Test: Soundiron Questionably Barbershop

Diesen Artikel finden Sie auch in unserem iBook Magazin (Heft 2).

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Installation

Nach dem Erwerb erhält man eine Seriennummer und einen Link zum Connect-Downloader. Das Herunterladen der immerhin rund 650 MB umfassenden Library (entpackt 955 MB) kann beliebig unterbrochen und fortgesetzt werden. Eine weitere Autorisierung ist nicht erforderlich. Barbershop nutzt die Vollversion von Native Instruments Kontakt 5 und läuft plattformübergreifend in den gängigen Plug-in Formaten sowie standalone (s. Anhang). Der kostenlose Kontakt Player wird nicht unterstützt.

 

Auswahl an Instrumenten

Barbershop wird (wie bei Soundiron allgemein üblich) nicht über den Library-, sondern über den Dateibrowser geladen. Im Angebot sind folgende Instrumente:

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Neben den Songs und Scat ´n Bebop Einlagen gibt es Staccatos und Sustains im Ensemble und als Solisten. Innerhalb der Patches gibt es, wie wir noch sehen werden, weitere Auswahlmöglichkeiten. Wer mit Ressourcen haushalten muss, findet zudem Lite-Versionen (ohne Time-Stretching und Temposynchronisation).

 

Songs

Zwei Klassiker des amerikanischen Folk werden vom fragwürdigen Friseurladen-Quartett dargeboten: „I´ve Been Working On The Railroad“ und „You Are My Sunshine“. Die Songs liegen als einzelne Verse auf der Tastatur verteilt vor.

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Zwischen den Songs und den drei alternativen Tonarten kann man per Aufklappmenü oder über rot eingefärbte Key-Switches wechseln.

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Key-Switches gibt es ferner für das Ein- und Ausschalten der einzelnen Sänger und eine Transponierung um bis zu +/- 3 Halbtonschritte. Neben dem (blau eingefärbten) Spielbereich der Phrasen liegen zudem noch eine Reihe von Atemgeräuschen vor (gelb).

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So wie die verschiedenen Key-Switch-Zonen werkseitig angelegt sind, reicht selbst eine 88er Klaviatur nicht aus, um alles ohne Transponieren zu erreichen. Das hätte nicht sein müssen, denn zwischen den einzelnen Steuer- und Spielbereichen ist noch genug leerer Raum in Form von funktionslosen weißen Tasten. Immerhin lassen sich die Song-Auswahl-Tasten und die Transpose-Key-Switches verschieben – per Song KWS und Pitch KSW:

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Die Sänger können via Rechtsklick und MIDI-Lernfunktion auch über Funktionstaster eines externen Controllerkeyboards geschaltet werden.

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Nun hat man mit einer 88er Klaviatur und vier Controller-Tasten alles im Griff.

Zeit für ein erstes Audiodemo. Wir starten mit „You Are My Sunshine“ in C-Dur. Mike, Gregg, Spencer und Mikey singen als Quartett im Originaltempo von 110 BPM:

 

Wie schon vermutet, sind die Jungs bei weitem nicht talentfrei, eher ambitionierte Amateure mit Potenzial. Klickt man auf „Auto Pan“, so werden die Stimmen noch etwas deutlicher im Panorama verteilt. Separate Panorama-Regler für die einzelnen Akteure gibt es allerdings nicht.

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Mittels Swell-Regler kann man Einfluss auf den Lautstärkeverlauf nehmen. Dieser ist werkseitig dem Modulationsrad zugewiesen. Via MIDI-Learn kann man zu einem anderen Controller wechseln, etwa einem Expression-Pedal.

Hier die selben vier Verse im Auto-Pan-Modus und mit Swell-Animation:

 

Zur Synchronisation schaltet man auf Time-Mode und Sync. Bei 80 BPM hört sich die Passage so an:

 

Die Audioqualität des Time-Machine-Pro Algorithmus von Kontakt 5 lässt keine Wünsche offen. Ungenauigkeiten beim Timing treten durch die Verlangsamung nun deutlicher zutage.

Zurück zum Originaltempo, dieses Mal jedoch in Gis-Dur:

 

Erstaunlich, wie „Mikey“ als Falsett-Tenor die Herausforderung meistert.

Hier eine Passage aus dem zweiten Song mit wechselnder Beteiligung der Stimmen:

 

Der interne Faltungshall ist werksseitig dezent beigemischt. Schaltet man ihn aus, liegen angenehm trockene Aufnahmen vor, die problemlos mit Pitch-Time-Spezialsoftware (wie etwa Celemony Melodyne) bearbeitet werden kann.

 

Staccatos

Die Barbershop-Staccatos liegen als Ensemble sowie als Einzelstimmen vor.

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Als Ensemble sind die vier Sänger über drei Oktaven verteilt. Hier finden Multisamples mit Round-Robins Verwendung. Unterhalb und oberhalb dieses Bereiches finden sich transponierte Samples mit der üblichen Formantenverschiebung, die als Effekt-Vocals dienen können.

Im Auto-Modus wird automatisch die für die Tonlage passende Stimme ausgesucht, im Unisono-Betrieb singen alle gemeinsam.

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Die oben abgebildeten Varianten können auch per Key-Switches umgeschaltet werden. Die Key-Switches liegen wiederum außerhalb des üblichen Spielbereichs einer 88er Klaviatur. Man kann sie jedoch per Set-Taster transponieren.

Die Staccatos im Auto-Modus …

 

… und im Unisono-Modus (mit Auto-Pan):


 

Attack und Release, Offset und Stretch wirken sich auf alle Samples des Patches aus. Interessant ist der Stretch-Parameter, mit dem man die Staccatos verkürzen oder dehnen kann.

Wünschenswert wäre ein Offset für jedes einzelne Sample, da diese teilweise ungenau geschnitten sind und mit verzögertem Attack starten. Fehlerkorrekturen sind nur im Sample-Edit-Modus der Vollversion von Kontakt 5 möglich.

Die Patches mit den Einzelstimmen verfügen über die gleiche Ausstattung. Sie eignen sich, wenn man die vier Sänger für unterschiedliche Melodien verwenden oder über separate Kontakt-Ausgänge abmischen will.

 

Barbershop Sustains

Auch die Sustains liegen als Ensemble im Auto- und Unisono-Modus sowie als separate Patches für die einzelnen Stimmen vor. Die Ausstattung ist identisch mit den Staccato-Patches.

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Die einzelnen Sustains werden sekundenlang ohne große Intonationsschwankungen gehalten, sodass problemlos auch langgezogene Noten gespielt werden können.

Legato-Optionen wie bei den eingangs zitierten aufwändigeren Soundiron-Vocal-Libraries finden sich hier allerdings nicht.

Hier trifft man auf einige witzige Improvisationen, die unter den Vocal-Sample-Libraries Seltenheitswert genießen. Zwischen den vier Stimmen und je drei Tonarten kann via Aufklappmenü oder Key-Switch gewechselt werden.

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Dieser Teil der Aufnahmesession hat den Jungs von Soundiron sicher besonders viel Spaß bereitet.

Als Beispiel ein Auszug aus Spencers Improvisationen:

 

Interne und externe Bearbeitungsmöglichkeiten mit Effekten

Der Vollständigkeit halber werden wir noch einen Blick auf das Effekt-Rack:

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Abgesehen vom (nicht temposynchronen) Echo, dem Equalizer und dem Faltungshall eignen sich die Effekte nicht besonders gut für die Bearbeitung der Vocals.

Es gibt jedoch einige feine externe Optionen, die wir auch schon auf releasetime getestet haben. Beispielsweise ist das Plug-in The King´s Micophones von Waves/Abbey Road Studios eine gute Wahl, wenn man den Barbershop-Gesängen einen nostalgischen Radio-Sound verleihen möchte:

 

Mehr zum Thema destruktive Klangbearbeitung bei Vocals finden Sie auch im letzten Teil des Tests zu The King´s Microphones.

Will man den Stimmem hingegen mehr Glanz und räumliche Fülle verleihen, bietet sich eine Kombination aus Novetechs Vocal Enhancer (oder Character) und Waves/Abbey Road Studios Reel ADT an. Im letzten Audiodemo kommen diese beiden Plug-ins zum Einsatz, dazu als Send-Effekt das Preset REV Chamber des algorithmischen Hall-Plug-ins UltraSpace von Tone2:

 

Fazit

Nicht ohne Augenzwinkern und Humor präsentiert Soundiron den Questionably Barbershop: Hier singt das Team selbst – durchaus ambitioniert, jedoch nicht auf dem Niveau ausgebildeter professioneller Stimmen. Das muss auch gar nicht sein. Klassische Barbershop-Gesänge wurden auch auch nicht gerade von akademisch geschulten Vokalisten vorgetragen.

Barbershop beinhaltet angenehm trocken aufgenommene Verse zweier traditioneller amerikanischer Folk-Songs, Staccatos, Sustains sowie Improvisationen mit humoristischer Note. Bei den Staccatos werden sogar Round-Robins verwendet, was die Darbietung abwechslungsreich macht. Die beiden vierstimmig vorgetragenen Songs können auch als einzelne Voicings eingespielt und bearbeitet werden. Per Swell-Parameter kann mit einem externen Controller der dynamische Verlauf moduliert werden.

Die Audioqualität ist ohne Tadel; die trockenen Samples können bei Bedarf mit externer Pitch-Time-Software gut weiter bearbeitet werden. Verse und Fragmente der Aufnahmen eignen sich daher auch für experimentelle Pop-Produktionen. Manche der Bebop-Improvisationen würde beispielsweise ein witziges Intro hergeben. Mittels (optionalem) nachgeschaltetem Mikro-, Radio-, Speaker- oder Vinyl-Simulator klingen die Barbershop-Gesänge wie aus einem alten Radio oder von einer zerkratzten Platte.

Angesichts des Umfangs an Samples und der guten Audioqualität ist der Preis mehr als fair.

Testautor: Holger Obst

Plus

  • sehr niediger Preis

  • gute Audioqualität

  • Stimmen einzeln editierbar

  • Dynamiksteuerung per Modulationsrad

  • humorvolle Improvisationen mit Seltenheitswert

Minus

  • kleine technische Mängel (Samplestart nicht immer exakt)

Systemvoraussetzungen

  • kostenloser Kontakt Player oder
  • Kontakt 5.4.2
  • Win/Mac
  • AAX, RTAS, AU. VST, standalone
  • 32 und 64 Bit

Preis: knapp 20 US$

Hersteller

Testsystem

  • PC Intel Core i7 3930K, Windows 7, Cubase 7, Motu 828 mKII
  • Testprojekt mit 44,1 kHz Samplerate und 24 Bit Auflösung.
  • Alle Audiodemos in 128k mp3.