Test: u-he Satin

Die Architektur

In der Kopfleiste finden sich neben dem Preset-Schalter und Undo/Redo unter anderem die Voreinstellungen mit skalierbarer Oberfläche.

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Vorgesehen ist auch ein MIDI-Lernmodus, mit dem dann alle Parameter über externe Controller gesteuert werden können – eine Seltenheit unter Bandmaschinen-Simulationen. So lassen sich beispielsweise Glitch-Effekte durch eine Änderung der Bandgeschwindigkeit in Echtzeit realisieren.

Im oberen Bereich des Plug-ins findet sich unter anderem

  • eine automatische Lautstärkeanpassung (des Ausgangs- an den Eingangspegel),
  • ein Wahlschalter für zwei alternative Magnetbandqualitäten: Vintage und Modern
  • ein Soft-Clipper, der Übersteuerungen oberhalb von 0 dBFS abfängt.

Wer nicht großartig experimentieren, sondern einfach den Klangcharakter eines Analogbands in den Mix einbauen möchte, sucht sich das passende Preset aus, schaltet Makeup-Gain ein und stellt mit dem Input- Regler die Aussteuerung der virtuellen Bandmaschine so ein, dass die gewünschte Klangfärbung eintritt. Mit dem Metering-Schalter auf der „In“-Position kann man dabei sehr schön die Aussteuerung justieren.

Das probieren wir doch direkt mal aus. Unser erstes Audiodemo besteht aus zwei Loops aus Ueberschall Glitch Art: Mix und Gesang. Zunächst unbearbeitet:

 

Den Mix bearbeite ich mit dem Preset „BH Thick Warm …“, den Gesang mit „BH Heavy Exciter“. (BH steht übrigens für den Schöpfer dieses Presets, Bon Humid).

 

Der Mix wirkt breiter, räumlicher, differenzierter und, wie der Name des Presets schon anzeigt, auch wärmer. Laut Beschreibung soll dieses Preset auch Transienten weich zeichnen, was sich allerdings bei dem vorliegenden Audiomaterial mangels starker Peaks weniger auswirkt. Der Gesang gewinnt – wie beabsichtigt – an Transparenz und Präsenz durch eine Anreicherung des Obertonspektrums.

So sieht der mittlere und der untere Bereich des Interfaces für den Mix aus:

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Angenehm ist, dass man bei einer Veränderung der Parameter bei laufendem Playback nicht nur eine akustische, sondern über den kleinen Analyser auch eine visuelle Kontrolle erhält.

Viele Bandmaschinen-Simulationen verfügen nur über zwei oder drei feste Geschwindigkeitseinstellungen. 7,5, 15 und 30 ips (inch per second) sind Standard. Per default arbeitet Satin mit 15 ips. Bei Satin kann man die Bandgeschwindigkeit stufenlos einstellen, und zwar von extrem langsamen 1,86 bis zu 30 ips. Die Bandgeschwindigkeit ist nicht nur für die Höhenwiedergabe und den Rauschanteil, sondern auch für den Roll-Off im Bassbereich maßgeblich. Je höher die Bandgeschwindigkeit, desto klarer, detailreicher und transparenter der Klang.

Über Pre-Emphasis ist eine Höhenanhebung, sozusagen vor der virtuellen Aufzeichnung auf Band, und dient der Kompensation von Höhenverlusten durch die Tonkopfspalte. Steht Pre-Emphasis auf 0, so wird linear auf das band aufgezeichnet, Höhenverluste müssten dann ggfls. Mit einem nachgeschalteten Equalizer extern ausgeglichen werden. Dadurch würde man im oberen Bereich des Frequenzspektrums auch das (virtuelle) Bandrauschen mit anheben. Die interne Pre-Emphasis führt hingegen nicht zu einer Erhöhung des Rauschpegels. Außerdem kann man den Regler auch für eine etwas stärkere Höhenanhebung als eigentlich erforderlich einsetzen, was dann zu einem deutlicheren Sättigungseffekt führt.

Unter „Compander“ finden sich die eingangs erwähnten Rauschunterdrückungssysteme mit Encoder und Decoder. Fünf verschiedene Modelle sind im Angebot, darunter frühe Rauschunterdrückungssysteme für analoge Bandmaschinen der 70er Jahre (Dolby NR), Systeme, wie sie in kommerziellen Cassettenrekordern eingesetzt wurden und dbx-Breitband-Unterdrückungssysteme. Eine Besonderheit ist das modifizierte Dolby A – Modul: Hier kann man die Regelung auf das Höhenband reduzieren (für die Emulation wurden Mischwiderstände auf der Cat22-Einschubkarte des Dolby A – Systems gekappt). Nimmt man nur den Encoder und lässt den Decoder außen vor, sind die für diesen tontechnischen Trick typischen schimmernden Höhen realisierbar, wie sie früher gerne zur Gesangsbearbeitung eingesetzt wurden.

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Wer die Systeme realistisch einsetzen will, sollte den Mix-Regler im Rechtsanschlag belassen. Bei Bedarf kann man jedoch vom puristischen Pfad abweichen und den verfärbenden Effekt der NR-Systeme dosieren. Prinzipiell ist es auch möglich, für den De- und Encoder verschiedene Modelle zu wählen, was jedoch zu starken Verfärbungen bzw. drastischen Einbußen im höheren Frequenzspektrum führen kann und allenfalls für Lo-Fi/Vintage-Spezialeffekte taugt.

Im unteren Bereich finden sich weitere Parameter zur Feinjustierung des Klanges. Diese betreffen die Eigenschaften des Magnetbandes und der Tonköpfe:

  • Hiss steuert das Bandrauschen.
  • Asperity liefert den Effekt von Unregelmäßigkeiten bei der Bandbeschichtung, die zu einem raueren Klangbild bzw. zu disharmonischen Verzerrungen beitragen. Der Effekt, der quasi die Qualität oder auch die Abnutzung eines Bandes simuliert, hängt stark vom Frequenzgang des anliegenden Audiomaterials ab: Weist dieses nur geringe Höhen auf, so produziert Asperity eher eine Rauschfahne.
  • Über Auto Mute wird das Rauschen (von Hiss und Asperity) automatisch abgeschaltet, wenn kein Signal anliegt (so dass die Pausen rauschfrei bleiben – eine sehr praxisnahe Lösung, die mir bei vielen anderen Plug-ins, die analoges Rauschen als Nebeneffekt simulieren, fehlt: Dort rauscht es immerfort, und man ist gezwungen, ein Gate einzusetzen. Das kann man sich bei Satin sparen).
  • Crosstalk reguliert die Übersprechung zwischen dem linken und rechten Kanal (-20 bis -80 dB).
  • Wow & Flutter produziert Gleichlaufschwankungen (Tonhöhenmodulation) und Lautstärkeschwankungen.
  • Bias reguliert die Magnetisierung: Niedrige Werte betonen höhere Frequenzen, verursachen aber auch mehr Verzerrungen – höhere Werte führen zu einer Abschwächung des hohen Frequenzbereichs aber auch zu einer Abnahme der Verzerrungen.

Insgesamt produzieren diese Parameter eher dezente Effekte. Wow & Flutter führt hier nicht – wie bei manch anderen Bandmaschinensimulationen – zu einem dramatischen Eiern oder zu Glitches. Wer solche drastischen Effekte erzielen möchte, schaltet in den Delay-Modus um, wo Satin dann wiederum deutlich mehr als die meisten Mitbewerber zu bieten hat – doch dazu später. Zunächst die Parameter des Wiedergabe-Tonkopfs:

  • Gap Width geht über die natürliche Ausstattung von Bandmaschinen hinaus: Mit diesem Regler können praktisch Tonköpfe gewechselt werden. Der Regler beeinflusst den Frequenzgang, indem komplexe Resonanzen und Fluktuationen hinzugefügt werden. Das hört sich dramatisch an, doch auch dieser Effekt erweist sich wiederum als angenehm subtil und hängt in seiner Wirkung stark vom Eingangssignal ab. Bei dem oben verwendeten Audiodemo bewirkte eine Stellung des Reglers im Rechtsanschlag einen satteren, wärmeren und runderen Klang.
  • Bump hängt von der Form des Wiedergabetonkopfes ab. Hier geht es um die Kontrolle von Resonanzen im tiefen Frequenzbereich: Mit dem Regler stellt man ein, wie deutlich diese Resonanzen hervortreten dürfen. Genau genommen geht es hier um Wirbelstromeffekte, bei denen tiefe Frequenzen in Form ihrer Feldlinien nicht nur am Luftspalt, sondern um den gesamten Tonkopf herum auftreten. Geometrie und Bandgeschwindigkeit interagieren bei diesem Effekt. Damit man bei der Einstellung nicht im Dunkeln tappt, lohnt sich (wiederum) ein Blick auf den Analyser des Service-Menüs, der die Resonanzen im tiefen Frequenzbereich sehr schön visualisiert.
  • Azimuth simuliert links und rechts der 12-Uhr -Position eine Schrägstellung des Tonkopfes bzw. eine Abweichung zur idealen 90-Grad-Position zum durchlaufenden Band. Schrägstellungen sind in der Praxis unerwünscht, da sie zu einem verwaschenen Klangbild und einem verschobenen Stereopanorama führen. Zusammen mit dem Delay-Modus können Azimuth-Manipulationen jedoch für spezielle Retro-Echo-Effekte verwendet werden.

Als Nächstes testen wir Satin im Verbund mit Zynaptiq UNVEIL und u-he Presswerk zwecks Bearbeitung einer Drum-Gruppe. Das Original liefert Toontracks EZdrummer, EZX und MIDI-Pack Traditional Country:

 

Mit Zynaptiq UNVEIL reduzieren wir den Raumklang:

 

Presswerk sorgt dafür, dass satte Attacks zustande kommen:

 

Für Satin verwenden wir ein modifiziertes Preset. Das Rauschunterdrückungssystem fügt einen weiteren Kompressionseffekt hinzu und macht den Klang kohärenter.

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Zum Vergleich hier noch eine Variante, bei der ich Satin alle zwei Takte ein- und ausschalte (ohne UNVEIL und Presswerk):

 

Es wird deutlich, wie Satin den Klang „fleischiger“ macht.

Mit Gap Width im Rechtsanschlag und hoher Pre-Emphasis klingt Satin wiederum deutlich edler und zeichnet ein angenehmes Obertonspektrum:

 

Der letzte Abschnitt im sogenannten „Service“-Panel gehört der Ausgleichsschaltung. Diese ist Bestandteil eines jeden Tonbandgeräts und gleicht Artefakte im Frequenzgang und Lautstärkeverluste aus, die durch die physikalisch-elektromagnetischen Eigenschaften der Tonköpfe bedingt sind. Sie sollten daher auch Bestandteil einer jeden Emulation sein – bei Satin stecken sie nicht hinter den Kulissen, sondern können ausgewählt werden:

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Headroom vergrößert bei Bedarf die virtuelle Aussteuerungsreserve – oder verkleinert sie, je nachdem wie stark man mit dem Kompressions- und Sättigungseffekt arbeiten möchte. Die „neutrale“, vorgegebene Position ist die 12-Uhr-Stellung (9 dB Headroom). Headroom ist allerdings bei Satin nur die Reserve, welche die simulierten elektronischen Bauteile bieten können, nicht etwa eine zusätzliche Aussteuerungsreserve des virtuellen Magnetbandes. U-he hat bei der Erforschung der diversen Bandmaschinen, die am Schöpfungsprozess von Satin beteiligt waren, festgestellt, dass mancher Aufnahmevorverstärker schon bei Pegeln Verzerrungen produzierte, die das Band noch verkraftet hätte. Der Headroom-Regler dient also in erster Linie dazu, das virtuelle Band und die anderen Bauteile miteinander in Einklang zu bringen.

 

Inhalt:

Einleitung
Satin und die Alternativen
Satin im Überblick
Zusammenfassung
Die Architektur
Der Delay-Modus
Der Flange-Mode
Satin im Mehrkanalbetrieb / CPU-Leistungseinforderung
Fazit