Test: Positive Grid Pro Series Studio Plug-ins: Compressors
|Wollten Sie nicht immer schon Ihren Hardware-Kompressor aufschrauben, probeweise andere Röhren einbauen oder mit anderen Bauteilen experimentieren?
Was in der Welt der Hardware versierten Tontechnikern vorenthalten bleibt, ist bei virtuellen Kompressoren nun für jedermann risikolos möglich. Positive Grid hat den Deckel dreier legendärer Kompressoren abgeschraubt und erlaubt dem User, sich über deren Innenleben herzumachen- im Gegensatz zu Operationen mit Lötkolben und andere Gerätschaften absolut risikofrei.
Das klingt zunächst toll. Aber braucht man diese drei neuen Modelle wirklich? Wir haben genau hingehört und hingeschaut und wollen wissen, ob diese kleine Revolution auch klanglich wirklich ein Schritt nach vorne bedeutet. Schließlich ist der Markt an virtuellen Dynamikwerkzeugen nicht gerade dünn besiedelt, und wer schon eine Weile dabei ist, dürfte mehr als nur zwei oder drei Exemplare dieser Gattung sein Eigen nennen.
Überblick
Geboten werden drei Basismodelle: Ein FET, ein Opto- und ein Röhrenkompressor. Damit dürfte im Bereich der klangfärbenden Kompressoren mit Eigencharakter das Wesentliche abgedeckt sein. Bei der Emulation wurde jedes Bauteil der Geräte in allen Nuancen nachgebildet. „Profiling Technologie“ nennt Positive Grid diesen Prozess. Der Hersteller verspricht eine erlesene Audioqualität. Wenn das Niveau, auf dem sich die beiden bereits von uns getesteten Produkte, Bias FX Professional und Bias Professional, beibehalten wurde, sollten in der Tat auch die Kompressoren interessant sein. In Kürze sollen weitere Kompressor-Profile hinzukommen.
Kurzfassung
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Auf den Punkt gebracht
In puncto Klangqualität und Flexibilität spielt das Kompressor-Trio von Positive Grid in der Oberliga mit. Die Option, Bauteile derart anschaulich und Stück für Stück austauschen zu können, ist einzigartig. Zahlreiche Sonderfunktionen erweitern die Möglichkeiten der Dynamikbearbeitung mit Vintage-Sound. VST-User werden allerdings Sidechaining vermissen. Eine Automation über die banale Bypass-Funktion war auf unserem Testsystem (Win 7, Cubase 7) nicht möglich. Bei Interesse Demo-Version testen.
Die Profiling Technologie
Wie der Name schon andeutet, geht es darum, das Profil, also das Reaktionsverhalten und die Charakteristik einer klangbearbeitenden Hardware, hier eines Kompressors, zu emulieren.
Beim Profiling wird das entsprechende Bauteil frequenz- und dynamikabhängig analysiert. Dabei werden auch nicht-lineare Charakteristika von Transformatoren sowie unterschiedliche Attack- und Releasekurven in Abhängigkeit zum Kompressionsverhältnis (Ratio) abgebildet.
Analysiert wurde eine Reihe von Top-Kompressoren. Die Plug-ins wurden von Grund auf neu entwickelt und sollen vom Homerecording bis zum ausgebufften Profi Freunde finden.
Nicht zuletzt um dem Verlust von physischer Präsenz und Haptik etwas entgegenzusetzen, bauen die Designer von Plug-ins zunehmend auf eine opulente, mindestens ansprechende Optik. So auch Positive Grid.
Die detailreiche Darstellung ist gelungen: Glimmende Röhren und leuchtende Lampen (beim Opto-Kompressor) zeigen an, dass etwas in Bewegung gerät.
PG Optical Compressor
Bei diesem Modell stand ohne Zweifel der Teletronix LA-2A bzw. einer seiner modernen Nachbauten Pate. Ein elektro-optisches Kompressionssystem mit vorgeschalteter Röhre verlieh dem Original eine bis heute hoch geschätzte warme, musikalische und sanfte Charakteristik.
Die Helligkeit der verwendeten Lichtquelle verhielt sich proportional zur Amplitude des Eingangssignals, was wiederum von einer Photozelle registriert wurde, die schließlich die Lautstärke eines Verstärkers regulierte. Laute Impulse führten so zu hellem Licht und starker Absenkung der Lautstärke.
Der LA-2A war also eigentlich ein Leveler: Er steuerte nicht-linear und programmabhängig das Lautstärkeverhältnis. Die Reaktionszeit der elektro-optischen Schaltung ist extrem kurz. Das Attack- und Releaseverhalten wird nicht durch einen Threshold und feste Zeitwerte bestimmt, sondern hängt von der Dynamik des Eingangssignals ab. Vereinfacht ausgedrückt: Ein Leveler wie der LA-2A (oder auch der Summit TG-50) folgt dessen Dynamik, während ein klassischer Kompressor sein Kompressionsmuster abspult, sobald ein Schwellenwert überschritten wird.
Der LA-2A wurde und wird bevorzugt für Gitarren, Bläser und Gesang verwendet. Auch ist er eine gute Wahl, um einen Bass rund und kräftig zu machen. Weniger geeignet ist er, um Schlaginstrumenten oder einer Schlagzeuggruppe einen bestimmten Dynamikverlauf überzustülpen oder deren Klang konkret dynamisch zu formen.
Was die Bedienung betrifft, kann man kaum etwas falsch machen: Die Stärke der Kompression und die Deutlichkeit der Klangfärbung ergibt sich alleine durch das Zusammenspiel von Eingangslautstärke und Pegelreduktion.
Die Nachbildung von Positive Grid geht über diese einfache Bedienstruktur weit hinaus, ohne jedoch die Sache kompliziert zu machen: Wer dicht am Original bleiben will, belässt es einfach bei den Grundeinstellungen und bedient nur die beiden oben genannten Regler.
Im nächsten Schritt lässt sich zwischen dem klassischen Kompressor- und einem Limitermodus umschalten. Im Limiterbetrieb reagiert der Kompressor härter.
Der PG Optical Compressor hat aber noch viel mehr zu bieten: Drei walternative Röhrentypen im Eingangsmodul, je drei Kondensatormodelle (Keramik, Aluminium und spezielle Minerale) sowie drei verschiedene Lichtquellen, die auch noch in ihrem Alter und ihrer Empfindlichkeit regulierbar sind. Hier wurden offenbar verschiedene Versionen elektro-optischer Kompressoren emuliert, die man nun in ihren Bauteilen kombinieren kann.
In der unteren Zeile der Oberfläche finden sich weitere Regler, die dem LA-2A weitgehend fremd waren. Mit Bias stellt man die Ruhespannung der Röhre ein. Diese ist bei der Hardware dazu gedacht, die Röhre mit einer adäquaten Dauerversorgung zu betreiben, um plötzliche Spitzenbelastungen im völlig heruntergefahrenen Zustand auszuschließen und die Lebensdauer der Röhre zu verlängern. Der Einfluss auf den Klang ist erwartungsgemäß auch beim virtuellen Pendant gering und deutet eher auf die Liebe zu Detailts seitens des Herstellers hin. Hohe Bias Werte verleihen dem Signal einen Hauch mehr an Tiefe und Räumlichkeit.
Von großer Bedeutung sind hingegen der Attack- und die beiden Releaseregler, die dem ursprünglichen Leveler klassische Kompressionseigenschaften mit auf den Weg geben. Es fehlt aber immer noch der Threshold. Attack- und Releaseregler liefern Vorgaben für das programmabhängige, nach wie vor nicht-lineare Leveling.
Das Attack lässt sich zwischen ultrakurzen 5 und 200 ms einstellen, Release 1 reicht von 10 bis 200 ms, Release 2 von 300 ms bis knapp 5000 ms. Der Input-Regler bestimmt, wie stark die Photozelle angefahren wird. Stellt man ihn auf -18 dB, kommt die Photozelle kaum zum Einsatz. Eine Kompression findet trotzdem statt. Das Zusammenspiel von Gain und Reduction bleibt erhalten. Mit dem Curve-Knob blendet man zwischen einer harten und einer Soft-Knee-Kompression über. (Mehr zu Soft-Knee finden Sie in unserem Glossar.) Schließlich bietet ein Mix-Regler Parallelkompression: Das bearbeitete und unbearbeitete Signal kann gemischt werden. Auf diese Weise kann man man auch übertriebene Effekt-Kompressionen einstellen und diese dann mit dem Originalsignal mischen. So bleibt der Spezialeffekt erhalten, ohne dass das Originalsignal unerwünscht verfremdet wird.
Unterm Strich erhält man also einen extrem luxuriös ausgestatteten elektro-optischen Kompressor. Insbesondere die beiden Releasezeiten, von denen die erste dominant und übergeordnet ist, sind eine seltene Besonderheit, ganz zu schweigen von der Option Bauteile auszutauschen.
Auf unserem Testsystem mit Cubase 7 war kein Sidechaining möglich – mangels VST3-Version. Auch ließen sich Reglerbewegungen nicht als Automation aufzeichnen. Sidechaining ist eigentlich ein Muss für einen Top-Kompressor. Auch eine Automation sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Ein weiteres Manko ist, dass es keine tiefergreifenden Informationen zur Entwicklung dieses Hybrid-Opto-Kompressors gibt, bei dem offensichtlich Bauteile und Funktionen verschiedener Geräte kombiniert wurden. Ein Manual habe ich vergeblich gesucht.
Der Opto-Kompressor im Praxistest
Kommen wir zur spannenden und entscheidenden Frage, wie der Opto-Kompressor klingt.
Ich verwende einen Loop einer Nylongitarre aus Ueberschall The Resource, zunächst unbearbeitet:
Nun mit dem Kompressor in der Voreinstellung:
Die Photozelle glimmt passend zum Lautstärkeverlauf, die Attacktime steht auf 125 ms und lässt auch das Strumming durch. Die Pegelreduktion erreicht in der Spitze -7 dB. Der Klang öffnet sich, wirkt weiter und gehaltvoller. Die Nebengeräusche werden mit hochgezogen, da die Releasezeiten recht großzügig bemessen sind. Eigentlich ist das schon ein kleiner Pump-Effekt, der seinen Reiz haben kann; in unserem Fall macht er den Sound intimer. Wem das zuviel ist, der kann alternativ zum Anpassen von Attack, Release und Gain-Reduction auch einfach den Mix-Regler benutzen und die Balance zwischen Original- und Kompressionssignal ändern.
Veränderungen am Bias bewirken bei der Gitarre kaum einen hörbaren Unterschied. Eine gleichzeitige Einstellung des Sensivity- und Age-Reglers der Photozelle führt dazu, dass der Klang noch ein bisschen voller wirkt und die Kompression besser dem Dynamikverlauf des Eingangssignals folgt. Die drei Röhren weisen subtile Unterschiede zwischen neutral, modern und warm, vintagemässig auf.
Mit solchen Feinheiten der Klanggestaltung auf der Basis von Bauteilmodifikationen sind die Positive Grid Kompressoren einzigartig. Es gibt jedoch Mitbewerber, die ebenfalls einzelne Bauteile minutiös emulieren (z.B Softube), in einer virtuellen Architektur zusammenfassen und verschiedene Betriebsmodi anbieten (Fabfilter Pro C2).
Positive Grid bietet als erster Hersteller ein musikalisch sinnvolles Feintuning durch Eingriffe in die Architektur von Vintage-Kompressoren.
Unterschiedliche Klangfarben gewinnt man auch durch einen Austausch der beiden Kondensatoren. Aluminium klingt im Vergleich weich und warm, Keramik hell und besonders transparent, Mineral ebenfalls hell und etwas „crispy“. Die Kombination von Aluminium und Keramik (wir haben ja zwei Kondensatoren) gefällt mir im Falle der Nylongitarre am besten.
Dreht man den Input-Regler auf (Sie erinnern sich, dieser ist für das Ansteuern der Photozelle verantwortlich und bewirkt eigentlich keine Pegelerhöhung direkt am Eingang), so kann man dem Sound stufenlos einen Übersteuerungseffekt hinzufügen. Bei der Nylon-Gitarre passt das nicht, bei einer Rock-Gitarre wäre es eine interessante Option.
Auch die Wahl des Leuchtmittels nimmt tatsächlich Einfluss auf den Klang: Die Glühbirne führt zu einem runden Kompressionsklang, die LED zu einem etwas zurückhaltenderen, weniger auffälligen Eigensound, „Panel“ zu einem deutlich trägeren Verhalten, insbesondere im Abklingen. Die Glühbirne gefällt mir für die Nylon Gitarre am besten. Hier das Ergebnis meiner Detailanpassungen:
Im direkten Vergleich mit meiner bisherigen Lieblingsvariante des LA2A hört sich das Modell von Progressive Grid deutlich frischer an: Der Klang wirkt transparenter, weiter und ein gutes Stück detaillierter. Umso erfreulicher ist, dass der Anspruch an die CPU auch bei niedrigen Latenzen und kleiner Puffergröße (128 Samples) sehr niedrig ausfällt. Etwa 5% Prozessorleistung für solch einen Extraklasse-Kompressor ist ein Top-Ergebnis. Damit eignet er sich auch für den Live-Einsatz und kann problemlos in mehreren Kanälen eingesetzt werden.
Bevor wir zum nächsten Kompressor wechseln, checken wir kurz noch Bass und Drums. Wie bereits erwähnt sind Letztere eigentlich kein Fall für den LA2A, bei unserem Testkandidaten könnte das aufgrund der erweiterten Möglichkeiten anders sein.
Der Bass (Scarbee/Native Instruments Rickenbacker) ohne Bearbeitung:
Der Opto Kompressor …
… lässt den Bass ein wenig knurren:
Zusammen mit der Gitarre:
Ein Beat ohne Bearbeitung:
Mit dem Opto-Kompressor und glühender Röhre knallt es richtig:
Der FET-Kompressor:
Die Legende eines FET (Feld-Effekt-Transformator) – Kompressors schlechthin ist der Urei 1176 aus dem Jahre 1968, der heute von Universal Audio unter der Bezeichnung 1176L (Classic Limiting Amplifier) nachgebaut und wegen seiner kurzen Ansprechzeiten (Attacktime) geschätzt wird. Die Liste der virtuiellen Nachbauten ist lang. Einer der ersten Emulationen stammte von Universal Audio für die UAD-Plattform. Softube hat mit dem Fet-Kompresor ein in den Funktionen erweitertes Exemplar im Programm.
Auch die Version von Positive Grid geht über die Originalfunktionen hinaus. Der Urei 1176 verfügte nämlich nur über einen Input- und Output-Regler, Attack und Release sowie vier Tasten für feste Ratios (4, 8, 12, 20). Wolle man ein hartes Limiting fahren, drückte man alle vier gleichzeitig.
Die Stärke der Kompression stellte man alleine mit dem Input-Regler ein: Je höher die Eingangslautstärke, desto deutlicher machte sich die Kompression bemerkbar. Der Threshold war also praktisch fest vorgegeben.
Unser Testkandidat bietet hingegen diese Optik:
Ein Threshold-Regler ist hinzugekommen, die Ratio lässt sich stufenlos zwischen 1:1 (keine Kompression) und 20:1 einstellen. Man kann zwischen zwei Basistypen, RMS und Peak umschalten. Sogar ein Knee-Regler ist an Bord – für hartes oder weiches Einsetzen des Kompressors.
Low- und High-Cut-Filter grenzen bei Bedarf den Frequenzbereich ein, auf den der Kompressor reagiert. Lässt man die Bässe außen vor, verhindert man beispielsweise, dass die Kickdrum oder der Bass den Kompressor alleine steuern und alle anderen Instrumente in deren Rhythmus komprimiert werden. Anderswo nennt sich diese Abteilung Sidechain EQ. (Der EQ wirkt sich nicht direkt auf das Frequenzspektrum aus, liegt im Detektor-Weg und dient nicht als Pre- oder Post-Filter des durchlaufenden Audiosignals.)
Nicht zu vergessen ist die Look Ahead – Funktion, die dafür sorgt, dass der Kompressor rechtzeitig erfährt, welch Dynamikwechsel demnächst auf ihn zukommen und dann besonders akurat reagiert. Beim Opto-Kompressor findet sich diese Funktion nicht, hier macht sie aber Sinn, denn die Reaktionszeit des Urei beginnt bei 20 Mikrosekunden.
Ein Mix-Regler für Parallelprocessing ist auch dabei – und schlussendlich der Output-Regler. Was fehlt, ist ein Schalter für einen automatische Anpassung der Lautstärke des Ausgangs- an das Eingangssignal, und, Sie ahnen es bereits: VST3 – Sidechaining und Automationsmöglichkeiten gibt es wie beim Opto-Kompressor nicht. Da es auf der Hand liegt, greife ich hier kurz vor: Unser dritter Testkandidat, der Tube-Kompressor, kann das auch alles nicht.
Ja, und wo sind jetzt die austauschbaren Bauteile? Der Blick ins Gehäuseinnere bedeutet leider nicht, dass man mit der Maus an den Kabeln ziehen, diese anderswo einstecken oder durch einen Klick ins Innenleben zwecks Umbau eindringen könnte. Nicht so schlimm – wir werden noch hören, dass der FET Kompressor trotzdem eine gute Figur macht und flexibel ist. Ein paar Worte des Herstellers zum Hintergrund und zum Konzept währen trotzdem schön gewesen. Auch hier tappt man im Dunkeln. Sind der Urei und andere FET-Kompressoren „profiliert“ und zu diesem virtuellen Gerät verschmolzen? Welche Hardware steckt dahinter?
Zunächst nehmen wir einen Drum Groove aus Toontracks Expansion Pack Progressive Rock für den Superior Drummer. Unbearbeitet hört es sich so an:
Ich muss hinzufügen, dass ich hier nur die Direktmikrofonierung der Bassdrum, Snare und Toms verwendet habe, nicht die Overhead und Room-Mikros und natürlich auch nicht die Kompression aus Superior Drummer. Die Instrumente habe ich auf Einzelausgänge gelegt und mit drei Instanzen des FET-Kompressors bearbeitet. Hier exemplarisch die Einstellungen für die Bassdrum:
In den Masterkanal habe ich zudem noch den Röhrenkompressor gelegt, zu dem wir gleich kommen:
Der Röhrenkompressor trägt einen nicht geringen Anteil am Ergebnis. Ich nehme ihn heraus. Die drei FET-Kompressoren alleine klingen dann so:
Auch ohne Röhrenkompressor in der Summe hört man im Vergleich zum Original, dass die FET-Kompressoren dem Signal mehr Leben einhauchen. Die Drum klingen nicht nur voller und kräftiger, es treten auch Details, beispielsweise bei der Snare, zutage, die vorher so differenziert nicht zu hören waren. Wie dem Opto-Kompressor kann ich auch dem FET-Modell einen erstklasssigen Klang bescheinigen: hoch auflösend, transparent, lebendig und mit wunderbarer Charakteristik. Klangmässig liegt er auf Augenhöhe mit anerkannten und als authentisch beschriebenen Urei-Emulationen – oder, in puncto Klarheit des Klangbildes, sogar ein eine Nasenlänge vorn. Durch die breiter aufgestellten Funktionen ist er jedoch flexibler und ähnelt mehr dem edlen FET Kompressor von Softube. Dieser verfügt über eine Sidechain-Funtkion – und wird aktuell zum Händlerpreis von 264.- Euro gehandelt.
Kommen wir zum dritten Modell, dem Tube Kompressor:
Der Tube-Kompressor ist derjenige im Trio, der den Klang am kräftigsten zu färben vermag – das macht Spaß, passt aber nicht immer, und muss auch nicht unbedingt sein. Man kann ihn selbstverständlich auch softer einsetzen.
Hier darf man wieder basteln, Röhren, Kondensator und Transformator austauschen. An Röhren gibt es gleich zwei: Am Eingang und am Ausgang des Signalwegs. Besonders der Wechsel der Eingangsröhre liefert Klangvariationen von warm über rau bis zu modern. Tiefe und Frische liefern alle Röhrenmodelle – drei für die Eingangs-, zwei für die Ausgangsröhre. Abschalten kann man sie auch, doch dann verliert der Kompressor einen Großteil seines Reizes.
Auch den Transformator kann man tauschen: American, British und Fat Style stehen zur Wahl. Fat macht das, was es sagt: Der Sound wird wuchtig und rund. British klingt ein bisschen schmutzig, aber auf die angenehme Art, nach alter Vintage-Gear. Der American Style – Transformator agiert eher zurückhaltend und ein wenig höhenbetont. Er eignet sich beispielsweise für akustische Gitarren und zarte Instrumente.
Die Wechselwirkung zwischen Input Gain und Threshold bestimmt die Stärke der Kompression. Mittels Sensivity steuert man die Geschwindigkeit des Regelverhaltens von lebhaft (etwa für Drums) bis zu träge. Attack- und Releasetime sind in diesem Reger zusammengefasst.
Bias, Curve und Mix kennen wir schon vom Opto-Compressor. Der Makeup-Gain Schalter sorgt für eine Lautstärkeanpassung des Signals am Ausgang des Kompressors (vermute ich mal). Er ist grafisch etwas unglücklich geraten; man erkennt kaum, ob er ein- oder ausgeschaltet ist. Das erfährt man erst, wenn man darauf klickt.
Für das nächste Audiodemo habe ich Loops aus Ueberschall Studio Works verwendet. Der Tube-Kompressor, der hier bewusst etwas Schmutz ins Spiel bringen soll, startet nach den ersten Takten.
Abschließend noch eine Bearbeitung eines im Anfangsstadium befindlichen Projekts. Ob es auf mein nächstes Album kommt, steht noch in den Sternen. Es stellt einen massiven, geräuschartigen Polyrhythmus (Toontrack Superior Drummer, Progressive Rock plus Electra 2 von Tone 2) einem naiven, klaren Gesang (Realivox/The Ladies) gegenüber. Zunächst der Ausschnitt ohne Positive Grid – Kompressoren:
Fet-, Tube- und Opto-Lompressor habe ich für die Synthie-Geräuschspur, die Drums und die Vocals verwendet:
Da ist sicher noch einige Feinarbeit nötig, aber es sollte unabhängig von der Art und Qualität der Komposition klar sein, was die Kompressoren hier machen: Sie befördern eine Menge Details an Tageslicht und machen den Sound ebenso transparenter wie angenehm rau.
Fazit
Die Kompressoren der Positive Grid Pro Series Studio Plug-ins gehören ohne Zweifel zur Oberliga und bereichern diese mit einem hoch auflösenden, transparenten und wunderbar färbenden Sound – soweit man einen kräftigen Vintage-Einschlag im Mix haben möchte. Sie lassen sich durch die beinahe lückenlose Ausstattung mit Funktionen und den weiten Regelbereich auch dezent einsetzen.
Der Wechsel einzelner Bauteile (Röhren, Transformator, Kondensator, Leuchtmittel) ist keine nette Spielerei, sondern stellt sich als Möglichkeit heraus, den Klang detailliert zu gestalten. Besonders wenn es darum geht, einen Kompressor nicht nur als dynamisch klangformendes, sondern auch als klangfärbendes Mittel einzusetzen, liegt man hier richtig.
Die Ausstattung mit Funktionen, wie man sie teilweise nur hier antrifft, ist großzügig: So lässt sich etwa das Alter und die Empfindlichkeit der Glühbirne oder LED-Lampe im Opto-Compressor bestimmen. Auch Bias- und Sensibilitätsregler, Knee-Kurvencharakteristik und Parallel-Processing findet man nicht überall.
Wenn man bedenkt, dass exzellente Vintage-Emulationen eines einzelnen Kompressors zwischen 150 und 300 Euro gehandelt werden, liegt Positive Grid mit knapp 200.- US Dollar für drei sauber emulierte Kompressoren ausgesprochen günstig.
Wegen der hervorragenden Klangqualität, den einzigartigen Eingriffsmöglichkeiten und dem kundenfreundlichen Preis gibt es von uns beide Awards – obwohl wir gerne ein VST3-Format (mit Sidechaining) gesehen hätten und auch die fehlende Anbindung an Automationsfunktionen des Host für ein Profiwerkzeug eigentlich ein Unding ist.
Die Positive Grid Pro Series Studio Compressors bringen frischen Wind in die Szene virtueller Dynamikwerkzeuge. Wer sich in puncto Kompressoren noch nicht völlig übersättigt fühlt, sollte die Demoversion antesten.
Testautor: Holger Obst
Plus:
- hohe Audioqualität
- austauschbare Bauteile
- Sonderfunktionen
- Parallel-Processing
- niedrige CPU-Last
- günstiger Preis
Minus:
- keine Automation
- kein VST3-Format
Preis: 199.- US Dollar
System und Formate:
- Windows: 7 (SP1) und 8
- Mac: ab OSX 10.7
- VST, RTAS, AAX, AU
- 32 und 64 Bit
Hersteller: Positive Grid