Test: Native Instruments Emotive Strings
|Emotive Strings bietet eine Fülle fertiger Streicher-Phrasen für das schnelle Komponieren von kinoreifen Soundtracks. Geboten werden temposynchrone und skalierbare Melodien, Arpeggien sowie rhythmische, auf einer Note verbleibende Muster.
Überblick
Den Aufnahmen zur Library ging eine Analyse der in Hollywood-Filmen verwendeten Streicher- Kompositionen voraus. Damit ist die zentrale Anwendung definiert: Emotive Strings soll dazu dienen, realistisch und lebendig klingende cineastische Streicher-Arrangements zu erstellen – ohne großen Aufwand, ohne langwierige Einarbeitung und ohne profunde Kenntnisse des Metiers oder der Harmonielehre. Im vom Termindruck geplagten Filmmusikgenre ist Zeit Geld, und hier sucht man nach schnell umsetzbaren und zugleich überzeugend klingenden Lösungen. Wir werden sehen, wie nah Emotive Strings diesem Ideal kommt.
Zunächst die wichtigsten Merkmale der Library:
- Emotive Strings liefert ein komplettes Streicher-Ensemble. Über den Browser können Melodien für Bässe und Celli oder Violas und Violinen geladen und über mehrere Instanzen kombiniert werden.
- Innerhalb einer Instanz können zehn verschiedene Phrasen geladen und über Key-Switches umgeschaltet werden.
- Insgesamt stehen 175 zweitaktige Phrasen bereit. Diese sind bereits in 72 Themen kombiniert, können jedoch auch einzeln geladen werden.
- Alle Phrasen werden temposynchron wiedergegeben. Für extreme BPM-Werte steht zusätzlich eine Halbierungs- oder Dopplungsfunktion des Tempos zur Verfügung.
- Neben dem klassischen 4/4-Takt werden auch Phrasen in ungeraden Taktarten, darunter sogar 5/8 oder 7/8 angeboten.
- Je nach Art der Phrase wird über die Anschlagsdynamik gesteuert, ob diese in Dur oder Moll wiedergegeben wird.
- Über das Modulationsrad lässt sich der dynamische Verlauf steuern. So lassen sich Crescendi und Descrescendi beziehungsweise Spannungsbögen mit Leichtigkeit realisieren.
- Einige Phrasen verfügen über ein automatisches Divisi – einen Stimmenverteilung je nach Anzahl der gegriffenen Noten.
- Für die Gestaltung des Raumklangs sorgen zwei schaltbare Mikrofonpositionen, Close und Stage.
- Ein interner Faltungshall liefert passende Ambiences.
- Die Bedienung ist einfach gehalten und auf eine schnelle Zusammenstellung kompletter Arrangements ausgelegt.
- Emotive Strings wurde von Dynamedion entwickelt und soll laut Hersteller eine ideale Ergänzung zu den vom selben Team konzipierten Action Strings und Action Strikes darstellen.
Installation
Emotive Strings läuft auf dem kostenlosen Kontakt 5 Player oder der Vollversion von Kontakt 5 und wird mit dem produktspezifischen Downloader heruntergeladen. Die insgesamt 19,7 GB große Datei (verlustfrei komprimiert; 28 GB entpackt) muss dabei nicht in einem Rutsch auf die Festplatte geschrieben werden. Man kann den Downloader jederzeit pausieren lassen, auch den Rechner herunterfahren und am nächsten Tag weiter machen.
Die Autorisierung vollzieht sich reibungslos durch Klicken auf den Activate-Taster im Emotive Strings-Instrumenticon des Kontakt Library-Browsers. Im Hintergrund startet das Native Instruments Service-Center automatisch, und man muss nur noch seine Seriennummer per Copy & Paste eingeben.
Grundlegende Struktur
Im Gegensatz zu den NI Session Strings Pro, bei denen ein MIDI-Pattern-basierter Animator für rhythmische Streichereinlagen sorgt, wurden die Phrasen von Emotive Strings von einem Streichorchester live eingespielt (und dann geloopt), was zu einem natürlichen, fließenden Klang führt.
Am unteren Rand des Interfaces befinden sich die Menüs Sound, Slot 1-5, Slot 6-10 sowie Playback. In die Slots werden die Phrasen geladen, entweder als übergreifendes Thema (mit Belegung von fünf Slots) oder als einzelne Passagen. Im unten abgebildeten Beispiel sind alle Slots mit Phrasen belegt. Über die rot eingefärbten Key-Switch-Tasten (ab C0) kann zwischen den Phrasen gewechselt werden, alternativ per Klick im Interface. Da die Key-Switches nicht transponierbar sind, ist eine 88er Klaviatur empfehlenswert, will man alles im direkten Zugriff erledigen.
Über die blau eingefärbten Tasten spielt man die betreffende Phrase. Je nachdem ob Bässe und Celli oder Violas und Violinen zugange sind, liegen diese blauen Tastenbereiche in den tiefen oder höheren Lagen der Klaviatur. Mit der Notenhöhe gibt man dabei den Grundton vor. In der Abbildung oben läuft gerade die Phrase des Key-Switches Cis 0 durch, was durch den gelben Kreis links im Notenblatt um Cis 0 herum dargestellt wird – ähnlich einem Uhrzeiger wird die aktuelle Spielposition innerhalb des Loops angezeigt.
Spielt man die oben dargestellte Phrase mit dem Notenwechsel C1-G1-F1-C2, so ergibt sich folgender Verlauf:
Während die Phrase abgespielt wird, bewegt sich zudem die virtuelle Klaviatur und gibt eine zusätzliche Rückmeldung über die Notenfolge.
Fährt man mit der Maus über das Notenblatt, so werden Hintergrundinformationen zur jeweiligen Phrase eingeblendet: Name der Phrase, Taktart und Originaltempo:
Per Klick auf die Phrase gelangt man zum Phrases-Browser:
Klickt man hier auf eine Phrase, so wird diese per Vorhörfunktion automatisch abgespielt und zudem als Notenblatt angezeigt.
Um schneller ans Ziel zu kommen, gibt es einige hilfreiche Einschränkungen:
Per Klick auf High Ens oder Low Ens konzentriert man sich auf die Phrasen der tiefen oder der hohen Streicher-Abteilungen, 4/4 beschränkt die Auswahl auf die geraden Taktarten, Odd auf die ungeraden – und selbst hier gibt es ein erstaunlich reichhaltiges Angebot …
… wenn auch ausschließlich im Single-Pitch-Sortiment, bei dem rhythmische Muster, die auf einer Note verbleiben, gespielt werden.
Single Pitch Phrasen
Die Single-Pitch-Phrasen eignen sich gut für polyfone Progressionen, hier eine einfache Dreiklang-Variation im 7/4-Takt:
Ähnlich, dieses Mal jedoch im 4/4-Takt und der Phrase „Bulgarian Figure 1“:
Die Single-Pitch-Phrasen verfügen zudem über ein automatisches Divisi: Spielt man eine Note, so wird die Phrase von der gesamten Section wiedergegeben. Spielt man einen Zweiklang, so werden dessen Noten auf zwei halbierte Sections aufgeteilt. Wie im richtigen Orchester (und anders als bei herkömmlichen Sample-Streichern) kommen also nicht plötzlich weitere Streicher hinzu und die Lautstärke bleibt gleich. Ab einem Dreiklang wird die Section allerdings nicht weiter unterteilt: Die dritte, vierte etc. Note wird den halbierten Sections zugewiesen. Im folgenden Audiodemo habe ich zur Verdeutlichung des Divisis eine einfache Viertel-Phrase benutzt und Note für Note einen Vierklang eingespielt. Die Lautstärke erhöht sich mit dem Sprung von einer Note zum Zweiklang nicht, sondern erst mit dem dritten Ton:
Neben einfachen rhythmischen Viertel- und Achtelfiguren, auch in Form von triolischen Varianten, werden eine Reihe von Ostinati, wiederkehrende Muster, angeboten. Hier ein Bass-Ostinato, welches so aussieht …
… und so eingesetzt werden kann:
Mit einer zweiten Instanz von Emotive Strings habe ich die melodische Phrase „The Golden Barge“ für Violas und Violinen hinzugefügt.
Dazu habe ich lediglich das MIDI-Pattern des Bass-Ostinatos auf die neue Spur im Sequencer kopiert und per Modulationsrad einen Lautstärkeverlauf hinzugefügt.
Melodic Phrases
Womit wir bei den Melodic Phrases wären. Hier wird durch die Note die Skala vorgegeben. Über die Anschlagsdynamik bestimmt man, ob die Melodie in Dur (Velocity 0-69) oder Moll (Velocity 70-129) gespielt wird. Einen Lautstärkeverlauf zeichnet man bei Bedarf via Modulationsrad ein. Im folgenden Audiodemo habe ich zwischen den Phrasen Hollow Winds 1 und 2 per Key-Switch gewechselt und diese zunächst in D-Moll, dann in E-Moll getriggert.
Ein Blick in den Browser zeigt, dass nicht alle Melodic Phrases zwischen Dur und Moll umgeschaltet werden können.
Einige Phrasen, wie die in der Abbildung oben angewählte Passage „Apocalypse 2“ bewegen sich chromatisch, sodass eine Dur/Moll-Variante ausfällt. Apocalypse 1 und 2 produzieren cineastische Spannung und Dramatik auf Knopfdruck:
„Renegades“ eignet sich für einen früheren Zeitpunkt im filmischen Spannungsaufbau:
Die selbe Phrase bei 170 BPM (Originaltempo 105 BPM) und mehrstimmig erzeugt eine schräge Klangkulisse zwischen Herzschmerz und Bedrohung.
Im nächsten Audiodemo habe ich die Melodie „The Golfen Barge“ …
bei 90 BPM (Originaltempo 110 BPM) in C-Moll, D-Moll, E-.Moll und F-Dur eingespielt, dazu mit einer zweiten Instanz von Emotive Strings eine einfache Basslinie, basierend auf der Phrase „4th Notes Low“
Hier die MIDI-Trigger-Noten mit nachträglich aufgenommener Dynamikkurve per Modulationsrad:
Alles in allem eine einfache, schnell zusammengestellte Passage, die sich folgendermaßen anhört:
Auch die notwendige Feinarbeit hält sich in Grenzen. Die Loops sind absolut sauber geschnitten. Ebenso sauber müssen sie eingespielt werden, damit beim Notenwechsel keine Lücken oder Ungenauigkeiten im Timing entstehen. Dazu ist es in der Regel erforderlich, die Notenanfänge und Enden hart zu quantisieren. In einzelnen Fällen empfiehlt es sich, den Notenbeginn geringfügig manuell nach vorne zu ziehen, und zwar immer dann, wenn die Streicher sanft einsetzen und dieser weiche Attack im Zusammenspiel mit anderen Loops etwas zu verhalten oder verzögert klingt.
Insgesamt ist es erstaunlich, wie gut man die einzelnen Phrasen (auch verschiedener Themen) miteinander kombinieren kann. Schließlich wurden sie ja nicht in einem Rutsch, sondern teils mit großem zeitlichen Abstand aufgezeichnet. Es gibt keine großen Lautstärkesprünge oder auffällige Unterschiede in der Interpretation beziehungsweise im künstlerischen Ausdruck. Das Streichorchester hat sehr diszipliniert und dennoch gefühlvoll ganze Arbeit geleistet. Emotive Strings ist keine bemühte Zusammenstellung von Versatzstücken, sondern ein geschmackvoll komponiertes Puzzle, dessen einzelne Teile sehr flexibel miteinander agieren können.
Emotives
Besonders ausgefuchst, wenn auch in der Auswahl deutlich eingeschränkter als die Melodic Phrases präsentieren sich die Emotives:
Hierbei handelt es sich um legato eingespielte Runs und kleine minimalistische Figuren, die skalengetreu gespielt werden. Die Triplets updown und die beiden 8th updown Scales verfügen zudem über alternative Aufwärts/Abwärts-Bewegungen. Ob es hier auf- oder abwärts geht, wird über die Anschlagsdynamik gesteuert, dynamische Verläufe wie gehabt per Modulationsrad.
Lädt man ein Emotive, so tauchen auf dem virtuellen Keyboard neben den bekannten roten und blauen Tasten grüne Steuertasten auf:
Im Bereich der grünen Tasten spielt man einen Dur- oder Moll-Dreiklang, mit dem man die Skala vorgibt. Anschließend reduzieren sich die blauen Tasten auf jene Trigger-Noten, die der vorgegebenen Skala entsprechende Läufe oder Melodien produzieren. Bei C-Dur sind folglich nur noch die weißen Tasten aktiv. So sieht es bei C-Moll aus:
Im oberen Bereich des Interfaces wird über ein Infofeld angegeben, welche Tonart über die grünen Steuertasten gewählt ist und ob bei der gewählten Phrase die Velocity die Funktion des Wechsels zwischen Auf- und Abwärtsbewegung bereitstellt.
Im nächsten Audiodemo hören Sie eine C-Moll-Variation mit der Phrase Emotive 8th updown scales.
Es kommt allerdings nur die Aufwärts-Variante zum Einsatz. Die Kontrabässe kommen von einer zweiten Instanz von Emotive Strings. Hier habe ich eine einfache Single-Pitch-Phrase (Ending Notes Low – Marcato) bei halber Geschwindigkeit benutzt, um lange Sustains zu erzielen.
Wie die beiden MIDI-Pattern zeigen, ist auch hier die Arbeit am Keyboard minimal und setzt keinerlei Spielfertigkeit auf der Klaviatur voraus:
So hört es sich an:
Die Auswahl an Emotives für Kontrabässe und Celli ist praktisch nicht vorhanden und beschränkt sich auf ein Marcato-Ending. Das sollte uns jedoch nicht weiter betrüben. Wie das vorherige Audiodemo zeigt, sind Single-Pitch-Phrasen des Low-Orchestras bestens geeignet, um mit den Emotives der Violas und Violinen zusammen zu wirken.
Arpeggios
Die Auswahl an Arpeggios deckt die Klassiker ab: Viertel-, Achtel- und Sechzehntelnoten, auch triolisch, auf- und abwärts:
Arpeggios werden ausschließlich von Violas und Violinen gespielt. Um die Arpeggios in Szene zu setzen, spielt man im Bereich der blauen Tasten Dur- oder Moll-Akkorde und deren Umkehrungen beziehungsweise harmonisch passende Akkordprogressionen.
Im folgenden Audiodemo habe ich das Up-Down-Arpeggio in 16tel Noten verwendet, Originaltempo 110 BPM, eingespielt bei 80 BPM:
Den Lautstärkeverlauf habe ich per Modulationsrad leicht variiert: jeweils auf dem Höhepunkt der einzelnen Runs entsteht so auch ein dynamischer Höhepunkt, womit die wogende Bewegung unterstrichen wird:
Das Ganze hört sich folgendermaßen an:
In der Notation:
Der kleine Plop am Ende des ersten tiefen A2 nach 2 Takten ließ sich auch mit den Mitteln der Release-Funktion, zu der wir noch kommen werden, nicht umgehen. Im Großen und ganzen klingt das Ergebnis jedoch echt und musikalisch. Im Verbund mit einer zusätzlichen Orchestrierung, etwa Kontrabässen oder Percussion kann eine eindrucksvolle cineastische Klangkulisse entstehen.
Im folgenden Audiodemo habe ich das Low Ensemble mit der Phrase Half Notes Low hinzugefügt, um weitere Akzente zu setzen Kesselpauken (Wirbel und Schlag) sowie Becken aus Quantum Leap Hollywood Orchestral Percussion:
Um die Emotive Strings besser in Szene zu setzen, habe ich im Folgenden noch eine Priese Noveltech Character (Anhebung des Obertonspektrums) hinzugefügt, außerdem den Eventide UltraChannel (hier: Equalizer, geringfügige Kompression per O-Pressor, dezente Beimischung von Micro-Pitch für mehr Panorama) und schließlich, ganz vorsichtig, den SPL De-Verb, um den Raumklang etwas zu differenzieren. High- und Low-Orchestra habe ich über separate Ausgangskanäle von Kontakt laufen lassen, um sie mit eigenen Instanzen der oben genannten Plug-Ins zu bearbeiten..
Kleiner Tipp: Auf unserem Testsystem wurde Emotive Strings folgendermaßen geladen:
Mit dieser Einstellung hat man zwar einen direkten Zugriff auf die Themenauswahl (dazu gleich mehr), nicht aber auf die Einzelausgänge. Will man diese aktivieren, so klickt man einfach auf den Info-Button neben dem Kamerasymbol in der oberen Menüleiste:
Der Themes-Browser
Bislang haben wir uns ausschließlich im Phrases-Browser bedient. Es gibt jedoch auch eine Auswahl an Themen. Hier hat der Hersteller Phrasen zusammengestellt, die besonders gut miteinander harmonieren.
Innerhalb der beiden Slot-Menüs erreicht man den Themes-Browser bequem über das Lupensymbol oben rechts im Notenblatt:
Die Auswahlfunktionen entsprechen dem Phrases-Browser.
Das Thema Afterlife besteht aus einem Ostinato als Opener, drei melodischen Phrasen und einem Ending.
Hier eine kleine Kombination dieser Phrasen, wobei Phrase 2 (Key-Switch Cis 0) zweimal hintereinander in verschiedenen Tonhöhen spielt …
… wiederum mit Dynamiksteuerung via Modulationsrad. Dem Höreindruck nach kommen dynamische Layer zum Einsatz. Eine Steigerung der Lautstärke mündet in einen expressiveren Klang.
Wie wir zuvor schon gesehen haben, lassen sich mit Emotive Strings auch unproblematisch Phrasen kombinieren, die vom Hersteller nicht innerhalb eines thematischen Blocks zusammengestellt sind. Lädt man Phrasen in einen leeren Slot, so wird automatisch der betreffende Key-Switch angelegt. Eigene Zusammenstellungen von bis zu 10 Phrasen können als Snapshots abgespeichert werden.
Hierzu klickt man zunächst auf das Kamera-Icon in der oberen Menüzeile des Interfaces, dann auf das Floppy-Disk-Icon …
… gibt einen passenden Namen ein und speichert ab.
Geladen werden die Eigenkreationen später nicht über den Browser, sondern über den kleinen Pfeil neben dem Namensfeld und über die User-Bank:
Wozu solche Snapshots? Natürlich werden Phrasen-Zusammenstellungen auch innerhalb des Host-Sequencer-Projekts abgespeichert. Aber abgesehen davon, dass zueinander passende Phrasen durch deren vielseitige tonale Spielbarkeit auch in neuen Projekten erneut aufgegriffen und dort ganz anders eingesetzt werden können, eignet sich diese Methode, wenn man innerhalb eines Projekts mit mehreren Instanzen arbeitet, um einzelne Phrasen eines selbst erarbeiteten Themas über die Einzelausgänge von Kontakt simultan zu nutzen und/oder getrennt abmischen zu können oder um die beiden Mikrofonpositionen zu mischen.
Das Sound Menü, die Klangeigenschaften und die Klangqualität
Das Sound Menü gibt sich spartanisch: Es gibt zwei voreingestellte Equalizer-Presets, eine Stereoverbreiterung, eine Nah- und Stage-Mikrofonierung sowie einen Faltungshall mit einigen Presets.
Beim letzten Audiodemo habe ich diese Einstellungen des Sound_Menüs verwendet:
Am direktesten klingt es erwartungsgemäß mit der Nah-Mikrofonierung, ohne Stereo-Verbreiterung und mit ausgeschaltetem Faltungshall. Beim Umschalten der Mikrofonierung werden die neuen Samples geladen und die nicht mehr benötigten aus dem Arbeitsspeicher gelöscht. Dieser Vorgang dauerte auf unserem Testsystem bis zur Spielbereitschaft etwa ein bis zwei Sekunden – sicherlich kein Manko. Schöner wäre es allerdings, wenn man die Mikrofonpositionen mischen, im Panorama platzieren könnte und vielleicht noch über eine weitere Raummikrofonierung verfügen würde, sodass Emotive Strings von Haus aus bereits für eine Surround-Abmischung geeignet wäre. Eine solche kann man nur über mehrere Instanzen und dann am besten mit entsprechenden externen Raumsimulatoren einrichten.
Zum Vergleich das letzte Audiodemo mit Nah-Mikrofonierung und ohne Stereo-Verbreiterung:
Der Klang ist angenehm nah, präzise, warm und zugleich in den Höhen strahlend. Mit Stereo-Verbreiterung öffnet sich das Panorama:
Für meinen Geschmack ist das die ideale Kombination.
Zu den Master EQ-Settings finden sich auch im Handbuch keine Angaben. Man findet die Equalizer jedoch unter der Haube im Edit-Modus der Kontakt 5 Vollversion: Zum Einsatz kommt hier eine Kombination dreier EQs plus Filter: Eine leichte Anhebung bei rund 110 Hz:
sowie ein parametrischer Dreiband-EQ mit dieser Einstellung als Master EQ1 …
… und dieser Version als Master EQ2:
Daneben ist noch ein dritter EQ mit einer leichten Absenkung bei rund 700 Hertz sowie ein High-Pass-Filter zum Kappen der Tiefenbässe am Werk, die beide nicht über das Emotive-Strings-Interface ein- oder ausgeschaltet werden können.
In der Position 1 des Master EQ werden die Mitten leicht ausgedünnt und die Höhen leicht angehoben. Die Position 2 vermittelt hingegen einen mittigeren Klang. Hier addiert sich die Anhebung zweier interner Equalizer im unteren Frequenzbereich. Position 1 nimmt den Streichern etwas an Volumen, Position zwei drückt etwas in den Mitten. Beide Alternativen verändern den Klang nicht wesentlich. Daher verzichte ich an dieser Stelle auf Audiodemos, die in unserer 128k mp3-Qualität diese Nuancen unzureichend abbilden würden. Mit Eingriffen in die beiden internen Equalizer über den Edit-Modus der Kontakt 5 Vollversion oder mit externen Equalizern sind ohne Zweifel individuellere und weiterführende Anpassungen möglich.
Auch die Nah-Mikrofonierung beinhaltet immer noch einen Raumklang, ist also nicht trocken. Fast alle Mitbewerber im weiten Feld der Sample-Libraries klassischer Instrumente (einschließlich Chören) verwenden keine schalltote oder extrem schallarme Umgebung, sondern Konzertsäle, Opernhäuser oder größere Aufnahmeräume in spezialisierten Studios und bilden den Raumklang auch bei den Nah-Mikrofonierungen mehr oder weniger dezent mit ab.
Die Emotive Strings folgen dieser Tradition, gehören bei der Nah-Mikrofonierung aber zu den Streichern mit differenziertem, transparentem Klang, nahe daran, einzelne Instrumente hörbar zu machen. Mancher Mitbewerber liefert auch bei der Nah-Mikrofonierung einen distanzierteren, weniger intimen und weichen oder auch verwascheneren Klang.
In ihrer Preisklasse setzen die Emotive Strings Maßstäbe. Detailreichere Aufnahmen mit einer Klangqualität auf Referenzklasseniveau finden sich erst in den hohen Preisklassen und hier – wenig vergleichbar – in Form von Instrumenten-Libraries mit zahlreichen Artikulationen, nicht als temposynchrone fertige Phrasen.
Hier noch einmal das zuletzt benutzte Thema, nun jedoch in der Nah-Mikrofonierung, mit Stereo-Verbreiterung und dem eingebauten Faltungshall, Modell Konzerthalle:
Für das Arrangieren reicht dieser Hall allemal. Neben der Konzerthalle stehen weitere Räume zur Disposition:
Wem diese Auswahl und die einfache Regelung per Amount-Regler nicht reicht, wechselt über das Schraubenschlüssel-Symbol links in der oberen Menüleiste des Emotive-Strings-Interfaces in den Edit-Modus von Kontakt 5 (Vollversion) und findet dort neben weiteren Hallpresets regulierbare Größen für Frühe Reflexionen und Hallfahne (mit verschiebbarer Trennlinie zwischen den beiden), Tief- und Hochpassfilter und, für experimentelle Anwendungen, eine Hüllkurve für den Lautstärkeverlauf der Reflexionen nebst Rückwärts-Funktion.
Auch auf den Stereo-Verbreiterer haben Besitzer der Vollversion von Kontakt 5 Zugriff: In der Porition „wide“ des Interfaces werden dessen Möglichkeiten nicht ausgereizt. Wer noch mehr Panoramasound mit internen Mittel erreichen möchte, dreht einfach den Spread-Regler auf …
… bei steigenden Werten zunehmend zu Lasten der Mono-Kompatibilität. Diese ist übrigens ohne Spread ausgezeichnet und mit der voreingestellten Spread-Version per GUI immer noch gut.
Zurück zum letzten Audiodemo, an dem ich noch etwas mit externen Mitteln gefeilt habe. Das Finish könnte sich dann so anhören – wenn man die Streicher strahlend und dominant klingen lassen möchte:
Hier kamen zum Einsatz: der Eventide UltraReverb (Preset Concert Hall), der iZotope Dynamic EQ (um die Bewegung im Klangspektrum etwas zu betonen), der Fabfilter Pro Q2 (zur Anhebung dominanter Teilspektren und der Höhen) und, vorsichtig dosiert, der Waves Aphex Aural Exciter (zur allgemeinen Anreicherung des Obertonspektrums).
Das Playback-Menü
Im Playback-Menü finden sich einige nützliche Funktionen, um das Spielverhalten an die Erfordernisse anzupassen:
Phrase Release bezeichnet die Ausklingkeit der Phrase nach dem Note-Off. Die Justierung dieses Parameters kann sehr nützlich sein, um einen winzigen Bruch zwischen dem Übergang zweier Phrasen zu überbrücken. Auch für die Endings kann hier ein abruptes oder sanftes Ausklingen eingestellt werden.
Legato Transitions bezeichnet die Lautstärke der Übergänge zwischen Phrasen mit Legato.
Die Emotives verfügen über ein solches Legato, welches automatisch bei Notenwechseln eingefügt wird.
Hier ein Beispiel für das Legato. Um das Legato deutlich zu machen, habe ich dessen Lautstärke auf 20dB gestellt:
So klingt es entsprechend übertrieben und nach einem Ensemble, welches die Übergänge noch üben muss. Bei 10 dB hört es sich schon besser an:
Damit das Legato zum Einsatz kommt, ist es erforderlich, die Noten mit einer minimalen Überlappung zu spielen. Eine harte Quantisierung der Notenenden würde kein Legato auslösen, eine zu weit gefasste Überlappung würde dazu führen, dass das Motiv in diesem Bereich auf zwei Tonhöhen gleichzeitig erklingt. Die Feinarbeit erledigt man mit wenigen Mausklicks im Editor des Sequencers:
Per Rechtsklick lassen sich die Regler via MIDI-Learn einem externen Controller zuweisen. Eine individuelle Steuerung der Legato-Lautstärke und der Releasezeit kann unter Umständen zu weiter verbesserten Ergebnissen führen.
Tempo erlaubt die Halbierung oder Verdopplung der Abspielgeschwindigkeit und kommt in Betracht, wenn Projekte ein extremes Tempo erfordern (über 200 oder unter 80 BPM).
Systemanforderungen
Die Beanspruchung des Prozessors lag auf unserem Testsystem (s. Anhang) auch bei niedriger Puffergröße und entsprechend geringer Latenz unterhalb von 10%. Während andere aufwändige Sample-Libraries unter diesen Bedingungen gelegentlich dazu neigen, dass kurze CPU-Last-Peaks auftreten, die kleine Knackser verursachen, zeigen sich die Emotive Strings hier sehr genügsam.
Der Arbeitsspeicher wird hingegen stärker beansprucht: Bei Vollbelegung der 10 Slots wird die Ein-Gigabyte-Grenze oft überschritten.
Fazit
Native Instruments Emotive Strings eignet sich für das schnelle Komponieren filmmusikreifer Streicherpassagen. Dabei werden von einem Streichorchester eingespielte, temposynchrone Phrasen zusammengefügt. Dank Time Machine Pro (Kontakt 5) gelingt die Tempoanpassung in weiten Bereichen artefaktfrei und in vorzüglicher Qualität.
Die Phrasen sind nach Themen geordnet, die produktionsfertige Sets von Motiven darstellen. Das Einspielen ist kinderleicht und verlangt weder Fingerfertigkeit noch Kenntnisse der Harmonielehre. Überzeugende cineastische Passagen gelingen in kürzester Zeit. Emotive Strings kann abseits der Filmmusik jedoch auch Pop- und Rock-Kompositionen bereichern. Wogende Streicher können Balladen versüßen – am anderen Ende des Spektrums haben schon Deep Purple mit einem Sinfonieorchester experimentiert. Warum also nicht neue Schritte wagen und die Strings mit Elektro-Beats kombinieren?
Über die alternativen Mikrofonpositionen Close und Stage in Kombination mit der Stereo-Verbreiterung erhält man einen Panorama-Sound, an dem nicht mehr viel zu basteln ist.
Die Audioqualität spielt sich auf hohem Niveau ab: Die Streicher strahlen in den Höhen, wirken transparent und detailreich. Wie bei den meisten Sample-Libraries klassisch-orchestraler Instrumente beinhaltet auch hier die Nahmikrofonierung noch einen Raumanteil. Sie ist jedoch trocken genug, um beim Hinzumischen eines Halls keinen verwaschenen Klang durch eine übermäßige Überlagerung von Raumanteilen zu erhalten.
Die Close- und Stage-Mikrofonierung steht nicht gleichzeitig innerhalb einer Instanz von Emotive Strings zur Verfügung. Für eine Surround-Abmischung out of the box fehlt eine zusätzliche Surround- oder Raum-Mikrofonierung.
Zur Natürlichkeit und Echtheit des Klanges trägt bei, dass die Phrasen von einem Streichorchester ebenso diszipliniert wie gefühlvoll eingespielt wurden. Hier werden nicht auf MIDI-Pattern-Basis einzelne Töne aneinandergehängt, sondern es kommen Audioloops zum Einsatz. Diese sind absolut sauber aufgenommen und geschnitten. Auch Phrasen aus unterschiedlichen Themen lassen sich in der Regel ohne Brüche oder hörbare Nahtstellen aneinanderreihen.
Hinzu kommt die Möglichkeit, einige Phrasen per Legato miteinander zu verbinden. Per Modulationsrad kann eine fließende Dynamikkontrolle für Crescendi und Decrescendi verwirklicht werden, die die Ausdruckskraft des Orchesters immens steigern kann. Die Single-Pitch-Phrasen verfügen darüber hinaus über ein automatisches Divisi.
Auch für die skalengetreue Wiedergabe ist gesorgt: Arpeggien und Emotives lassen sich in definierten Dur- und Moll-Tonarten spielen, zahlreiche Ostinatos bieten universell einsetzbare rhythmische Muster.
Die Auswahl an Phrasen über den gut sortierten Kategorien- und Attribute-Browser erweist sich als zweckdienlich und zielführend. Hier können auch Phrasen des Low- und High-Orchester-Ensembles (Bässe und Celli vs. Violas und Violinen) separat angezeigt und geladen werden. Eine Vorhörfunktion mit Notenblattanzeige erleichtert die Suche.
Spartanisch sind die technischen Möglichkeiten zur weiteren Klanggestaltung: Der über die Oberfläche direkt erreichbare Faltungshall und die beiden statischen Equalizer-Presets sind für die Phase des Arrangierens nützlich, für die finale Abmischung jedoch nicht ausreichend. Besitzer der Kontakt 5 Vollversion können im Edit-Modus leicht weiterführende Anpassungen vornehmen. Alternativ bietet sich der Einsatz einer externen Klangbearbeitung an.
Im Vergleich zu manchem Mitbewerber, der ebenfalls Runs, Melodien, Ostinati, Arpeggios oder kurze Phrasen eines kompletten Streichorchesters in Form von Audioloops anbietet, klingen die Emotive Strings präsenter, differenzierter und greifen auf einen großen Fundus von Motiven für alle Stimmungslagen zurück. Auch die durchdachte praxisnahe Bedienung, die ein schnelles Erreichen respektabler Ergebnisse ohne große Kenntnisse der Harmonielehre ermöglicht, ist vorbildlich. Unterm Strich sind die Emotive Strings professionell eingespielt, aufgenommen und konzipiert. Der Preis ist günstig.
Holger Obst
Plus
- präsenter, transparenter Klang
- Vielzahl von Motiven
- anspruchslose Bedienung mit raschen Erfolgserlebnissen
- gute Kombinierbarkeit von Phrasen
- fließende Dynamiksteuerung
- skalengetreue Arpeggien
- Divisi für Single-Pitch-Phrasen
- Temposynchronisation in weiten Bereichen artefaktfrei
- vergleichsweise geringe CPU-Beanspruchung
Minus
- keine Raum- oder Surround-Mikrofonierung
- Close- und Stage-Mikrofonierung nicht mischbar
Systemvorrausetzungen
- kostenloser Kontakt Player oder
- Kontakt 5.4.2
- Win/Mac
- AAX, RTAS, AU. VST, standalone
- 32 und 64 Bit
Preis: 299.- EUR
Hersteller:
Testsystem:
- PC Intel Core i7 3930K, Windows 7, Cubase 7, Motu 828 mKII
- Testprojekt mit 44,1 kHz Samplerate und 24 Bit Auflösung.
- Alle Audiodemos in 128k mp3.