Test: Zynaptiq UNVEIL

UNVEIL in der Praxis / Bedienung

Im Cubase 8.5 Plug-in-Browser finden sich UNVEIL VST und UNVEIL 8ch. Für mono bis 5.1 Surround dient UNVEIL VST 2.4 und passt (soweit der Host-Sequencer dies unterstützt) sich automatisch an die Kanalzahl an.

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Es gibt zahlreiche Sample-Libraries, bei denen eine Reduzierung oder Entfernung von Hall neue Möglichkeiten eröffnet. Trockene Signale ohne Raumanteil eignen sich besser, um externe Effekte, etwa Echo oder einen alternativen Reverb einzusetzen. Sonst kommt es nämlich zur Überlagerung von Raumanteilen – zu Lasten der Transparenz und Natürlichkeit der Aufnahme.

Typische Kandidaten wären klassisch-sinfonische Instrumente, die oft in beachtlicher Klangqualität angeboten werden, allerdings selbst bei der Nahmikrofonierung mit deutlichem Hall. Ähnlich ist es bei vielen Drum-Libraries.

Wir fangen mit sinfonischen Streichern an. Im folgenden Audiodemo hören Sie eine unbearbeitete Passage mit Emotive Strings von Native Instruments, Nahmikrofonierung:

 

UNVEIL bietet eine Reihe von Presets, die man über das kleine graue Dreieck in der linken oberen Ecke des Fensters erreicht:

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Über „Save As“ kann man auch eigene Presets abspeichern, die anschließend (ohne umständliches Browsen durch die Ordnerhierarchie des Rechners) unterhalb des Eintrags „Factory Presets“ auftauchen.

Für die Bearbeitung der Streicher verwende ich diese Einstellungen:

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„Focus Bias“ ist so eingestellt, dass die Mitten und Höhen den Schwerpunkt für den Eingriff in das Audiosignal darstellen. Das Resultat kann sich hören lassen:

 

UNVEIL belässt es nicht dabei, den Hall deutlich zu reduzieren, die Streicher klingen näher, intimer und die Rhythmik wird durch eine Betonung der Attackphase unterstützt. Schon jetzt ist klar, dass sich UNVEIL deutlich von anderen Ent-Hallern abhebt. Bei den Mitbewerbern muss man eher Kompromisse zwischen der Stärke der Hallreduzierung und einem unnatürlich klingenden Lautstärkeverlauf im Sustain eingehen. Mit UNVEIL kann man hingegen den Sound regelrecht gestalten. Und das probiere ich direkt einmal aus.

Hier habe ich über eine Erhöhung von t Refract (blauer Regler in der Mitte unten) die räumlichen Anteile wieder etwas hervorgeholt und über Presence das Obertonspektrum belebt.

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Die Streicher klingen nun etwas fließender:

 

Die Arbeit am Sound wird auch in Echtzeit dargestellt:

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Was dort angezeigt wird, stellt man über drei Display-Taster ein:

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Insbesondere „Normalize“ sollte eingeschaltet sein, damit die Darstellung auch die Fenstergröße nutzt. Sonst werden leisere Signale nur im Bodenbereich angezeigt.

Wir wechseln zu Native Instruments Action Strikes – eine wunderbare Library für rhythmische, orchestrale Percussion. Das Taiko Massive Ensemble:

 

Ich verwende zunächst dieselben Einstellungen wie zuvor. Den t Refract – Parameter habe ich automatisiert und im Verlauf des Clips von Minimum auf Maximum hochgefahren.

 

Es ist erstaunlich, wie UNVEIL sämtliche Details aus dem Rhythmus betont und gleichzeitig den Raumanteil praktisch auf Null reduziert. Über den (gelben) Regler „t/f Localize“ vergrößert man die Zeit- und Frequenz-Lokalisierung. Zynaptiq empfiehlt, den Wert zu erhöhen, wenn die Modulation der Lautstärke zu stark ist. Bei unserem Beispiel wirkt sich der Parameter so aus, dass im Linksanschlag tiefere Frequenzen des Raumanteils etwas hervortreten und im Rechtsanschlag unter Berücksichtigung des Focus Bias (die zehn Frequenzschieberegler) auch die allerfeinsten Details hervortreten. Die Taiko Drums beginnen regelrecht zu rascheln. Im folgenden Audiodemo hören Sie die ersten vier Takte im Linksanschlag. Ab Takt 5 folgt ein plötzlicher Wechsel zum Rechtsanschlag:

 

Man kann mit UNVEIL aber nicht nur den Hall entfernen, sondern umgekehrt auch das Direktsignal. In der Praxis bedeutet das, dass man eine Klangquelle nach vorne rücken und nach hinten verschieben kann. Per Automation sogar nahtlos und artefaktfrei. Im Vordergrund steht dabei der (pinkfarbene) Focus-Parameter: Im Rechtsanschlag wird der Hall unterdrückt, im Linksanschlag das Direktsignal.

 

Kandidaten für Ent-Hallen sind auch Chöre. Diese werden nie wirklich nah mikrofoniert und weisen immer einen Raumanteil auf. Bei vielen Klassik-Libraries ist das auch so gewollt und gewünscht, da die Lokalität, etwa eine Kathedrale, mit eingefangen werden soll. Will man aber den Chor näher haben, einen anderen Hall oder ein Echo verwenden, so hilft nur ein Ent-Haller. Gerade beim Gesang kommt es dabei sehr auf die Natürlichkeit des Ergebnisses an, denn die menschliche Stimme steht bei jedem Musikgenre unweigerlich im Zentrum der Wahrnehmung.

Im folgenden Audiodemo habe ich den Sopran-Chor aus der Library Freyja von Strezov Sampling verwendet, wieder die Nah-Mikrofonierung. Ab Takt 5 habe ich UNVEIL eingeschaltet:

 

UNVEIL meistert auch diese Aufgabe perfekt (mit dem Preset „Gentle De-Reverbration“). Die Stimmen wirken direkter, ohne dabei ihre Fülle oder Transparenz zu verlieren. Auch sind keine Artefakte wie etwa hörbare Schwankungen im Lautstärkeverlauf zu erkennen.

Wir wechseln zum Schlagzeug und zu einem Beat aus dem Dico-Grooves-MIDI-Pack von Toontracks EZdrummer. Ohne UNVEIL hört es sich so an:

 

Die Drums verfügen über eine gute Portion Hall; besonders die lang ausklingenden Becken dürften für einen Ent-Haller anspruchsvoll sein. Hier ist die Version mit UNVEIL:

 

Die Becken klingen nun akzentuierter, das Drum-Kit insgesamt markanter und etwas näher. Ich habe folgende Einstellungen verwendet:
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Die Bässe und unteren Mitten habe ich mit dem Focus Bias auf ein Minimum an Bearbeitung reduziert, um die Klangfülle und das Fundament zu bewahren. Schiebt man die ersten drei Regler (100, 200 und 400 Hertz) ebenfalls hoch, klingt die Bassdrum sehr kompakt, während die Becken etwas weiter entfernt im Raum gespielt werden:

 

Bei Toontracks EZdrummer kann man im Mixer die Ambience herunterregeln (was ich bei den letzten Audiodemos nicht gemacht habe). Die Library Back Beats für Spectrasonics Stylus RMX bietet hingegen keine Einflussmöglichkeit auf den Hall, was mich schon oft davon abgehalten hat, sie zu benutzen – trotz grooviger Rhythmen.

 

Eine solche Raumcharakteristik gibt für den Mix schon die Richtung vor: Die anderen Instrumente sollten in einem ähnlich klingenden Raum auftreten, den man sich erst noch zusammenbasteln muss.

UNVEIL schafft dieses Problem eindrucksvoll aus der Welt:

 

Es muss natürlich nicht unbedingt so extrem trocken sein. Die Parameter erlauben eine fein dosierte Reduktion des Raumanteils.

Ich füge ein Echo und einen dezent beigemischten, kurzen Hall mit UltraSpace von Tone 2 hinzu:

 

So würde es ohne UNVEIL klingen:

 

Für sich alleine genommen mag das beeindruckend klingen, in einem voll instrumentierten Arrangement wird jedoch der Platz für andere Instrumente eng.

Dieser Loop aus Indie Rock von Ueberschall ist eigentlich schon fertig gemischt:

 

Man könnte das alles so lassen – aber wie wäre es, wenn man mit einem Kompressor mehr Dampf machen möchte, ohne dabei gleich den Raumanteil mit zu erfassen?

Mit UNVEIL klingt der Mix so:

 

Jetzt kann man bequem einen Kompressor auf den Loop loslassen, z.B. den Drawmer 1973 Multiband Kompressor von Softube:

 

Inhalt:

1. Einleitung
2. Zusammenfassung
3. Definition des Arbeitsbereiches und Abgrenzung zu anderen Werkzeugen
4. Installation
5. Unveil in der Praxis
6. Die technischen Details
7. UNVEIL und Klangdesign
8. CPU-Leistungseinforderung
9. Fazit