Test: iZotope Trash 2
Trash 2 von iZotope ist ein ausgewachsener Multieffekt für extreme Klangverfremdungen. Schon der Vorgänger war in der Lage, Audiosignale aller Art gehörig auseinander zu nehmen. In der zweiten Generation sind die Möglichkeiten rund um das zentrale Multiband Trash-Modul erheblich erweitert worden. Zugleich wirbt der Hersteller mit einer verbesserten Audioqualität bei gesteigerter Performance. Wir haben Trash 2 für Sie unter die Lupe genommen.
Überblick
Um dem eingehenden Audiosignal zu Leibe zu rücken, bietet Trash 2 eine ganze Reihe von Werkzeugen, aufgeteilt in sechs Module. Hierzu zählen
- zwei komplett überarbeitete Filterbänke mit jeweils sechs modulations- und sidechainfähigen Multimodefiltern und mehr als 20 unterschiedlichen Charakteristika, darunter neue Vowel-Formant-Modelle
- das namensgebende Trash-Modul mit mehr als 60 Verzerrer-Algorithmen von subtil bis brachial. Zwei Multiband-Verzerrer mit zeichenbaren Waveshapern können hier kombiniert werden.
- das neue Faltungs-Effektmodul Convolve mit mehr als 100 Impulsantworten von Verstärkern, Monitoren, Equalizern und Filtern, räumlichen Reflexionen sowie unterschiedlichen Resonanzkörpern und sonstiger Vorlagen (beispielsweise Schweine). Eigene Samples können ebenfalls geladen und in Impulsantworten transformiert werden.
- ein Multiband Compressor/Gate
- ein Multi-Echo, unter anderem mit Band- und Lo-Fi-Digitalecho.
Damit dürfte bereits klar sein, dass Trash einen reichlich gefüllten Werkzeugkasten für das Transformieren, Zerlegen und Verfremden von Audiomaterial bietet. Man muss jedoch, wie wir noch sehen werden, nicht immer aus dem Vollen schöpfen und gleich alle Module auf einmal zum Einsatz bringen. Filter, Trash-Verzerrer, Faltungseinheit und Echo haben auch für sich alleine schon eine Menge zu bieten.
Ein Limiter vor dem Ausgang sorgt dafür, dass Monitore und Ohren keiner Gefahr ausgesetzt werden, wenn es heftig zur Sache geht.
Für den Schnelleinstieg bietet sich eine umfangreiche, neue Library mit Werksklängen an.
Installation
Die Installation vollzieht sich narrensicher mit Dialog. Trash 2 wird über eine Seriennummer und einen Benutzeraccount bei iZotope autorisiert. Die Autorisierung kann online oder offline erfolgen. Die Installation kann rechnergebunden autorisiert werden. Alternativ kann die Lizenz auf einen iLok geschrieben werden.
Trash 2 läuft auf dem PC ab XP, Mac ab 10.6.8 in den Formaten VST, AU und AAX, RTAS und DirectX in 32 und 64 Bit.
Einstieg
So präsentiert sich Trash 2 nach dem Laden in einen Effektslot des Sequenzers:
Die Ordner Aggressive, Experimental, Heavy, Percussive und Subtile sind mit Werksvorlagen gut gefüllt. Die Auswahl kann nach Kategorie und Name oder der Reihenfolge der Benutzung sortiert werden (last used, last modified). Rechts neben dem Browser gibt es diverse Verwaltungs-funktionen. Mit „update“ überschreibt man das geladene Preset mit den inzwischen vollzogenen Modifikationen. Mittels „compare“ vergleicht man ein verändertes Preset mit der ursprünglichen Parametereinstellung.
Bei einem so umfangreichen Effekt wie Trash 2 hat man sich schnell auch einmal vergaloppiert. Schön zu wissen, dass über den Button History eine umfangreiche Liste der Bearbeitungsschritte aufgerufen und ein beliebiger Reset durchgeführt werden kann. Leider findet man solch üppige Undo/Redo-Funktionen selten. Trash 2 löst diese Problematik vorbildlich.
Über das kleine Fragezeichen erreicht man das ausführliche und gut bebilderte Handbuch (in Englisch).
Die Taste „Graph“ zeigt den Signalfluss an:
Mittels Klicken und Ziehen kann man hier die Reihenfolge der verschiedenen Module ändern – und zwar auf Preset-Ebene. So ist es nicht nur möglich, etwa die Faltungseinheit oder das Echo vor dem Trash-Modul zu platzieren, die Filter können vom seriellen in den parallelen Betrieb gezogen werden:
Spectrum bezeichnet übrigens keinen bislang verschwiegenen Effekt, sondern die spektrale Echtzeit-Anzeige des Audiosignals.
Unter Options erreicht man ein Menü mit wichtigen Grundeinstellungen, etwa die Anzahl der Bänder für den Multiband-Modus des Trash- und des Compressor-Moduls. Hält man die Maus über einen Regler, Slider oder Taster so wird ein kurzer Info-Dialog eingeblendet, der vor allem zu Beginn in vielen Fällen das Surfen durchs Handbuch entbehrlich macht. Dieser Dialog ist unter Options → Show Tooltips abschaltbar.
Options bietet ferner einen Oversampling-Modus für das Trash-Modul – für eine gesteigerte Audio-Qualität. Womit wir beim Thema CPU-Last wären:
Die Beanspruchung der CPU hängt sehr davon ab, welche Module in welchem Modus betrieben werden. Grundsätzlich ist Trash 2 durchaus auch live einsetzbar, also auf dem Laptop mit geringer Latenz und entsprechend kleiner Puffergröße. Unter solchen live-tauglichen Bedingungen benötigt auch ein Vierband-Trash-Modul nur etwa sieben Prozent der Leistung einer zeitgemäßen CPU. Die Filter, das Echo und der Kompressor benötigen hier etwa je zwei Prozent, Convolve rund fünf Prozent. Mit Oversampling kommt man hingegen schon auf ganz andere Werte, nämlich auf mehr als 20 Prozent alleine für das Trash-Modul. Oversampling ist eher für den finalen Mixdown im Studio gedacht, bei dem die Puffergröße respektive Latenz keine Rolle spielt.
Abgesehen von der Live-Fähigkeit dürfte Trash auch ältere Rechner nicht überfordern. Da trifft es sich gut, dass deren Betriebssysteme (XP, OSX 10.6.8) auch unterstützt werden.
Bevor es mit den ersten Audiodemos los geht, werfen wir noch einen Blick auf die großzügig bemessene Meter-Section mit RMS- und Peak-Anzeige:
Input- und Output-Level können für beide Kanäle zusammen oder separat (über das Schlosssymbol)
justiert werden. Hier findet man auch den besagten Limiter – eine sehr begrüßenswerte Einrichtung, denn, das sei vorweg gesagt, mit Trash 2 kann es auch schon einmal richtig laut werden. Sowohl Input- als auch Output-Level sollte man nicht unbeachtet lassen. Die Höhe des Input-Levels kann insbesondere den Klang des Trash-Moduls stark beeinflussen, da der Grad der Verzerrung mit steigendem Pegel exponentiell zunehmen kann.
Den Abschluss bilden der Dry/Wet-Slider und der Bypass- sowie der Preset-Button (welcher den Browser öffnet). Die In/Out-Meter können übrigens über ein Tab des Options-Menü ebenso wie die spektrale Grafik recht luxuriös angepasst werden. iZotope erreicht hier schon fast das Niveau manch ausgewachsener Mastering-Meter – für einen Multieffekt eine außergewöhnlich üppige Ausstattung.
Kleiner Rundgang
Zunächst folgen nun einige Anwendungsbeispiele mit Audiodemos. Dabei beschreibe ich, wie ich vorgegangen bin, um die entsprechenden Klangverfremdungen zu erzielen. Eine Erläuterung der diversen Modulfunktionen mit ihren Parametern schließt in den weiteren Kapiteln an.
Für erste Klangeindrücke habe ich einen kompletten Mix aus der Ueberschall-Library Pop Ballads ausgewählt, hier das unbearbeitete Original:
Warm, retro-mässig und dazu mit ein wenig Knistern hört es sich mit dem Preset „add a little crunsh“ aus der Kategorie „Subtile“ an:
Ganz anders mit dem nächsten Preset „add muscle“, welches Loudness und Kompression in extremer Form hinzufügt. Hier klingt es wie über eine überdrehte HiFi-Anlage:
Schaltet man nun über das Convolve-Modul ein billiges Radio hinzu, klingt es so:
Als nächstes nehmen wir uns einen einfachen Beat vor, der von Steinbergs Groove Agent 3 geliefert wird:
Bassdrum, Snare und Hi-Hat habe ich auf getrennte Ausgänge gelegt und in den drei Cubase-Mixer-Kanälen jeweils eine Instanz von iZotope Trash 2 geladen. Mit drei unterschiedlichen Presets aus der Subtile-Kategorie hört sich der Beat nun so an:
Die Sache beginnt, interessant zu werden. In Sekunden finde ich ein anderes Preset für die Bassdrum, Kategorie Aggressive, „Bad Wiring Slam“. Die Bassdrum erhält durch Trash 2 einen schönen, schmutzigen Punch mit anschließendem Knistern. Aktiv ist hier lediglich der Kompressor, der für Druck sorgt, und das Trash-Modul, welches den Sound auf ganz besondere Weise anzerrt. Ich stelle fest, dass die zweite „Stage“ im Trash-Modul noch nicht in Betrieb ist, probiere hier ein wenig herum und habe in einer Minute eine Lösung gefunden, den Anschlagskick zu betonen. Dazu benutze ich das Trash-Retro-Preset „Plateau“ und hebe mit dem Trash-Modul-Filter die Höhen leicht an.
Die Bassdrum klingt nun so:
Nun ist die Snare an der Reihe. Die soll möglichst elektronisch-schrill klingen. Das Preset „Bleep Me Out“ liefert hierfür die richtige Vorlage. Beteiligt sind das Pre-Filter, das Trash-Modul und der Kompressor. Ich erhöhe noch etwas die Filter-Resonanz …
… und erhalte folgenden Beat:
Mit der Hi-Hat soll es grooviger werden. Ich finde ein passendes Preset in der Kategorie Percussive: „Bold Swingin´“, bei welchem ein Tape-Echo für rhythmische Verbindungen sorgt. Ich bastele noch etwas an Filterbewegungen und füge wieder eine zweite Thrash-Modul-Stage hinzu, mit der ich ein wenig experimentiere, bis ich einen pulsieren Klang erziele. Das alles ist in wenigen Minuten erledigt – bislang ohne einen Blick ins Manual zu werfen. Hier zunächst der Beat mit der neuen Hi-Hat aber noch ohne die zweite Trash-Modul-Stage:
Für das Pulsieren habe ich wieder das Preset „Plateau“ verwendet, und, um es mittig zu lassen, das Trash-Modul-Filter eingesetzt.
Im akustischen Ergebnis entsteht neben der Hi-Hat ein neues, klopfendes Instrument:
Bis hierher lief alles wirklich spielerisch. Das Arbeiten mit Trash macht so viel Spaß und bereitet so wenig Kopfzerbrechen (was die Bedienung der diversen Parameter betrifft), dass ich das Mini-Projekt mit dem Beat noch ein wenig weiter führen möchte, bevor es ans Eingemachte, also an den technischen Hintergrund geht. Jedenfalls sieht es bislang so aus, dass hier eine ausgeklügelte Technik geboten wird, die man tatsächlich – und das ist selten – nicht wirklich verstehen muss, um interessante Ergebnisse zu erzielen.
Dazu kommt, dass der Sound von Trash 2 absolut frisch und unverbraucht ist. Effekte, die den Klang destruktiv bearbeiten, klingen gerne harsch oder grob – das ist hier nicht der Fall: Details werden in hoher Auflösung generiert, die Filter klingen rund und musikalisch. Dabei habe ich ganz vergessen, das Oversampling einzuschalten. Die CPU-Auslastung durch Trash 2 ist übrigens bei drei Instanzen nicht wesentlich gestiegen und liegt nach wie vor bei etwa 10 Prozent (was daran liegt, dass die einzelnen Instanzen über getrennte Kerne berechnet werden).
Als nächstes möchte ich dem Beat einen Bass hinzufügen. Diesen entnehme ich der Ueberschall-Library Electric Bass. Unbearbeitet klingt er so:
Das soll so nicht bleiben – er soll richtig böse klingen. Dazu nehme ich das Preset „Broken Amp Jam“ aus der Katrgorie „Aggressive“. In den Werkseinstellungen sind mir die Artefakte des defekten Amps nun doch zu heftig. Nach einer rasch vorgenommenen Absenkung des Input-Levels und einer Reduzierung der Vorverstärkung mittels Pre-Fader im Trash-Modul hört es sich schon ein bisschen ziviler an.
Nun noch ein Kompressor mit hart eingestelltem Gate, und der Bass ist erfolgreich in ein ziemlich bissiges Monster transformiert:
Zusammen mit dem Beat hört es sich nun so an:
Im folgenden Audiodemo hören Sie den bekannten Beat, einen neuen Bass (FXpansion Cypher) sowie einige Gitarren-Loops (Ueberschall Guitar); zunächst alles ohne iZotope Trash 2:
Der Gitarrist spielt etwas zu sehr laid-back und damit nicht im selben Groove, wie der sehr straight agierende Drummer; das soll uns an dieser Stelle aber nicht weiter stören.
Nun mit fünf Trash 2 – Instanzen:
Hier geht es in erster Linie um die Gitarre, für die ich das Preset „Le Fat“ aus der Kategorie Aggressive genommen habe. Diesem Preset habe ich über Convolve die Simulation eines Brighton-Combi-Amps mit vier 10-Zoll-Speakern hinzugefügt, per Pre-Filter die Bässe unterhalb von 200 Hertz abgeschnitten, um dumpfes Gerumpel zu vermeiden, und das Trash-Modell Amperical aus der Kategorie Drive ein wenig durch Verbiegen der Warp-Kurve geschärft.
Nach diesen ersten Eindrücken wird es nun Zeit, die Architektur unter die Lupe zu nehmen:
Die Module: Filter
Die beiden Filter sind identisch aufgebaut. Es handelt sich hier um ausgewachsene Filterbänke mit jeweils sechs resonanzfähigen und modulierbaren Multimodefiltern.
Die verschiedenen Filtercharakteristika sind folgenden Kategorien zugeordnet:
- Clean (neutral klingende Emulationen analoger Filter)
- Rez (hohe Resonanzfähigkeit für extreme Filtereffekte)
- Retro (Old-School-Filter mit färbendem Eigenklang)
- Saturated (Angezerrte Filter mit Sättigungseffekt)
- Screaming (extrascharfe Resonanzen)
- Synth (klassische Synthesizerfilter mit eigener Klangfarbe)
- Vowel (Vokalfilter)
Innerhalb der ersten vier Kategorien finden sich Tief-, Band- und Hochpass-Modelle, teilweise auch Peak- und High- sowie Low-Shelf-Filter. Screaming, Synth und Vowel bieten entsprechend passende, andere Charakteristika.
Die Bedienung der Filter erfolgt über die Parametereinträge unterhalb der Grafik oder – sehr benutzerfreundlich – innerhalb der Kurvengrafik. Hier lässt sich per Rechtsklick das Filtermodell wählen; die Filtergüte (Q-Faktor) und die Resonanz lassen sich der per Anfasser editieren.
Wer Bewegung in die Filter bringen möchte, erreicht dies auf unterschiedlichen Wegen:
- Über einen wahlweise temposynchronen LFO, der neben den Standardwellenformen auch über Sample & Hold sowie Noise verfügt,
- Über einen Hüllkurvenverfolger, der die Filterbewegung in Abhängigkeit von der Lautstärke des eingehenden Signals moduliert.
- Per Automation: Mit der Maus ausgeführte Filterbewegungen können im Host-Sequenzer aufgezeichnet werden.
- Zudem kann auch via Sidechain ein Fremdsignal auf einen Filternode einwirken.Die Stärke und Richtung der Modulation lässt sich wiederum innerhalb der Kurvengrafik regulieren. Sobald die Modulationsquelle aktiviert wird (also entweder der LFO oder der Hüllkurvenverfolger), erscheint zum zentralen gelben Punkt des betreffenden Filters ein weiterer, violetter Punkt, der die Zielposition bei maximaler Modulation definiert. Sogar die Amplitude und Resonanz der Zielposition kann abweichend von der Startposition des Filters eingestellt werden.
Wie effektiv man mit den Filtern in Kombination mit dem Trash-Modul arbeiten kann zeigt folgendes Beispiel:
Hier zunächst der absolut harmlose Akkord einer Orgel (Klangquelle: FXpansion Cypher):
Nun nehme ich lediglich einen Filter, das Modell Clean Peak, und moduliere dessen Center-Frequenz zwischen 300 und 10.000 Hertz mit einem LFO, Wellenform: Noise. So entstehen im Zeitverlauf ungleichmäßige Färbungen im Klangspektrum. Es hört sich zugegebenermaßen immer noch recht brav an; die Modulation ist kaum hörbar:
Nimmt man aber nun aber das Trash-Modul hinzu, so reagiert der Verzerrungsalgorithmus sensibel auf die sich verändernden Frequenzen und Resonanzen des modulierten Filters:
Um etwas Rhythmus ins Spiel zu bringen, füge ich eine einfache Bassdrum hinzu. Eine Kopie des Bassdrum Tracks route ich (innerhalb von Cubase) auf den Sidechain-Eingang der zweiten Filterbank, die in der Signalkette hinter dem Trash-Modul platziert ist. Die Arbeitsschritte sind:
- Zweites Filter in Trash 2 aktivieren.
- Im Reiter Modulation „Envelope“ auswählen und die violette Zielposition des Filters nach unten ziehen, sodass beim Eingang des Bassdrum-Triggersignals später der Frequenzgang breitbandig heruntergeregelt wird. (Ein ähnlicher Effekt ließe sich auch mit dem Kompressor-Modul von Trash 2 erreichen.)
- Sidechain anklicken, und zwar sowohl in der Filterabteilung von Trash 2 als auch ganz oben in der Cubase-Plug-in-Befehlsleiste (das kleine orangefarbene Icon)
- Bassdrum-Track in Cubase als Audiotrack duplizieren (per Export/Import oder Aufnahmefunktion)
- Ausgang des Duplikat-Tracks auf den Sidechain-Eingang von Trash 2 routen
- Während des Playbacks in Trash 2 im Filter-Modulationsmenü die Werte Attack und Release wunschgemäß anpassen. Eventuell empfiehlt es sich auch, das (unhörbare) Duplikat der Bassdrum-Spur ein wenig vorzuziehen (etwa 20 Millisekunden), damit der Sidechain-Trigger bereits mit dem Anschlag der Bassdrum aktiv ist.
Das Zwischenergebnis hört sich folgendermaßen an:
Um mehr Groove hineinzubringen, schalte ich das (temposynchrone) Delay-Modul in Trash 2 hinzu.
Die Bassdrum wird von der sägenden Orgel völlig in den Hintergrund gedrängt. Was liegt da näher, als ihr ebenfalls ein Trash 2 – Preset zu gönnen, in diesem Fall „Amp Feel“ aus der Kategorie „Percussive“.
Fehlt noch eine Snare (begleitet von einem Electro-Cymbal), hier kurz das Original:
Mit Trash 2, Preset Street Drummer Alley, Kategorie Percussion:
Die Snare ertönt in einem wirklich eigenständigen, abgedrehten Sound. Aus dem Electro-Cymbal ist etwas Kreischendes, Sirenenartiges geworden.
Vorsicht, jetzt wird es richtig schräg: Ich habe Gesang hinzugefügt und ebenfalls mit Trash 2 verfremdet:
Bei der Sängerin handelt es sich um Francesca Genco aus der Soundiron Voices of Gaia Sample-Libray, hier apokalytisch in Szene gesetzt: Bei den Höhepunkten der Gesangslinie transformiert Trash 2 die Stimme in eine Art Feedback-Gitarre.
Die Module: Trash
Im Trash-Modul schlägt das Herz unseres Testkandidaten. Der Waveshaper ist die Steuerzentrale für die Zerlegung des Klanges.
Kurz zum Verständnis: Ein Waveshaper wendet eine Kurve auf ein eingehendes Audiosignal an. Dabei entstehen komplexe Strukturen harmonischer oder disharmonischer Teiltöne. Das Resultat des Waveshapings wird als Verzerrung wahrgenommen.
Auch im Trash-Modul trifft man wieder auf einen kleinen Browser mit kategorisierten Presets. Unter Drive, Faulty, Heavy, Retro und Saturate finden sich zwischen fünf und neunzehn Vorlagen.
Das Trash-Modul ist sehr üppig ausgestattet: Es beinhaltet zwei identische, völlig unabhängig voneinander programmierbare Wave-Shaper, Stage 1 und Stage 2. Beide sind mit einem Low- und High-Pass-Filter ausgerüstet. Im Multiband-Modus können bis zu vier Frequenzbereiche von separaten Dual-Wave-Shapern bearbeitet werden. Die Frequenzbereiche für die vier Bänder können im Frequenzdisplay verschoben und einzeln stumm oder auf Solo geschaltet werden. Jede Stage jedes Bandes verfügt zudem über eigene Fader für Pre (Vorverstärkung), Drive (Grad der Verzerrung), Style (globale Klangsteuerung der Verzerrung), Gain (Lautstärke am Ausgang des Trash-Moduls) und Mix (Anteil am Gesamtsignal).
Trash bietet eine Reihe von Eingriffsmöglichkeiten, die eine einzigartig detaillierte Zeichnung des Waveshapings erlauben.
Wer will, kann abseits der Presets mit der Vorlage „none“ eine neutrale Linie in den Waveshaper laden und nun per Doppelklick Ankerpunkte auf dieser Linie platzieren.
Die obere Hälfte des Displays bezeichnet das Waveshaping für die positiven Werte der Eingangs-Amplitude, die untere Hälfte für die negativen. Im Standard-Modus entsteht die untere Kurve aus einer automatischen Spiegelung der oberen. Im Bipolar-Modus lassen sich für beide Hälften unterschiedliche Kurven zeichnen. Für den Kurvenverlauf zwischen den einzelnen Ankerpunkten können verschiedene Grundformen gewählt werden (Linear, Tension, Triangle, Sinus, Square, Stairs), die in sich wiederum ausgestalten werden können (beispielsweise die Frequenz der Sinus-Kurve oder die Anzahl der Treppchen bei Stairs). Damit nimmt man erheblichen Einfluss auf das Obertonspektrum und den Grad der Verzerrung: Eine niedrige Frequenz der Sinus-Kurve bewirkt beispielsweise eine eher weiche, runde Verzerrung, eine hohe Frequenz eine harsche, höhenreiche Verzerrung. Eine Zoom-Funktion erlaubt bei Bedarf das getrennte Editieren der vier Quadranten des Displays.
Die Bandbreite an Verzerrungs-Optionen, die sich ergibt, ist enorm und reicht von subtil bis zu brachial. Das Trash-Klangdesign könnten feiner dosierbar und umfangreicher kaum sein.
Hier eine Solo-Gitarre aus der Ueberschall Library Guitar. Zunächst die unbearbeitete Gitarre …
… und nun einige Verfremdungen, bei denen nur das Trash-Modul zum Einsatz kommt:
Hier ist der Verstärker ein bisschen kaputt:
Und hier sind neben Trash auch die Module Convolve und Delay beteiligt. Die Gitarre spielt in einem PVC-Rohr:
Die Module: Convolve
Convolve besteht aus einer Sammlung von Impulse/Response-Antworten (IR). Anders als beim klassischen Faltungshall geht es hier jedoch nicht um einen üblichen Raumsimulator, sondern um Effekte für eine Audio-Transformation in Verbindung mit dem Trash-Modul.
Die Faltungstechnik wurde unter anderem verwendet, um Verstärker-Combos oder Monitore zu simulieren. Außerdem wurde der „Raumklang“ diverser Gerätschaften (wie Glocken, Plastikschachteln oder ein Radio) beziehungsweise das Spektrum von Klangquellen in IRs gegossen. Unter den Signalgebern trifft man neben Vokalen auch auf Schweine oder Schlangen – insbesondere bei Letzteren bleibt es rätselhaft, wie man diese zu aufnahmefähigen Lautäußerungen bewegen konnte, doch im Ergebnis liegen hier Presets für spezielle Klangfärbungen mit quasi (statischem) Filtercharakter vor.
Werfen wir einen Blick auf das Convolve-Bedienfeld …
… mit dem Browser links, rechts mit der Auswahl dreier Mikrofonsimulationen: dynamisch (druckvoll und in den meisten Fällen die beste Wahl), Kondensator (höhenreicher) und Bändchenmikrofon (etwas wärmer). Die beiden Slider beschäftigen sich mit der räumlichen Wirkung: Separate produziert durch einen leichten zeitlichen Versatz zwischen den beiden Stereokanälen einen räumlicheren Ausdruck, während Width die Stereobreite bestimmt.
Convolve habe ich bei einigen der vorangegangenen Audiodemos bereits im Verbund mit dem Trash-Modul eingesetzt, vor allem die Amp-Simulatoren, die in dieser Kombination einen einzigartig zupackenden und durchsetzungsfähigen Klang liefern können.
Man kann Convolve jedoch auch alleine einsetzen. In den folgenden Audiodemos hören Sie verschiedene Presets. Als Klangquelle habe ich einen kurzen Loop aus der Ueberschall-Library Pop Ballads genommen. Hier das unbearbeitete Original:
Über TV-Lautsprecher:
In einer kleinen Metalldose:
Bei der Party im Nachbarhaus:
Im Folgenden hören Sie einen Jazz-Groove aus Toontracks EZdrummer 2 in lockerem Zusammenspiel mit einem Saxophon aus der gleichnamigen Ueberschall-Library. Wieder zunächst das Original:
Das Preset Vowels Ee des Convolve-Moduls verhilft dem Saxophon zu etwas mehr Schärfe aber auch Nähe und Intimität. Damit das Schlagzeug klangmäßig mitgeht, setze ich hier in einer zweiten Instanz von Trash 2 das Convolve-Pretse „Fishbowl“ mit etwa 30% Mischanteil ein.
Was Trash 2 beim Saxophon leistet, übertrifft jeden Exciter.
Nun möchte ich aber doch wenigstens eines der Tiere zur Geltung bringen. So hört sich das Saxofon an, wenn es mit einer Gans gekreuzt wird:
Wem die Auswahl an exotischen IRs nicht reicht, kann mit einem simplen Klick auf Load auch eigene Samples als Impulsantwort importieren (deren Länge ist im Options-Menü einstellbar). Praktisch jedes Sample mit Nachhallfahne oder gut hörbarem Raumanteil generiert auf diese Weise einen kleinen aber extravaganten Faltungshall. Rhythmische Samples können zur Simulationen von Brüchen oder Störungen im Audiomaterial verwendet werden.
Die Module: Dynamics
Dynamics ist ein Vierband-Kompressor/Gate, jeweils mit Theshold, Attack- und Releasetime, Ratio, Soft- und Hard-Knee-Modus …
… sowie einigen Besonderheiten:
- Die Ratio (das Kompressionsverhältnis) kann auch negativ eingestellt werden, wodurch sich De-Kompressing ergibt: Signale unterhalb des Thresholds werden nun in der Lautstärke angehoben.
- Ein separater Sidechain-Modus für Kompressor und Gate erlaubt die Steuerung durch externe Signale.
- Zur Bearbeitung kann im Multiband-Modus jedes Band auf Bypass oder Solo geschaltet werden.
- Ein Detection-Filter mit Low- und High-Pass erlaubt die Begrenzung des Spektrums, welches für das Auslösen der Kompression oder des Gatings herangezogen wird. Sollen die Dynamikfunktionen bei der Bearbeitung einer Drum-Subgruppe beispielsweise auf die Snare, nicht aber auf die Bassdrum-Schläge reagieren, so schiebt man einfach den Low-Pass nach rechts.
- Jedes Band verfügt über eigene Gain- und Mix-Fader. Letzterer erlaubt Parallel-Processing.Dazu ein Anwendungsbeispiel:Hier zunächst ein Originalbeat (Toontrack EZdurmmer2, Modern Kit):
Mit übertrieben starker Kompression und Gate:
Die Betonungen sollen bleiben, aber das Decay der Instrumente soll wieder hörbar werden. Anstatt nun an den Kompressionseinstellungen zu basteln, schiebt man einfach den Mix-Regler deutlich zurück.
Eine Multiband-Bearbeitung kann sich folgendermaßen anhören: Die Snare habe ich mittels De-Kompression und hartem Gate im mittleren Band zwischen 500 und 3500 Hertz herausgearbeitet:
Die Multiband-Fähigkeit von Kompressor und Gate harmoniert bestens mit der des Trash-Moduls, weshalb ich dieses nun aktiviere und hier ebenfalls vor allem die Snare herausarbeite. Aber auch die Bassdrum kann noch etwas mehr Wumms gebrauchen, und die Hi-Hat ist mir zu schrill. Auch dafür finde ich schnell ein Trash-Modul-Preset. Das Delay mische ich ebenfalls dezent hinzu, synchronisiert auf Viertel-Triolen, um den Groove runder und etwas polyrhythmisch zu machen:
Die Module: Delay
Geboten wird eine Auswahl von sechs verschiedenen, wahlweise temposynchronen Echos: Ein Bandecho (mit Bandsättigung und Gleichlaufschwankungen), ein Bandecho mit zusätzlicher Röhrensättigung, ein Lo-Fi-Analogecho, ein Digitales Lo-Fi-Echo, ein Digitalecho mit Schaltungsdefekt und Feedback auf niedriger Bit-Ebene und schließlich ein reines, sauberes Digitalecho. Der Fader Trash verstärkt den jeweils eigentümlichen Verzerrungseffekt der Echos, beim Bandecho also die Bandsättigung, beim Lo-Fi-Digitalecho die Schaltungsdefekte.
Auch das Echo verfügt über einen eigenen Low- und High-Cut-Filter, sodass die Wirkung des Echos auf einen Frequenzbereich begrenzt werden kann. Im folgenden Versuch kommt das Echo für eine kurze Gesangspassage (Ueberschall Library: The Voice) zur Verwendung, zusammen mit Convolve und dem Trash-Modul. Als Beat habe ich die Vorlage aus den letzten Audiodemos genommen:
Zum Vergleich das Ganze noch einmal ohne die beiden Instanzen von Trash 2:
Audioqualität
Die Audioqualität von Trash 2 spielt sich auf allerhöchstem, zeitgemäßem Niveau ab und ist definitiv besser als die der Vorgängerversion. Das Signal wirkt immer detailreich und frisch über das gesamte Frequenzspektrum. Die Filter klingen rund und musikalisch, die Impulsantworten sauber und hoch auflösend. Der Multiband-Kompressor mit Gate wäre auch als Auskopplung und separates Plug-In eine professionelle Lösung für mancherlei Dynamikarbeit: Er packt richtig zu, ohne dem Klang die Luft zu nehmen oder ihn zu vermatschen. Das zentrale Trash-Modul gehört zu den Waveshapern, die dem Klang zusetzen, ohne beim Zerbröseln Details zu verlieren.
Bedienung
Obwohl Trash 2 von Funktionen nur so strotzt, ist der Mutieffekt leicht in den Griff zu bekommen. Man muss sich wirklich nicht auf die Presets beschränken, wenngleich diese einen großen Fundus kreativ gestalteter Vorlagen bilden.
Das Arbeiten im Echtzeitbetrieb und bei sofortiger Kontrolle wird schnell zu einem spielerischen Vergnügen. Es passiert eigentlich nie, dass man sich über Funktionen den Kopf zerbricht oder sich in eine Sackgasse hinein manövriert. Zudem hilft eine ausführliche Bedienungsanleitung und im Zweifelsfall eine umfangreiche Undo/Redo-History.
Fazit
iZotope Trash 2 ist ein Klang-Transformator der Extraklasse. Die Algorithmen des zentralen multibandfähigen Trash-Moduls suchen in der Welt der Waveshaper und Verzerrer Ihresgleichen. Bis zu acht Waveshaper können gleichzeitig eingesetzt werden.
Aus einem müden Bass wird ein bissiges Tier, aus einer schlappen Snare ein brüllendes Monster, aus einem dünnen Synth-Solo ein schillerndes, sägendes Spektakel.
Die Bearbeitungsmöglichkeiten, die geboten werden, sind immens:
Zwei Sechsfach-Filterbänke mit einer großen Auswahl an Charakteristika und umfangreichen Modulationsfähigkeiten einschließlich Sidechaining liefern einen organischen, musikalischen Klang.
Convolve steuert neben überzeugenden Amp- und Speakersimulationen eine Fülle einzigartiger spektraler Transformationen bei.
Das Multibandkompressor/Gate-Modul mit Sidechain- und Dekompression ist auch für sich alleine genommen ein richtiges Kraftpaket, das manche reinen Kompressoren blass aussehen lässt.
Nicht zuletzt ist eine Sammlung temposynchroner Retro-Echos eine gute Wahl für groovige Effekte.
iZotope ist es gelungen, der enormen Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten eine übersichtliche, in weiten Bereichen selbsterklärende Struktur zu geben. Im Echtzeitbetrieb bei laufender akustischer Kontrolle wird die Arbeit mit Trash 2 zu einem reinen Vergnügen.
Die vergleichsweise niedrige Beanspruchung der CPU macht Trash 2 auch für den Live-Einsatz interessant. Trash 2 lief übrigens während des gesamten Tests absolut stabil – trotz beanspruchender Bedienung, meist bei laufendem Sequenzer und gering eingestellter Puffergröße.
Die Audioqualität aller Effekte ist auf zeitgemäß hohem Niveau: Egal, ob man mit Trash 2 Instrumente aus dem Mix hervorhebt oder sie durch den Fleischwolf dreht: Der Klang bleibt immer detailreich, transparent bis kräftig und wirkt nie verwaschen oder in seiner Ausdruckskraft reduziert – im Gegenteil.
Der Anwendungsbereich ist breit aufgestellt und reicht von der Bearbeitung einzelner Instrumente bis zu Subgruppen. Trash 2 produziert dabei nicht nur einen angezerrten, brachialen, oder zerstörerischen Klang in allen denkbaren Facetten (Bandsättigung, Hyper-Verzerrer, kaputter Monitor oder knackende Schaltung), sondern kann genreübergreifend vom Amp-Simulator über filmmusikreife Raumeffekte (Playing next Door) bis zu subtilen Klangtransformationen eingesetzt werden. Mittels Mix-Reglern und Parallel-Processing auf (fast) allen Ebenen sind die Eingriffe genau dosierbar.
Trash 2 gehört zu den Effekten, auf die man immer wieder und für unterschiedliche Aufgaben zurückgreifen wird. Gemessen an der enormen Leistung, den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten einschließlich der auch eigenständig verwendbaren Module ist der Preis günstig. Für Trash 1 – Besitzer bietet iZotope zudem ein deutlich vergünstigtes Update an. Auf der Herstellerseite finden Sie eine DEMO-Version, die zehn Tage ohne Einschränkung läuft.
Holger Obst
Plus:
- Leichte Bedienung trotz umfangreicher Ausstattung
- Zahlreiche inspirierende Presets
- Vielseitig modulierbare Filterbänke mit je sechs Multimode-Filtern
- Außergewöhnliche Convolution-Presets
- Leistungsstarker Vierband-Kompressor mit Sonderfunktionen
- Einzigartiger Vierband-Waveshaper mit zeichenbaren Shaping-Kurven
- Exzellente Audioqualität
- Unterstützung älterer Betriebssystemen
- Module von hoher Qualität und Funktionalität, auch eigenständig verwertbar
- Ressourcenschonend (gemessen an der Leistungsfähigkeit)
Minus:
- keine Minuspunkte
Preise
- 249.- US$ (etwa 200.- EUR bei 1,25 US$/EUR)
- Update von Trash 1: 99.- US$ (etwa 80 EUR bei 1,25 US$/EUR)
Hersteller
Info Deutschland
Systemanforderungen und Formate:
- Mac: ab OSX 10.6.8
- Windows: ab XP SP3
- 32 und 64 Bit
Formate
- RTAS, AU, AAX, VST, VST3, DirectX