Test: IK Multimedia AmpliTube Max
|AmpliTube Max präsentiert sich als ultimatives Arsenal an Verstärker-, Lautsprecher-, Mikrofon- und Effektemulationen in erster Linie für Gitarristen und Bassisten. Mehr als 300 Emulationen stehen zur Verfügung und können flexibel kombiniert werden. Dadurch kann eine Studio- oder Live-Session mit dem kompletten Equipment vor dem Mixer virtuell nachgebaut werden. Welche Wunderwaffen für den perfekten Gitarren-Sound Sie hier erwarten und ob es auch wirklich Wunderwaffen sind, erfahren Sie bei uns.
Weitere Anwendungsgebiete
Man sollte AmpliTube 4 Max nicht als reines Gitarren- und Bass-Werkzeug verstehen. E-Pianos, Orgeln (zwei Leslie-Cabinets sind an Bord), Synthesizer sind ebenfalls Kandidaten für die Effekte und Verstärkersimulationen.
Auch für Klangverfremdung und Klangdesign eignet sich AmpiTube: Einige der skalierbaren (!) Cabinets machen beispielsweise als Pseudo-Retro-Radio eine gute Figur, viele Amps lassen sich für angezerrte, destruktive Klänge aller Art zweckentfremden. Außerdem ist es möglich, das üppige Arsenal an Bodentretern und Rack-Effekten auch ohne Amp/Speaker-Simulationen einzusetzen. Und hier findet man vom Vintage-Kompressor bis zum Harmonic-Generator eine Menge schöner Dinge, die für allerlei Klangarbeit und Klangdesign geeignet sind.
Für Instrumentalisten, die AmpliTube live betreiben wollen, ist es wichtig, dass die Software auch standalone eingesetzt werden kann und keinen zeitgemäßen Prozessor zum Glühen bringt. Sie ist also auch bei kurzen Latenzen und entsprechend kleinem Rechenfenster ohne Knackser und Audioaussetzer verwendbar. Zum Multitrack Recorder und Looper, beides Ausstattungen der Standalone-Version, die damit DAW-Charakter erhält, kommen wir gegen Ende des Tests.
Vorweg muss ich zugeben, dass ich im positiven Sinne voreingenommen bin, denn bei meinem Test von AmpliTube 3, damals noch für eine andere Plattform, war ich schon äußerst angetan – und es ist wenig wahrscheinlich, dass das Produkt inzwischen schlechter geworden ist.
Aktuell gibt es ein Sonderangebot (Ende Juli 2017). Falls Sie ernsthaft Interesse an AmpliTube haben, beachten Sie bitte auch den Abschnitt „Preispolitik“ gegen Ende des Tests.
Überblick
AmpliTube Max bietet Emulationen namhafter Hersteller quer durch das Gitarren- und Bass-Universum. Unter anderem werden Fender, Orange, MESA/Boogie, Gallien Krüger, Ampeg, Seymor Duncan und Morley mit Firmenlogo auf der IK Multimedia-Seite präsentiert. Dass die Hersteller sich damit einverstanden erklärt haben, kann man als Indiz für deren Anerkennung deuten.
Im Paket enthalten sind:
88 Bodentreter, neben den Standards wie diversen Verzerrern, Chorus, Flanger, Phaser, Wah, Kompressor und EQ auch Exoten wie ein Acoustic Simulator. Zahlreiche Stomps rufen den Experimentier- und Spieltrieb auf den Plan. Bevor man aber die insgesamt dafür vorgesehenen 12 Slots in einen dicht besiedelten, bunten Effekt-Teppich verwandelt, sollte man sich die Kandidaten einzeln vornehmen. Denn oft reicht ein einziger Effekt, um bereits einen gelungenen Sound herbei zu zaubern. Unter den Werkspresets findet man dann auch kaum Kandidaten mit mehr als drei Stomps.
Halt man mehrere Stomps geladen, kann man deren Reihenfolge durch einfaches Klicken und Ziehen verändern. (Das betrifft auch die Effekte in den Racks, zu denen wir gleich noch kommen).
Im ersten Audiodemo habe ich nur den Octo Blue verwendet,
eine Kombination aus Verzerrer und Oktaver. Zusammen mit dem oben abgebildeten Carvin V3M, passender Box und Mikrofonierung …
… hat man schon einen Underground-Fuzz-Sound, herrlich körnig und detailreich. Nebenbei: Mit dem Slider unterhalb der kleineren Abbildung des Cabinets (rechts) kann man dessen Größe skalieren. Der Klang ändert sich durch diese Operation deutlich. Man kann aus jeder Box eine Mini-Übungsstation oder ihr einen bauchigen, vollen Klang entlocken. Genial!
Die Gitarren-Loops stammen aus Ueberschall Blues Colors, hier im Original:
Mit AmpliTube wie oben beschrieben:
Unter den extravaganten Kandidaten finden sich beispielsweise
- der Shape Shifter, ein Tremolo der Sonderklasse, das die Lautstärke mit einem bestimmten Wellenformverlauf und bei Bedarf auch temposynchron moduliert,
- ein Step-Slicer und
- ein skalengetreuer Pitch-Shifter mit drei Intervallen, jeweils bis zu plus/minus einer Oktave.
Den Bodentretern folgen ganze 80 Verstärker-Emulationen, die den Bedarf für Old School Jazz bis Power-Metal abdecken und zugleich die Verstärkerchronologie von den Anfängen bis zur aktuellen Kunst des Verstärkerbaus dokumentieren. Es dürften kaum Wünsche offen bleiben – vorausgesetzt sie klingen auch überzeugend, und das werden wir noch testen. Mit dabei sind fünf komplett neue Emulationen britischer Klassiker.
Auch hier ein kleiner Vorgeschmack. Das Original aus Ueberschall Blues Colors:
Mit dem Gallien Krueger MB 150 S
Mit dem Dr. Z Maz 18 Jr.:
Was wären Amps ohne Speaker? Hierzu finden sich 92 Cabinets, die in zahlreichen Presets passend zu den korrespondierenden Amps konfiguriert sind, versteht sich. Wählt man außerhalb der Presets einen Amp, so wird automatisch die passende Box geladen, beispielsweise für den Fender Super Sonic auch dessen integrierter Speaker:
Wie man in der Abbildung oben schon sehen kann, besteht aber auch die Möglichkeit, andere Speaker zu verwenden. Es können alle Verstärker mit allen Boxen kombiniert und innerhalb der Box sogar Lautsprecher ausgetauscht werden. Ich muss zugeben, dass mir das in diesem Umfang bislang noch nicht begegnet ist. Ganze 29 individuelle Lautsprechermodelle, altgedient bis modern, stehen zur Verfügung. Hier ein kleiner Ausschnitt:
Hinzu kommt eine Auswahl von 19 Mikrofonen (dynamisch, Kondensator mit und ohne Röhre, Bändchen), von denen zwei simultan platziert werden. Beide Mikrofone können mittig vor der Box, je nach Modell dann auch zwischen den Speakern, oder auch vor nur einer Membran, zentral oder an deren Rand, angeordnet werden.
Alleine durch die Positionierung beeinflusst man die Klangfarbe von präzise, hell und detailreich zu warm und mittig. Es tut sich also eine ganze Menge, wenn man die Mikros in der Grafik bewegt.
Doch die Nachbildung einer realen Aufnahmesituation im Studio ist damit noch nicht zu ende: Hinzu kommen zwei Overhead-Mikrofone, die die Raumakustik einfangen, und die zentral mittig und dicht nebeneinander oder weit auseinandergezogen im Panorama platziert werden. Hierfür stehen weitere vier Kondensator-Mikrofone zur Auswahl.
Als nächstes gilt es, eine Aufnahmeumgebung zu wählen: Studio, Bühne, Garage, Schalltoter Raum … sechs Umgebungen werden angeboten:
Stellt man den Sound so ein, dass die direkt vor den Speakern platzierten Mikrofone den Ton angeben, fällt die Aufnahmeumgebung weniger ins Gewicht. Benutzt man hingegen verstärkt die Overheads, so tritt die Charakteristik des Aufnahmeraums deutlicher hervor und kann auch einen Faltungshall ersetzen. Die Balance der Signale der Nah-Mikrofone, der Raumakustik (via Overheads) und des Direktsignals stellt man im Mixer-Menü ein:
Neben den Bodentretern gibt es zwei Racks mit jeweils vier Slots und einer Auswahl von 24 Rack-Effekten, darunter Bandecho, Leslie-Effekt, Röhrenkompressor, grafische und parametrische Equalizer. Die Effekte aus den beiden Stomp-Modulen wiederholen sich hier und können nun auch hinter der kompletten Aufnahme-Konstellation (Amps, Speaker, Mikrofone, Raum) eingesetzt werden. Klickt man auf Edit, so wird die Grafik des betreffenden Stomps über das Rack gelegt – dazu kommen wir später noch anhand eines Beispiels.
Zudem gibt es beide Racks noch einmal als Inserts, die innerhalb des Amps integriert werden, auch bei Amps, die diese Möglichkeit im Original nicht bieten.
AmpliTube Max bietet zwei Tuner: Den Rack Tuner mit einer extrem präzisen Skala zwischen plus/minus 50 cent …
… und den Ultra Tuner mit patentierter Engine, der sogar eine Wellenformdarstellung und verschiedene Stimmungen anbietet und bis auf ein Hundertstel eines Cent genau misst.
Die Wellenformdarstellung dient der Feinjustierung: Steht die Welle, so ist die Saite absolut präzise gestimmt. Das Pitch-Tracking-Display zeigt hingegen den Tonhöhenverlauf an, nützlich, um Tonhöhen nicht-chromatischer Instrumente oder Gesang darzustellen und beispielsweise auch geeignet, bei bundlosen Instrumenten die genaue Intonation zu üben (Fretless Bass etc.).
Lange gehaltene Töne werden zudem in der Fußleiste mittig angezeigt:
Architektur
Für den Signalfluss gibt es acht Varianten.
Stomps, Amps, Inserts, Cabinets und Racks stehen jeweils doppelt zur Verfügung und können komplett oder teilweise parallel betrieben werden. Natürlich gibt es auch ein rein serielles Routing mit einem Amp und einem Cabinet. Den Eingang kann man zwischen mono und stereo umschalten.
Effekte gibt es zu Beginn des Signalflusses gleich hinter dem Tuner als Stomps, als Inserts innerhalb der Amps, die den Stomps folgen und dann noch einmal als Racks am Ende hinter den Cabinets.
Wählt man einen neuen Amp im Amp Modul, so wird (ie eingangs schon erwähnt) auch gleich das passende Cabinet geladen. Umgekehrt ist das nicht so. Im Cabinet-Modul kann man also ein fremdes Modell wählen. Will man dazu dann doch den richtigen Originalamp, klickt man auf den Match-Taster, oben neben dem Namens-Display. Die Abbildung zeit das Aufklappmenü zur Cabinet-Auswahl:
Mittig im Interface wird das im Routing angewählte Modul angezeigt, also beispielsweise die Slots der ersten Stomp-Bank, der Verstärker, das Cabinets-Menü. Das haben wir alles schon im Überblick gesehen.
Abschließend gibt es noch eine Fußleiste mit
- Input-Regler,
- Noisegate und
- Pan
- Volume
- Phase (mit bis zu 20 ms Verzögerung zum Ausgleich von Laufzeitunterschieden zwischen den Mikros und um Phasenauslöschungen zu begegnen. Ein externer Analyser zur Kontrolle ist angebracht, wenn man es genau nimmt. Im Mixer-Menü des Cabinet-Moduls befinden sich zudem Phasenumkehrschalter.)
- D.I. (Direktsignal)
Das Reglersortiment betrifft immer das gewählte Modul und ist entsprechend angepasst: Die Volume-Funktion ist bei allen Modulen aktiv, Panorama nur bei Cabinets und Racks, zusätzlich Phase und D.I. nur bei Cabinets. Operiert man mit zwei Amps und Cabinets, kann man diese im Stereopanorama platzieren.
Wer lediglich die Effekte verwenden will, kann das auch tun: Amps lassen sich ausschalten. Im Cabinet-Menü / Mixer zieht man in diesem Fall lediglich den D.I-Regler hoch und die Fader der Nah- und Raummikrofone ganz herunter. Logischerweise funktionieren die Insert-Effekte (die in die Amps eingeschleift sind) dann nicht, aber mit zwölf Stomps und acht Rack-Effekten dürfte es mehr als genug Gelegenheit geben, den Sound gehörig umzukrempeln.
Wer grundsätzlich auf Cabinets aber nicht auf Amps verzichten will, kann dies auch über das Preferences-Menü einrichten:
Hier lässt sich auch die Klangqualität und CPU-Leistungseinforderung bestimmen. Die einzelnen Punkte sollten selbsterklärend sein, weshalb ich hier auf eine ausführliche Beschreibung verzichte.
Presets – ein Rundgang …
… der ausgiebig und lange wird, denn IK Multimedia war nicht gerade knauserig bei der Ausstattung. Dennoch könne wir bei mehr als 300 Modellen und unzähligen Presets lediglich einen kleinen Teil der enormen Möglichkeiten wiedergeben.
Klickt man auf Preset Browser, so erscheint diese Anzeige einer schier endlosen Liste von Komplettkonfigurationen:
In der oberen Zeile der Attribute kann man unter Instrument und Sound Character die Suche eingrenzen, etwa nur Presets für E-Gitarre oder Bass, A-Gitarre oder A-Bass anzeigen lassen. So sieht es bei Sound Character aus:
Sehr schön ist die Anzeige des Signalflusses und der belegten Module im unteren Bereich. Hier erkennt man sofort, inwieweit die Slots für Effekte, Amps und Speaker belegt sind. Fährt man mit der Maus über einen Effekt, Amp oder eine Box, so wird auch dessen Name angezeigt:
Per Doppelklick kann ein Preset geladen und angetestet werden, ohne den Browser zu verlassen. Hat man zuvor eine interessante Konstellation gefunden, zu der man vielleicht zurückkehren möchte, sollte man sich deren Namen allerdings merken und eigene Entwürfe als Preset abspeichern, da sie sonst auf nimmer Wiedersehen verschwinden.
Als nützlich erweist sich auch die Suchfunktion. Will man beispielsweise einen Funk-Gitarrensound herausfiltern, trägt man dort einfach „Funk“ ein.
Das folgende Audiodemo habe ich mit Loops aus Ueberschall Blues Colors und Toontracks EZdrummer erstellt. Bei den Drums kommt als Kompressor u-he Presswerk zum Einsatz.
Das Original ohne AmpliTube:
Beim Preset Funk-a-dist sind als Stomps Kompressor, Envelope Filter und Overdrive von Ampeg, dazu passend ein Ampeg-Amp und Cabinet im Einsatz. Letzteres wird über ein dynamisches Mikrofon zentral vor der Membran abgenommen.
Der kernige angezerrte Sound wird in erster Linie vom Overdrive-Effekt geprägt. Diesen kann man zwecks Steigerung auch per Automation zuschalten. Damit die Automation auch funktioniert, rechts-klickt man zuvor auf den betreffenden Regler (hier auf den Bypass-Schalter des Overdrive) und weist einen Automationsparameter zu. Ähnlich geht man für die Steuerung über externe Controller via MIDI-Lerndialog vor.
Hier habe ich ab Takt 9 den Overdrive eingeschaltet und zudem dessen Balance-Regler moduliert:
Nun kommt noch ein Bass-Loop aus Ueberschall Blues Colors hinzu, ebenfalls mit AmpliTube, und zwar dem Ampeg BA-500 mit passender Box.
Zum Vergleich ohne AmpliTube:
Arbeitet man an der Platzierung der Mikrofone kann man übrigens per Klick auf deren Icons die Submenüs (Auswahl Cabinets, Lautsprecher, Mikrofone, Mixereinstellung) ausblenden und hat dann eine aufgeräumte Übersicht der Studioumgebung vor sich. Die Nah-Mikrofone lassen sich anklicken und an die gewünschte Position befördern, die Overheads nahe zusammenführen oder weit auseinander schieben. Per Rechtsklick ins Leere lassen sich solche Konfigurationen auch als Model abspeichern.
Ein weiteres Beispiel. Die Gitarrenloops stammen aus Ueberschall The Resource. Das Original:
Mit einem Mesa Boogie Mark IV Amp, Cabinet mit 4×12-Zoll-Speakern, zwei Mikros: Dynamic (zentral) und Kondensator-Mikro (off axis):
Die Gitarre gewinnt deutlich an Charakter, ohne dass der schöne klare Sound verloren geht. Da nimmt man das Rauschen gerne in Kauf, zumal es das Echtheitsgefühl unterstützt. Für die Pausen kann man zudem das Noise Gate aus der Fußleiste hinzuziehen.
Als nächstes habe ich den Acoustic-Simulator getestet, einen Stomp Effekt (und Amp und Cabinets ausgeschaltet).
Wie sie oben sehen, gibt es einige Optionen, mit denen man experimentieren kann.
Der Sound bewegt sich zwar offensichtlich in Richtung Akustische Gitarre, doch so richtig überzeugen kann der Effekt nicht. Dennoch ist er für die Arbeit am Sound nützlich. Zusammen mit dem Nirvana Chorus/Vibrato (Stomp) und dem Jet City 100 Amp …
… plus Cabinet und dem Tube Compressor im finalen Rack klingt es schon recht ansprechend:
Die selbe Konfiguration für Jazz-Guiar-Loops aus Ueberschall Electric Guitars:
Zur Abwechslung habe ich die beiden Loops auf verschiedene Ausgänge gelegt und zwei Instanzen von Amplitube verwendet. Deren Klang wird vor allem durch die Amps bestimmt:
Stomps und Rack-Effekte kommen nicht zum Einsatz. Zur Begleitung ein Beat von Toontracks EZdrummer, EZX Rock Solid:
Auch hier der Vergleich ohne AmpliTubes:
Ein Blues mit einem Fender Deluxe `57. Den Loop aus Ueberschall Blues Colors habe ich stark verlangsamt, um die vielen kleinen Details quasi unter der Lupe hörbar zu machen und zu verdeutlichen, wie dynamisch und mit hoher Auflösung sie von AmpliTube verarbeitet werden:
Auch hier wird der Sound ausschließlich vom Amp, dem Cabinet und den Mikros bestimmt. Es sind keine Effekte im Einsatz. So hört es sich an, wenn ich das Cabinet auf 75% seiner Größe schrumpfe:
Ich nehme ein zweites Mikro hinzu, schalte die Overheads ein und nehme als Raum eine Club Atmosphäre:
Einen derart klaren, offenen und detailreichen Klang habe ich noch nicht von einer Amp/Speaker-Emulation gehört.
Aggressiver wird es, wenn man den Diode Overdrive und einen Tube-Kompressor aus dem Rack hinzuzieht. Letzteren kann man auch in einen Stomp-Slot laden (vice versa: alle Stomps sind auch in den Racks verwendbar). Klickt man auf den Edit-Button des Tube-Compressors, so gelangt man zu der selben Grafik mit den identischen Bedienelementen wie im Rack:
Wir wechseln zum Originaltempo von 132 BPM und fügen einen Bass (ebenfalls ein Loops aus Ueberschall Blues Colors) hinzu. Diesen versorgen wir mit dem Fender Bassverstärker:
Auch die Drums kommen nun von Blues Colors:
Es klingt richtig schön nach Vintage. Der Bass rumpelt ausdrucksstark im Keller, ohne dabei undifferenziert oder gar matschig zu klingen.
Natürlich bietet AmpliTube auch eine große Anzahl von Drive- und Fuzz-Presets mit kräftig aufgedrehten Amps. Hier ein Beispiel mit dem Soldano, der Overdrive auf zwei Kanälen bereits eingebaut hat:
Für den Bass habe ich wieder den zuvor bereits verwendeten Fender-Amp benutzt, dieses Mal stärker angefahren. Gitarre und Bass stammen aus Ueberschall Blues Colors, der Beat von Toontack EZdrummer EZX Progressive (Kit) und Post Rock (Grooves).
Eigene Bearbeitungen
Wer auf der Suche nach dem amtlichen Gitarren- oder Bass-Sound ist, egal für welches Genre, wird unter den Presets dank Attribute-Browser und Suchfunktion schnell fündig und hat eher die Qual der Wahl, denn hier trifft man immer gleichauf eine Handvoll ausgezeichnet klingender Konfigurationen.
Dennoch reizt es natürlich, auch eigene Wege zu beschreiten. Alleine die Menge an Emulationen und die schier endlosen Kombinationsmöglichkeiten dürften auf Jahre hinaus immer wieder neue Sounds möglich machen.
Die hohe Qualität der Emulationen, die geeignet sind, jedes Gitarren- und Bassspiel dynamisch und detailreich herauszuarbeiten, ist die Grundlage für das Vergnügen beim Basteln. Die hohe Akribie, mit der die legendären Verstärker emuliert wurden, die detailgetreue Reproduktion, ist der zweite Grund dafür, dass sich jeder Gitarrist, der schon einmal über einen Marshall, Engl, Orange oder Fender-Amp/Cabinet gespielt hat, sofort zuhause fühlen wird.
Bislang sind kreischende Gitarren im Test etwas unterrepräsentiert. Das soll sich mit dem nächsten Anwendungsbeispiel ändern. Da die entsprechend ausgelegten Loops aus Ueberschall Libraries in der Regel bereits einen eigenen, angezerrten Amp mitbringen, habe ich den Nord Lead 4 aktiviert, für den ich ein Patch konfiguriert habe, mit dem sich gitarrenähnliche Soli mit scharfen Resonanzen, ähnlich einem Feedback spielen lassen.
Am Start sind Toontracks EZdrummer (Kit und Grooves wie zuvor), der IK Multimedia MODO Bass und, wie gesagt, der Nord Lead von Clavia. Den Beat habe ich lediglich mit u-he Presswerk bearbeitet.
Im MODO Bass habe ich mir den Rickenbacker ausgesucht. Der klingt ohne AmpliTube so:
Mit diesem Amp …
… und dem 18-Zoll Horn Bass Cabinet hört es sich schon ganz anders an:
Innerhalb von Modo Bass habe ich den Verstärker und die Box ausgeschaltet. Zwei Amps hintereinander wären dann doch etwas zu viel des Guten.
Um dem Bass noch mehr Fundament zu verleihen, habe ich den Ampeg-Octaver aus der Stomps-Abteilung eingebaut:
Im Rack sorgt der Tube-Kompressor (den wir ja schon kennen) für ein ordentliches Sustain. Mit dem Octaver hört es sich so an:
Die Oktavierung der tiefsten Noten klingt, gelinde gesagt, etwas ungenau. Egal, das gibt dem ganzen eine Chaos-Punk-Note.
Mit dem Nord Lead habe ich ein ziemlich wildes Solo eingespielt. Auf eine Nachbearbeitung einschließlich Quantisierung habe ich verzichtet. Es klingt also nicht gerade virtuos, was jetzt kommt. Aber Sinn und Zweck der Angelegenheit ist es, einen ausgefallenen, monströs kreischenden Sound zu präsentieren. Dazu passt es, wenn die Gitarre irgendwo zwischen psychedelisch und Kopfschmerz angesiedelt und nicht nur neben dem Takt, sondern auch immer wieder out of tune ist – ganz wie der Bass. Hier ein Ausschnitt des Nord Lead ohne AmpliTube:
Mit einer Gitarre hat das noch nichts zu tun. Dass der Klang in Richtung E-Gitarre rückt, ist die Aufgabe von AmpliTube. Dabei ist es schon klar, dass die scharfen Resonanzen und die Filter-Sweeps einen wirklich echt klingenden Gitarrensound verhindern werden. Darum geht es ja auch nicht, sonder eher darum, mit einem Synthesizer die Ausdrucksmöglichkeiten eines Gitarristen nachzuempfinden.
Für den Gitarrensound sorgt dieser Marshall-Amp …
… mit der passenden Box …
… abgenommen über zwei Mikros. Den D.I. Kanal habe und das Raumsignal der Overheads sind heruntergefahren.
Für die extravaganten, ausgeflippten Klangeskapaden sorgt diese Effekt-Kombination:
Das Morley Contour Wah ist ein enorm ausdrucksstarkes Teil und vielleicht das beste virtuelle Wah, das mir bislang begegnet ist. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, in denen den virtuellen Wahs der Biss und das Kernige fehlte. Sie klangen alle mehr nach digitalem Synthie-Filter oder ein wenig dünn. Das Morley-Wah aus AmpliTube packt richtig zu und schneidet schön in den Sound hinein – wenn man es entsprechend extrem einstellt. Außerdem bietet es reichlich Parameter zur Klanggestaltung – wie im Übrigen so viele der Emulationen in AmpliTube: An allen Ecken und Enden wird man lückenlos mit Details zur Klangformung bedient.
Der EchoMan/Chorus ist auf temposynchron gestellt und gibt der „Gitarre“ Raum, ohne dabei gleich den Klang entfernt und konturlos wirken zu lassen.
Ein echter Teufel ist der Pitch Shift von Fender, hier im aufgeklappten Zustand (Edit-Modus). Er stammt aus dem Arsenal der Rack-Effekte. Die chromatische Tonhöhenveränderung mit Feedback hilft dabei, den Sound streckenweise komplett tonal abdriften zu lassen, so wie es kein Pitch Bender oder Vibrato erzeugen könnte. Ein schöner Effekt für etwas ungewöhnliche Ornamente (oder für einfache Tonart-Anpassungen, aber das wollen wir hier ja nicht).
Damit die Sache nicht statisch, sondern abwechslungsreich wird, habe ich nach Rechtsklick und MIDI-Lerndialog den Pitch-Parameter, das Feedback des Pitch Shift und natürlich das Pedal des Wahs moduliert.
So klingt die Nord Lead – Gitarre mit AmpliTube:
Und nun die ganze Passage. Mit Takt 55 gibt es einen Wechsel vom 4/4 in den 7/4-Takt, und die Sache wird etwas ruhiger.
Hier noch ein Beispiel aus Ueberschall Feedback Guitar, zunächst ohne AmpliTube:
Obwohl hier schon Amp/Speaker mit aufgenommen wurden (ohne die ein solches Feedback auch kaum möglich wäre), kann man mit AmpliTube noch einiges aus dem Sound herausholen, auch mit einer oben draufgesetzten Amp/Speaker-Emulation, wie hier im Falle des Orange, der den Loop richtig schön aggressiv macht:
Hinter diesem Audiodemo …
steckt dieser Amp (samt Boxen, Mikrofonierung, Studio-Umgebung) …
und Native Instruments Session Guitarist Strummed Acoustic 2:
Im letzten Beispiel hören Sie NI Scarbee Funk Guitarist, IK Multimedia MODO Bass und Toontracks EZdrummer EZX Funk/Funkmasters Groove:
Für die Drums habe ich u-he Presserk verwendet, den MODO Bass mit AmpliTube 4, Preset „Bass Attacks“ bearbeitet (Fender Bassman 300) und die Gitarre mit dem Z-Wreck-Amp sowie einer 2×12-Zoll-Box:
Neben den Nah-Mikrofonen kommen auch Overheads und als Raumakustik eine Studioumgebung zum Einsatz:
Bedienung und Live-Tauglichkeit
Aufgrund der logischen Struktur und der übersichtlichen Darstellung kommt man auch ohne große Kenntnisse von Amp/Speaker-Simulationen schnell zurecht: Ganz oben wird der Signalfluss (mit acht Routing-Optionen) dargestellt. Klickt man hier auf die einzelnen Module (Tuner, Stomps, Amps, Inserts, Cabinets, Racks), so gelangt man sofort zu den betreffenden Menüs mit der Auswahl an Emulationen per Aufklappmenü und der grafischen Parameterübersicht. Einfacher geht es nicht. Über Rechtsklicks auf die Regler lassen sich Automation und MIDI-Lernfunktion für externe Controller erreichen. Man sollte lediglich wissen, dass die Automation hier (zumindest unter Cubase Pro 9) erst adressiert werden muss. Ohne diesen Arbeitsschritt können Reglerbewegungen mit der Maus nicht aufgezeichnet werden.
Nicht zuletzt hilft der Preset-Browser mit Attributen und Suchfunktion sowie einer grafischen Darstellung der jeweils verwendeten Modelle dabei, sich schnell zurecht zu finden und mit einem Klick gezielt die passende Konfiguration zu laden.
Die CPU-Last ist moderat, hängt aber natürlich auch davon ab, wie viele Stomps man verwendet. Innerhalb der meisten DAWs wird die komplette Emulation über einen Kern berechnet – wie bei (fast) allen Plug-ins und Instrumenten. AmpliTube 4 zwingt aber keinen Prozessor in die Knie. Es muss also nicht die schnellste CPU sein, und auch live wird man keinerlei Probleme haben, bei niedriger Latenz AmpliTube knackfrei einzusetzen, wenn es sein muss, auch in mehreren Instanzen.
Standalone Version und Multitrack Recorder
Im Standalone-Modus bietet AmpliTube regelrechte DAW-Funktionen. Es steht ein Multitrack-Recorder mit acht Spuren bereit. Projekte können von 44,1 bis 96 kHz gefahren werden. Audiodateien, etwa Drum-Tracks, können einfach per Klicken und Ziehen in eine Spur transportiert werden.
So hat man auch ohne große DAW und ganz alleine mit AmpliTube eine komplette Übungsumgebung, die richtig Spaß bereiten kann, darüber hinaus die Möglichkeit, eigene Arrangements zu entwerfen, auch auf Distanz zusammen mit anderen, die mit anderen DAWs arbeiten, und mit denen man einfach Wav-Files austauscht.
Etwas genauer: Der MultiTrack-Recorder bietet alle erforderlichen Grundfunktionen für die Aufnahme und ein Arrangement (Copy, Paste, Split, Cut, Fades von Audio-Clips).
Mit dem sogenannten Looper können Gitarren-Loops (oder Beats etc.) einschließlich Effekten als Loop aufgezeichnet werden. Bis zu vier Loops können anschließend wiedergegeben und über externe Controller, etwa Pedale bzw. Schalter gestartet und gestoppt werden. Solche Optionen machen sogar eine One-Man-Show möglich, vor allem, wenn man als Gitarrist auch noch singen kann.
Fertige Mischungen können als 16, 24 oder 32-bit Wave-Dateien exportiert werden, Loops als Wav-Files.
Preispolitik (Stand: Juli 2017)
Bevor wir zum Fazit kommen, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es nicht unbedingt direkt die Max-Version sein muss. Es gibt nämlich eine sehr kundenfreundliche Upgrade-Politik.
Das AmpliTube MAX Upgrade ist derzeit im Angebot für 199 USD zu haben. Der reguläre Upgradepreis beträgt 356.99 USD. (Sonst ohne jegliche Angebote 499 USD als Download).
Zur Zeit der Veröffentlichung dieses Tests sieht es anders aus: IK Multimedia bietet mit AmpliTube 4 (derzeit rund 100.- EUR) und AmpliTube 4 Deluxe (aktuell rund 200.- EUR) kleinere Pakete und mit AmpliTube Custom Shop sogar eine Freeware. Zudem gibt es Pakete, die ausgesuchte legendäre Amps bieten, etwa die Fender-, Orange- oder MESA/Boogie Collection. Alle diese Editionen (und einiges mehr) sind in AmpliTube Max enthalten.
Nicht zuletzt dürfte auch die Upgrade-Politik von IK Multimedia vielen Kunden entgegenkommen: Wer ein beliebiges IK Multimedia-Produkt im Wert von 99,99 US Dollar aufwärts sein eigen nennt, kann AmpliTube Max für 199,99 US Dollar erwerben (anstatt regulär für 356,99 US Dollar). Besitzer von MODO Bass oder der neuen Synthesizer-Collection Syntronik können richtig sparen.
Fazit
IK Multimedia ist auf dem Gebiet der Amp/Speaker-Emulationen schon seit annähernd 15 Jahren zuhause. Der gesammelte Erfahrungsschatz macht sich bei AmpliTube 4 Max bemerkbar: Kein Mitbewerber kann in puncto Umfang und Ausstattung mithalten.
Abgesehen vom enormen Angebot an Emulationen (mehr als 300) und dem durchgängig dynamischen, authentischen und hochauflösenden Klangverhalten, welches keine Details der Originalaufnahme verwässert, sondern hilft, die Instrumente erst richtig in Szene zu setzen, punktet AmpliTube 4 Max mit einer Vielzahl von Details: Amps und Speaker lassen sich praktisch beliebig untereinander kombinieren, über verschiedene positionierbare Mikros samt Overheads und Raumakustik abnehmen und mischen. Sogar die einzelnen Lautsprecher der Boxern lassen sich in vielen Fällen austauschen.
Das Angebot an Amps deckt die gesamte Palette legendärer Modelle ab. Zusätzlich gibt es eine Auswahl handverlesener, weniger gebräuchlicher Exemplare, die man teils anderswo nicht findet. Das betrifft auch die Auswahl an Stomps, die es nicht bei Standards belässt, sondern auch einige Exoten beinhaltet.
AmpliTube 4 Max eignet sich daher genreübergreifend für Gitarren, Bässe, darüber hinaus auch für E-Pianos und Orgeln sowie für Klangdesign und Klangverfremdung, Retro-Effekte.
Man kann IK Multimedia ohne Übertreibung als Marktführer auf dem Gebiet der Amp/Speaker-Simulationen bezeichnen. AmpliTube 4 Max ist ein Rundum-Sorglos-Paket auf höchstem Niveau, das keine Wünsche übrig lässt.
Gitarristen werden zudem die Standalone-Version mit Achtspur-Recorder und Looper zu schätzen wissen. Hiermit kann man hervorragend üben und auch eigene Arrangements entwerfen.
Testautor: Holger Obst
Plus
- riesige Auswahl an Stomps, Amps, Effekten
- erstklassige Emulationen, authentischer, dynamischer und detailreicher Sound
- ultra-präziser Tuner
- acht Routing-Optionen
- positionierbare Mikros
- freie Kombination von Amps und Cabinets
- austauschbare Lautsprecher
- Raumklang mit unterschiedliche Umgebungen über Overheads mischbar
- komplex und dennoch einfach zu bedienen
- Standalone-Version mit Achtspur-Recorder und Looper
- umfangreichste Amp/Speeaker/Stomp/Effekt/Mikro-Simulation auf dem Markt
- fairer Preis
Minus
–
Hinweis:
keine 32-Bit-Version verfügbar
System:
- Mac ab OSX 10.7
- Win ab 7
- Formate: AU, VST 2, VST 3, AAX, Standalone
- nur 64 Bit
Hersteller: IK Multimedia