Test: FabFilter Pro-R

FabFilter Pro-R – Rundgang

FabFilter Pro-R gibt sich als Allrounder: Vom Gäste-WC bis zum Dom: Kleine, mittlere und große Räume werden in reichlicher Zahl und den unterschiedlichsten Klangcharakteren in Form von Presets geboten. Das zeigt der Blick auf den Preset-Browser:

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Vocal Hall klingt beispielsweise so:

 

Die Stimme stammt von Resonance Sound „Shhh – I Am Speaking“.

Im Badezimmer:

 

Über das retina-fähige große, skalierbare Interface …

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… stößt man dank einfacher Bedienung schnell zur effektiven Formung des Raumes vor:

Parameter wie Brightness, Character und Distance sind keine technischen Variablen, die man erst „übersetzen“ muss, sondern leicht verständliche, globale Parameter, über die man das komplexe algorithmische Regelwerk im Hintergrund steuert.

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Über den Makro-Parameter Space Control verändert man zugleich die Abklingzeit wie auch die Form des Raumes. Wenn der Hersteller schreibt, dass man mit Space Control zwischen Dutzenden verschiedener Räume überblendet, so mag das insofern stimmen, als man im Hintergrund zwischen verschiedenen Algorithmen, die die Größe und Form des Raumes definieren, morpht. Es hört sich also nicht so an, als würde man beispielsweise in einer Blechdose beginnen und die Instrumente über Zwischenstadien wie Schuhkarton, Plastikröhre, Wohnzimmer und U-Bahn-Tunnel in einen futuristischen Endloshall wandern lassen. In der Praxis nimmt man eine Rechtsdrehung der Space Control vielmehr schlicht als eine Vergrößerung des Raumes mit sich entsprechend ändernden Reflexionsmustern wahr. Das funktioniert allerdings in bester Audioqualität. Die Reise beginnt bei kleinsten Räumen mit einem Decay von rund 200 ms und endet beim überlebensgroßen Kathedralenhall.

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Über Decay-Time variiert man die mit Space Control eingestellte Abklingzeit von 50 bis 200%.

Das Ausklingverhalten wird ferner durch eine Kurve eingestellt, den Decay-Rate-EQ. Dass unterschiedliche Frequenzbereiche mit individuellen Abklingzeiten versehen werden, kennt man auch von Mitbewerbern. Eine derart fein justierbare Kurve ist jedoch eine Seltenheit. Bis zu sechs Filter mit Glocken-, High/Low-Shef- oder Notch-Charakteristik könne eingesetzt werden. Der Decay-Rate-EQ eignet sich dazu, Materialeigenschaften und Raumresonanzen zu gestalten.

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Der 6-Band Post EQ bietet weitere Möglichkeiten, den Klang zu formen. Anhebungen und Absenkungen sind bis zu 30 dB möglich. Die Filter des Decay-Rate-EQs und die des Post EQs sind vollparametrisch und können auch mit hoher Flankensteilheit verwendet werden, um übernatürliche Resonanzen zu erzeugen, wie etwa hier (mit Automation der Filter):

 

Beim Post EQ kommen noch High- und Low-Cut Charakteristika hinzu:

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Black Hole mit 20 Sekunden Abklingzeit:

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Die Arbeit am Hall wird per Spectrum-Analyser auch visuell unterstützt. So kann man beispielsweise damit experimentieren, das Hall-Decay gezielt im Bereich der Resonanzen der charakteristischen spektralen Anteile eines Signals einzusetzen.

Das folgende Beispiel zeigt, wie mächtig und edel die Räume klingen können, die FabFilter Pro-R generiert. Für die Drums (Toontrack EZdrummer, EZX Funkmasters) und die Stimme habe ich das selbe Hall-Preset verwendet, die Stimme aber per Distance-Regler nach vorne geholt und die Drums etwa in die Raummitte geschoben:

 

Das Hallpreset sieht so aus:

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Ein Notch-Filter nimmt die Mitten bei etwa 650 Hertz heraus. Dort befinden sich keine charakteristischen Resonanzen der Drums. So klingt es, wenn ich das Notch-Filter auf 2200 Hertz verschiebe, wo die Obertöne der Transienten der Snare liegen. Die Snare wirkt damit nicht mehr ganz so verhallt, zugleich ändert sich die Klangfarbe des Raumes.

 

Hier habe ich für die Vocals die Hallzeit reduziert und mit dem Mix-Regler die Balance zum trockenen Signal hin verschoben:

 

Mit Brightness gestaltet man die Materialeigenschaften: Niedrige Werte bewirken eine höhere Absorption hoher Frequenzen und erzeugen einen warmen bis dumpfen Hall, wie man ihn beispielsweise in Räumen mit stoffbezogenen Wänden oder Polstermobiliar vorfindet. Reduziert man die Absorption, so erhält man die Akustik von Räumen mit Holz- oder Steinwänden bis hin zu einer gläsernen Architektur.

Die Concert Hall habe ich für die Holzbläser von Native Instruments / Soundiron verwendet:

 

Der Dry/Wet-Regler steht auf 100% Wet, damit Sie den Unterschied des Parameters Brightness deutlich wahrnehmen können. Zunächst das Preset mit Brightness in der neutralen Mittelposition. Bei dem Holzbläser-Ensemble habe ich die Close-Mikrofonierung eingeschaltet und in Pro-R ebenfalls die Close-Position angefahren.

Nun animiere ich den Brightness-Regler bei jedem Akkord von der Minimal zur Maximalposition:

 

Character bringt Modulationen ins Spiel und betont die frühen Reflexionen. Solche Modulationen gelten als die Stärke algorithmischer Halls.

Modulationen des Hallverlaufs treten im richtigen Leben beispielsweise durch Luftbewegungen oder Temperaturschwankungen, auch durch Veränderungen der Dichte auf und tragen bei Raumsimulatoren zu einem natürlicheren, organischeren Klang bei.

Man sollte eigentlich annehmen, dass diese Bewegungen kaum zu wahrnehmbaren Effekten führen. Das ist jedoch nicht der Fall: Klassische Faltungshalls, die lediglich eine statische Impulsantwort verwenden und solche Modulationen nicht bieten, werden im ungünstigsten Fall als dokumentarisch-kühl bis leblos wahrgenommen. (Moderne Faltungshalls verfügen deshalb über einen Modulationsparameter, der allerdings nicht die Impulsantwort selbst moduliert, sondern beispielsweise vorgeschaltete Early Reflections.)

Hier habe ich das Preset Vintage Oil Can C verwendet, drei Instanzen: für die Drums mit Distance = Far, die Holzbläser mit mittlerer Entfernung und die Vocals mit Distance = Close. Analog habe ich auch die Dry/Wet-Positionen bei den Drums auf mehr Hallanteil, bei den Vocals mit dem geringsten Hallanteil eingestellt.

 

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Nach Ölkanne bzw. Blechbehälter klingt dieser Hall nicht, ungeachtet dessen liefert der Parameter Character, der nämlich bei allen Instanzen relativ stark beteiligt ist, angenehme Schwebungen. Um das zu verdeutlichen habe ich hier den Character-Regler bei jedem Akkord vom Minimum zum Maximum aufgedreht:

 

Zum Parameter Distance: Bei einer kompletten Instrumentierung nimmt man den Distanzeffekt (Entfernung der Schallquelle zum Hörer) nicht bewusst wahr. Im folgenden Audiodemo habe ich für die bekannte Stimme das Preset Vocal Hall verwendet, den Mix-Regler auf 100% Wet gestellt und den Distanz-Regler kontinuierlich von close zu far bewegt:

 

Die Stimme wandert tatsächlich (psychoakustisch) in den Raum und verliert sich am Ende regelrecht darin. Dass es sich hier um einen Makro-Parameter handelt, der komplex in das Regelwerk eingreift, merkt man auch daran, dass man die Raumakustik unterschiedlich wahrnimmt, je tiefer die Stimme im Raum verschwindet. Es wird also nicht nur einfach mehr Hall beigemischt. Dadurch wirkt dieser Effekt sehr authentisch, denn auch in der Realität ist es so: Je weiter der Sprecher sich vom Hörer entfernt, desto deutlicher und facettenreicher nimmt man die Raumakustik wahr, einschließlich einer Veränderung der Reflexionsmuster. Auch nehmen bei Pro-R die hohen Frequenzen des Instruments mit wachsender Entfernung sukzessive ab – ebenfalls sehr naturgetreu.

Für die Filmvertonung / Post Production würde man den Mix-Regler nahe bei Wet stehen lassen, um einen echten Raumeindruck zu erzeugen. Bei Musikprojekten sieht das anders aus: Niemand würde etwa einen Kirchenchor nur mit weit entfernten Mikrofonen abnehmen, und selbst wenn dieser im Hintergrund agieren soll, würde man eine Nahmikrofonierung dezent beimischen. Probieren wir es also einmal mit einem Chor. Im folgenden Audiodemo hören Sie eine Solistin aus Best Stervice / Eduardo Tarilonte Era II Vocal Codex (die Erweiterung zu Era II Medieval Legends, die wir auf releasetime getestet haben) und im Hintergrund einen Chor aus Best Service / Eduardo Tarilonte Cantus. Verwendet habe ich das Preset Choir Hall – zwei Instanzen: Die Solistin agiert nahe der Close-Einstellung des Distance-Reglers, der Chor nahe der Far-Position.

 

Zum Vergleich: So würde es sich anhören, wenn Solistin und Mönche in mittlerer Entfernung auftreten würden:

 

Der Unterschied zwischen beiden Audiodemos ist nicht groß, dennoch wirkt die Tiefenstaffelung der Version mit unterschiedlichen Entfernungen interessanter; man kann sich, auf die Länge eines Songs projiziert, besser in die Musik hineinhören.

Über Stereo Width reguliert man die Verteilung des Eingangssignals auf die beiden Kanäle von FabFilter Pro-R: Von 0% an (mono) aufwärts entsteht ein True-Stereo-Hall. Bei 50% erreicht das Cross-Feeding sein Maximum; ein nur auf einer Seite anliegendes Signal wird dann auf beiden Hall-Kanälen bearbeitet. Bei 100% operieren die beiden Kanäle komplett unabhängig voneinander (multi-mono). Über 100 % wird das Signal so verstärkt, dass die Monokompatibilität verbessert wird. So steht es (sinngemäß) im Manual. Das folgende Audiodemo soll diese etwas komplizierte Geschichte verdeutlichen:

Hier habe ich die Solistin hart nach links gelegt, die Mönche nach rechts und den Stereo Width Regler langsam von mono bis zu multi-mono gedreht. Der Hall steht auf 100% Wet. Wenn Sie das Demo über Kopfhörer hören, können Sie am besten die Bewegungen im Stereopanorama und die unterschiedliche Verteilung der Reflexionen je nach Position des Reglers wahrnehmen.

 

Will man Halltransformationen vornehmen, so zeichnet man Parameterbewegungen nicht nur als Automation auf, sondern kann diese via MIDI-Lerndialog auch durch externe Controller steuern. Man kann also ein Instrument regelrecht durch unterschiedliche Räume wandern lassen. Allerdings gibt es keine Snapshot-Funktion mit einer Überblendung zwischen kompletten Presets (was man bei Mitbewerbern im Übrigen auch selten antrifft; eine Ausnahme bildet der UltraReverb von Eventide).

Um MIDI Learn zu nutzen, muss man zunächst eine MIDI-Spur anlegen und die betreffende FabFilter Pro-R – Instanz als Ziel eintragen. Dann klickt man auf MIDI Learn, bewegt den betreffenden Regler und anschließend den externen Controller.

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Unter Cubase 9 (und auch den Vorgängerversionen) bietet sich darüber hinaus die Zuweisung zu einer Cubase Quick Control an, der wiederum eine externe Spielhilfe, also ModWheel etc. zugewiesen werden kann. Cubase 9 unterscheidet zwischen Quick Controls für VST-Instrumente und für Spuren. Hat man hier einmal acht Steuerelemente seines Masterkeyboards zugewiesen, so ist das Bedienen von Parametern bei VST-Effekten eine komfortable Angelegenheit, die vor allem auch solche Effekte einschließt, die nicht über MIDI Learn verfügen.

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Hat man sich bei der Arbeit in eine Sackgasse manövriert, so hilft ein Undo/Redo-Dialog.

Über den A/B-Switch kann man zwei Alternativen vergleichen.

 

Inhalt:

Einleitung
Zusammenfassung
FabFilter Pro-R – Rundgang
Presets und Klangqualität
Mitbewerber
Fazit