Test: Waves Abbey Road: The King´s Microphones

Installation

The King´s Microphones wird über Waves V9 installiert und über das Waves License Center autorisiert. Das Plug-in kann über einen Dongle (und damit mobil), mit der Workstation selbst als Referenz oder über eine License-Cloud autorisiert werden. Der iLok wird nicht mehr unterstützt.

Das Plug-in liegt auf dem Mac (ab OSX 10.7) und Windows PCs (ab 7 SP1) in den Formaten VST/VST3, AU, AAX und RTAS in 32 und 64 Bit vor. Auf der Produktseite (Link im Anhang) finden Sie ausführliche Informationen zu den unterstützten Host-Sequencern.

Näheres zum Installieren, Autorisieren von Waves Produkten sowie Informationen zum Waves-Update-Plan finden Sie auch in unserem Beitrag „Von Raubkopierern, Dongen aus purem Gold und anderen Autorisierungsschweinereien“.

Das Mikrofon King Georges des Fünften

Wir starten chronologisch mit dem ältesten Modell aus dem Jahre 1926. Die Oberfläche mit einem Grafik-Mix aus Abbey Road Vintage Style und Ornamenten, die das Mikrofon umrahmen, präsentiert sich aufgeräumt:

The_Kings_Microphones_Bild2

Über die Taster steppt man durch drei Generationen Mikrofontechnik königlicher Oberhäupter und die drei oben erwähnten Abnahmecharakteristika Close, Ambient und Natural. Anstatt mit den Ziffern 1, 2 und 3 hätte man die Taster auch gleich mit Close, Ambient und Natural (oder C, A, N) beschriften können. Die gewählte Variante wird links unten in der Mirofongrafik angezeigt. Das Umschalten zwischen Mikrofonen und Abnahmevarianten erfolgt knackfrei in Echtzeit.

Im Stereo-Betrieb zeigen Peak-Meter den Eingangspegel mit zusätzlicher LED für Übersteuerungen an. Die Eingangslautstärke kann über einen Regler stufenlos von -48 dB bis +12 dB angepasst werden. Darunter befindet sich ein Trim-Button, der den Maximalpegel vor Clipping anzeigt. Klickt man auf ihn, so wird der Gain-Regler automatisch auf die maximale übersteuerungsfreie Lautstärke justiert.

Im folgenden Audiodemo hören sie einige gesprochene Phrasen aus der Library Soundiron Voice of Rapture: The Bass, zunächst ohne The King´s Microphones:

 

Nun mit King Georges Mikro, Position 1 (nah):

 

Der Klang hat tatsächlich eine sehr eigene Charakteristik und erinnert an eine historische Radioqualität. In der Nah-Einstellung dieses Mikros wirkt die Stimme dabei erstaunlich direkt und präzise. Da Dynamikspitzen im hohen Frequenzbereich verstärkt werden, können gelegentlich Zischlaute etwas zu stark hervortreten, die mit einem (nachgeschalteten) De-Esser wieder abgefangen werden können. Trotz der Reduzierung auf einen schmalbandigen Klang verliert die Stimme nicht an Charakter und klingt auch nicht dünn, nur anders.

Die Ambient-Mikrofonierung (Position 2) bringt keinen Raumklang aber einen volleren Sound mit sich: Nun sind die unteren Mitten auch dabei.

 

Hier noch die Natural-Variante (Position 3), die der Ambient-Variante ähnelt, jedoch etwas direkter klingt:

 

Das Mikrofon King Georges des Sechsten

Wir wechseln zum zweiten Mikrofon:

The_Kings_Microphones_Bild3

Hier fangen wir mit Position 3 an:

 

Der Klang erinnert an eine gute Radioqualität der 50er oder 60er Jahre. Die Stimme wirkt angenehm voluminös, bauchig, dabei warm und rund. Es dürfte schwerfallen, dies mit einem Filter/Equalizer nachzubauen.

Nun die Position 2 (Ambient):

 

Das „Bauchige“ fällt hier wieder weg. Die Stimme klingt immer noch nach Vintage-Radio, dieses Mal jedoch wie über einen kleineren Speaker. Die Nah-Mikrofonierung (Position 1) …

 

… hört sich hingegen wie durch einen Filter an: Ganz im Gegensatz zum Carbon-Mikro von 1926 dämpft das dynamische Modell von 1936 die Höhen leicht ab. Ungeachtet dessen ist der Klang in sich stimmig, warm, ausgewogen und keinesfalls undeutlich oder verwaschen.

Queen Elizabeths Mikrofon

Etwas rauer und wieder höhenreicher präsentiert sich Queen Elisabeths dynamisches Mikrofon …

The_Kings_Microphones_Bild4

… das ja ebenfalls auf 1936 datiert ist:

 

Mit der Ambient-Mikrofonierung fühlt man sich beinahe in der Neuzeit angekommen:

 

Die Stimme wird deutlich und detailreich übertragen. Dynamik und Modulation verlieren nicht im Geringsten an Wirkung. Das gilt auch für Position 3, Natural:

 

Dass die Stimme durch The King´s Microphones nicht nur nostalgisch klingt, sondern auch an Ausdruckskraft gewinnt, zeigt der direkte A/B-Vergleich beim Ein- und Ausschalten des Effekts:

 

Weibliche Stimmen und Gesang

Selbstverständlich werden auch weibliche Stimmen durch die Mikrofone in die Vergangenheit teleportiert. Hier das Original (aus Sonokinetic Aliye):

 

Die Nah-Abnahme des Karbon-Mikros produziert einige schneidende Zisch-Laute:

 

Mit einem De-Esser, etwa dem aus Eventides UltraChannel, bekommt man das schnell in den Griff:

 

Hier mit Queen Elizabeth´s Mikro, Ambient-Variante (ohne nachgeschalteten De-Esser):

 

Als Nächstes schnappen wir uns einen mehrstimmigen Gesang: Soundirons Questionably Barbershop (Test folgt in Kürze) wirkt von sich aus nostalgisch und könnte mit den Mikros harmonieren. Wie immer erst das unbearbeitete Original (ohne Hall):

 

Nun mit dem Karbon-Mikro von 1926, Variante 3 (Natural)

 

Das Karbon-Mikro dreht die Uhr des Barbershops um Jahrzehnte zurück.

Das dynamische Mikrofon King Georges des Sechsten liefert eine weitere, etwas voller klingende Alternative, hier in den Positionen 1 und 2:

 

 

Die königlichen Mikrofone kann man auch für einen kompletten Mix verwenden. Wir probieren das mit einem Loop aus Ueberschall Indie Rock, zunächst im Original:

 

Mit Queen Elizabeth´ Mikro, Position 3:

 

Das selbe Mikrofon in der Nahabnahme:

 

Alternativen, Kombinationsmöglichkeiten, Anwendungsbeispiele

Wie eingangs erwähnt, ist das Marktsegment an reinen Mikrofonsimulationen eher dünn besiedelt.

Das Antares Mic Mod FX wandelt eine definierte Mikrofoncharakteristik in ein Zielmikro um. Dies geschieht über Spectral Shaping. Häufig verwendete Mikrofone gehören ebenso wie historische Modelle zum Arsenal, die des britischen Königshauses allerdings nicht. Kennt man das verwendete Originalmikrofon nicht (wie bei den meisten Samples und Loops), eignet sich Mic Mod FX eher für Experimente.

Unter der Bezeichnung Virtual Microphone System will Slate Digital in Kürze eine Kombination aus zwei Hardware-Mikrofonen, Dual-Preamp und einem Simulator-Plug-in für rund 1000.- US$ anbieten. Das System soll legendäre und teils sündhaft teure Preamp-/Mikrofonkonstellationen imitieren.

Fast alle anderen mir bekannten virtuellen Mikrofone verwenden Faltungstechnik und gehören zu Multieffekten wie Amp/Speaker-Simulationen für Gitarren und Bässe – sicher keine geeigneten Vergleichskandidaten.

Etwas anders sieht es bei Audioease Speakerphone 2 aus. Dort ist eine kleine Auswahl von Mikrofonen an Bord (Faltungstechnik), die auch ohne die zahlreichen anderen Module des umfangreich ausgestatteten und in erster Linie für Filmvertonung konzipierten Klangtransformators verwendet werden können. Ohne dem leistungsstarken und im Konzept einzigartigen Speakerphone ungerecht werden zu wollen – die Mikrofone können es mit unserem Testkandidaten bei weitem nicht aufnehmen.

Zunächst ein dynamisches Sure Beta 52 aus Audioease Speakerphone 2:

 

Ein Telefunken U47:

 

Auch iZotope Trash 2 verfolgt eigentlich andere Ziele als die reine Mikrofonsimulation. Hier geht es um multimodulare Klangdestruktion. Im Convolve-Modul findet sich jedoch ein Preset „Cheap Radio“ mit Kondensator-Mikro. Zusammen mit einer leichten Anzerrung (Trash-Modul) und Kompression (Dynamics Modul) lässt sich ein Retro-Radio-Sound erzielen:

 

Das klingt schon etwas lebendiger als die Ergebnisse mit Speakerphone. Dennoch muss man sagen, dass der präsente, detailreiche und transparente Klang von The King´s Microphones auch mit dieser Alternative nicht erzielbar ist.

Und auch hier wollen wir nicht unfair abwerten: iZotope Trash ist das leistungsstärkste Tool für Lo-Fi-Sound, das der Markt derzeit zu bieten hat.

Sowohl Audioease Speakerphone als auch iZotope Trash 2 eignen sich im Verbund mit The King´s Microphones, wenn deren nostalgischer Klang beispielsweise in eine spezielle Umgebung transportiert werden, mit Radio- oder Schallplattenspieler-Artefakten gemischt oder fein dosierbar destruktiv verfremdet werden soll.

Bleibt noch eine weitere Option: Eigenbau nostalgischer Sounds mit Equalizern. Es sollte doch eigentlich kein Problem sein, durch eine Hügellandschaft im Filterverlauf auch Retro-Sounds zu generieren. Die Ergebnisse klingen dann auch schnell nach Telefon, Megafon oder allgemein spektral reduziert und technisch rückständig. Die Vitalität und Präsenz der King´s Mikrophones sind jedoch auch auf diesem Wege nicht erreichbar.

Abseits reiner Mikrofon-Simulationen und auf der Suche nach Retro-Sounds bin ich (wieder einmal) auf den vielseitigen Eventide Ultra Channel gestoßen, der in der Kategorie FX ein „Broken Radio“ bietet. (Hier kommen der O-Pressor, ein brachialer, ultraschneller Kompresor, mit extrem kurzen Attack- und Release-Zeiten, das Gate, der Equalizer und die Transformator-Simulation zum Einsatz.) Das Ergebnis hört sich recht interessant an (wir wechseln jetzt zurück zum Barbershop-Gesang):

 

Der Eventide-EQ unterdrückt die Mitten und Bässe unterhalb von 550 Hertz und hebt die Höhen stark an.Reduziert man die Absenkung und die Höhenanhebung ein wenig und schaltet das Karbon-Mikro aus The King´s Microphones hinzu, fügen sich die Mikrofone und das defekte Radio zu diesem Sound zusammen:

 

Waves/Abbey Road Reel ADT doppelt die Stimmen und öffnet das Panorama:

 

Ganz extrem wird es, wenn man noch eine Schallplattensimulation hinzunimmt. Hier gibt es gleich zwei Freeware-Plug-ins:

The Cornet für Native Instruments Reaktor 5. Dieses Plug-in liefert keine Knackser oder Gleichlaufschwankungen, sondern nur eine Klangsimulation. Diese ist allerdings gelungen.

 

Vinyl von iZotope geht drastischer zur Sache:

 

Damit deutlich wird, dass die King´s Microphones auch bei so vielen nachgeschalteten Plug-ins immer noch eine wesentliche Rolle spielen, hier zum Vergleich die Passage ohne das King Georges V – Mikro:

 

Zuletzt: Auf der Suche nach einem gestörten Radioempfang wurde ich überraschenderweise auch bei Kaleidoscope von 2C Audio fündig. Neben futuristischen sphärischen Klangtransformationen finden sich dort unter FX AM Distortion auch destruktive Effekte.

 

Was bislang noch fehlt, ist die Kombination mit einem Hall. Hierzu nehmen wir Tone 2 UltraSpace als Send-Effekt. Die destruktiven Effekte Kaleidoscope und Vinyl habe ich ausgeschaltet. Eventides UltraChannel dient jetzt der Gesangsverdichtung als Kompressor. Es soll wie eine Radioübertragung in einem mittleren Raum klingen:

 

Fazit

The King´s Microphones ist die Mikrophonemulation schlechthin. Ob der Klangcharakter der Originale tatsächlich eingefangen wurde sei dahingestellt: Die neun verschiedenen Charakteristika, die geboten werden, sind jede für sich eine Bereicherung. Sie liefern einen einzigartig authentischen nostalgischen Flair und Vintage-Sound.

Alternativen mit Faltungstechnik lässt The King´s Microphones weit hinter sich: Diese klingen im Vergleich regelrecht flach, während unser Testkandidat einen Retro-Sound vom Feinsten bietet: Dynamik und Ausdruck von Stimmen werden durch diese virtuellen Mikrofone ausgezeichnet abgebildet. Fast ist es so, als ob der Sprung zurück in die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts dem Gesang Farben entlockt, die eine Hochglanz Hi-Fi-Produktion nicht zu bieten hat.

Man wünscht sich, dass Waves / Abbey Road gleich noch ein passendes Radio und eine Grammofon-Simulation mitliefert.

Neben der Bearbeitung von Gesang eignen sich die Mikrofone auch für andere Instrumente und sogar für einen kompletten Mix, wenn dieser aus einem guten, alten Radio ertönen soll.

Der Anspruch an die CPU ist auch bei niedrigen Latenzen kaum messbar. Die virtuellen Mikrofone lassen sich daher auch live uneingeschränkt und, falls erforderlich, mehrfach verwenden.

Der Preis ist angemessen.

Testautor: Holger Obst

Top Product Award

Preis: 100.- US$ (Stand April 2015) Hinweis: Bedingt durch Sonderaktionen ändert sich bei Waves das Preisgefüge häufig.

Plus:

  • Mikrofonemulation mit außergewöhnlich packender Charakteristik
  • erstklassige Audioqualität
  • nostalgischer Sound auf Referenzklasseniveau
  • universell einsetzbar

Minus:

Hersteller

Systemvoraussetzungen

  • Mac (ab OSX 10.7)
  • Windows (ab 7 SP1)
  • Formate: VST2/VST3, AU, AAX und RTAS
  • 32 und 64 Bit

Testsystem

  • PC Intel Core i7 3930K, Windows 7, Cubase 7, Motu 828 mKII;
  • Testprojekt Cubase: 44,1 kHz Samplerate, 24 Bit Auflösung
  • alle Audiodemos in 128 k mp3