Test: Native Instruments Session Guitarist Strummed Acoustic 2

Mit neuen Gitarren, Patterns und Funktionen wartet Session Guitarist Strummed Acoustic 2 auf. Neben einer sechssaitigen Martin ist auch eine zwölfsaitige Guild an Bord.

Die Library für den Kontakt 5 Player beinhaltet nicht das Repertoire von Session Guitarist Strummed Acoustic, sondern ist eine Fortsetzung und Ergänzung der ersten Version, stellt dabei aber auch für sich alleine ein vollständiges Produkt dar.

Auch optisch hat das Instrument etwas zu bieten:

Recording und Studiotechnik

 

Hintergrund

Die beiden Gitarren, die hier gespielt werden, sind eine Martin O-17 Mahogany 6-String, ein beinahe antikes Instrument, welches 1934 gefertigt wurde, sowie eine Guild F-412 12-String aus den 1960er Jahren. Auch bei der Mikrofonabnahme setzte man auf Vintage: Gefell und Schoeps/Strässer Kondensator- sowie ein AEA R84 Bändchenmikrofon bei der Guild. Die Guild wurde über eine SPL Gain-Station (mit Röhrenvorstufe) aufgenommen, was dem Klang eine dezente Sättigung und eine Portion Biss im Obertonspektrum verleiht, ohne dass man es hier zu weit getrieben hätte. Bei der Martin hat man selbst auf diese Hilfsmittel verzichtet. Besonders bei der gedämpften Spielweise klingt sie wunderbar erdig und nach Holz. Beide Gitarren glänzen mit dem drahtigen Sound der Stahlsaiten, hohem Detailreichtum und Transparenz.

Ein Post-Processing hat laut Hersteller nicht stattgefunden, einzige Ausnahme: eine geringfügige Höhenanhebung beim Bändchenmikro, um dessen etwas mittigen Charakter auszugleichen.

Session Guitarist Strummed Acoustic 2 ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Native Instruments und drumasonic, wie auch schon beim Vorgänger. Laut drumasonic ging es darum, im Gegensatz zur sehr „clean“ klingenden Vorgängerlibrary dieses mal einen etwas „schrofferen Sound“ zu bieten.

Das ist allerdings sehr relativ zu betrachten: Man sollte keinen hartgesottenen Straßen-Klampfer erwarten. Die Martin klingt gedämpft gespielt zwar teilweise tatsächlich angenehm lebhaft und ein wenig abseits der Perfektion (im positiven Sinne), doch unterm Strich sind beide Gitarren edel klingende und virtuos spielbare Exemplare.

Es wurden Hunderte von Patterns klassischer und moderner Stile eingespielt. Die Aufnahmen zogen sich über ein halbes Jahr hin. Drei Gitarristen waren beteiligt.

Um die Vielzahl von Patterns in der vorliegenden Form zu kombinieren, war eine Erweiterung der Kontakt-Engine erforderlich. Komplexe Algorithmen sorgen für nahtlose Übergänge bei Wechseln von Patterns, Akkorden sowie eingeflochtenen Griffbrettgeräuschen und einzelnen Artikulationen bzw. Endings.

 

Zusammenfassung
  • 100%
    Klangqualität - 100%
  • 100%
    Authentizität - 100%
  • 85%
    Vielseitigkeit - 85%
  • 90%
    Funktionen: Wechsel der Spiellage auf dem Griffbrett, Dynamikkontrolle - 90%
  • 100%
    Samplemanagement: Akkord- und Phrasenkombinationen - 100%
  • 100%
    Samplemanagement: artefaktfreie Anpassung an das Tempo - 100%
  • 100%
    Bedienkomfort, intuitive Arbeitsweise - 100%
  • 95%
    Preis-Leistungs-Verhältnis - 95%
96%

Zitat aus dem Fazit

Unter den virtuellen akustischen Rhythmusgitarren markiert Session Guitarist Strummed Acoustic 2 eine neue Referenz.

 

Die Martin:

 

Die Guild:

 

Martin und Guild stehen als zwei Kontakt-Instrumente zur Verfügung:

Über eine Klick auf das kleine Dreieck rechts gelangt man unter anderem zum Manual.

 

Rundgang: Die Martin O-17 Mahogany 6-String

Anstatt auf eine ellenlange Liste spezifischer Patches zu setzen, finden sich alle Artikulationen, Variationen und alle Operationen an der Gitarre in den Tabs Patterns, Sound und Playback. Der Song-Browser bietet eine Auswahl von Stilen, jeweils gefüllt mit einer Reihe alternativer Patterns. Artikulationen und genretypische Spielweisen sind in den Patterns enthalten und müssen nicht etwa per Artikulationswechsel, sondern über Key-Switches eingebunden werden. Wem die Auswahl nicht reicht, der kann Variationen der Patterns erstellen – dazu später mehr.

 

Eine Vorhörfunktion gibt es im Gegensatz zum Pattern-Browser nicht, was aber kaum benötigt wird. Per Doppelklick ist man sofort im Hauptmenü und per Klick auf die Titelleiste des Songs wieder zurück im Browser.

Die Patterns erweisen sich als extrem flexibel, was die Tempoanpassung angeht. Die Ergebnisse sind exorbitant gut und artefaktfrei, was mich einigermaßen in Staunen versetzt hat, denn die durchaus gute Qualität des Time-Stretchings, das NI in Kontakt verwendet, wird hier übertroffen.

Der Hersteller hat uns dazu mitgeteilt, dass beim Session Guitarist Acoustic 2 tatsächlich überhaupt kein Time-Stretching verwendet wird, sondern eine eigenentwickelte Technologie. Es gibt mehrere real aufgenommene Originaltempi, von denen immer das zum geforderten Tempo nächstliegende verwendet wird. Wie genau die exakte Tempoanpassung erreicht wird, wird vom Hersteller verständlicherweise nicht verraten.

Kontakts Time Machine Pro liefert in vielen anderen Libraries gute Ergebnisse, wird von dem, was hier geboten wird, aber definitiv übertroffen.

Soweit das Tempo bereits vom Projekt vorgegeben ist und die gewünschte Gitarrenbegleitung definitiv zu langsam oder zu schnell sein sollte, kann man diese auch verdoppeln oder halbieren. Dem Verlangsamen sind allerdings Grenzen gesetzt. Ich habe bei einigen Song-Presets extreme Verlangsamungen ausprobiert. Zwischen 50 und 62 BPM war in diesen Fällen Schluss. Die Gitarren klangen auch im langsamsten verfügbaren, musikalisch nicht mehr sinnvollen Tempo immer noch völlig artefaktfrei. Die Tempoanpassung reicht trotz Begrenzung völlig aus.

Lobenswert ist die Vielzahl unterschiedlicher Stile. Endlich mal eine Library mit Tango-Patterns, genauer gesagt: Surf-Tango. Klassischen Tango mit abrupter Spielweise bastelt man sich selbst durch eine Begrenzung der Patterns und entsprechende Endings.

Neben den diversen Stilen findet man auch

  • Powerchords,
  • Single Notes, bei denen nur ein Ton gespielt wird (aber auch hier als rhythmisches Pattern). Über das Modulationsrad kann man bei den Single Notes bestimmen, ob nur eine Saite oder auch Nachbarsaiten gespielt werden. Dazu folgt weiter unten ein Beispiel.
  • Arpeggios: Hier werden einige Varianten in Puncto Tonumfang und Rhythmik geboten, die allesamt angenehm sanft bis lieblich klingen.
  • Crescendi gehören ebenfalls zum Angebot. Auch hier gibt es eine Reihe von fest vorgegebenen Varianten, die durch die Bank überzeugen können.
  • Auch eine Auswahl von rhythmischen Dead Notes ist dabei. Da Patterns unterschiedlicher Stile in einen „Song“ geladen und per Keyswitch gewechselt werden können, stellen die
  • Dead Notes eine schöne Ergänzung dar, beispielsweise im Zusammenspiel mit Mutes. Über die Anwahl von Patterns via Key-Switches kann man zwischen Mutes und Dead Notes beliebig wechseln.
  • Insgesamt sind mehr als 160 Patterns inbegriffen – eine Auslese der Aufnahmen oben zitierter Sessions.

Die Abteilungen ¾ und Triplets sind bei der Martin deutlich dünner besiedelt als die 4/4 Gangart. Aber Walzer sind natürlich dabei, und unter den Triplets auch Powerchords in 6/8. Die Guild, das sei vorweggenommen, hat im 3/4-Sektor noch weniger zu bieten. Auch das ist kein Problem, denn man kann seine eigenen 3/4-Patterns kreieren, wenn man das möchte (s. weiter unten: Pattern-Editierung).

Hier das angekündigte Beispiel für die Single Notes und den Einsatz des Modulationsrads:

 

So würde es sich ohne Modulationsrad anhören:

 

Singlenotes, gedämpfte Spielweise mit Modulationsrad. Externe Effekte: u-he Presswerk, u-he Satin und Audified TNT Voice Executor:

 

Akkorde und Artikulationen

Hier betreten wir ein wirklich weites Feld, welches wir im Detail später noch beleuchten werden:
Über unterschiedlich eingefärbte Key-Switches lassen sich

  • Akkorde manuell vorgeben und wechseln,
  • separate Bass-Linien hinzufügen,
  • vorgegebene Akkorde im Auto-Chord-Modus abrufen,
  • Artikulationsvarianten sporadisch einfügen (Hot-Keys: Artikulation wird bei Betätigung einmal ausgelöst),
  • Artikulationen wie Auf- und Abschlag als Endings.
  • Nebengeräusche hinzufügen (z.B. Klopfer auf den Korpus)
  • Open-String Spielweise für Übergänge einbauen und
  • zwischen verschiedenen Phrasen wechseln.

Außerhalb des Pattern-Betriebs kann man durch einzelne Artikulationen wie Auf- und Abschlag auch eine eigene Rhythmik gestalten. Dabei kann beispielsweise ein kurzer Up- oder Downstroke, ebenso der Schlag auf den Korpus oder auf die Saiten als Release verwendet werden, da er das Sustain der vorangegangenen Artikulation stoppt. (Im Pattern-Betrieb werden Schläge auf den Korpus bei manchen Patterns hingegen einfach hinzugefügt, ohne dass der Rhythmus abbricht.)

Ein Beispiel mit ausgesucht schrägen Akkorden (und mit mäßigem Timing, sorry, hatte keine Lust, mit Metronom einzuspielen):

 

Da hätten wir dann auch einen klassischen Tango, zusammengebaut mit zweckentfremdeten „Endings“. Diese Anwendung ist vom Hersteller so nicht gedacht, deshalb klingt es auch nicht so fließend und authentisch wie bei Verwendung der Patterns. Brauchbar ist es allemal.

Wir wechseln mal kurz zur Guild:

 

Auch das waren lediglich Endings.

An Akkorden kann alles, was gebraucht wird, auch gespielt werden – und einiges darüber hinaus: Auch schrägste Jazz-Nummern kann man umsetzen und nach Herzenslust dissonante Akkorde greifen, wenn man es will. Der virtuelle Gitarrist macht das alles mit und setzt auch die abwegigsten Notenkombinationen virtuos um. So perfekt und authentisch habe ich das noch bei keiner anderen virtuellen Gitarre gehört.

Die einzige Einschränkung liegt im Instrument: Einen Siebenklang kann man auf einer sechssaitigen Gitarre nicht spielen, und auch ein Dreiklang aus drei benachbarten Halbtonschritten, der für einen Keyboarder kein Problem (sondern eher ein Risiko) darstellt, gelingt auf dem Griffbrett nicht. Das weiß Strummed Acoustic 2 und hält sich dank ausgeklügeltem Script an die Regeln.

 

Authentizität, Gestaltungsmöglichkeiten und Sound-Menü

Das Schlimmste, was bei auf Patterns basierten Sample-Instrumenten passieren kann, sind fehlender Abwechslungsreichtum und unzureichende Eingriffsmöglichkeiten in den Klang. Denn die Notenfolgen werden ja automatisch abgespielt, man ist also zunächst einmal auf das angewiesen, was der Hersteller aufgenommen hat, ohne Einfluss auf die Mikro-Dynamik und das Mikro-Timing Note für Note.

Glücklicherweise steht den Entwicklern mit der Kontakt Engine ein leistungsstarkes System zur Seite, das durchj ein ausgeklügeltes Scripting optimal genutzt wurde. Die kürzlich getestete Elysium Harp von Soundiron zeigt, was alles möglich ist. Und auch der Session Guitarist Strummed Acoustic 2 bietet eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten.

Zunächst sind die Patterns alle virtuos eingespielt. Sie lassen es nicht an Detailreichtum und einer zum jeweiligen Stil passenden, ausdrucksstarken Akzentuierung vermissen. Martin und Guild klingen absolut sauber eingespielt und transportieren die Stimmung der Aufnahmesession. Diese würde ich als ebenso diszipliniert wie gefühlvoll beschreiben. (Wenn man bedenkt, dass sich die Sessions über einen langen Zeitraum hingezogen haben, ist es schon erstaunlich, wie gut die einzelnen Phrasen bzw. Motive zueinander passen und wie frei sie kombinierbar sind.)

Wem die in den Phrasen enthaltene Abwechslung nicht reicht, der kann über das Modulationsrad die Spiellage auf dem Griffbrett fließend wechseln.

Solche Wechsel gelingen perfekt – fließend und absolut artefaktfrei, schnell oder langsam, mitten im Playback, egal an welcher Stelle. Zudem kann für die untere und obere Lage getrennt Doubling eingeschaltet werden. Mit Doubling klingt die Gitarre erwartungsgemäß etwas weiter und voller und erhält durch zwei real aufgenommende Takes echtes Stereo-Doubling.

Dabei werden auch die gespielten Saiten wunderbar im Panorama platziert. Für die oberen Lagen können zudem die Panoramapositionen rechts/links getauscht werden.

Hier wechsele ich die Lage per Modulationsrad bei der Matin, gedämpfte Spielweise und habe bei der oberen Lage die Panoramapositionen vertauscht:

 

Das Selbe mit einem Pattern aus Surf Tango und Doubling für beide Lagen. Die Artikulationswechsel zwischen mute und ungedämpft sowie die Schläge auf den Korpus sind in den Patterns enthalten:

 

Das Einzige, was bei diesem Beispiel hier fehlt, sind Fret-Nebengeräusche beim Wechsel der Lage.

Unterhalb der Displays für das Modulationsrad und den Pitch-Bender wird auch der aktuelle Akkord angezeigt (hatte ich weiter oben bereits erwähnt).

Die Fret-Noises, Griffbrettgeräusche beim Akkordwechsel, sind in der Werkseinstellung dezent hörbar. Den Regler kann man punktuell mittels Automation oder Controller (nach Rechtsklick und MIDI-Learn) in Bewegung setzen, dann klingt die Gitarre etwas lebhafter. Ein permanentes Hochdrehen der Fret-Noises führt hingegen zu einer Überstrapazierung des Effektes.

Die Lebendigkeit kann man zudem mittels Pitch-Bender steigern: Hier kann man Akzente setzen oder Betonungen zurücknehmen. Der Pitch-Bender erhöht oder verringert nicht die globale Lautstärke, sondern greift nur die akzentuierten Anschläge heraus.
Die via Pitch-Bender erweiterbare Dynamik lässt allerdings keine richtig harten Anschläge zu, wo nicht sowieso schon welche sind. Beim lebhaften Island Strum macht sich der Akzent beispielsweise deutlicher bemerkbar als bei Mute-Spielweisen. Insgesamt halten sich die Akzente via Pitch-Bender in einem zivilen Rahmen und machen aus dem Session Guitarist keinen wildgewordenen Klampfer. Das trifft auf Martin und Guild gleichermaßen zu.

Ungenauigkeiten lassen sich im Playback-Tab realisieren. Per default werden die Patterns bereits leicht quantisiert. Im Rechtsanschlag des Humanize Reglers wird die unquantisierte Originalperformance abgespielt – erwartungsgemäß immer noch alles andere als anfängerhaft, doch Abweichungen im Timing werden besonders bei langsamen Tempi nun deutlich spürbar, wenn man sich die Gitarre analytisch und ohne Begleitinstrumente anhört.

Dieses Feature stellt einen großen Unterschied zu den meisten anderen Libraries dar, bei denen ein Pseudo-Humanize meistens dadurch erzeugt wird, dass Zufallsabweichungen von einer quantisierten Referenzposition aus hinzugefügt werden. Bei Strummed Acoustic 2 haben wir es hingegen mit der echten “human performance” zu tun, die Ungenauigkeiten sind also in den Samples enthalten. Bei den meisten der folgenden Audiodemos habe ich Humanize eingesetzt.

Im Zusammenspiel mit Drums, Bass, Keyboards und Gesang können die Ungenauigkeiten auch bei hohem Humanize-Faktor genau das Richtige sein, um das Gefühl einer Live-Performance zu erzeugen.

Im Linksanschlag wird stark quantisiert, was immer noch nicht unnatürlich oder monoton klingt, da die Patterns in sich genügend variierende Akzente und Spielnuancen bieten.

Will man stärkere Timing-Abweichungen erwirken, so kann man dies über einen vorsichtigen Missbrauch des Swing-Reglers erwirken, den man entsprechend automatisiert oder über einen externen Controller steuert. Einen Anfänger kann man aber auch mit groben Timingschwankungen nicht herbeizaubern, denn dazu fehlen unsauber gegriffene Noten und fehlerhafte Anschläge. Ich glaube, wer ein solches Kontakt-Instrument möchte, muss selbst sampeln. (8Dio bietet mit Misfit Banjo ein schräges Exemplar dieser Gattung.)

Im Pattern-Menü werden die geladenen Passagen zum jeweiligen Song angezeigt. Diese kann man über das Lupensymbol und dem sich dann öffnenden Browser einzeln austauschen oder über die Pfeiltasten zum nächsten steppen.

Im Pattern-Browser findet man nicht nur ein reichhaltiges Angebot, sondern auch diverse Attribute, um die Suche einzuschränken, darunter sogar eine Rhythm Search, in der man gewünschte Akzente oder die gesuchte rhythmische Struktur einträgt oder einspielt. Tolle Idee. Auch der Preview-Chord kann dabei helfen, bei laufendem Playback das richtige Pattern zu finden.

Klickt man auf das i, so öffnet sich ein Pattern-Inspektor, in dem man jedes geladene Pattern noch individuell anpassen kann:

Neben der Halbierung oder Verdopplung des Tempos und der Lautstärkeanpassung (die sich dann logischerweise nur auf das gewählte Pattern auswirkt) kann man hier den Anfangs- und Endpunkt eines Pattern neu definieren. Diese Funktion ist sehr interessant:

Man kann von einem 4/4 in einen beliebigen anderen Rhythmus wechseln und mit zwei Instanzen des Instruments sogar polyrhythmische Figuren realisieren.
Man kann in alle Slots ein und dasselbe Pattern laden und verschiedene Abläufe kombinieren.

In der Praxis funktioniert das hervorragend. Man könnte ja meinen, dass ein Verschieben des Anfangspunkts auch mal unnatürlich klingen könnte. Dem ist aber nicht so.

Was nicht geht, ist das Stummschalten oder Einzeichnen neuer Steps, also der Aufbau eines komplett eigenen Patterns. Ich gehe davon aus, dass das daran liegt, dass die Patterns nicht etwa aus einzelnen Schlägen, sprich: Multisamples, zusammengefügt sind und intern daher nicht als MIDI-Patterns vorliegen, sondern als Audiofiles. Jedenfalls klingen sie so: Fließend und mit überzeugend natürlichem Ablauf. Wenn man sich unter diesem Gesichtspunkt vergegenwärtigt, wie flexibel sich Strummed Acoustic verhält, kann man nur den Hut ziehen angesichts des genialen Sample-Managements (man denke an die umfangreiche Akkordgestaltung!).

Die Kehrseite der Medaille ist, dass man auch keine MIDI-Files in den Browser ziehen und diese mit anderen Instrumenten abspielen kann. Aber wozu haben wir gelernt, die Finger auf den Tasten zu bewegen?

An Stelle des Pattern-Editors bietet sich die Mapping-Übersicht an:

Diese ist angenehm großzügig ausgefallen und eine Alternative zum schmalen virtuellen Keyboard im Bodenbereich von Kontakt. Aktive Key-Switches und Hotkeys werden angezeigt, die gegriffenen Noten nicht (kein großes Drama). Hier sieht man auch, dass die einzelnen Artikulationen (gelb) eigentlich als Endings gedacht sind. Wie ich oben gezeigt habe, kann man sie auch für eigene Rhythmen zweckentfremden. Die Authentizität kann dabei zwar nicht mit den Patterns mithalten, aber als Begleitung im Hintergrund ist das immer noch in Ordnung.

Pattern-Editor und Mapping-Display verschwinden, sobald man Auto Chords einschaltet, da deren Fenster den selben Bereich beansprucht.

Dabei sind wir gleich bei der sichersten und bequemsten Art, dem Session Guitarist Akkorde zu entlocken. Unter Key bieten sich zwei Aufklappmenüs an, mit denen man die Tonart einstellt: Grundton + Dur, Moll und no3 (ohne Terz).

Wenngleich Auto Chord nur eine begrenzte Auswahl an Akkorden bietet, reicht diese doch für viele Projekte aus. Über die weißen Tasten wechselt man die zu spielende Tonstufe , über die (meisten) schwarzen fügt man weitere Noten hinzu und spielt dann beispielsweise verminderte Akkorde oder Septimen.

Der Wechsel zwischen Akkorden und hinzugefügten Intervallen gelingt in der Praxis absolut reibungslos. Das ist bei vielen anderen virtuellen Gitarristen oft eine Sache, die ein spezifisches Timing bzw. ein Einfühlen in das Timingverhalten des Instruments erfordert. Bei unserem Testkandidaten werden Akkordwechsel und Intervalle generell zum nächsten Anschlag umgesetzt. Die Rhythmik des Patterns gerät also nicht durcheinander, wenn man an der falschen Stelle triggert; es kann höchstens passieren, dass der Wechsel ein Achtel zu früh oder zu spät erfolgt, wenn man komplett daneben liegt. Das dürfte aber selbst weniger versierten Keyboardern selten passieren. Ein akribisches Nacharbeiten im MIDI-Editor ist daher in der Regel nicht erforderlich.

 

Der Akkord-Standard-Modus

Schaltet man Auto Chord aus, so greift man selbst die Akkorde. Auch Nicht-Keyboarder ohne Kenntnisse der Harmonielehre sollten in diesem „freien“ Modus ruhig mal experimentieren. Da das Timing des virtuellen Gitarristen so gut funktioniert und man praktisch nie komplett aus dem Groove gerät, macht es Spaß, mit Harmonien zu experimentieren.

Bei den Grundakkorden werden die Terzen weggelassen, wenn man lediglich Grundton und Quinte (oder nur den Grundton) spielt. Für einen C-G-Quintakkord braucht es also nur ein C (wenn man als Skala C-Dur eingestellt hat). Abseits dessen gilt es, alle möglichen Intervalle zu erkunden oder gezielt einzusetzen.

Die Martin mit einem Pattern aus Surf Tango:

 

Nun kann man, wie wir bereits wissen, auch noch die Saitenlage variieren. Rutscht man dabei zu weit in die hohen Lagen, kann es vereinzelt sogar zu Fehlgriffen (im Sinne von Notenaussetzern) kommen, d.h.: Der Mehrklang wird nicht mehr komplett gespielt. Das lässt sich über die eingezeichnete Mod-Wheel-Automation natürlich leicht korrigieren, hat aber ggfls. durchaus seinen Reiz und trägt zur Authentizität bei.

Im folgenden Audiodemo habe ich diesen kleinen Fehler beibehalten und den Humanize-Regler auf Maximum gestellt. Nun werden tatsächlich einige Ungenauigkeiten hörbar.

Dazu kommt es jedoch nur, wenn hohe Akkorde so hoch spielt werden, dass sie teilweise außerhalb der blau markierten Akkord-Zone liege und in diesem Fall nur die in der blauen Zone enthaltenen Tasten zu einem Akkord zusammengefasst werden, sodass dieser sich unter Umständen von dem beabsichtigten Akkord unterscheidet.

 

So könnte sich ein verschlafenes Bar-Trio nachts um halb fünf anhören …

 

… was ziemlich genau die Verfassung Ihres Testautors widerspiegelt, der in dieser Nacht einfach nicht mit der Arbeit aufhören konnte.

Randnotiz: Die Drums stammen von Toontracks EZdrummer, als Bass habe ich mir ein dumpfes, gedämpft gespieltes Modell mit abgenudelten Saiten zusammengebastelt. Solche Dinge kann man mit IK Multimedias MODO Bass machen. Der Bassist leidet aufgrund meiner Modulation per Pitch-Bender ein wenig an Intonationsschwierigkeiten.

Hier habe ich gleichzeitig Akkorde und Patterns gewechselt:

Die Patternwechsel sind kompositorisch nicht gerade beeindruckend; es soll hier lediglich gezeigt werden, was möglich ist und wie reibungslos das funktioniert.

Im Sound Menü

… trifft man auf einen Ein-Knopf-Equalizer und -Kompressor. Per Aufklappmenü stehen einige sinnvolle Vorlagen bereit.

Das EQ-Preset „Focussed“ zeichnet die Gitarre näher und markanter, der Kompressor-Typ „Nailed“ betont die Transienten. Im folgenden Audiodemo habe ich zunächst Focussed von Minimum auf Maximum und wieder zurück gedreht und anschließend den Kompressor hinzugemischt:

 

Beide Effekte sind ebenso einfach zu bedienen wie optimal an die Gitarre angepasst, sodass es sich lohnt, hiermit beim Klangdesign zu beginnen, bevor man externe Effekte hinzuzieht.

Unter Reverb findet man eine Reihe von Impulsantworten, darunter ein paar kleine Räume, Echomuster sowie große Umgebungen bis zur Arena.

 

Die Guild F-412 12-String

Architektur und Funktionen entsprechen der Martin, doch die Auswahl an Songs und Patterns ist eine ganz andere.

Ein Motiv aus dem Song Campfire, mit den Auto Chords eingespielt:

 

Sehr schön ist, dass auch ohne das Hinzufügen eines Endings mittels Key-Switch ein kurzes, realistisches Release an die letzte Note angefügt wird.

Nun habe ich per Pitchbender den Accent moduliert und mit dem Modulationsrad die Lagen gewechselt. Außerdem sorgt der EQ im Modus Focussed für einen dezent kernigeren Klang, der Kompressor im Modus FET sustain für mehr Präsenz. Das Timing steht auf 100% Original.

 

Das Timing ist nun erwartungsgemäß richtig menschlich.

Noch einmal mit MODO-Bass und EZdrummer 2:

 

Das ist zwar eigentlich nicht der Sinn der Sache, aber die akustische Gitarre kann man natürlich auch über eine Verstärkersimulation laufen lassen, etwa bx_rockrack von Brainworx. Dort trifft man nämlich nicht nur auf Monster-Amps, sondern auch auf recht zahme clean-Presets, wie dieses hier:

 

Zwei Kombinationen mit Eventide Fission:

 

 

Eine Kombination aus bx_rockrack und Fission. Der  Chorus-Effekt kommt von Fission:

 

Kehren wir zum unverfälschten Original zurück. Die Guild ist sehr Country- und Western orientiert. Nashville, Cross Country, Horseman zielen alle auf klassischen amerikanischen Folk. Daneben gibt es noch British Pop und waschechte Walzer.

Im nächsten Audiodemo kommt diese gemischte Auswahl an Patterns zum Einsatz:

 

Mit einer Kombination aus u-he Presswerk und Satin (für kurze Tape-Echos):

 

Mitbewerber

MusicLab Real Guitar kostet doppelt so viel wie unser Testkandidat und setzt auf Multisamples. Die Patterns sind hier also MIDI -basiert. In der aktuellen Version kann man die Abfolge von Harmonien über einen Chord-Editor frei wählen. Real Guitar bietet viele Funktionen und auch eine Solo-Spielweise mit Artikulationswechseln über Key-Switches. Für unseren Vergleich geht es aber nur um die Frage, wie natürlich und fließend die Chord-Patterns klingen. Dazu dieses Beispiel:

 

Die Martin mit den selben Akkorden, Pattern Black Jack B:

 

Ein anderer Kandidat ist Chris Hein Guitars, eine Gitarrensamlung mit akustischen (Nylon und Steel) sowie elektrischen Gitarren, Mandoline und Banjo, die bei Best Service aktuell für 189.- EUR angeboten wird. Die Guitars sind zwar nicht gerade neu, glänzen aber immer noch mit einem ausgezeichneten Klang. Auch sie setzen auf Multisamples. Patterns sind nicht im Interface selbst enthalten, es gibt jedoch ein Patterns-Pack in Form von Audio- und MIDI-Files, die man einfach in eine MIDI-Spur des Sequencers ziehen kann. Die Gitarren bieten Artikulationswechsel über Key-Switches und können auch als Solisten eingesetzt werden. Für eine Begleitung bieten sich zwei Chord-Modi an. Der zweite erlaubt Artikulationswechsel: Mit der linken Hand spielt man den Akkord, mit der rechten triggert man eine Artikulation.

Hier das Audio-File Fiesta aus dem Pattern-Pack (bei 140 BPM):

 

Um solch einen Realismus zu erreichen, muss man mit dem Instrument allerdings erst einmal eine Weile üben. Das folgende Audiodemo ist nicht so virtuos. Ich habe es in relativ kurzer Zeit eingespielt. Beteiligt sind der EZdrummer von Toontrack und IK Multimedia Modo Bass.

 

Sie haben sich sicher selbst eine Meinung gebildet.

Aus meiner Sicht klingt die RealGuitar von MusicLab etwas dünn und im Pattern-Modus nicht so natürlich wie unser Testkandidat. (Die E-Gitarren von MusicLab gefallen mir besser, da man bei diesen mit Artikulationswechseln recht ausgefeilte Soli realisieren kann; eine gute externe Amp/Speaker-Simulation sollte man sich allerdings gönnen.)

Akkorde mit Artikulationswechseln mit den Chris Hein Guitars einzuspielen macht auch rund zehn Jahre nach deren Erscheinen (2006) immer noch Spaß. Das liegt nicht zuletzt am exzellenten Klang. Es ist schon erstaunlich, was hier auf der Basis von Multisamples gelingt. Die nahtlosen Übergänge und individuellen Betonungen jeder einzelnen Note, die die Patterns aus Strummed Acoustic 2 bieten, kann man jedoch auch mit den Chris Hein Guitars nicht erreichen.

In seinem Spezialgebiet – Akkordbegleitungen akustischer Stahlsaiten-Gitarren – markiert aus meiner Sicht der Session Guitarist Strummed Acoustic 2 eine neue Referenz. Will man darüber hinaus auch noch andere Features an Bord haben, etwa eine größere Auswahl an Gitarren und die Option, auch ein Solo einspielen zu können, sind die Chris Hein Guitars eine Alternative.

 

Fazit

Native Instruments Session Guitarist Strummed Acoustic 2 ist die derzeit praktikabelste und authentischste pattern-basierte Library akustischer Rhythmusgitarren. Es sollte klar sein, dass es sich hier um Rhythmusgitarren für Begleitungen handelt, nicht um Solo-Instrumente. Die Gitarren klingen allerdings so gut, dass sie auch eine Rolle im Vordergrund ausfüllen können.

Mit den beiden Modellen, einer sechssaitigen Martin O-17 Mahogany, Baujahr1934, und einer zwölfsaitigen Guild F-412 aus den 1960er Jahren, halten zwei ausgesucht edle Gitarren Einzug in die virtuelle Welt.

Die hochwertigen und, soweit ich das anhand meiner „Stichproben“ beurteilen kann, absolut präzisen und fehlerfreien Aufnahmen bilden den typischen Klang beider Gitarren exzellent ab. Während die Martin sowohl drahtig als auch, gedämpft gespielt, erdiger, mehr nach Holz und ein wenig archaisch klingt, brilliert die zwölfsaitige Guild mit einem selten feinen und obertonreichen, hellen und transparenten Klang. Beide Gitarren ergänzen sich damit ideal.

Das Sample-Management ist vom Feinsten: Akkord- und Patternwechsel gelingen völlig nahtlos. Als Keyboarder muss man dabei kaum Rücksicht auf das Timing nehmen. Die beiden Gitarren machen alles mit und setzen es in ein virtuoses Spiel um. So reibungslos und mit einer derart großen Vielfalt von Akkorden ausgestattet, einschließlich aller möglichen und unmöglichen schrägen Jazz-Varianten, ist mir das bislang noch nicht begegnet. Auch um die natürliche Umsetzung auf das Griffbrett muss man sich keine Gedanken machen: Das alles erledigt ein perfekt geschriebenes Script im Hintergrund, welches obendrein auch noch fließende Wechsel der Lage (per Modulationsrad) ermöglicht.

Es liegen Patterns für eine Vielzahl von Stilen vor. Schwerpunkte bilden dabei amerikanische Folk- und Country-Genres, aber auch Tango und Walzer sind dabei. Die Patterns sind übersichtlich nach Songs geordnet, können aber auch frei kombiniert werden – ohne dass es zu Brüchen im Klang kommt. Hier wurde von den Entwicklern wirklich ganze Arbeit geleistet. Ergänzend finden sich Endings und eine Reihe von Artikulationen, die für eine individuelle Gestaltung eingebunden werden können. Zudem kann man Start- und Endpunkte der vorhandenen Patterns frei verschieben und damit neue Varianten auch abseits des 4/4tel oder 3/4tel-Takes erzeugen.

Ein völlig freies Programmieren eigener Patterns oder ein Export in Form von MIDI-Files ist hingegen nicht möglich, denn bei Strummed Acoustic 2 handelt es sich, soweit ich das überblicken kann, nicht um zusammengefügte Samples einzelner Noten oder Slices mit interner MIDI-Engine, sondern um real aufgenommene Audioclips.

Die Patterns verfügen in sich bereits über einen stimmigen musikalischen Ausdruck und eine fließende Dynamik. Diese kann man per Pitch-Bender noch weiter steigern, indem man Akzente setzt oder Betonungen zurücknimmt. Die Dynamikspanne, die damit erreicht wird, bleibt jedoch in einem zivilen Rahmen: Regelrechte Ausreißer und wilde Sprünge lassen sich nicht realisieren. Hinzu kommen Equalizer und Kompressor, die beide optimal an die Gitarren angepasst und definitiv mehr als banales Beiwerk sind: Sie helfen dabei, den Klang unauffällig aber effektiv weiter zu formen.

Keines der Patterns klingt monoton oder maschinell. Doch per Humanize-Regler kann man die kleinen Tempo-Ungenauigkeiten in einem sinnvollen Rahmen betonen oder über eine automatische Quantisierung bis zur Virtuosität ausgleichen. Beim Humanizing ist kein Zufallsgenerator am Werk, sondern echte menschliche Ungenauigkeiten.

Nicht zuletzt überzeugt Session Guitarist Strummed Acoustic 2 durch eine vorbildlich einfache Bedienung – ohne dabei auf Extras zu verzichten – und einen auf Anhieb produktionsfertigen Sound. Das werden besonders jene Komponisten zu schätzen wissen, die unter Zeitdruck arbeiten.

Unter den virtuellen akustischen Rhythmusgitarren markiert Session Guitarist Strummed Acoustic 2 eine neue Referenz. Der Preis ist in Anbetracht der rundum professionellen Leistung ausgesprochen fair.

Wir warten gespannt auf Session Guitarist Strummed Electric – für Rock, Punk, Pop, Metal, Reggae. Da gibt es noch ein weites Feld zu beackern. Einen Funk-Gitarristen (NI / Scarbee) gibt es ja schon …

Testautor: Holger Obst

 

Plus:

  • exzellenter Klang
  • ausdrucksstarke Patterns für verschiedene Genres
  • variabler Start- und Endpunkt der Patterns
  • fließender, authentisch klingender Wechsel von Patterns und Akkorden
  • Zusatzartikulationen und Endings
  • große Vielfalt von Akkorden
  • fließender Wechsel der Spiellage auf dem Griffbrett
  • artefaktfreie Tempoanpassung
  • echtes Humanizing
  • einfache Bedienung

Minus:

 

Hinweise:

Das verwendete Phrasen- und Sample-Management erlaubt kein Erstellen eigener Patterns Note für Note und keinen MIDI-Export der Patterns.

Für Session Guitarist Strummed Acoustic (1) gibt es ein Update, das neue Funktionen der Version 2 auch für den Vorgänger verfügbar macht.

Preis: 99.- EUR

System: NI Kontakt Player 5

Hersteller: Native Instruments in Kooperation mit drumasonic

Produktseite