Test: Soundiron Voice of Gaia: Bryn

Voice of Gaia: Bryn ist eine Vocal-Sample-Library, ein Portrait der wandlungsfähigen Stimme des Tenors Bryan Lane.

Bryn ist quasi das Pendant der Soundiron-Library Voice of Gaia: Francesca Genko, die wir bereits für Sie getestet haben. Die Library bietet zum einen reine Vokal-Gesänge mit echten Legato-Samples, die sowohl für Soli als auch in Form eines polyfonen Chors eingesetzt werden können, zum anderen ein breites Sortiment an Phrasen. Speziell in diesem Part der Library kommt die Vielseitigkeit des Tenors zur Geltung. Als Ergänzung finden sich noch Stimmeffekte sowie Ambiences, die aus Basis der Gesangsaufnahmen erstellt wurden.

Recording und Studiotechnik

Zusammenfasssung
  • 95%
    Klangqualität - 95%
  • 100%
    Umfang der Library, Vielseitigkeit - 100%
  • 95%
    Ausstattung mit Funktionen, Gestaltungsmöglichkeiten - 95%
  • 95%
    Bedienkomfort - 95%
  • 95%
    Preis-Leitungs-Verhältnis - 95%
96%

Auf den Punkt gebracht

Soundiron´s Voice of Gaia: Bryn ist ein enorm umfangreiches Portrait der makellosen und bewundernswert wandlungsfähigen Stimme des Tenors Bryan Lane. Geboten werden vokale Solo-Gesänge und Chöre mit echten Legato-Samples, dazu Mmmh-Artikulationen und Pfeifen, eine große Anzahl temposynchroner Phrasen, ein Slice-Sequencer für experimentelle Anwendungen, geschmackvolle Ambiences und ein Effektrack einschließlich einem Faltungshall mit teils ungewöhnlichen Impulsantworten.
Die Aufnahmen mit zwei Nah-Mikrofonen sind exzellen, das Preis-Leistungsverhältnis sehr gut.

Die Library eignet sich für Filmmusik, insbesondere Dokumentationen, aber auch für Pop-/Ethno-Pop, Ambience mit Gesangseinlagen und für Klangexperimente mit der menschlichen Stimme.

 

Überblick

Die Besonderheiten der Library Voice of Gaia: Bryn

  • Vokal-Gesänge mit echten Legato-Samples (Aah, Ooh, Mmh)
  • polyfones Legato
  • Wechsel zwischen Artikulationen per Key-Switches
  • Summen und melodisches Pfeifen mit echten Legato-Samples
  • per Controller oder Automation steuerbarer Lautstärkeverlauf (Crescendo/Decrescendo)
  • zwei mischbare Mikrofonpositionen
  • Mehr als 2000 temposynchrone, transponierbare Phrasen in verschiedenen Stilen (nonverbale Improvisationen)
  • interner Sequencer für Experimente mit Phrasenfragmenten
  • zusätzliche Sustain- und Staccato-Artikulationen (Aah, Ooh, Uuh, Mmh)
  • Effekt-Vocals wie Atemgeräusche, Lachen, Aufwärmübungen
  • ergänzende Ambiences/Pads
  • Effektboard
  • zusätzliche RAM-schonende Lite-Versionen

 

Der Protagonist

Bryan Lane ist ein junger Tenor und Multiinstrumentalist, der derzeit seinen Diplomstudiengang „Frühe Musik“ im Cornish College of the Arts, Seattle, abschließt. Seinen Master in Vocal Performance hat er bereits in der Tasche, seine Rollen in großen Opern (und Opernhäusern) führten ihn schon rund um die Welt. Seine besondere Leidenschaft gilt dem mittelalterlichen Gesang sowie dem ornamentenreichen Gesang mit seinen verschiedenen Ausprägungen und stilistischen Facetten (Naher Osten, spirituell-uramerikanisch, Gospel). Eine zweite Karriere verfolgt er als Solo-Trompeter.

 

Die Library

Voice of Gaia: Bryn läuft auf Native Instruments Kontakt 5, Vollversion. Es werden für Mac (ab OSX 10.7) und PC (ab Win 7) die gängigen Plug-in Formate in 32 und 64 Bit unterstützt. Außerdem kann Kontakt 5 auch als Standalone-Applikation verwendet werden.

Die mehr als 7800 Samples der Library beanspruchen etwas mehr als 6 GB Festplattenspeicher und liegen laut Hersteller als 23 Kontakt-Instrumente vor. Die Samples wurden in 24 Bit und 48 kHz als unkomprimierte PCM wav-Audiofiles aufgenommen.

Für die Aufnahmen wurden zwei Neuman-Mikrofone verwendet. Durch die Nahmikrofonierung in einem schallarmen Raum liegen praktisch trockene Samples vor. So können abgesehen von den internen Effekten auch externe Raumsimulatoren, Delays etc. eingesetzt werden, ohne dass Raumanteile mit prozessiert werden und es zu unerwünschten Verfärbungen oder einem verwaschenen Klang kommt. Die trockenen Phrasen eignen sich zudem für die Bearbeitung mit externer Pitch/Time-Spezialsoftware wie etwa Celemony Melodyne, zplane Vielklang, zplane reTune oder Antares Auto Tune.

 

Installation

Nach dem Erwerb erhält man einen Download-Code, den man in die (kostenlose) Download-Software Connect eingibt. Nach dem Entpacken verschiebt man die Library zum Ordner der persönlichen Wahl. Eine weitere Autorisierung, etwa per Challenge-Response über das NI Service Center, ist nicht erforderlich. Die Instrumente werden nicht über den Library-Browser, sondern über den File-Browser von Kontakt geladen.

Da Samples wie bei vielen anderen Gesangslibraries auch teilweise gestreamt werden, empfiehlt sich die Installation auf einer SSD-Disk, wenn man mit geringen Puffergrößen und Latenzen arbeiten will. Bei einer herkömmlichen Harddisk kann es zu Audioknacksern kommen, wenn man Passagen mit echtem Legato bei geringen Puffergrößen (256 Samples abwärts) einspielt oder den Song wiedergibt – und das kann auch abseits einer Live-Performance erforderlich werden, wenn man noch andere Instrumente, insbesondere Drums und Percussion, einspielen will.

Um ein Echtheitsgefühl beim Einspielen zu erreichen, benötigt man je nach Rechner, Audio-Interface (Treiber) und Projekteinstellung (Samplerate) Puffergrößen von 128 Samples abwärts.

 

Angebot an Instrumenten

Im File Browser trifft man auf die folgende Ansicht:

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Hier finden sich die bereits erwähnten verschiedenen Legato-Instrumente, Phrasen, Staccato und Sustain sowie Vocal Effects. Alle diese Instrumente gibt es alternative in Lite-Versionen. Hinzu kommen drei Ambience-Patches. Abgesehen von den Lite-Versionen zähle ich 18 Instrumente und nicht, wie vom Hersteller angegeben, 23 – was der Vielseitigkeit der Library jedoch keinen Abbruch tut.

 

Die Vocal-Legato-Instrumente

Als erstes Instrument schauen wir uns das Patch „Legato Master“ an. In puncto Sampleaufkommen ist es das aufwändigste Patch der Library und beansprucht 830 MB Arbeitsspeicher. Aktiviert man das zweite Mikrofon, so verdoppelt sich dieser Wer auf 1,66 GB. Für einen halbwegs aktuelle Rechner sollte das kein Problem sein.

Mit zwei Mikrofonen, die man auf entgegengesetzte Panoramapositionen legen kann, ergibt sich ein angenehm voller, raumgreifender Klang.

 

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Die Mikrofone können zusätzlich in der Lautstärke aufeinander abgestimmt werden. Erfreulicherweise ergeben sich auch bei Simultanverwendung der beiden Mikros (fast) keine Phasenauslöschungen; lediglich während der echten Legato-Samples zeigt der PAZ-Analyser von Waves geringe Phasenauslöschungen an, die eher messtechnisch vorhanden sind als dass man sie psychoakustisch wahrnehmen würde. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, habe ich einen Monobetrieb simuliert und selbst dann keine unerwünschten Verfärbungen, Pegelschwankungen geschweige denn Lautstärkeeinbrüche während des Legatos wahrnehmen können. Sie können Bryn also auch über Omas altes Küchenradio oder ein Mono-Handy genießen.

Zeit für ein erstes Audiodemo:

 

Diese Legato-Passage habe ich mit dem Patch „Legato Master“ eingespielt, Artikulation AH F (True Legato). F steht für Forte.

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  • Wie die Abbildung zeigt, stehen einige Paramerter zur Steuerung bereit: Das Legato kann ausgeschaltet werden, um ein polyfones Spiel zu erreichen.
  • Im Legato-Modus bestimmt der Parameter Speed die Geschwindigkeit des Notenübergangs. Im Rechtsanschlag nimmt man den gebundenen, fließenden Notenwechsel kaum noch wahr, ohne dass aber die Folgenote hart ansetzen würde. Bei dem Audiobeispiel habe ich einen langsamen Tonhöhenübergang eingestellt.
  • Die Lautstärke steuert man weniger über die Anschlagsdynamik, vielmehr über den Regler Swell, der, wie alle anderen Parameter auch, per Rechtsklick einem Controller zugewiesen werden kann.
  • Intensity definiert die Lautstärke des Notenübergangs.
  • Voices bestimmt, ab welchem Intervall bei gebundenem Spiel eine zweite bzw. dritte Stimme einsetzt. Per default steht dieser Regler auf 24. Man verlässt dann die Monofonie nur, wenn die Folgenote in einem Abstand von mehr als zwei Oktaven zur ersten Note gespielt wird, was bei einem Tonumfang von zweieinhalb Oktaven kaum geschehen wird. Stellt man Voices auf 3, so erklingt ab einer großen Terz (vier Halbtonschritte oberhalb der Basisnote) eine Zweistimmigkeit. Diese Regel gilt auch für alle Folgenoten. Hier ein Beispiel:

 

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Man kann mit dieser Methode also eine teils mehrstimmige Melodie entwerfen, bei der beispielsweise eine Grundnote längere Zeit gehalten wird, während darüber eine zweite Stimme legato improvisiert.

Apropos Halten von Noten: Die Samples sind nicht geloopt, sondern einfach angenehm lang, sodass man eine Note im Prinzip so lange halten kann, wie auch ein leibhaftiger Sänger das tun könnte, ohne in Atemnot zu geraten.

Was ich bislang noch nicht eingesetzt habe, ist der Swell-Reger, also eine kontinuierliche Zeichnung des Lautstärkeverlaufs. Ich habe das nachgeholt:

 

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Die Library ist sauber und exakt aufgenommen, dennoch merkt man, dass hier ein Mensch und keine Maschine eingesungen hat. Spielt man eine Melodie ohne jegliche Dynamiksteuerung über Swell ein, so kann es passieren, dass kleine aber doch hörbare Lautstärkeunterschiede zwischen zwei Noten auftreten. Solche Unebenheiten fallen weg, wenn man die Dynamik mit Swell steuert.

Für einen maximal natürlichen Klang lohnt sich auch ein wenig Feinarbeit mit dem Speed- und dem Intensity-Regler: Kleine Modifikationen bei der Legato-Geschwindigkeit und der Legato-Lautstärke

fallen zwar bewusst kaum auf, unterstreichen jedoch subtil die Natürlichkeit der Darbietung. Auch der Attack- und Release-Parameter darf ruhig variiert werden. Die Regelbreite ist nicht besonders groß bemessen, denn hier geht es eher um subtile Veränderungen, also nicht darum, ein extrem langsames Einschwingen, wie etwa bei einem Flächensound, zu erzielen. (Solche Attacks lassen sich mit den Sustain-Instrumenten der Library realisieren.)

Die Ooh-Artikulation, legato, ohne jegliche Parametersteuerung:

 

Mit Swell-, Speed-, Intensity- und Attack-Automation:

 

Bleibt noch zu erwähnen, dass man mit Offset den Sample-Start verschieben kann.

Im Legato Master wechselt man per Key-Switch zwischen Ah (Forte), Ooh (Piano), Hum (Summen) und Whistle (Pfeifen) – alle vier Artikulationen natürlich mit echten Legato-Samples und den oben beschriebenen Funktionen.

Hier das wunderschön sanfte Summen, zur Abwechslung polyfon:

 

Pfeifen mit Legato:

 

Weitere Vokal-Instrumente

Sie werden sich vielleicht fragen: Wenn man im Legato Master bereits zwischen verschiedenen Artikulationen umschalten kann, warum dann noch einmal die selben Vokale als einzelne Instrumente? Nun, hier geht es darum, Arbeitsspeicher einzusparen.

Das Patch Legato Ah F (True Legato) benötigt rund 300 MB weniger RAM (bzw. 600 MB bei zwei Mikrofonen), nämlich 520 MB. Die Ausstattung mit Funktionen und der Tonumfang – der übrigens vom Tenor erstaunlich weit hoch hinaus reicht bis in Counter-Tenor-Lagen – sind identisch.

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Der Original-Tonumfang unseres Tenors lag bei D2 – D4 und wurde auf C2 bis G4 erweitert. Wenn man genau hinhört, merkt man auch, dass ab D4 aufwärts die selben Samples verwendet werden. Im Kontext mit den oben beschriebenen Modulationsmöglichkeiten stellt das jedoch für die Praxis kaum eine Einschränkung dar.

(Irritierenderweise gibt es hier einen einzelnen Key-Switch, offenbar ein Relikt des Master-Legato-Templates.)

Das Gleiche gilt für die Patches Hum Legato, Ooh Legato (Piano) und Whistle. Alle mit True-Legato Samples; Whistle mit dem geringsten RAM-Bedarf von vergleichsweise beschaulichen 166 MB.

Zählt man die Speichergrößen der einzelnen Patches zusammen, so kommt man auf deutlich mehr als die 1,6 GB des Master Legato. Bei den Einzelinstrumenten werden also mehr Samples der betreffenden Artikulation in den Arbeitsspeicher geladen und dadurch weniger gestreamt, was sich in einer geringeren Anfälligkeit für CPU-Peaks bemerkbar macht.

 

Wir kommen zum Sustain-Instrument:

Zu den bekannten Artikulationen kommt Ooh in Mezzoforte und Uh hinzu, wählbar über das Aufklappmenü (s. Abbildung) oder über Key-Switches.

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Die Funktionen sind wiederum weitgehend mit den True-Legato-Patches identisch. Hier kommen allerdings künstlich erzeugte Tonhöhenübergänge zu Einsatz. Auto Pan bewirkt, dass die Stimmen beim polyfonen Spiel im Panorama verteilt werden. Im Play-Mode „Natural“ wird das Sample ungeloopt abgespielt. In höheren Lagen sind die Samples etwa sechs Sekunden lang, in tiefen Lagen acht. Im Modus „Infinite“ werden die Samples geloopt. Die Loop-Punkte sind mit großer Sorgfalt gesetzt, sodass die Nahtstellen fast unhörbar sind.

Die Ooh-Artikulation (Mezzoforte) mit künstlichem Legato:

 

Die Uh-Artikulation, polyfon, die sich durch ein kurzes Glissando am Anfang und ein deutliches Vibrato in der Sustainphase von den anderen Artikulationen abhebt:

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Auch das Staccato-Patch verfügt über mehrere Artikulationen:

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Ah Forte mit Dynamikautomation (Swell-Regler):

 

Das selbe mit der Oh-Artikulation:

 

Bei den Staccato-Variationen treffen wir zum ersten Mal auf Time-Stretching: Mit dem Regler Stretch lassen sich die Samples in Echtzeit fließend dehnen oder stauchen:

 

Und so klingt das Staccato-Pfeifen:

 

Auch hier kann man mit dem Stretch-Parameter Abwechslung ins Spiel bringen:

 

Das einzige, was dieses hübsche Pfeifen geringfügig beeinträchtigt, sind ein paar winzige Knackser, die ich auch mit dem Heraufsetzen der Puffergröße nicht beseitigen konnte. Offenbar haben sie nichts mit Streaming-Problemen zu tun, sind aber auch nicht im Sample enthalten, da sie erst bei Notenwechseln auftreten. Soweit sie im Projekt, d. h. im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten hörbar sein sollten, wird man wohl oder übel mit einem Restaurationswerkzeug dran gehen müssen.

Wir kommen zum Sustain (Pad Mode).

Dieses Instrument erlaubt ein sehr sanftes, langsames Einschwingen durch größere Attackwerte und ein ebenso langsames Abklingen durch den Release-Parameter. Beide sind hier deutlich weitgreifender ausgelegt als bei den Legato-Patches. Es geht eben um vokale Flächensounds, Pads.

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Und diese sind nun über mehr als sechs Oktaven spielbar. Die Gesangsaufnahmen wurden also stark transponiert, um die unteren und oberen Lagen aufzufüllen. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf den Klangcharakter, der im Bassbereich nun doch reichlich unnatürlich wirkt.

Es geht hier aber nicht um natürliche Chorgesänge. Wer diese über alle Lagen erreichen möchte, braucht eine Chor-Library oder weitere Solisten, wie etwa The Bass aus der Voice of Rapture Serie von Soundiron.

Es geht um Effektpads. Warum also nicht gleich einen Effekthall hinzumischen?

Im FX-Rack findet sich ein Faltungshall, der neben einer Sammlung klassischer Umgebungen vom Studio bis zur Kathedrale auch einige ausgefallene Impulsantworten bereitstellt:

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Temposynchrone Phrasen und Extras

Wir kommen zum zweiten großen Teil der Library, den temposynchronen Phrasen. Hier noch einmal der Überblick:

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Wie eingangs erwähnt handelt es sich dabei um nonverbale Improvisationen. Es handelt sich also nicht um Lyrik, sondern um lyrikähnliche Klangmalereien der Stimme, sozusagen um Phantasiesprachen. Wir gehen sie der Reihe nach durch und hören stichprobenartig hinein.

Zur Auflockerung ein akustischer Einblick in die ornamentenreichen Phrasen im arabischen Stil:

 

Die bei diesem Demo verwendeten Samples sind recht leise. Ich habe sie in der Lautstärke um etwa 20 dB angehoben. Dennoch tritt kein störendes Rauschen auf, was auf die Verwendung hochwertigen Equipments sowie Sauberkeit und penible Arbeit bei den Aufnahmen zurückzuführen ist.

Wieder habe ich beide Mikros aktiviert und sie auf die extremen Links/Rechts-Positionen gelegt. Außerdem habe ich zwischen vier Phrasen mitten im Verlauf gewechselt. Dass es dabei nicht zu Brüchen im Klangverlauf kommt, ist dem X-Fade-Modus zu verdanken, der ein sanftes Crossfade einbaut, dessen Länge über den gleichnamigen Regler definiert werden kann.

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Auch der Swell-Parameter ist wieder anzutreffen, und ich habe ihn auch benutzt. Da man in Echtzeit den Klangverlauf der Samples verfolgen kann, nämlich im Wellenformdisplay bei durchlaufendem Cursor, fällt es leicht, etwa lautere Stellen mittels Swell noch weiter zu betonen oder sie umgekehrt im Pegel herunterzuregeln, wenn man sie als zu dramatisch oder übersteigert empfindet.

Auch Attack, Offset, Release und Pitch stehen zur Verfügung und betreffen alle Phrasen des Patches. Insbesondere bei Offset macht das kaum Sinn, viel schöner wäre es, wenn man einzelne Phrasen kürzen könnte. Wir kommen aber gleich noch zum Sequencer-Modus, und da sieht es etwas anders aus. (Anstelle des Offset-Reglers kann man übrigens auch den kleinen grünen Anfasser links unten im Wellenformdisplay verschieben.)

Über den Sync-Taster schaltet man die Temposynchronisation ein und aus. Die Phrasen klingen in einem weiten Bereich immer noch natürlich; Kontakts Time-Machine Pro leistet gute Arbeit: +/- 30 BPM sind kein Problem, und auch darüber hinaus erzielt man noch befriedigende Ergebnisse. Ein übermäßiges Dehnen oder Stretchen von Phrasen mit Vibrato bewirkt naturgemäß ein Leiern oder hektische Tonhöhenschwankungen wie sie kein Sänger hervorbringen würde. Aber braucht man 200 BPM bei einem eher balladenartig vorgetragenen Lied?

Schaltet man die Temposynchronisation aus, so kann man die Phrasen (wiederum global, also alle Phrasen des Patches bzw. Kontakt-Instruments) mit dem Stretch-Parameter dehnen oder stauchen.

Schaut man in das Namensfeld, so werden dort neben dem Originaltempo die Grundtöne angezeigt. Das Aufklappmenü zeigt, dass alle möglichen Grundtöne vertreten sind – gleich mit zwei Sets zu jedem Grundton.

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Die Sets können auch über (transponierbare) Key-Switches gewechselt werden. Sie enthalten ein individuelles Sortiment an Phrasen, woraus sich eine riesige Auswahl ergibt, wie sie mir (außerhalb der Soundiron-Produkte) noch bei keinem anderen Anbieter von Vocal-Libraries begegnet ist.

Hat man ein Arrangement mit mehreren Phrasen erstellt und stellt fest, dass sie um einen Halbtonschritt transponiert werden müssen, wechselt man nicht zu dem Set mit dem nächst höheren Grundton, sondern benutzt den Pitchregler. Die Qualität des Pitch-Shiftings ist erstaunlich. Hier das zuletzt verwendete Audiodemo um eine kleine Terz transponiert:

 

Um eine Quinte:

 

Bei einer Oktave wird es stellenweise grenzwertig; dort wo die Stimme sich kurz überschlägt, wirkt sie nun unnatürlich.

 

Zuletzt noch eine Oktave tiefer, im Time-Mode „Free“ mit deutlich gedehnten Phrasen:

 

Transponierungen um bis zu sechs Halbtonschritte aufwärts kann man zudem über Key-Switches vornehmen, nämlich über die grün gefärbten Tasten oberhalb des Spielbereichs:

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Warum diese außerhalb des üblichen Spielbereichs einer 88er Tastatur liegen, ist mir ein Rätsel. Anstatt die Klaviatur zu transponieren soll man aber auch die Steuertasten verschieben können, und zwar über Set Pitch KS:

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Wie vom Hersteller beschrieben, nämlich durch Klicken auf „Set“ und anschließend auf eine Zieltaste der MIDI-Klaviatur funktionierte es auf unserem Testsystem allerdings nicht. Glücklicherweise kann man die Key-Switches auch über Pfeiltasten verschieben, die sich zeigen, wenn man in das Feld mit den Notenangaben klickt. Das gleiche gilt für die Song-Key-Switches.

Auch die „Chants“ weisen einen deutlich nahöstlichen Charakter auf und verfügen über reizvolle Phrasierungen und Ornamente. Hier zusammen mit einem Beat aus Soundiron Antidrum 2 (alternative Drumlibrary mit allerlei zweckentfremdeten Gerätschaften):

 

Die Funktionen sind bei allen Phrases-Instrumenten gleich. Lediglich die Auswahl an Tastaturbelegungen innerhalb des Patches variiert:

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Die Chants und die arabischen Phrasen kann man sich sehr gut für den Soundtrack zu Dokumentationen vorstellen. Sie sind aber auch für Ethno-Pop geeignet.

Jede Library der Voice of Gaia – Reihe (und auch der Voice of Rapture – Libraries) hat ihre Besonderheiten. Bei Bryn sind es die gesummten Phrasen, die man in dieser Fülle nirgendwo anders finden wird:

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Sie sind wunderbar sanft und können gut mit dem gesummten Chor kombiniert werden. Auch eine starke Transponierung macht ihnen nichts aus – um eine Oktave nach unten (und mit eingestreutem Atemgeräusch):

 

Die Atemgeräusche werden von der Transponierung sinnvollerweise nicht erfasst. Wer eine Oktave tiefer singt, atmet trotzdem nicht wie King-Kong.

Sehr ruhig, ausbalanciert und beschaulich geht es bei den Soul-Improvisationen des ersten Sets zu.

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So ruhig und diszipliniert bleibt es nicht. Das Repertoire ist riesig und durchgängig im Originaltempo von 80 BPM eingesungen worden. Es werden die unterschiedlichsten Stimmungen bedient:

 

Wenn ich eingangs erwähnt habe, dass die Aufnahmen vorbildlich trocken vorliegen, werden Sie sich vielleicht fragen, woher der Hall in allen bisherigen Audiodemos kommt. Dieser stammt aus dem internen Effektrack, welches über ein eigenes Menü verfügt:

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Sämtliche Vocal-Libraries von Soundiron verfügen über dieses Effektrack. Während der emulierte Gitarrenamp, die Speaker und der Verzerrer in Kombination mit den Gesängen weniger interessant sind, finden sich unter den Impulsantworten des Faltungshalls einige außergewöhnliche Exemplare.

Dieser Effekthall würde auch zu einem Muezzin passen:

 

Hier klingt die Stimme wie aus einer Blechbüchse:

 

Bei den Phrases Vowel trifft man – wie der Name schon sagt – auf reine Vokal-Improvisationen, auch hier wieder mit üppiger Auswahl, von leise und sanft bis zu beherrschend und laut.

 

Die Phrasen lassen sich mittels X-Fade nahtlos aneinanderreihen und mit Swell in der Dynamik fließend steuern:

 

Passend zu den Legato Whistles gibt es zwei Sets mit gepfiffenen Phrasen:

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Der interne Sequencer

Wer mit Ausschnitten aus den Phrasen experimentieren will, findet im internen Seqzuencer eine Möglichkeit, abwechslungsreiche Abfolgen von Fragmenten oder gleich ganze Stimmencluster (unter Hinzunahme des Echo-Effekts aus dem FX-Rack) zu erzeugen.

Die Sequenz kann aus bis zu 32 Schritten bestehen. Pro Schritt kann der Start- und Endpunkt innerhalb des Samples bzw. der Phrase sowie die Tonhöhe definiert werden. In der folgenden Abbildung sind acht Steps aktiv:

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Es bieten sich verschiedene Abspielmodi an:

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Der Sequenzer wird mit der rot eingefärbten Taste der virtuellen Klaviatur gestartet (bzw. mit H4). In den meisten Modi läuft die Sequenz so lange, wie diese Taste gehalten wird.

Da es für das Setzen der Anfangs- und Endpunkte kein Tempo-Raster gibt, ist es kaum möglich, temposynchrone Sequenzen zu erzeugen. Das würde uns auch vor das Problem stellen, dass einzelne Schnitte mitten in einer Silbe landen. Im Abspielmodus „Fwd. Step“ findet sich hierfür eine bessere Lösung: Mit jedem Spielen der Triggertaste H4 wird ein Schritt abgespielt. So kann man einzelne Silben aus verschiedenen Phrasen genau im Takt abspielen.

Im Sequencerbetrieb bleiben die globalen Parameter weiter aktiv. Es ist also möglich, durch Swell die Dynamik einer laufenden Sequenz zu gestalten und im Time Mode „Free“ mit dem Stretch-Regler einzelne Steps bzw. Fragmente oder Silben zu beschleunigen oder zu dehnen. Im folgenden Beispiel habe ich Swell und Stretch über externe Controller gesteuert:

 

Die Drums stammen aus Toontracks EZX Traditional Country für den EZdrummer.

Dazu noch eine Priese Gelächter aus dem Instrument „Vocal Effects“, mit internem Echo und Rückwärts-Hall:

 

Neben Lachern gibt es ein großes Angebot an Atemgeräuschen, dazu Blubbern, Räuspern, Aufwärmübungen und ein einzelnes Rülpsen. Zwischen all diesen Alternativen kann man mittels Steuertasten umschalten.

 

Im Beipack finden sich zudem einige geschmackvolle Ambiences. Die drei Instrumente liefern jeweils verschiedene Varianten, die per Key-Switch gewechselt werden können.

Alle Ambiences, also Flächenklänge / Texturen sind auf der Grundlage der Gesangsaufnahmen entstanden, die für diesen Zweck extrem verfremdet wurden.

Brymbal liefert resonanzreiche Ambiences mit dezent metallischem Charakter. Brymbience breit angelegte Pads:

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Bryndefly besteht aus Mini-Klangkompositionen mit eingewobenen rhythmischen bzw. zyklischen Teilklängen – fertige Vorlagen für die Filmmusik:

 

Die einzelnen Samples dieser Ambiences sind extrem lang. Es sind die selben Legato-Funktionen wie bei den Vokal-Instrumenten vorhanden – hier wechselt man bei gebunden gespielten Noten allerdings nicht zwischen verschiedenen Samples, sondern gleitet lediglich auf eine andere Tonhöhe. Bei den Ambiences ist ein Sample auf die gesamte Tastatur verteilt.

 

Fazit

Soundiron´s Voice of Gaia: Bryn ist ein enorm umfangreiches Portrait der makellosen und bewundernswert wandlungsfähigen Stimme des Tenors Bryan Lane (der auch Counter-Tenor-Lagen beherrscht).

Die Library eignet sich für Filmmusik, insbesondere Dokumentationen, aber auch für Pop-/Ethno-Pop, Ambience mit Gesangseinlagen und für Klangexperimente mit der menschlichen Stimme.

Geboten werden klassische Vokal-Gesänge mit monofonem und polyfonem Legato unter Verwendung echter Legato-Samples. Diese Kontakt-Instrumente lassen sich sowohl für solistische Melodien wie auch für polyfone Chöre verwenden und werden durch weitere Sustain- und Staccato-Varianten ergänzt. Einzigartig gelungen sind Mmh-Artikulationen und Pfeifen.

Der ebenso markante wie gefühlvolle Tenor mit wunderbar klarer Stimme macht die Vocal-Instrumente zu einem Hörerlebnis. Dazu trägt auch die erstklassige Aufnahmetechnik und Klangqualität bei.

Es werden durchgängig zwei Nah-Mikrofone geboten. Setzt man diese auf den entgegengesetzten Panoramapositionen ein, erzielt man eine volle, raumgreifende Stimme. Zudem bewirkt die fließende Dynamiksteuerung mittels Swell-Regler sowie der Einsatz weiterer Parameter ein außergewöhnlich lebendiges, natürliches Klangerlebnis.

Ebenfalls beeindruckend ist das riesige Angebot an temposynchronen Phrasen in verschiedenen Stilrichtingen und allen Grundtönen. Ergänzend kommen gesummte und gepfiffene Improvisationen hinzu. Schaltet man die internen Effekte aus (genauer gesagt den Hall, der per default immer mit dabei ist), so erhält man vorbildlich saubere und trockene Aufnahmen, die bestens geeignet sind, um mit externer Pitch/Time-Spezialsoftware wie Celemony Melodyne, Antares Auto Tune, zplane Vielklang oder reTune sowie externen Effekten vom Hall bis zu Stimm-Prozessoren wie Antares Throat oder Flux/Ircam-Tools Trax bearbeitet werden können.

Für Experimente mit Silben und Stimmfragmenten eignet sich der interne Sequencer. Im Forward-Step-Modus lassen sich Ausschnitte aus den Phrasen taktgenau einspielen.

Auch Stimmeffekte wie Warm-ups, Atemgeräusche oder Lachen wurden nicht vergessen. Die Ambiences, die durch starke Verfremdungen der Originalaufnahmen entstanden sind, erweisen sich als geschmackvolle und vielschichtige Klangevolutionen und Texturen, die man so wie sie sind für die Filmmusik, Spielevertonung oder Multimedia-Anwendungen einsetzen kann, ebenso für Ambient und verwandte Genres.

Unterm Strich erhält man ein vielseitig verwendbares Portrait eines Tenors von Weltklasse mit vielen Extras. Manche Libraries punkten mit Masse, andere mit außergewöhnlichen Stimmen, wieder andere mit technischen Raffinessen – Voice of Gaia: Bryn kann in allen drei Disziplinen überzeugen. Der Preis ist ausgesprochen niedrig angesetzt

Testautor: Holger Obst

Plus:

  • ausdrucksstarke, vielseitige Stimme
  • exzellente Audioqualität
  • doppelte Nah-Mikrofonierung
  • echte Legato-Samples
  • monofones und polyfones Legato
  • Vielzahl tempoynchroner Phrasen verschiedener Stilrichtungen
  • experimenteller Step-Sequencer
  • fairer Preis

Minus:

  • CPU-Peaks bei niedrigen Puffergrößen/Latenzen (Streaming) möglich
  • Installation auf einer SSD anzuraten.

Systemvoraussetzungen:

Kontakt 5 Vollversion

Preis: 119.- US-Dollar / 119.- EUR (UVP)

Hersteller: Soundiron