Test: Eventide Mangledverb

Eventides Schatzkiste an einzigartigen Effekten ist reich gefüllt und beschert uns auch hier wieder einen Algorithmus aus der Hardware des Herstellers, in diesem Fall aus dem H9 Harmonizer, einem Multieffektgerät für Gitarristen.

MangledVerb stellt eine einzigartige Kombination aus einem Raumsimulator und einem Verzerrer dar. Auch wenn die Hardware besonders Gitarristen anspricht, so kann man diesen Hall auch für alle anderen Klangquellen einsetzen. MangledVerb liefert ebenso organische und fein gezeichnete Raumklänge wie überdimensionale, monströse Halleffekte.

Recording und Studiotechni

Hören wir doch direkt mal reich. Zunächst ein unbearbeiteter Drumloop aus dem Repertoire von Toontracks Superior Drummer 3:

 

Mit zwei Instanzen von MangledVerb, jeweils für die Bassdrum und die Snare:

 

Beide Reverbs habe ich über den virtuellen Ribbon-Controller moduliert.

Aber fangen wir von vorne an:

 

Die Installation

… vollzieht sich absolut unaufgeregt. Einfach herunterladen und die Lizenz auf den iLok oder den Rechner ziehen – oder auf beide, man erhält nämlich zwei Lizenzen. Diese können über den iLok License Manager jederzeit bewegt werden, also beispielsweise vom iLok zurück ins iLok Konto und von diesem aus auf einen beliebigen Rechner. Es sollte sich bei den iLoks und Rechnern nur um eigene Geräte handeln.

Bei der Installation wählt man aus, welche Formate man auf die Systemdisk schreiben will. So sieht es für den PC aus:

Für den Mac gibt es außerdem noch AU-Komponenten in 32 und 64 Bit. VST 3 wird von Eventide nach wie vor nicht angeboten.

 

Überblick

Wenn man bei Raumsimulatoren zwischen Halleffekten und Effekt-Halls unterscheidet, dann gehört MangledVerb sicher zur Liga der Effekt-Halls. Was bedeutet, dass man mit diesem Hall auch abgedrehte Effekte realisieren kann, die mit der Simulation realer Räume nicht mehr viel zu tun haben. Hier spielt MangledVerb seine Stärken aus. In Kombination mit dem Verzerrer erzielt man Klänge, die mit keinem anderen Plug-in nachgebaut werden können, auch nicht mit einer Kombination von Halleffekt und Verzerrer. Neben extravaganten Effekten gelingen jedoch auch konventionelle Reverbs in beeindruckender Qualität, wie wir noch sehen und hören werden.

MangledVerb gehört zu jenen Plug-ins, mit denen man Tiefpunkte der Inspiration und kreative Pausen unkompliziert überbrücken und beleben kann. Egal was man an Sound hineintut, das was rauskommt hört sich in der Regel spannend und erfrischend anders an. Dazu reicht oft das passende Preset, gegebenenfalls noch ein paar Anpassungen.

Unter der Haube tut sich einiges bei Eventide. Sowohl Hall- als auch Verzerrer-Algorithmen basieren auf einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Parameter. Von außen betrachtet präsentiert sich jedoch eine erfreulich aufgeräumte Bedienoberfläche, die keine langen Einarbeitungszeiten einfordert und spielerisch erkundet werden kann.

Da MangledVerb trotz hoher Audioqualität ausgesprochen schonend mit der Rechenleistung umgeht, empfiehlt sich dieser Hall auch für den Live-Einsatz. Über den Ribbon-Controller kann man zwischen zwei völlig unterschiedlichen Konfigurationen nahtlos morphen, mittels Hotswitch steht auf Knopfdruck noch eine dritte Variante bereit.

 

Presets

Wie bei Eventide üblich findet man eine gut sortierte Sammlung von Presets. Auf den ersten Blick sichtet man Kategorien mit verschiedenen Raumgrößen, instrumentenspezifische Halleffekte, die Werktsklänge aus der H9-Hardware, Spezialeffekte und eine Bank mit Presets von Sounddesignern. Eigene Kreationen kann man auch in einem oder mehreren eigenen Ordnern unterbringen, die später ohne Navigation quer durch die Rechnerhierarchie wiedergefunden werden.

Besonders ins Auge fallen die „Oberflächen aus Metall“. Räume, die nach biegsamen Blechdosen oder flexiblen Öltanks klingen, kennen wir vom Eventide UltraReverb und dem Brainworx bx_RooMS. Hier hören sie sich so an:

 

Der Beat stammt aus UVI BeatBox Anthology 3. Zum Vergleich ohne MangledVerb:

 

Ein Blick auf die Parameter zeigt direkt, wie dieser Spezialeffekt, der metallische, flexible Wände suggeriert, hervorgerufen wird: Die Ausklingzeit des Halls steht auf Maximum (Decay), die Größe (Size) nahe dem Minimum.

Die Kombination winziger Raumgrößen mit langer Nachhallzeit (die so in der physikalischen Realität nicht vorkommt), führt auch bei den wenigen anderen Reverbs, die zu metallischen Effekträumen in der Lage sind, zu ähnlichen Schwingungen und Resonanzen, allerdings nur in einem sehr engen Bereich der Kombinationen von Parameterwerten. Bei MangledVerb gelingen die metallischen Räume leichter, und man hat einen deutlich größeren Spielraum und auch eine größere Bandbreite bei den metallischen Sounds. Der Wobble-Parameter verstärkt dabei den Eindruck flexibler Wände.

Im folgenden Audiodemo habe ich die Raumgröße, die Verzerrung (Softclip) und das Filter mittels Ribbon moduliert. Metallische Klänge sind bei MangledVerb auch mit größeren Räumen möglich, und der Soft-Clipper wandelt feine, saubere Resonanzen in ein Scheppern um.

 

 

Die Details

In der Kopfzeile (1) lädt und speichert man Presets. Über COMPARE wechselt man zum Ursprungszustand des Presets, den man mit den vorgenommenen Parameteränderungen vergleichen kann. INFO führt unmittelbar zum englischsprachigen PDF Manual.

Die Bedeutung der Regler Mix, Decay und Size dürften klar sein.

Das Predelay (2), die Vorverzögerung, kann man in Millisekunden (0 bis 1500) oder in Notenwerten, darunter auch „krummen“ (ab 1/64tel über 9/16tel bis zu einem Notenwert von maximal 1,5 Sekunden Dauer, also abhängig vom Tempo) einstellen. Die Synchronisation kann zum Host-Tempo oder einem manuell vorgegebenen Tempo (auch per Einklopfen mit dem Tap-Button) vorgenommenen werden.

Das Verzerrermodul (3) verfügt über zwei alternative Verzerrer: Softclip (Regler im Linksanschlag bis zur Mittelstellung) und Overdrive (Regler ab Mittelstellung bis zum Rechtsanschlag). Der Übergang zwischen den beiden Verzerrermodellen beim Passieren der 12-Uhr-Position ist deutlich hörbar, wenngleich sich kein scharfer Sprung im Klang ergibt. Man kann also den Regler beliebig modulieren (etwa über den Ribbon Controller) und den Klangwechsel bei der 12-Uhr-Position auch als Extra-Effekt punktgenau einsetzen.

Über Level steuert man die Lautstärke am Ausgang des Verzerrermoduls. Bis zu 9-Uhr-Stellung des Softclip/Overdrive-Reglers erhält man noch zivile, weniger auffällige Anzerrungen, darüber hinaus wird es bereits deftig und im weiteren Verlauf schneidend und apokalyptisch kreischend. Sollte Ihnen ein Gitarrensolo zu harmlos erscheinen, so finden Sie im MangledVerb die ultimative Wunderwaffe.

Wobble (4) steuert gleichzeitig die Stärke und Geschwindigkeit der Hall-Modulation. Dem Höreindruck nach werden einzelne Reflexionen im komplexen Hall in der Zeit moduliert. Der Hall beginnt zu schwingen und mit zunehmender Wobble-Dosis zu eiern. Wenn man den Wobble-Regler ganz aufdreht, erhält man eine deutliche, rasche Tonhöhenmodulation innerhalb der Hallfahne. Viele andere Reverbs arbeiten mit ähnlichen Modulationen, mir ist aber noch kaum einer begegnet, der derart kräftig zupackt wie der Wobble-Parameter des MangledVerb. Zusammen mit dem Decay, der Raumgröße und den nachgeschalteten Filtern lassen sich luftig-schwebende bis schwingende, resonierende Räume gestalten.

Hier habe ich einen relativ großen Raum mit langer Hallfahne eingestellt und den Wobble-Regler schrittweise von 0 auf 100 gedreht:

 

Die Glocken stammen von AAS Chromaphone 2.

Hier habe ich die Raumgröße und die Wobbel-Stärke zusammen über den Ribbon Controller vorsichtig moduliert. Die Hallfahne erhält dadurch eine subtil fragile Note mit leichten Tonhöhenveränderungen. Das Thema stammt aus dem MIDI Pack Keys/Strings von Toontrack und wird über das Upright Piano von Toontracks EZkeys gespielt.

 

Ohne MangledVerb würde es sich so anhören:

 

Die Equalizer-Section bietet eine Anhebung/Abdämpfung von Tiefen und Höhen sowie semiparametrische Mitten (Frequenz/Stärke der Anhebung bzw. Absenkung).

Die Filter liegen nicht innerhalb eines Feedback-Wegs des Hallmoduls, wo sie Materialeigenschaften noch besser simulieren könnten (etwa die mit jeder weiteren Reflexion fortschreitende Höhendämpfung bei stoffbezogenen Wänden), sie liegen aber sinnvollerweise vor dem Verzerrer-Modul …

…und beeinflussen damit auch dessen Klang anders als es der Fall wäre, wenn sie nachgeschaltet wären: Ein weniger energiereicher Klang mit herabgeregelten tiefen Frequenzen wird nicht so schnell zerren wie ein basslastiges Signal. Ein EQ ganz am Ende der Signalkette hätte hingegen keinen Einfluss auf den Grad der Verzerrung und wäre nicht besser als ein externer Equalizer, der in der Effektkette dem MangledVerb folgt.

Hier habe ich die Raumgröße und die Filter zusammen über den Ribbon Controller moduliert. Die Drums stammen von Toontracks Superior Drummer 3:

 

Ribbon Controller, Hotswitch und MIDI-Steuerung

Mit dem Ribbon-Controller morpht man zwischen zwei Parameterkonfigurationen. Klickt man auf einen der beiden Taster links und rechts des Controllers (6), kann man danach die zu dieser Extremposition gehörenden Parameterwerte durch Bewegen der Regler einstellen. Die Eckwerte der Regler lassen sich auch durch Klicken und Ziehen der kleinen Pünktchen an den Enden der Parameter-Kreisbahn rings um den Regler justieren (Pfeile). Diese Pünktchen sind sozusagen Anfasser. Das weiße Pünktchen markiert dabei die linke Position des Ribbons, das blaue die rechte.

Unter Cubase 9 Pro (und mit der VST- 2 – Komponente von MangledVerb) wird bei einer Automation des Ribbon Controllers auch nur dessen Bewegung aufgezeichnet, nicht die der animierten einzelnen Regler. Hier habe ich den Regler „Size“ über den Ribbon Controller animiert. Die Bewegung des Size-Parameters selbst wird nicht als Automationsspur aufgezeichnet.

Man kann also nachträglich innerhalb von MangledVerb den Modulationsumfang erweitern oder einschränken ohne dafür gleich eine neue Automation aufzeichnen zu müssen oder die Automationsspur zu editieren – einfach, indem man die Kreisbahnen um die Regler herum über die Punkte einschränkt oder erweitert.

Für den Live-Betrieb ist es interessant, dass man den Ribbon Controller auch via Modulationsrad steuern kann. Dafür muss man lediglich eine MIDI Spur anlegen und als Ziel die betreffende Instanz von MangledVerb eintragen. Das Modulationsrad ist werksseitig bereits dem Ribbon zugewiesen.

In Cubase kann man über die Quick Controls weitere Hardware-Controller beliebigen Parametern zuweisen. Die werksseitigen Voreinstellungen kann man dafür jederzeit überschreiben.

Um den Hotswitch (7) zu konfigurieren, klickt man diesen an und hält die Maustaste ein paar Sekunden gedrückt – bis der blaue Kreis um den Switch herum zu blinken beginnt. Anschließend stellt man die Parameter ein und klickt am Ende der Operation erneut auf den Hotswitch.

Während des Playbacks kann man dann mit einem Klick (und auch über einen dem Hotswitch zugewiesenen externen Controller) den Hall radikal umkrempeln. Zwischen den beiden Einstellungen wird rasch gemorpht; der Wechsel ist also ein „sanfter“ Sprung ohne Knackser.

MangledVerb lässt sich mit kurzer Hallzeit auch als Stimmendoppler einsetzen und liefert dabei eine angenehm natürlich klingende, unauffällige Anreicherung des Gesangs. Dafür gibt es in der Kategorie Instruments auch ein fertiges Preset.

Hier habe ich Gesangsphrasen aus Eduardo Tarilontes Era II Vocal Codex mit zwei aufeinanderfolgenden Instanzen von MangledVerb bearbeitet. Die erste Instanz doppelt die Stimme, die zweite fügt einen Raum hinzu. Beides sind Werkspresets:

 

MangledVerb kann also auch sphärische Reverbs erzeugen. Hier habe ich die Stimme zunächst mit einem selbstgebauten Doppler bearbeitet. Anschließend habe ich via Hotswitch zu einem Raum mit maximalem Decay umgeschaltet.

 

Wir wechseln vom Gesang zur Gitarre (ein Loop aus Psychedelic Rock von Ueberschall).

Zum Einsatz kommt das Preset Captain Crunchy mit Modulation per Ribbon Controler:

 

Je nach Dosierung der Verzerrung kann man eine Gitarre richtig böse klingen lassen oder auch komplett in ein Meer aus wabernden Reflexionen zerlegen – und wieder zurückholen. MangledVerb habe ich erst im fünften Takt eingeschaltet und dann zwischen verschiedenen Verzerrerstärken und Raumgrößen gemorpht.

 

Der Loop stammt aus Ueberschall Blues Colors, ebenso der nächste:

 

Das Preset Clear Verbage geht etwas schonender mit der Gitarre um:

 

Bedienung, CPU Last und Sound

MangledVerb fordert keine große Lernbereitschaft ein, sondern lässt sich einfach und effektiv bedienen. Das Experimentieren mit den teils außergewöhnlichen Raumklängen fördert zahlreiche Überraschungen zutage und macht ausgesprochen Spaß. Lediglich bei der Konfiguration des Ribbon Controllers und des Hotswitches ist ein kurzer Blick ins Manual angesagt.

Die Presetverwaltung lässt keine Wünsche offen. Auf einem halbwegs aktuellen Rechner fordert MangledVerb zwischen 3 und 5 % der Rechenleistung eines Kerns ein. Unterstützt wird Win 7 aufwärts und auf dem Mac OS X 10.7 und neuer.

Man kann also den Effekt problemlos live, in mehreren Instanzen und auch auf älteren Rechnern einsetzen. Im Zweifel empfiehlt sich ein Antesten der 30 Tage voll funktionsfähigen Demo-Version.

Erstaunlich ist, dass es Eventide schafft, trotz der geringen Anforderung an die CPU eine zeitgemäße hohe Audioqualität zu erreichen. Der Hall wirkt in den Höhen offen und transparent, nicht etwa körnig. Granular- und Glitcheffekte ergeben sich beim Morphen zwischen verschiedenen Raumgrößen und Vorverzögerungszeiten. Lange Hallfahnen überdimensionaler Räume schmeicheln dem Ohr mit sanften Schwebungen und Luftigkeit.

Andere Experimental-Reverbs mit vergleichbar hoher Audioqualität nehmen bei niedrigen Latenzen gerne mal die Rechenleistung eines ganzen Kerns für sich in Anspruch, produzieren starke CPU-Peaks und sind für den Live-Einsatz und die Einspielphase nur eingeschränkt verwendbar.

 

Fazit

Eventides MangledVerb ist ein Hall mit besonderen Features. Wer dachte, beim Thema Hall gäbe es nichts Neues mehr zu entdecken, wird bei MangledVerb feststellen, dass das Ende der Entwicklung der Raumsimulatoren noch nicht erreicht ist.

MangledVerb kann für eine saubere Stimmendopplung eingesetzt werden, ebenso für angenehm modulierte, schwebende Raumklänge, die einfach ein Genuss sind. Mit dem eingebauten Verzerrer geht es dann richtig zur Sache. Kreischende und zersetzende Gitarrensounds sind im Nu erstellt und erweitern definitiv den Horizont des Klangdesigns.

Die großen, apokalyptischen Raumklang-Kulissen dürften auch für die Filmmusik und Spielevertonung eine Fundgrube sein.

Eine weitere Spezialität von MangledVerb sind metallisch klingende Räume, dank Wobbler bei Bedarf mit flexiblen Blechwänden. Es klingt dann so, als würde der auftreffende Schall die Wand biegen – was zu Tonhöhenmodulationen in der Hallfahne führt. Kein anderer Hall beherrscht diese Spezialität so gut und variantenreich wie MangledVerb.

Erfreulich ist der außergewöhnlich genügsame Anspruch an Rechenleistung trotz hervorragender Audioqualität. MangledVerb eignet sich damit uneingeschränkt auch für den Live-Einsatz. Das kann man von den meisten Mitbewerbern unter den extravaganten Reverbs nicht sagen.

Letztlich ist auch der reguläre Preis von 79.- US Dollar (für zwei Lizenzen!) erfreulich niedrig angesetzt. Mitbewerber mit vergleichbarer Qualität und Funktionalität kosten gerne das Doppelte und mehr.

Auch an der Stabilität ist rein gar nichts auszusetzen. Unterm Strich konnte MangledVerb in puncto Leistung und Preis rundum überzeugen – deshalb gibt es von uns auch beide Awards.

Testautor: Holger Obst

Plus:

  • extravaganter Hall mit apokalyptischen Raumklängen und flexiblen Blech-Räumen
  • ebenso hervorragende konventionelle Räume von der Stimmendopplung bis zum schwebenden Kathedralenhall
  • effektive Modulation der Hallfahne mittels Wobbler
  • sehr gute Audioqualität, detailreich und transparent
  • einfache, spielerische Bedienung
  • niedriger Preis (für zwei Lizenzen und mit flexiblem Lizenz-Management)

Minus:

Hersteller: Eventide

Produktseite: MangledVerb