Wem der Verlust des Originalklanges, hier des 60er-Jahre-Sounds, zu weit geht, kann das Matching auch stufenlos von 0 bis 100% dosieren. Sogar ein negatives Matching ist möglich, welches den Eigencharakter des Originals im Vergleich zum Referenzsignal noch weiter verstärkt. Und natürlich kann man, soweit erforderlich, die errechnete Kurve auch mittels manueller Korrekturen optimieren.

 

Fazit

EQivocate ist ein EQ der besonderen Art und in puncto Klang und Wirkungsweise nicht mit anderen Equalizern vergleichbar. Der Grafische Equalizer setzt mit seinen (maximal) 26 Frequenzbändern und Linear-Phase-Dreiecksfiltern wissenschaftliche Erkenntnisse zum menschlichen Hören um und greift (im Mel-Modus) genau da, wo im Innenohr die Rezeptoren für charakteristische Frequenzen arbeiten. Im Ergebnis klingt das Signal dadurch vertraut, natürlich und angenehm, psycho-akustisch ein wenig entspannter.

Es wäre falsch, hier die üblichen Begriffe wie runde Bässe oder seidige Höhen zu verwenden, mit denen man gute andere EQs gerne lobt. EQivocate poliert das Signal nicht auf oder verwandelt es in einen Hi-Fi-Sound. Im Gegenteil: Der eigentliche Charakter einer Abmischung wird eher betont und deutlicher wahrgenommen.

Dabei klingt EQivocate keinesfalls kühl oder technisch, es wird aber eben auch keine Wärme oder irgendeine andere Färbung hinzugefügt, die nicht schon vorhanden ist. Bei meinen Versuchen habe ich das Gefühl gehabt, dass insbesondere die Mikrofonierung und die Raumakustik betont werden.

Geht man also mit den üblichen Erwartungen an diesen EQ heran und sucht nach einem edlen Klangverbesserer oder einem Vintage-Tool, so ist zunächst Umdenken gefragt. Nach kurzer Zeit hat man sich aber in die besondere Wirkungsweise von EQivocate hineingefühlt und möchte diesen Effekt nicht mehr missen, auch wenn man ihn im Mix oft nur dezent einsetzen wird. Er führt digital produzierte Musik ein gutes Stück weit näher an das menschliche Hören heran. Überspitzt könnte man sagen, dass EQivocate ein „Wohlfühl-Equalizer“ ist.

Will man das Signal auffrischen, so sollte man vorsichtig an der EQ-Kurve arbeiten. EQivocate ist ein Meister subtiler Klangverbesserungen. Übertreibungen in den Mitten führen zu einem eher topfigen und muffigen Klang, in den Höhen zu feinen Spitzen. Bei Texturen und Geräuschkulissen kann man damit Details herausarbeiten. Einfach und wirkungsvoll gestaltet sich die Arbeit im tiefen Frequenzbereich. Dort hat man mit vielen anderen EQs Probleme – hier nicht.

Neben dem Mel-Modus gibt es den Custom-Modus, in dem man Filter verschieben und auch breitbandiger wirken lassen kann. Hier wird aus dem Grafischen EQ mit festen Frequenzen und gleichmäßigen Filterflanken ein paragrafischer EQ, der auch unsymmetrische Filterflanken aufweisen kann. Man bewegt sich nun aber definitiv von dem eigentlichen Ansatz weg, Frequenzbänder direkt mit besonders sensitiven Arealen im Innenohr zu koppeln.

Undo/Redo gibt es nicht, zwischen dem Mel-Modus und dem Custom-Modus mit eigenen Filter-Eckfrequenzen kann man aber verlustfrei hin- und her schalten. Auch gibt es eine Compare-Funktion zwischen zwei alternativen Bearbeitungen.

EQivocate wird man in der Regel hinter anderen Equalizern und färbenden Effekten im Insert-Rack eines Instruments, einer Gruppe oder des gesamten Mixes einsetzen. Speziell beim Mix macht sich EQivocate sehr gut und ist ein feines Werkzeug für ebenso feine Ohren.

Da man einzelne Filter auch auf Solo schalten kann (und zwar mehrere gleichzeitig) sind auch Spezialeffekte wie Kammfilter, blecherne Mini-Speaker oder Playing Next Door möglich. Komplexe Filterbewegungen und das Ein- und Ausschalten von Filtern lassen sich automatisieren, was ungewöhnliche Klangexperimente eröffnet.

Auch beim Matching kann EQivocate mit einem natürlichen Klang punkten. Die Ergebnisse sind rundum überzeugend. Wenn ich an den guten alten TC Assimilator denke, so ist EQivocate einen Quantensprung weiter.

Zu einem fairen Preis von 99.- US-Dollar ist EQivocate ein interessantes, einzigartiges Tool, das jeder, der seinem Mix etwas Besonderes gönnen will, ausprobieren sollte.

Testautor: Holger Obst

Plus:

  • einzigartiger, neuer Ansatz – hebt sich von anderen Equalizern deutlich ab
  • im Ergebnis entsteht ein vertrauter, natürlicher Klang
  • Korrekturen im kritischen tiefen Frequenzbereich gelingen besonders unproblematisch
  • überzeugendes Matching
  • einfache Bedienung
  • Automation komplexer Filterbewegungen

Minus:

  • kein umfassendes Undo/Redo

System:

  • Mac, PC
  • AU, VST 2, AAX
  • 32 und 64 Bit
  • iLok-Account

Hersteller/Vertrieb:

Newflangled Audio / Eventide

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