Test: Steinberg Cubase 9.5
|Dass Steinberg zum Jahresende 2017 ein Cubase-Update veröffentlichen würde, war absehbar. Die jährliche Fortsetzung der Erfolgsgeschichte eines der großen Platzhirsche unter den DAWs ist inzwischen Tradition. Was die neue Version bringt, erfahren Sie bei uns.
Auf releasetime finden Sie Tests und Tutorials zu früheren Cubase-Versionen. Eine Übersicht erhalten Sie HIER.
Cubase 9.5 gibt es in drei unterschiedlich umfangreichen Versionen: Cubase Elements für den ambitionierten Einsteiger, Cubase Artist für semiprofessionelle Homerecordler und Musiker, Cubase Pro für alle, die das Maximum an Features benötigen.
Erfreulich ist, dass die meisten neuen Features auch der kleinen Version, also Cubase 9.5 Elements, zugute kommen. Im Vordergrund steht eine Optimierung des Workflows, umfangreichere Bearbeitungsoptionen mit Effekten, eine Erweiterung der mit Cubase 9 eingeführten Sampler-Spur, eine High-End-Audioengine, ein neuer Klangerzeuger und überarbeitete Effekte.
Die Neuerungen im Überblick – für Cubase Elements, Artist und Pro 9.5
Neue Automationskurven: Kurven werden nun als Bézier-Kurven definiert. Wer schon einmal mit Grafikprogrammen zu tun hatte, kennt diese als Bézier-Splines: Die Verläufe einer Linie (in unserem Fall die Automationskurve) entlang von Punkten wird als geschwungene Kurve dargestellt. Die Punkte markieren zwar Wendepunkte der Richtung, es gibt aber keinen eckigen oder stufigen Verlauf. Während bei Grafikprogrammen die Krümmung der Bézier-Splines über Tangenten mit zwei Anfassern definiert werden, funktioniert das bei Cubase über ein Verschieben der Zwischenpunkte:
Auf diese Weise lassen sich sanfte Steigungen oder scharfe kurvige Überfänge formen.
Über das neue Auswahlbereichs-Werkzeug lassen sich Abschnitte von Automationskurven mit einem Rahmen zeichnen und diese horizontal (also auf der Zeitachse) oder vertikal verschieben. Auch die Neigung bzw. der Anstieg/Abfall einer Kurve zu Beginn oder am Ende der Auswahl kann modifiziert werden. Bei gehaltener ALT-Taste wird die Automation im betreffenden Bereich komprimiert (Ziehen mit der Maus nach unten) oder expandiert (Ziehen nach oben).
Die neue Funktion „An Zoom anpassen“ sorgt dafür, dass sich das Raster beim Hinein- und Hinauszoomen automatisch anpasst. Man muss mit eingeschalteter Funktion im Key Editor dann nicht mehr manuell permanent die Quantisierungen ändern, sondern zoomt einfach entsprechend weit in das Raster hinein oder heraus. Man muss die Funktion nur erst einmal finden. Sie versteckt sich beim Key Editor hinter dem kleinen weißen Dreieck in der oberen Funktionsleiste, Modul Raster / Rastertyp:
Sollte dieses Feld bei Ihnen nicht sichtbar sein, müssen Sie zunächst nach Rechtsklick in die obere Funktionsleiste im Kontextmenü das Raster auf sichtbar schalten:
In den leeren Bereich der Funktionszeile klicken (1) und dann das Häkchen beim Raster setzen (2).
Die Sampler Spur kann nun auch für MIDI-Spuren verwendet werden.
Mit Cubase 9 lieferte Steinberg einen Sampler, mit dem man eine Audiospur als Sample in einer eigenen Sampler-Spur bearbeiten kann. Mit Cubase 9.5 ist es auch möglich, eine MIDI-Spur in den Sampler zu laden.
Die Vorgehensweise ist dabei genau die selbe wie beim Transferieren von Audio in den Sampler Track: Man öffnet die Lower Zone, wechselt auf den Reiter Sampler Control und zieht das MIDI-Pattern in den Sampler. Dieser rendert umgehend die MIDI-Information zu einem Audiofile, welches dann mit allen Mitteln der Sampler-Spur bearbeitet werden kann. Fehlgriffe korrigiert man mit Undo. Anders als bei einem Audio Track wird dabei nicht die gesamte MIDI-Spur gerendert, sondern nur das Pattern, welches man im das Sampler-Fenster durch Klicken und Ziehen ablegt. Mehr zum Sampler finden Sie in unserem Test/Tutorial zu Cubase 9.
Dass sich die On Board Effekte von Cubase nicht vor Spezialisten verstecken müssen, belegen neue Effektketten-Presets, darunter auch zahlreiche Mastering-Vorlagen. Hier ein Ausschnitt aus den Werksvorlagen:
Eine neue Video-Engine erweitert das Angebot an unterstützten Video-Formaten bzw. Codecs, externen Videokarten und löst die alte QuickTime-Technologie ab. Laut Steinberg ist Entwicklung der neuen Video-Engine noch nicht abgeschlossen. Man konnte allerdings auch unter Cubase 9 und Vorgängerversionen bereits diverse andere Formate abseits von QuickTime laden (z.B. AVI oder MPEG 4).
Die neue 64 Bit Mixing Engine verspricht ein erlesenes Audioerlebnis. Eine 64 Bit Fließkommaberechnung soll zu noch größerer Detailtreue, Transparenz und einer extrem feinen dynamischen Auflösung des Signals führen. Auch dieses Feature ist beim Starter-Paket Cubase Elements inbegriffen.
Unsere Tests haben gezeigt, dass man mit Projekten oberhalb des 16 Bit/44,1 kHz – Formats einer CD operieren muss, wenn man diese bessere Audioqualität erfahren will. Dort macht sie sich dann vor allem bei leisen Passagen bemerkbar. Wer also für eine mp3-Ausgabequalität oder eine Pop/Rock/Elektro-CD produziert und am Loudness-War teilnimmt, wird von den Feinheiten der neuen Mixing-Engine nichts merken.
Die 64-Bit-Fließkommaberechnung stellt man im neuen Menü „Studio“ ein:
Die Änderung wird erst beim nächsten Start von Cubase aktiv. Steinberg spricht davon, dass damit das Summieren, Mischen und die Effektbearbeitung mit doppelter Genauigkeit erfolgt. Ob das auch dann noch gilt, wenn man Instrumente und Plug-ins von Drittanbietern einsetzt, bleibt offen.
Jedenfalls beansprucht die 64-Bit-Engine deutlich mehr Rechenleistung. Bei unserem Testprojekt, das wir unter Cubase 9 und 9.5 mit 64-Bit-Berechnung laufen ließen, lag die Anforderung von Rechenleistung ziemlich exakt beim Doppelten. Das macht sich auch in den Latenzwerten bemerkbar, d.h.: Um die selben Aufgaben zu erledigen, muss man mit höheren Puffergrößen und entsprechend höherer Latenz arbeiten. Die 64-Bit-Berechnung ist daher etwas für den finalen Schliff am Mix, weniger eine Option für Live-Anwendungen oder für die Einspielphase, wenn man möglichst ohne merkliche Zeitverzögerung operieren will.
Etwas irritiert hat uns die Tatsache, dass auf unserem Testsystem bei aktiver 64-Bit-Engine im Vergleich verschiedener Projekte abweichende Verhältnisse von Samples der Puffergröße zur Latenzzeit beim RME Fireface 802 ausgewiesen wurden. Die Ursache dafür ist unklar.
Die 64-Bit-Engine arbeitet im Hintergrund und unabhängig von den Projekteinstellungen. So bleibt es im Fenster der Projekteinstellungen etwa bei 24 Bit und 44,1 kHz, unabhängig davon, ob man im 32- oder 64-Bit-Betrieb arbeitet.
Ebenfalls neu sind erweiterte Metronom-Einstellungen (nur teilweise in Cubase Elements implementiert). Hier wird es jetzt richtig luxuriös, denn man kann sogar mit eigenen Click-Patterns und verschiedenen Betonungspegeln operieren. Dafür gibt es den Click Pattern Editor. Das Metronom folgt nun auch Taktartwechseln. Das entsprechende Menü findet man unter Transport-> Metronomeinstellungen:
Einige Cubase-Effekte erstrahlen nicht nur in einem neuen Look, sondern bieten auch neue Funktionen. Dazu zählt der Tube Compressor, der nun über einen Character-Regler verfügt …
… sowie der Vintage Compressor MkIII …
… und die Bandsimulation Magneto MkIII.
Cubase 9.5 Elements profitiert von der Neugestaltung dieser Plug-ins laut Steinberg nur teilweise.
Die folgenden beiden Neuerungen betreffen nur Cubase 9.5 Artist und Cubase 9.5 Pro:
Die Anzahl der Insert-Slots wurde verdoppelt. Um das Ganze zu veranschaulichen habe ich hier wahllos 16 Effekte hintereinander geladen:
Sie sehen, dass die oberen Effektslots blau, die unteren grün eingefärbt sind. Dazwischen befindet sich eine grün gepunktete Linie. Diese Linie trennt die Pre-Fader- von den Post-Fader-Effekten. Durch Klicken und Ziehen kann man die Linie jederzeit vertikal verschieben und damit die Trennung zwischen Pre- und Post-Fader-Effekten ändern.
Der neue Flux Wavetable Synthesizer ist ein wahres Klangchamäleon und speziell für Pop und Dance eine echte Bereicherung. Die Klanggenese baut auf mehr als 70 Wellenformen auf. Rund 100 Presets laden zum Soforteinstieg ein.
Innerhalb von Halion Sonic SE gelangt man über Load → Select Content Set zu Flux:
Im Browser werden daraufhin ausschließlich die Flux-Werksklänge angezeigt, die man anhand von Attributen auswählt:
Die Oberfläche von Flux sieht so aus:
Flux gibt sich kernig und drahtig. Hier im Zusammenspiel mit LoopMesh als Beat Machine:
Flux verfügt über zwei Oszillatoren mit Sub-Oszillator, ein resonanzfähiges Multimodefilter mit eigener Hüllkurve, zwei LFOs, eine dritte Modulationshüllkurve, eine Modulationsmatrix und einen Arpeggiator.
Hier liefert Flux den Basssound mit dezent moduliertem Filter (via Modulationsrad). Der Beat stammt von Groove Agent SE (dazu ein Echo mit Cubase ModMachine):
Nur Cubase 9.5 Pro erhält das neue Zoning und eine event-basierte Offline Bearbeitung.
Mit Zoning 2.0 sind drei neue Menüs in der rechten Spalte gemeint. Dort findet sich nun ein Datei-Browser mit vollem Zugriff auf den gesamten Rechnerinhalt. So kann man aus dem Hauptfenster heraus ohne Umwege Media-Daten importieren und Audiofiles vorhören.
Instrumente, Loops und Samples, Spur-, Channel-Strip- und Effektketten-Presets, selbst erstellte Presets und Favoriten sind hier mit wenigen Mausklicks erreichbar.
Über den zweiten Reiter erreicht man den Control-Room, der dritte öffnet ein hoch aufgelöstes RMS/Peak-Metering.
Die event-basierte Offline-Bearbeitung erlaubt es, für einen definierten Abschnitt einer Spur, etwa einen einzelnen Audio-Clip, eine ganze Kette von Effekten und Bearbeitungsprozessen zu laden und diese offline berechnen zu lassen.
Diese Funktion erreicht man über das Menü Audio (in der Kopfzeile) → Direkte Offline Bearbeitung:
Hier kann man neben allen verfügbaren Effekte auch Prozesse wie Hüllkurve, Resample, Umkehren oder Time-Stretch in beliebiger Reihenfolge als Bearbeitungskette anlegen und rendern lassen.
Die Bedienoberfläche der Plug-ins, einschließlich jener von Drittanbietern, wird geöffnet und erlaubt alle Einstellungen.
Durch Klicken und Ziehen auf die Einträge in der linken Liste kann die Reihenfolge auch später noch geändert werden. Ebenso ist es möglich, Plug-ins und Prozesse wieder aus der Liste zu entfernen. Auf diese Weise kann man eine Vielzahl von Bearbeitungen für praktisch beliebig viele Audioabschnitte non-destruktiv vornehmen und ähnlich wie beim Einfrieren einer Spur eine Menge an Rechenleistung sparen.
Fazit
Cubase 9.5 bietet einen verbesserten Workflow, speziell durch die automatische Anpassung des Rasters im Editor beim Zoomen, für die Pro-Version auch durch das Zoning 2.0.
Die Bézier-Automationskurven liefern runde, genau definierbare Verläufe, etwa für Lautstärkemodulationen, Bewegungen im Panorama oder die Modulation von Filterfrequenz und -resonanz. Über das neue Auswahlbereichs-Werkzeug kann man die Kurven verschieben und weiter formen. Die neuen Production-Presets machen es Einsteigern leichter, einen amtlichen Klang herbei zu zaubern.
Der Wavetable-Synthesizer Flux ist ein leistungsstarkes Klangchamäleon, speziell für Pop und Dance. Cubase 9.5 Pro-User werden die ressourcenschonende Offline-Bearbeitung einzelner Audioclips zu schätzen wissen.
Die neue 64 Bit – Fließkommaberechnung ist etwas für Feinschmecker mit höchsten Ansprüchen an die Audioqualität, fordert allerdings auch deutlich mehr an Rechenleistung ein. Wer für mp3- oder CD-Wiedergabe in den Bereichen Pop, Rock und Dance produziert, wird diese Option in der Regel nicht benötigen.
Unterm Strich lohnt sich das Update für alle Cubase-User. Der Preis für die Updates ist moderat. Einsteiger erhalten mit Cubase Elements ein Paket, das sich sehen lassen kann.
Es werden diverse Updates- und Crossgrades ab Cubase 4 als Download und Box angeboten. Daher verzichten wir hier auf eine Auflistung der Preise, ebenso auf unsere sonst übliche Plus/Minus-Bewertung: Alle neuen Features funktionieren und machen Sinn.
Testautor: Holger Obst
Hersteller: Steinberg
Doe bearbeiteten Screenshots wurden mit TechSmith Snagit erstellt.